BT-Drucksache 18/5309

Entscheidung zu Typ und Bewaffnung von Kampfdrohnen noch im Jahr 2015

Vom 18. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5309
18. Wahlperiode 18.06.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Katrin Kunert, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Entscheidung zu Typ und Bewaffnung von Kampfdrohnen noch im Jahr 2015

Bereits Ende des Jahres 2015 könnte das Bundesministerium der Verteidigung
(BMVg) festlegen, mit welchem Typ einer Kampfdrohne (Bundesregierung:
„bewaffnungsfähige Drohne“) die Bundeswehr für die nächsten Jahre ausgerüs-
tet wird (Bundestagsdrucksache 18/5022). Anvisiert ist, dass der Generalinspek-
teur der Bundeswehr bis zum vierten Quartal 2015 eine Übersicht über entspre-
chende Vorschläge erhält. Zunächst geht es um die sogenannte Überbrückungs-
lösung. Danach soll ein „multilaterales Drohnenprojekt“ folgen, wozu die Bun-
desregierung, Frankreich und Italien bei den Rüstungsunternehmen Airbus,
Dassault Aviation und Alenia Aermacchi eine Studie beauftragt hat. Ziel ist die
Entwicklung einer bewaffneten Drohne der MALE-Klasse (Medium Altitude
Long Endurance), die statt Raketen auch Überwachungssensorik befördern
kann. Laut der Bundesregierung wollen sich andere Länder in einer späteren
Entwicklungsphase ebenfalls an dem Projekt beteiligen.
Als Termin für die Verfügbarkeit der „europäischen Drohne“ gilt das Jahr 2025.
Bis dahin will die Bundeswehr Drohnen anderer Hersteller per Leasingvertrag
beschaffen. Nach derzeitigem Stand stehen für die „Überbrückungslösung“ zwei
Modelle zur Debatte: die „Predator B“ (auch „Reaper“ genannt) des US-Herstel-
lers General Atomics oder die „Heron TP“ vom israelischen Rüstungskonzern
IAI. Die Antwort der Bundesregierung beschreibt einen weit fortgeschrittenen
Verhandlungsstand mit General Atomics. Demnach haben etliche Treffen der
Luftwaffe und anderen zuständigen Bundeswehr-Dienststellen mit der US Air
Force stattgefunden. Auch die deutsche Botschaft und das BMVg waren betei-
ligt. Mehrere Studien sowohl zur „Heron TP“ als auch zur „Predator B“ hätten
nach Auskunft der Bundesregierung gezeigt, dass beide Drohnen in bestimmten
Bereichen mit den in Deutschland zugrunde gelegten Zulassungsvorschriften
nicht übereinstimmen (Schriftliche Frage 5/103 des Abgeordneten Andrej
Hunko vom 19. Mai 2015, Antwort vom 9. Juni 2015). Eine solche „Gap“-Ana-
lyse wurde für die „Predator“ auch durch die US Air Force durchgeführt.
Die Bundesregierung schreibt nicht, wer als etwaiger Vertragspartner für den
Leasingvertrag zwischen Bundeswehr und General Atomics verantwortlich
wäre. Vermutlich würde dies über den Schweizer Rüstungskonzern RUAG Hol-
ding AG übernommen. Beide Firmen gingen eine Partnerschaft zur Vermark-
tung der „Predator“ in Europa ein. Die Beschaffung der ebenfalls in den USA
gefertigten Riesendrohne „Euro Hawk“ scheiterte vor zwei Jahren an Fragen der
Zulassbarkeit. Damit sich dieses Desaster nicht wiederholt, möchte das BMVg
die RUAG Holding AG zu einer sogenannten Musterprüfleitstelle ernennen. Die
Firma begleitet den Prozess der Zulassung dann bis zum Ende. Mit einem Pro-

