BT-Drucksache 18/523

Sittenwidrige Kfz-Kennzeichen

Vom 13. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/523
18. Wahlperiode 13.02.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland),
Kersten Steinke, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Sittenwidrige Kfz-Kennzeichen

Bei der Neuanmeldung eines Fahrzeugs für seinen bereits rund 30 Kfz (Kraft-
fahrzeuge) umfassenden Firmenfuhrpark wurde der Wunsch eines Spediteurs im
oberbayerischen Wolfratshausen nach einem Kennzeichen mit seinem Namens-
und Firmenkürzel „HH“ von der Zulassungsstelle negativ beschieden. Die Zu-
lassungsstelle erklärte, es gäbe eine Weisung des Bundesverkehrsministeriums,
wonach die für nationalsozialistische Begriffe stehenden Kürzel KZ (Konzen-
trationslager), NS (Nationalsozialismus), SA (Sturmabteilung), SS (Schutz-
staffel), HJ (Hitlerjugend), AH (Adolf Hitler) und HH (Heil Hitler) „nicht
auf Kfz-Kennzeichen erscheinen dürfen“. Auf Nachfrage der Onlinezeitung
„TELEPOLIS“ hieß es hierzu aus dem Bundesverkehrsministerium, die Fahr-
zeug-Zulassungsverordnung regle nur, „dass die Zeichenkombination der Er-
kennungsnummer des Kennzeichens sowie die Kombination aus Unterschei-
dungszeichen und Erkennungsnummer nicht gegen die guten Sitten verstoßen
dürfen.“ Der Vollzug des Zulassungsrechts ist Länderangelegenheit. Ein Bund-
Länder-Fachausschuss Fahrzeugzulassung hatte im Jahr 2000 beschlossen, dass
die Länder mit entsprechenden Empfehlungen, Weisungen und Erlassen die Ver-
wendung von Buchstabenkombinationen vermeiden sollten, die „unerwünschte
Wortbildungen ergeben“ (www.heise.de/tp/artikel/40/40752/1.html).
Entsprechend vergibt die Nürnberger Kfz-Zulassungsstelle keine Kennzeichen
mit den Buchstabenkombinationen N-PD und N-S. Kennzeichen mit der Kom-
bination N-SU können kostenlos umgetauscht werden (www.sueddeutsche.de/
auto/autokennzeichen-in-nuernberg-boese-buchstaben-1.1863861).
Während nach einem Senatsbeschluss aus dem Jahr 1985 die nachfolgenden
Buchstabenkombinationen HJ, KZ, NS, SA, SS und SD nicht mehr zugeteilt
wurden, bleibt die Länderkennung HH in der Hansestadt Hamburg weiterhin er-
laubt. Im norddeutschen Kreis Steinburg wird die Kombination IZ-AN nicht
vergeben, weil sie rückwärts gelesen Nazi heißt. Im Kreis Dithmarschen ist die
Kombination HEI-L untersagt (www.abendblatt.de/hamburg/article123915714/
Verstoesst-das-HH-Kennzeichen-gegen-die-guten-Sitten.html).
Der Brandenburger Verfassungsschutz wiederum warnt vor Nummernschildern
mit Ziffern- und Buchstabenkombinationen, die von Neonazis als Erkennungs-
code genutzt werden können. Hierzu zählen beispielsweise die Ziffernkombina-
tionen 18 (erster und achter Buchstabe des Alphabets als Abkürzung für
Adolf Hitler), 88 (Heil Hitler) und 14 (gemeint ist das als Fourteen Words
bekannte rassistische Glaubensbekenntnis der White-Power-Bewegung in den
USA) (www.heise.de/tp/artikel/40/40752/1.html). So bekam der bekannte
Münchner Neonazi P. H. ein Kennzeichen mit der Wunschkombination M-PH
1488 (www.sueddeutsche.de/auto/autokennzeichen-in-nuernberg-boese-
buchstaben-1.1863861).

Drucksache 18/523 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche politisch oder moralisch begründeten Einschränkungen für die Ver-

gabe von Kfz-Ziffern- und Buchstaben-Kennzeichenkombinationen beste-
hen durch Bundesbehörden, und wie bindend sind diese für die Länder?

2. Welche politisch oder moralisch begründeten Einschränkungen bei der Ver-
gabe von Kfz-Ziffern- und Buchstaben-Kennzeichenkombinationen beste-
hen nach Kenntnis der Bundesregierung in den einzelnen Bundesländern?

3. Was genau versteht die Bundesregierung unter einer Zeichenkombination
der Erkennungsnummer des Kennzeichens sowie einer Kombination aus
Unterscheidungszeichen und Erkennungsnummer, die gegen die guten Sit-
ten verstoßen?

4. Gibt es vonseiten der Bundesregierung einen Empfehlungskatalog mit
Buchstaben- und Ziffernkombinationen, die aus Sicht der Bundesregierung
gegen die guten Sitten verstoßen, und wenn ja, welche Kombinationen wer-
den darin mit welcher Begründung genannt?

5. Gibt es vonseiten des Bund-Länder-Fachausschusses Fahrzeugzulassung ei-
nen Empfehlungskatalog mit Buchstaben- und Ziffernkombinationen, die
aus Sicht der Bundesregierung gegen die guten Sitten verstoßen, und wenn
ja, welche Kombinationen werden darin mit welcher Begründung genannt?

6. Welche Regelungen der Länder zur Umsetzung der Fahrzeug-Zulassungs-
verordnung bezüglich der gegen die guten Sitten verstoßenden Buchstaben-
und Ziffernkombinationen auf Kfz-Kennzeichen sind der Bundesregierung
bekannt?

7. Welche tatsächlichen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die ge-
zielte Verwendung von Buchstaben- und Ziffernkombinationen durch
Rechtsextremisten (bitte Beispiele benennen)?

8. Inwieweit sind die Länder nach Ansicht der Bundesregierung bei der Lis-
tung von unerwünschten, verbotenen bzw. sittenwidrigen Buchstaben- und
Ziffernkombinationen dazu angehalten, auch Abkürzungen ausländischer
rechtsextremer Organisationen zu berücksichtigen (z. B. in München M-HP
für die zu den Grauen Wölfen zählende türkische Partei der Nationalen Be-
wegung MHP)?

9. Hat die Bundesregierung Kenntnis von Beschwerden von Bürgerinnen und
Bürgern oder Verbänden bezüglich der Vergabe oder Nichtvergabe be-
stimmter Buchstaben- und Ziffernkombinationen auf Kfz-Kennzeichen ge-
genüber Bundes- oder Landesbehörden, und wenn ja, worauf bezog sich
diese Kritik im Einzelnen?

10. Inwieweit hält die Bundesregierung eine bundesweite Vereinheitlichung bei
den Regularien für die Vergabe oder Nichtvergabe bestimmter Buchstaben-
und Ziffernkombinationen bei Kfz-Kennzeichen für erforderlich oder wün-
schenswert?

Berlin, den 12. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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