BT-Drucksache 18/5357

Aktionsplan Bündnis für nachhaltige Textilien und Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte - Aktivitäten der Bundesregierung zum Thema Unternehmensverantwortung

Vom 24. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5357
18. Wahlperiode 24.06.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Kathrin Vogler
und der Fraktion DIE LINKE.

Aktionsplan Bündnis für nachhaltige Textilien und Nationaler Aktionsplan
für Wirtschaft und Menschenrechte – Aktivitäten der Bundesregierung
zum Thema Unternehmensverantwortung

Als der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Dr. Gerd Müller, im Oktober 2014 den Aktionsplan Bündnis für nachhaltige
Textilien (Textilbündnis) vorstellte, rieten die großen deutschen Textilverbände
ihren Mitgliedern vom Beitritt öffentlich ab. Nach langen Verhandlungen
erfuhr der Bundesminister aus der Presse vom Ausstieg der Branchenvertreter;
die gemeinsame Pressekonferenz musste er kurzfristig absagen. Zahlreiche
Medien werteten dies als Affront („Textilindustrie brüskiert Minister Müller“,
www.zeit.de/wirtschaft/2014-10/mueller-textilindustrie).
Parallel startete die Bundesregierung im November 2014 den Prozess zur Er-
arbeitung eines Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte
(NAP), der Ende des Jahres 2016 zum Abschluss kommen soll. Laut EU-Vor-
gabe hätten die Mitgliedstaaten diesen jedoch schon Ende des Jahres 2012 vor-
legen sollen, um die im Jahr 2011 beschlossenen Leitprinzipien für Wirtschaft
und Menschenrechte der Vereinten Nationen voranzubringen. Nachdem Länder
wie Großbritannien oder die Niederlande bereits im Jahr 2013 ihre nationalen
Aktionspläne vorgestellt hatten, blieb die Bundesregierung lange Zeit weiter
untätig.
Auf einer hochrangig besetzten Konferenz des Bundesministeriums für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und des Bundesministe-
riums für Arbeit und Soziales (BMAS) im März 2015 am Pariser Platz deklarier-
ten der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Dr. Gerd Müller, und die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea
Nahles, den Beginn des Prozesses zur Erstellung des nationalen Aktionsplans zu
einem historischen Ereignis. Die Bundesministerin Andrea Nahles verglich
seine Bedeutung mit dem Fall der Berliner Mauer. Der Bundesminister Dr. Gerd
Müller erklärte den Tag der Konferenz zum Anfang vom Ende der weltweiten
Kinderarbeit.
Bisher fanden im Rahmen des NAP-Prozesses zwei Konferenzen statt, auf de-
nen wortreich allgemeine Denkanstöße der Stakeholder diskutiert wurden.
„Welche Fragen zu welchem Zeitpunkt und in welchem Ausmaß bearbeitet wer-
den“, lautete ein Ergebnis der zweiten Konferenz am 6. Mai 2015, „müsse im
Laufe des nun weiteren NAP-Prozesses entschieden werden“ (Dokumentation
der zweiten Konferenz NAP, Auswärtiges Amt). Als ein zentrales Hindernis für
die Einhaltung der Menschenrechte und ökologischer Mindeststandards nannte

