BT-Drucksache 18/5199

Rassismus in Deutschland vor dem Ausschuss der Vereinten Nationen

Vom 12. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5199
18. Wahlperiode 12.06.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Da delen, Wolfgang Gehrcke, Jan Korte,
Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte, Azize Tank, Kathrin Vogler,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Rassismus in Deutschland vor dem Ausschuss der Vereinten Nationen

„Anschläge auf Asylbewerberheime, Pegida-Demos, Diskriminierung von Mi-
granten – Deutschland muss sich von den UN fragen lassen, was es 70 Jahre
nach dem Ende der Nazi-Herrschaft gegen den Rassismus tut“ (www.stuttgarter-
zeitung.de/inhalt.un-ausschuss-in-genf-deutschland-will-rassismus-staerker-
bekaempfen.d68e5741-3265-47a8-891c-fdb11c554d73.html). Diese Frage stellt
sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer hohen Zahl von politisch rechts,
rassistisch und antisemitisch motivierten Gewalttaten (siehe z. B. Bundestags-
drucksachen 18/4859 und 18/4858) sowie eines deutlichen Anstiegs von Angrif-
fen gegen Flüchtlingsunterkünfte (www.netz-gegen-nazis.de/artikel/chronik-
zu-angriffen-und-hetze-gegen-fl%C3%BCchtlinge-2015-9992).
Der UN-Fachausschuss zur Anti-Rassismus-Konvention (CERD, UN – Vereinte
Nationen) hat auf seiner Sitzung vom 27. April bis 15. Mai 2015 den Staaten-
bericht Deutschlands (www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/19_22_
CERD_Bericht.pdf?__blob=publicationFile) behandelt und überprüft, wie
Deutschland seine Verpflichtungen aus der UN-Anti-Rassismus-Konvention
(ICERD) umgesetzt hat. Aus der Befassung sind Empfehlungen für weitere
Handlungsschritte an die Bundesregierung ausgesprochen worden. Die Bundes-
regierung hatte ihren letzten Bericht im Jahr 2013 vorgelegt. In dem aktuellen
Bericht wird unter anderem auf 40 Seiten berichtet, was alles getan wurde, etwa
mit dem Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, dem Integrationsgipfel und
zahlreichen Maßnahmen in ganz Deutschland. Vor allem macht der Bericht aber
deutlich, wo der Staat keinen Handlungsbedarf sieht, so beispielsweise im
Bereich „Racial Profiling“ und bei den „rechtlichen Instrumenten, um gegen
Diskriminierung vorzugehen“ (www.mediendienst-integration.de/artikel/cerd-
berichterstattung-antirassismus-konvention-2015.html).
Für die am 5. und 6. Mai 2015 erfolgte Prüfung des deutschen Staatenberichts
durch den CERD hat das Deutsche Institut für Menschenrechte e. V. (DIMR)
einen Parallelbericht vorgelegt (www.institut-fuer-menschenrechte.de/filead-
min/user _upload/PDF-Dateien/UN-Dokumente/Parallelbericht_DIMR_an_
CERD_im_Rahmen_der_Pruefung_des_19_22_Staatenberichts_2015.pdf).
Neben dem DIMR haben weitere zivilgesellschaftliche Organisationen Berichte
vorgelegt (http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Session
Details1.aspx?SessionID=977&Lang=en).