Drucksache 18/5309 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
totyp der „Predator“ würden dann entsprechende Tests vorgenommen. Auch mit
dem israelischen Verteidigungsministerium führte die Bundeswehr „Abstim-
mungsgespräche zu Zulassungsaspekten“ der Drohne „Heron“. Der Hersteller
hat sich mit Airbus ebenfalls einen europäischen Partner für die etwaige Ver-
marktung und Zulassung in Deutschland gesucht.
Erstmals macht die Bundesregierung Angaben über die mögliche Bewaffnung
der „bewaffnungsfähigen Drohne“. Demnach soll diese mit „angetriebenen und
nicht angetriebenen Luft-Boden-Effektoren“ bestückt werden. Auch Zielbe-
leuchtungsgeräte könnten montiert werden. Eine hierzu in Auftrag gegebene
Studie soll entsprechende Anforderungen der Bundeswehr definieren. Auch die
anvisierte „europäische Drohne“ wird Waffen tragen können. Zu den Anforde-
rungen heißt es, die Drohne solle über Aufhängepunkte für „Luft-Boden-Lenk-
flugkörper und Präzisionsbewaffnung“ verfügen. Die Waffen werden vage als
„Effektortypen“ bezeichnet, früher sprach die Bundesregierung auch von
„Wirkmitteln“. Würde die „Predator“ mit einer europäischen Rakete bestückt,
könnte sich die Bundeswehr für den „Brimstone“ („Zitronenfalter“, „Schwefel“)
der Rüstungsschmiede MBDA entscheiden. Laut dem Hersteller zeichnet sich
die Rakete durch „geringe Kollateralschäden“ aus. Die Angriffswaffe wurde be-
reits an „Predator“ getestet.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Auf welche Weise und mit welchen Abteilungen halten das BMVg und die

Bundeswehr hinsichtlich der Vorstudie über ein „multilaterales Drohnenpro-
jekt“ Kontakt zu den Auftragnehmern Airbus, Dassault Aviation und Alenia
Aermacchi (Bundestagsdrucksache 18/5022)?

2. Wann, wo und durch wen wurden die „amtsinternen Untersuchungen“ zur
Zulassbarkeit der „Heron TP“ durchgeführt, und wie belastbar sind die Er-
gebnisse?
a) Welche geltenden Zulassungsvorschriften wurden hierfür zugrunde ge-

legt?
b) Welche konkreten Bereiche wurden „identifiziert, die mit den in Deutsch-

land zugrunde gelegten Zulassungsvorschriften nicht übereinstimmen“?
c) Welche Vorschläge werden von den Durchführenden zur Behebung dieser

Defizite gemacht?
d) Inwiefern haben Bundesbehörden mit dem Hersteller der „Heron TP“, der

israelischen Regierung oder der Firma Airbus bereits (wie mit der Firma
RUAG Holding AG) über die etwaige spätere Überlassung eines Proto-
typs für Zulassungsverfahren gesprochen, und welche Verabredungen
wurden getroffen?

e) Aus welchem Grund wurden die Untersuchungen anders als bei der „Pre-
dator B“ amtsintern durchgeführt und nicht an einen externen Auftragneh-
mer vergeben?

f) Inwiefern hält die Bundesregierung die Ergebnisse der Untersuchung den-
noch für vergleichbar mit jenen der RUAG Holding AG und der US Air
Force?

3. Aus welchen Gründen ist die „Predator B“ in der Version „Block 1“ laut
einem Gutachten der Firma RUAG Holding AG in Deutschland nicht zulass-
bar?
a) Welche Vorschläge werden von der RUAG Holding AG zur Behebung

dieser Defizite gemacht?
b) Welche Zulassungsvorschriften wurden hierfür zugrunde gelegt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5309
4. Welche weiteren Verhandlungen mit der Firma RUAG Holding AG sind aus
Sicht der Bundesregierung nach der Prüfung einer „Leistungsbeschreibung
mit Angebotsaufforderung“ für die vertragliche Umsetzung des durch das
Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundes-
wehr verfolgten „Risikominimierungsansatzes“ zur Zulassung einer US-
Drohne in Deutschland erforderlich?

5. Wann, durch wen und auf welcher vertraglichen Grundlage wurde nach
Kenntnis der Bundesregierung die „Gap“-Analyse der US Air Force beauf-
tragt und durchgeführt?
a) Welche geltenden Zulassungsvorschriften wurden hierfür zugrunde ge-

legt?
b) Welche konkreten Bereiche wurden „identifiziert, die mit den in Deutsch-

land zugrunde gelegten Zulassungsvorschriften nicht übereinstimmen“?
c) Welche Vorschläge werden von der RUAG Holding AG zur Behebung

dieser Defizite gemacht?
6. Was ist der Bundesregierung über weitere Baureihen der „Predator B“ hin-

sichtlich der Weiterentwicklung der „Block 1“ bekannt?
a) Worin bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung wesentliche Unter-

schiede?
b) Welche dieser technischen Neuerungen könnten aus Sicht der Bundes-

regierung die in den Untersuchungen zutage geförderten Defizite be-
heben?

c) Inwiefern wäre es aus Sicht der Bundesregierung möglich, diese Defizite
teilweise durch den Einbau eines durch die Bundeswehr und die NATO
zertifizierten Kommunikationsgerätes der Firma ROHDE & SCHWARZ
GmbH & Co. KG zu beheben (Bundestagsdrucksache 18/4911)?

