BT-Drucksache 18/5366

Aufklärung von Wegrollvorgängen bei der Bahn aufgrund der Gleisneigung in Bahnhöfen

Vom 19. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5366
18. Wahlperiode 19.06.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Leidig, Caren Lay, Herbert Behrens,
Matthias W. Birkwald, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Aufklärung von Wegrollvorgängen bei der Bahn aufgrund der Gleisneigung in
Bahnhöfen

Die horizontale Lage von Bahnhofsgleisen ist für die Sicherheit des Bahnbetrie-
bes von großer Bedeutung. Bei modernen Zügen wird dieser Aspekt immer
wichtiger, da der Losbrechwiderstand, also die benötigte Kraft, damit sich ein
Zug selbständig in Bewegung setzt, immer geringer wird. Der Hauptgrund für
diesen verminderten Widerstand ist die Verwendung von modernen Rollenachs-
lagern anstelle der früheren Gleitachslager. Das bedeutet, dass das Risiko für das
Wegrollen auch bei geringen Gleisneigungen bei modernen Zügen immer höher
wird.
Die Eisenbahnbau- und Betriebsordnung (EBO) besagt in §7 Absatz 2 in ihrer
gültigen Fassung: „Die Längsneigung von Bahnhofsgleisen, ausgenommen
Rangiergleise und solche Bahnhofsgleise, in denen die Güterzüge durch
Schwerkraft aufgelöst oder gebildet werden, soll bei Neubauten 2,5 v. T. nicht
überschreiten.“ Im Kölner Hauptbahnhof haben die wichtigen Gleise 4 bis 9
eine Längsneigung von maximal 3,68 Promille, Randgleise haben sogar eine
Maximalneigung von 6,8 Promille (Dipl.-Ing. Sven Andersen „Gutachten über
die Beurteilung der überhöhten Gleisneigung beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21
unter Berücksichtigung der Anforderungen aus der EBO und dem bisherigen
Verfahrensablauf“ vom 4. Oktober 2014). Die Längsneigung der Gleise im Köl-
ner Hauptbahnhof liegt damit deutlich über dem für Bahnhofsneubauten gelten-
den Grenzwert der EBO. Damit stellt der Kölner Hauptbahnhof ein gutes Refe-
renzobjekt dar, um die Auswirkungen höherer Gleisneigungen auf den Bahn-
betrieb zu untersuchen.
Im Normalfall sind Züge im Bahnhof gebremst, um ein Wegrollen zu verhin-
dern. Durch technisches oder menschliches Versagen kann es jedoch dazu kom-
men, dass sich Züge selbständig in Bewegung setzen. Da solche Wegrollvor-
gänge ein erhebliches Risiko für die Reisenden darstellen, müssen sie eingehend
untersucht werden, um die Ursachen dafür möglichst beheben zu können und so-
mit zu vermeiden, dass Personen bei solchen Vorgängen zu Schaden kommen.
Solche Untersuchungen von Unfällen und Beinaheunfällen sind für die Sicher-
heit des Eisenbahnverkehrs unerlässlich.
In den Jahren 2010 bis 2014 kam es den bisherigen Angaben der Bundesregie-
rung zufolge zu 17 Wegrollvorgängen im Kölner Hauptbahnhof, bei denen
häufig InterCitys, aber auch ICE und ein Thalys-Zug betroffen waren (Antwort
der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 69 des Abgeordneten Matthias
Gastel auf Bundestagsdrucksache 18/4044). In Presseberichten heißt es dazu:

Drucksache 18/5366 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
„Dabei wurden 2010 zwei Personen und 2011 eine Person leicht verletzt.“ (Köl-
ner Stadt-Anzeiger vom 19. Juni 2013).
Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass bei weitem nicht alle solche
Vorgänge, insbesondere wenn sie keine direkten gefährlichen Konsequenzen ha-
ben, an die zuständigen Stellen weitergemeldet werden. Somit ist von einer ho-
hen Dunkelziffer nicht gemeldeter und somit auch nicht untersuchter Vorgänge
auszugehen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Auf welchen Gleisen mit welcher genauen Längsneigung haben die erfass-

ten Wegrollvorgänge im Kölner Hauptbahnhof stattgefunden (bitte tabella-
rische Auflistung aller Vorgänge)?

2. Wie viele Personen wurden bei diesen Vorgängen in welcher Schwere ver-
letzt?

3. Wie, durch welche zuständige Stelle und in welchem Zeitrahmen wurden
bzw. werden diese und andere Wegrollvorgänge untersucht?

4. Welche Gründe für das Wegrollen sind bei den Analysen jeweils festgestellt
worden?

5. Welche der untersuchten Wegrollvorgänge hätten durch eine – in diesem
Falle technisch bzw. baulich unmögliche – längs-horizontale Lage der
Gleise im Kölner Hauptbahnhof verhindert werden können?

6. Welche weiteren Untersuchungen stehen noch aus, und aus welchem Grund
wurden diese bislang noch nicht abgeschlossen?

7. Welche Wegrollvorgänge in welchen anderen Bahnhöfen wurden der Eisen-
bahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes oder einer anderen zuständigen
Stelle seit dem Jahr 2000 angezeigt?

8. Hat die Bundesregierung Kenntnis über weitere Wegrollvorgänge?
Wenn ja, welche weiteren entsprechenden Vorgänge sind der Bundesregie-
rung bekannt?

9. Welche Empfehlungen für die Erhöhung der Sicherheit sind aufgrund der
Analysen zu Wegrollvorfällen von der Eisenbahn-Unfalluntersuchungs-
stelle des Bundes oder einer anderen zuständigen Stelle gegeben worden?

10. Welche Empfehlungen für die Erhöhung der Sicherheit sind nach Kenntnis
der Bundesregierung aufgrund der Analysen zu Wegrollvorfällen von Eisen-
bahn-Unfalluntersuchungsstellen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen
Union (EU) erlassen worden?

11. Wie schätzt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Ereignisse im
Kölner Hauptbahnhof die gemäß Planfeststellungsbeschluss mehr als vier-
mal höhere Längsneigung der Gleise im geplanten neuen Stuttgarter Tief-
bahnhof ein?

12. Welche Soll- oder Kann-Bestimmungen (Angabe in Promille) geben nach
Kenntnis der Bundesregierung jeweils die anderen EU-Mitgliedstaaten für
die Längsneigung von Bahnhofsgleisen für Bahnhöfe, in denen auch Hoch-
geschwindigkeitszüge halten (bitte tabellarische Auflistung), vor?

13. Welche Empfehlungen für die Längsneigung von Bahnhofsgleisen geben
die Europäische Eisenbahnagentur (ERA), der Internationale Eisenbahnver-
band (UIC) oder andere internationale Eisenbahnorganisationen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5366
14. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung eine Regelung wie die in China,
der zufolge Bahnhofsgleise in Bahnhöfen, in denen Hochgeschwindigkeits-
züge halten, völlig eben anzulegen sind?

Berlin, den 18. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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