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Von diesen, aber auch von Uwe-Karsten Heye, langjähriger Vorsitzender des
Vereins Gesicht zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e. V., und Markus
Löning, ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, gab es
Kritik am Staatenbericht der Bundesregierung. So habe die Bundesregierung
„die Optimierung der Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz als
Lehre aus dem NSU-Komplex“ angegeben, „rassistische Verhaltensweisen
einzelner Ermittler und institutionellen Rassismus als Ursache der erfolglosen
Ermittlungen aber würden ignoriert“ (www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/
?ressort=in&dig=2015%2F04%2F28%2Fa0056&cHash=879ce5d8689d68df2
d5c4b95e05d8723). Die Opferperspektive e. V. sieht in dem aktuellen Staaten-
bericht Deutschlands „ein Zeugnis der mangelnden Problembewältigungskom-
petenz der Bundesregierung. Ihr ist es bislang nicht gelungen, effektive Maß-
nahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu entwickeln und umzu-
setzen“ (www.opferperspektive.de/aktuelles/zivilgesellschaftliches-buendnis-
kritisiert-die-fehlerhaften-staatlichen-konsequenzen-aus-dem-nsu-komplex-
und-die-mangelhaften-massnahmen-gegen-rassismus).
Der UN-Ausschuss beklagt, dass die Inhalte der ICERD weder in der Öffent-
lichkeit noch bei Gerichten und Behörden bekannt sind. Daher spielt die Kon-
vention in der Rechtspraxis keine Rolle – obwohl sie geltendes Recht in
Deutschland ist (Punkt 8 des CERD-Berichts).
Der Ausschuss hat zudem im Zusammenhang mit den über Jahre erfolglosen
Ermittlungen bei der Aufklärung der Taten des NSU (Nationalsozialistischer
Untergrund) deutlich gemacht, dass Rassismus auch in staatlichen Institutionen
und Behörden ein Problem ist. Der Ausschuss sieht hier einen dringenden
Reformbedarf, damit vorurteilsfrei ermittelt wird und rassistische Taten durch
Polizei und Justiz besser erkannt werden (Punkt 10 des CERD-Berichts). Bereits
in einem Jahr erwartet der Ausschuss Informationen von Deutschland über die
Umsetzung von Reformen, ebenso zu den bislang ausgebliebenen wirksamen
Sanktionen auf die rassistischen Erklärungen von Thilo Sarrazin – entgegen
einer Empfehlung des CERD-Ausschusses nach einer Beschwerde des Türki-
schen Bundes in Berlin-Brandenburg (Punkt 26 des CERD-Berichts).
Problematisiert wird auch die Praxis der Bundespolizei, bei Kontrollen im
grenznahen Gebiet Personen nach äußerlichen Merkmalen, wie ihrer Hautfarbe
auszuwählen. Der Ausschuss empfiehlt Deutschland, die Rechtsgrundlagen für
die Personenkontrollen aufzuheben oder zu ändern, die Praxis des „Racial Pro-
filing“ in den Polizeigesetzen des Bundes und der Länder gesetzlich zu verbieten
und das Verbot rassistischer Diskriminierung zum festen Bestandteil der Ausbil-
dung zu machen (Punkt 11 des CERD-Berichts).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Kritik, dass Rassismus „in Deutsch-

land häufig sehr eng verstanden wird, indem er zumeist mit gewalttätigem
und organisiertem Rechtsextremismus gleichgesetzt wird“ (www.institut-
fuer-menschenrechte.de/presse/pressemitteilungen/meldung/article/
pressemitteilung-anlaesslich-der-pruefung-deutschlands-zur-umsetzung-
der-un-anti-rassismus-konventio/ sowie Punkt 7 des CERD-Berichts)?

2. Welche Schlussfolgerungen, Konsequenzen und Bewertungen zieht die Bun-
desregierung daraus, dass der CERD-Ausschuss auch beim aktuellen
Staatenbericht Deutschlands – wie übrigens bereits bezogen auf den 16. bis
18. Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland (siehe Bundestagsdruck-
sache 17/1881) – grundsätzliche Kritik äußert, wonach es keine gesetzliche
Definition rassistischer Diskriminierung in der Bundesrepublik Deutschland

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gebe, und inwieweit ist aus dem nach wie vor bestehenden Fehlen einer De-
finition zu schlussfolgern, dass die Bundesregierung „racial discrimination“
nicht im Einklang mit Artikel 1 Nummer 1 ICERD definieren will oder wo-
möglich sogar diese Definition nicht teilt (bitte ausführen)?

3. Teilt die Bundesregierung die Kritik des CERD-Ausschusses am Fehlen einer
gesetzlichen Definition von „racial discrimination“, und wie wird sie der
Aufforderung in Punkt 7b des CERD-Berichts nachkommen, eine Definition
von „racial discrimination“ zugrunde zu legen, die voll in Übereinstimmung
mit Artikel 1 Nummer 1 ICERD steht?
Wenn die Bundesregierung der Auffassung sein sollte, eine Definition zu
haben, die in vollem Einklang mit Artikel 1 Nummer 1 ICERD steht, wie
lautet diese, wo ist sie definiert oder veröffentlicht, und welche rechtliche
Bedeutung kommt dem zu?