7. Was ist der Bundesregierung aus Gesprächen des BMVg, der Luftwaffe, der
Bundeswehr oder der Deutschen Botschaft mit US-Behörden bzw. US-Fir-
men über Investitionen und Programme von General Atomics zur Zertifizie-
rung der „Predator“ gemäß europäischen oder NATO-Standards bekannt?
a) Die Einhaltung welcher dieser in einer Pressemitteilung von General

Atomics vom 15. Juni 2015 aufgeführten Standards (http://media.ga.com/
2015/06/15/certifiable-predator-b-completes-critical-design-review/) wä-
ren aus Sicht der Bundesregierung erforderlich, um die „Predator“ in
Deutschland zuzulassen?

b) Welche Anforderungen an Systeme zum „Detect and Avoid“ und zur Ver-
meidung von Kollisionen müssten für eine zivile und militärische Zulas-
sung in Deutschland erfüllt werden?

c) Welche Tests der „Predator“ sind nach Kenntnis der Bundesregierung
hierfür in den USA vorgesehen, und inwiefern sollen Bundesbehörden
(etwa als Beobachter) hieran teilnehmen?

d) Wann könnten die Tests laut Aussage von General Atomics beendet sein,
und wann wäre mit der frühestmöglichen Auslieferung einer entsprechen-
den zertifizierten „Predator“ in der Version „B“ zu rechnen?

e) Inwiefern wären hiervon auch Standards bzw. Zertifikate für den Betrieb
der „Predator“ im zivilen Luftraum erfasst?

8. Wie viele Drohnen der US-Streitkräfte befinden sich nach Kenntnis der
Bundesregierung derzeit in Deutschland (bitte wie auf Bundestagsdrucksache
17/14401 unter Angabe der jeweiligen Stützpunkte und Drohnentypen auf-
führen)?

Drucksache 18/5309 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
9. Was ist der Bundesregierung über die Zahl des Bedienungspersonals für die
Drohnen bekannt, und inwiefern hat sich diese Zahl für das Jahr 2015
gegenüber dem Vorjahr erhöht oder verringert?

10. Was ist der Bundesregierung über den Ausbau von Anlagen zur Unterbrin-
gung von US-Soldaten bekannt?

11. Was ist der Bundesregierung über den derzeitigen Neubau bzw. Ausbau
flugbetrieblicher Anlagen in Grafenwöhr bekannt, und inwiefern steht die-
ser im Kontext der Nutzung durch Drohnen?

12. In welchem Zeitraum werden welche Manöver von US-Streitkräften in den
Jahren 2015 und 2016 in Grafenwöhr und Hohenfels abgehalten, und welche
Flugzeuge sollen dabei in welchem Umfang zum Einsatz kommen?

13. Inwiefern geht die Bundesregierung weiterhin davon aus, dass sich ein US-
Kontrollzentrum zur Steuerung bzw. Auswertung der Daten von Drohnen-
angriffen nicht in Ramstein, sondern „außerhalb der Bundesrepublik
Deutschland befindet, da die Baubeschreibung lediglich die Errichtung einer
Station zur Weiterleitung von Daten über Satelliten (SATCOM-Relay) spe-
zifiziert“ (Bundestagsdrucksache 17/14401)?

14. Mit welchen weiteren „interessierten Ländern“ fanden Gespräche über eine
mögliche Beteiligung an einem „unbemannten Aufklärungsflugzeug das
auch bewaffnet werden kann“ statt (Bundestagsdrucksache 18/5022)?
a) Wer hat diese Gespräche geführt?
b) Welche Länder haben zu einer späteren „Einbindung“ welche Aussage

gemacht?
c) Welche Dienstreisen haben Angehörige des BMVg und der für eine Zu-

lassung von Luftfahrtgerät zuständigen Bereiche der Bundeswehr bereits
zu welchen Herstellern eines „unbemannten Aufklärungsflugzeug[s],
das auch bewaffnet werden kann“ durchgeführt, um die Zulassbarkeit
des jeweils betreffenden Systems in Deutschland zu ermitteln (bitte je-
weils den Zeitpunkt der Reisen angeben)?

d) Welchen Inhalt bzw. welche Ergebnisse haben die „Abstimmungsge-
spräche“ zu „Zulassungsaspekten von unbemannten Luftfahrzeugen“
mit dem israelischen Verteidigungsministerium?