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der stellvertretende Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte e. V.
(DIMR), dass es bisher keine angemessenen staatlichen Unterstützungsleistun-
gen für Unternehmen bei der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten gebe. Das Aus-
wärtige Amt ließ vom DIMR ein so genanntes National Baseline Assessment
erstellen, das den Status quo der Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirt-
schaft und Menschenrechte in Deutschland darstellen soll. Das Assessment
nennt als Strukturen, die bereits heute Unternehmen bei der Einhaltung ihrer
Sorgfaltspflichten unterstützen, neben dem Nationalen Corporate Social Re-
sponsibility(CSR)-Forum unter dem Dach des BMAS, den CSR-Kompetenz-
zentren der Auslandshandelskammern, der Ausrichtung des Zertifikatslehr-
gangs „CSR-Manager“ durch die Industrie- und Handelskammern, der mög-
lichen Beratung und Unterstützung durch die Nationale Kontaktstelle für die
OECD-Leitsätze (OECD – Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung) auch das im BMZ angesiedelte Sekretariat des Global Com-
pact-Netzwerkes. Außer dem Status-quo-Bericht durch das Baseline Assess-
ment liegen im NAP-Prozess bisher keine konkreten Papiere vor.
Wenn das Kabinett den Aktionsplan wie angekündigt Ende des Jahres 2016 be-
schließen und er zu Beginn des Jahres 2017 der Öffentlichkeit vorliegen wird,
werden bereits die Listenplatzaufstellungen und Vorbereitungen für den Bun-
destagswahlkampf im Jahr 2017 laufen. Die Realisierung größerer politischer
Projekte noch vor der Bundestagswahl im Oktober 2017 ist dann jedoch äußerst
unwahrscheinlich.
Mit dem Textilbündnis und dem Prozess zur Erarbeitung des NAP als zentrale
Elemente setzte die Bundesregierung das Thema „Unternehmensverantwor-
tung“ auf die Agenda des G7 (www.bundesregierung.de/Content/DE/Statische-
Seiten/G7/2014-10-08-ankuendigung-gipfel-elmau.html). Durch öffentliche
Auftritte und Verlautbarungen, etwa Ende März 2015 bei einer Veranstal-
tung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), machte die Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel das Thema zur Chefsache und steigerte den Erfolgsdruck
zusätzlich (www.dgb.de/themen/++co++d0b280f6-b208-11e4-ab33-
52540023ef1a).
Im Dezember 2014 tauschte der Bundesminister Dr. Gerd Müller seinen bis dato
für das Textilbündnis verantwortlichen Verhandlungsführer aus. Gewerkschaf-
ten und Menschenrechtler verwies das BMZ nun in eine „Interims-Steuerungs-
gruppe“ ohne konkrete Aufgaben. „Die Arbeit am Aktionsplan setzten die Ver-
bände nun alleine fort“, schreibt zu den Vorgängen das Nachrichtenmagazin
„DER SPIEGEL“ (DER SPIEGEL „Weichspüler“, Kristiana Ludwig, 30. Mai
2015).
Während sich in der ursprünglichen Version des Aktionsplans Bündnis für nach-
haltige Textilien die Unterzeichner zu „ […] sozialen, ökologischen und öko-
nomischen Zielen in Bezug auf die einzelnen Stufen der Lieferkette […]“ bis
zum Jahr 2020 verpflichten sollten, heißt es nun „Die Mitglieder des Textilbünd-
nis[ses] verpflichten sich auf einen gemeinsamen Prozess der Zielverfolgung
mit dem Zweck der Erreichung der Bündnis-Standards und Ziele“. Die Bündnis-
vereinbarung aus dem Jahr 2014 umfasste insgesamt 65 Seiten. In sieben An-
nexen enthielt sie detaillierte Ziele. Die aktuelle Version ist nur noch elf Seiten
stark. Konkrete Vorgaben sind nicht mehr Bestandteil des Aktionsplans. Einen
festen Zeitrahmen gibt es nicht mehr.
Das BMZ hat zudem einem weiteren zentralen Anliegen der Privatwirtschaft
stattgegeben und auch die Allgemeingültigkeit der Vereinbarung für alle beitre-
tenden Unternehmen aufgehoben. So heißt es in der neuen Version jetzt: „Die
Bündnismitglieder sind sich einig, dass die Ziele nicht von allen Partnern auf
gleichem Niveau und zum selben Zeitpunkt erfüllt werden können.“ Der aktu-
elle Aktionsplan enthält also im Gegensatz zu seiner ursprünglichen Fassung
weder konkrete Zielvorgaben noch einen konkreten Zeitplan und kann anhand

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nicht geklärter Kriterien auch je nach Größe der Unternehmen individuell ange-
passt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wer hat die Überarbeitung des Aktionsplans Bündnis für nachhaltige Ent-

wicklung vorgenommen?
a) Welche konkreten Aufgaben hatte dabei die „Interims-Steuergruppe“?
b) Welche Aufgaben hatten die Verbände?
c) Welche Aufgaben hatte das BMZ?
d) Welche Aufgaben hatten die Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesell-

schaft?
2. Wie sind die Arbeitsgruppen konstituiert, die laut Aussage des BMZ aktuell

die Annexe des Aktionsplans überarbeiten (bitte genau aufschlüsseln)?
3. Wann werden die überarbeiteten Annexe vorliegen?
4. Werden die Arbeitsgruppen auch Ergebnisse in Form von verpflichtenden