4. Inwieweit berücksichtigt die Bundesregierung in ihren Stellungnahmen, Be-
wertungen und Analysen zum Thema Rassismus, dass es nach der rechtsver-
bindlichen Definition von „racial discrimination“ in Artikel 1 Nummer 1
ICERD nicht notwendigerweise auf eine rassistische Motivation oder Inten-
tion ankommt, um von rassistischer Diskriminierung sprechen zu können?

5. Wie legt die Bundesregierung die in Artikel 1 Nummer 1 ICERD nieder-
gelegte Definition von „racial discrimination“ aus, nach der es hierbei auch
auf die tatsächlichen Ergebnisse und Auswirkungen einer Ungleichbehand-
lung, die an den in Artikel 1 Nummer 1 genannten Merkmalen anknüpft, an-
kommt, und inwieweit wird die Bundesregierung öffentlichkeitswirksam und
intern (in Ministerien und Behörden, insbesondere der Bundespolizei, bitte
differenzieren) initiativ werden, um für ein umfassenderes Verständnis von
Rassismus bzw. rassistischer Diskriminierung zu werben?

6. Inwieweit ist ein verkürztes Verständnis von Rassismus bzw. rassistischer
Diskriminierung (siehe Frage 5) nach Auffassung der Bundesregierung eine
mögliche Erklärung dafür, dass die Kritik an Behördenmaßnahmen, z. B.
dem „Racial Profiling“, oftmals falsch verstanden und vorschnell zurückge-
wiesen wird, weil die Kritik so verstanden wird, als würde den Handelnden
oder Organisationen eine rassistische Motivation unterstellt, was, wie darge-
legt, nicht notwendigerweise der Fall sein muss (bitte ausführen)?

7. Inwieweit ist ein möglicherweise verkürztes Verständnis von rassistischer
Diskriminierung (siehe Frage 5) seitens der Bundesregierung eine Erklä-
rung dafür, dass sie den Vorwurf des „Racial Profiling“ durch die Bundes-
polizei auf der Grundlage von §§ 22 Absatz 1a des Bundespolizeigesetzes
stets zurückweist (z. B. in ihrer Vorbemerkung auf Bundestagsdrucksache
17/14569), obwohl sich z. B. der CERD-Ausschuss in Punkt 11 seiner ab-
schließenden Bemerkungen vom 15. Mai 2015 darüber besorgt zeigt, dass
diese Vorschrift „faktisch“ zu einer rassistischen Diskriminierung führt,
wenn unter anderem an das „äußere Erscheinungsbild einer Person“ oder
einem „Gefühl für bestimmte Situationen“ angeknüpft wird, d. h. dass es für
die Feststellung einer rassistischen Diskriminierung infolge anlassloser Poli-
zeikontrollen genügt, wenn diese in der Realität zur Folge haben, dass über-
durchschnittlich häufig Personen z. B. mit dunklerer Hautfarbe kontrolliert
werden und damit in ihre Freiheitsrechte eingegriffen wird (bitte ausführen)?

8. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Kritik an der Interpretation (Über-
setzung) von „racial discrimination“ als „Rassendiskriminierung“ statt „ras-
sistischer Diskriminierung“ (www.mediendienst-integration.de/artikel/cerd-
berichterstattung-antirassismus-konvention-2015.html, bitte ausführen)?

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9. Teilt die Bundesregierung die Definition des so genannten Macpherson-Be-
richts zum Mord an dem schwarzen Jugendlichen Stephen Lawrence, wo-
nach institutioneller Rassismus „das kollektive Versagen einer Organisation
[ist], für Menschen bezüglich ihrer Hautfarbe, Kultur oder ethnischen Her-
kunft geeignete und professionelle Leistungen zu erbringen. Er lässt sich in
Prozessen, Einstellungen und Verhaltensweisen festmachen, welche auf
eine Diskriminierung hinauslaufen und durch unbewusste Vorurteile, Igno-
ranz, Gedankenlosigkeit und rassistische Stereotypen ethnische Minderhei-
ten benachteiligen“?
Wenn nein, wie definiert die Bundesregierung „institutionellen Rassismus“
(www.interkulturellewoche.de/hefteintrag/2014/stimmungslagen-und-
herausforderungen-der-postmigrantischen-gesellschaft-0)?

10. Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung institutionellen Rassismus in
Deutschland, und wenn ja, wo und wie tritt er in Erscheinung?

11. Stimmt die Bundesregierung der im Innenausschuss des Deutschen Bundes-
tages am 20. Mai 2015 zum Thema „Racial Profiling“ geäußerten Auffas-
sung zu, dass dies schon rein rechnerisch kein Strukturproblem sein könne,
weil es bei Hundertausenden Kontrollen in den letzten Jahren nur 138 dies-
bezügliche Beschwerden und nur zehn Klagen gegeben habe, und zeigt
nicht gerade der Umstand, dass selbst die Opfer der rassistischen Übergriffe
durch mindestens einen Bundespolizisten in Hannover (www.ndr.de/nach-
richten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Fluechtlinge-in-Poli-
zeizelle-erniedrigt,misshandlung136.html) keine Anzeige und keine Be-
schwerde eingereicht haben, dass Zahlen hierzu wenig Aussagekraft haben
(bitte ausführen)?

12. Was sind nach Einschätzung der Bundesregierung die möglichen Gründe
dafür, dass sich Betroffene von rassistischem Behördenhandeln nicht an ge-
gebene Beschwerdestellen wenden oder Anzeige erstatten (bitte auflisten),
welche strukturellen Hürden sieht die Bundesregierung, die solche Opfer
von Beschwerden oder einer Strafanzeige abhalten, und inwieweit wird sie
zum Abbau dieser Hürden initiativ werden?
Inwieweit unterstützt sie zum Beispiel die Forderung nach Schaffung
einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle (vgl. Bundestagsdrucksache
18/4450)?

13. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass im Zusammenhang
mit den Ermittlungen zu den Morden des NSU das vermeintliche Versagen
der Sicherheitsbehörden auf Länder- und Bundesebene auf institutionellen
Rassismus im Sinne der Definition des Macpherson-Berichts zurückzufüh-
ren ist (www.interkulturellewoche.de/hefteintrag/2014/stimmungslagen-
und-herausforderungen-der-postmigrantischen-gesellschaft-0)?

14. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass der
Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muiznieks, von ihr die
Anerkennung einfordert, dass es in Deutschland einen „institutionellen Ras-
sismus“ gibt, weil sich erst dann effektive Maßnahmen zu dessen Bekämp-
fung unternehmen ließen (KNA-Meldung vom 5. Juni 2015)?

15. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass dem
Europarats-Menschenrechtskommissar Nils Muiznieks am Beispiel der
Misshandlung von Flüchtlingen durch die Bundespolizei in Hannover klar
geworden sei, dass institutioneller Rassismus existiere (KNA-Meldung
vom 5. Juni 2015)?

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16. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass sich
laut Europarats-Menschenrechtskommissar Nils Muiznieks am Beispiel der
Misshandlung von Flüchtlingen durch die Bundespolizei in Hannover die
Notwendigkeit einer von der Polizei unabhängigen öffentlichen Beschwer-
destelle zeige (KNA-Meldung vom 5. Juni 2015)?

17. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um gewalttätigen und
latent rassistischen Stimmungen, wie sie jetzt nach Auffassung der Frage-
steller im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu einer Dienststelle der
Bundespolizei in Hannover deutlich wurden (www.ndr.de/nachrichten/
niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Bundespolizei-Rassismus-und-
Gewalt-im-Netz,bundespolizei334.html), entgegenzuwirken?

18. Welche Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen zu den Themen Rassis-
mus, Diskriminierung, Ausgrenzung etc. werden im Rahmen der Aus- und
Fortbildung der Bundespolizei durchgeführt, und welchen Stellenwert neh-
men diese Themen ein?

19. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Ziele des „Nationalen Ak-
tionsplan gegen Rassismus“ (NAPgR), präventiv zum Schutz vor Gewalt
und Diskriminierung zu wirken und dem Rassismus den Boden zu entzie-
hen, erreicht werden konnten, angesichts der nach wie vor nach Auffassung
der Fragesteller hohen Zahl an rassistischen, fremdenfeindlichen und anti-
semitischen Gewalttaten sowohl der gestiegenen Zahl von Übergriffen auf
Flüchtlingsunterkünfte (siehe Vorbemerkung der Fragesteller)?