15. Welche bewaffnungsfähigen Drohnen hält die Bundesregierung derzeit als
Übergangslösung für grundsätzlich geeignet, „die Funktionalen Forderun-
gen der ‚FFF MALE UAS Überbrückungslösung‘ zu erfüllen“ (Bundes-
tagsdrucksache 18/5022)?

16. Welche Angaben enthält der Letter of Acceptance sowie dessen „Anpas-
sung nach Unterzeichnung“ (Bundestagsdrucksache 18/5022) zur Festle-
gung der durch Deutschland geforderten möglichen Bewaffnung einer
Drohne von General Atomics (bitte angeben, welcher Art die Bewaffnung
mit „Luft-Boden-Effektoren“ sein soll)?

17. Was ist der Bundesregierung über Einzelheiten zu Plänen Italiens hinsicht-
lich der Einrichtung eines „Center of Excellence“ für Drohnen in Italien
bekannt (Bundestagsdrucksache 18/5022)?

18. Was ist der Bundesregierung aus gemeinsamen Drohnen-Arbeitsgruppen
darüber bekannt, inwiefern Frankreich ebenfalls in Erwägung zieht, Droh-
nen des Typs „Predator“ zu beschaffen, und inwiefern ist beabsichtigt, Ver-
fahren zur Zertifizierung oder Zulassung gemeinsam mit deutschen Behör-
den zu betreiben (Onlineausgabe der Libération vom 14. Juni 2015)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5309
19. Was ist der Bundesregierung aus gemeinsamen Drohnen-Arbeitsgruppen
darüber bekannt, inwiefern ein vom Hersteller der „Predator“ an Italien
gelieferter Simulator auch von Streitkräften anderer Länder (mithin auch
der Bundeswehr) genutzt werden könnte, und welche Angabe haben ita-
lienische Militärs hierzu gemacht (Onlineausgabe Defense World.net vom
16. Juni 2015)?

20. Inwiefern haben auch Angehörige der Bundeswehr bereits Simulatoren der
„Predator“ getestet oder diese sogar für Ausbildungszwecke genutzt, und
um welche Anlagen handelte es sich dabei?

21. Inwiefern wurde bei Gesprächen des BMVg, der Luftwaffe, der Bundes-
wehr oder der Deutschen Botschaft mit US-Behörden bzw. General
Atomics für den Fall einer deutschen Beschaffung der „Predator“ auch über
die mögliche Beschaffung bzw. Nutzung von Simulatoren verhandelt, und
welche Angaben kann die Bundesregierung zu entsprechenden Vorschlägen
machen?

22. Welche „angetriebenen und nicht angetriebenen Luft-Boden-Effektoren“
(beispielsweise Bordkanonen, Luft-Luft-Lenkflugkörper, Luft-Boden-
Lenkflugkörper, Präzisionsbomben, Mehrzweckbomben, Submunitionsbe-
hälter oder Kernwaffen), die an bemannte militärische Luftfahrzeuge mon-
tiert werden können, nutzt die Bundeswehr zurzeit (bitte kategorisieren und
mit Typenbezeichnung sowie Herstellern angeben)?

23. Welche „Präzisionsbewaffnung“, die an bemannte militärische Luftfahr-
zeuge montiert werden kann, nutzt die Bundeswehr (bitte kategorisieren
und mit Typenbezeichnung sowie Herstellern angeben)?

24. Welche dieser „angetriebenen und nicht angetriebenen Luft-Boden-Effek-
toren“ bzw. welche Typen der der „Präzisionsbewaffnung“ wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung von den Herstellern bereits an Drohnen ge-
testet, und was ist der Bundesregierung über entsprechende Ergebnisse die-
ser Tests bekannt?

25. Welche Prüfvorgänge hat der Bundesanwalt zur Rolle des US-Stützpunktes
Ramstein im US-Drohnenkrieg angelegt, und wann wurden diese jeweils
begonnen oder beendet (SPIEGEL ONLINE vom 29. Mai 2015)?

Berlin, den 17. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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