Standards vorlegen?
5. Bis wann und von wem werden verpflichtende Standards erarbeitet?
6. Welche Vertreterinnen und Vertreter sind Mitglieder des Steuerungskreises,

und wer hat sie nach welchen Kriterien ausgewählt?
a) Wie oft und wann wird der Steuerungskreis tagen?
b) Welchen Zeitplan gibt sich der Steuerungskreis für die Erreichung seiner

Ziele?
7. Welchen internationalen Initiativen soll sich das Textilbündnis nach Absicht

der Bundesregierung anschließen?
8. Nach welchen konkreten Kriterien sollen kleinere Unternehmen von wel-

chen Standards und Zeitplänen abweichen können?
9. Wer entscheidet gegebenenfalls, was eine „ausbleibende oder unzurei-

chende Zielverfolgung“ durch einzelne Mitglieder des Aktionsplans kon-
kret bedeuten?
a) Welche Sanktionen soll es in diesem Fall geben?
b) Wer verhängt gegebenenfalls die Sanktionen?
c) Für welchen Fall ist ein Ausschluss aus dem Bündnis vorgesehen?
d) Wer entscheidet gegebenenfalls über den Ausschluss aus dem Bündnis?
e) Welche konkreten Konsequenzen hat ein Ausschluss für das sanktio-

nierte Unternehmen?
10. Warum hat die Bundesregierung angesichts der bereits lange verstrichenen

Vorgabe der EU, einen NAP bis zum Jahr 2012 vorzulegen, erst Ende des
Jahres 2014 den Prozess zur Erstellung gestartet?
a) Warum ist dieser angesichts der Dringlichkeit auf ganze zwei Jahre an-

gelegt?
b) Welche Konsequenzen hatte die Nichteinhaltung der EU-Vorgabe, bis

Ende des Jahres 2012 den fertigen Aktionsplan vorzulegen?
11. Welches weitere Vorgehen plant die Bundesregierung nach Erstellung des

NAP Ende des Jahres 2016?

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a) Wird sie die Empfehlungen noch in dieser Legislaturperiode verbindlich
umsetzen?

b) Betrachtet sie die Ergebnisse nur als unverbindliche Empfehlungen?
12. Welche Kosten hat das vom Auswärtigen Amt im Rahmen des NAP-Prozes-

ses beim DIMR in Auftrag gegebene National Baseline Assessment verur-
sacht, und aus welchem Haushaltstitel wurde das DIMR dafür bezahlt?

13. Welche Verfahrensbeteiligten gab es bei der Erstellung des National Base-
line Assessments?

14. Welche sind die im National Baseline Assessment erwähnten branchen-
spezifischen Verbände, die Informationen zum Themenbereich Wirtschaft
und Menschenrechte verbreiten und die die Bundesregierung fördert (bitte
genauen Betrag und Empfänger auflisten)?

15. Plant die Bundesregierung weitere Unterstützungsangebote zur Beratung
von Unternehmen zur Einhaltung ihrer Sorgfaltspflichten, und warum sind
ggf. die bisherigen Angebote unzureichend?

16. Wieso folgt die Bundesregierung nicht dem Leitprinzip 3 für Wirtschaft und
Menschenrechte der Vereinten Nationen, Buchstabe a, in dem es heißt: „Zur
Wahrnehmung ihrer Schutzpflichten sollten Staaten Rechtsvorschriften
durchsetzen, deren Ziel oder Wirkung darin besteht, von Wirtschaftsunter-
nehmen die Achtung der Menschenrechte einzufordern, und in regelmäßi-
gen Abständen die Hinlänglichkeit dieser Rechtsvorschriften zu bewerten
und etwaige Lücken zu schließen;“?

Berlin, den 23. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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