20. Inwieweit bleibt die Bundesregierung bei ihrer Aussage in der Vorbemer-
kung auf Bundestagsdrucksache 17/1881, wonach die „Äußerung der Euro-
päischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI), rassistisch
motivierte Straftaten würden vermutlich nicht immer als solche untersucht
und verfolgt, es sei denn, die Täter seien erkennbar Anhänger oder Sympa-
thisanten rechtsextremer Gruppen“ unzutreffend sei, vor dem Hintergrund,
dass als eine Konsequenz aus dem NSU-Komplex neben den schon bekann-
ten Fällen tödlicher rechter Gewalt auch 745 Fälle von versuchten und voll-
endeten Tötungsdelikten seit dem Jahr 1990 überprüft werden sollen, in
denen es bislang keine Täter gibt (www.netz-gegen-nazis.de/artikel/
interview-erfassungspraxis-politisch-rechts-motivierte-gewalt-9409)?

21. Welchen Stand hat die von der Bundesregierung angekündigte Überarbei-
tung der Kriterien für Politisch motivierte Kriminalität – rechts – und ins-
besondere des Themenkatalogs „Hasskriminalität“ (10. Bericht der Be-
auftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Oktober
2014)?

22. Welche konkreten Informationen und Bewertungen zu den durchgeführten
und im Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus dargestellten Maßnahmen
hat die Bundesregierung rund sechs Jahre nach Fertigstellung des Nationa-
len Aktionsplans gegen Rassismus von den beteiligten Ressorts eingeholt
und welche Anregungen für gegebenenfalls neue Handlungsbedarfe und
Schwerpunktsetzungen entgegengenommen (vgl. dazu Bundestagsdrucksa-
che 17/1881; bitte entsprechend der Ressorts auflisten)?

23. Welche Treffen oder andere Aktivitäten oder Abstimmungen hat es seitens
der Bundesregierung infolge ihrer Ankündigung auf Bundestagsdrucksache
17/1881 gegeben, wonach sie im „regelmäßigen Austausch zu Fragen und
Möglichkeiten der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
steht“ und vereinbart habe, dass die Weiterentwicklung der im Nationalen
Aktionsplan gegen Rassismus angesprochenen verschiedenen Aspekte der
Rassismusbekämpfung „in engem Dialog mit den NROs [NRO: Nicht-
regierungsorganisation] erfolgen soll“ (bitte auflisten)?

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24. Welche konkreten, nicht bereits im Jahr 2008 vorgelegten Nationalen Akti-
onsplan gegen Rassismus beschriebenen Vorhaben, Initiativen, Programme
etc. hat die Bundesregierung seit der Verabschiedung des Nationalen Akti-
onsplans gegen Rassismus initiiert, mit wem arbeitet sie hierbei zusammen,
und was ist der aktuelle Stand dieser Vorhaben?

25. Hat sich aus Sicht der Bundesregierung ein Bedarf zur Nachsteuerung des
Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus ergeben?
Wenn ja, in welchen Bereichen, und wenn nein, wie begründet die Bundes-
regierung ihre diesbezügliche Auffassung?

26. Gibt es seitens der Bundesregierung Planungen einer regelmäßigen Bericht-
erstattung über die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gegen Rassis-
mus, und wenn ja, in welcher Form soll eine solche Berichterstattung erfol-
gen, und wann wird der erste Bericht vorliegen?
Wenn nein, mit welcher Begründung will die Bundesregierung auf eine
solche Berichterstattung verzichten?

27. Warum ist die Bundesregierung in ihrem aktuellen Staatenbericht in ihren
Ausführungen zum Bereich „Teilnahme und Teilhabe an Bildung“ nicht auf
die Kritik am dreigliedrigen Schulsystem eingegangen, das auch im Bericht
des CERD dahingehend kritisiert wird, dass es zu einer frühen Selektion
führe, von der insbesondere Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache
betroffen sind, was zudem zur Segregation von „Randgruppen“ führe
(Punkt 13 des CERD-Berichts)?

28. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der von der ungarischen Regierung angestoßenen, nach Auffassung der
Fragesteller tendenziösen Befragung der Bevölkerung zu den Themen Ein-
wanderung, Asyl und Terrorismus (Fragen sind z. B.: „3. Do you agree that
mistaken immigration policies contribute tot he spread of terrorism? 4. Did
you know that economic immigrants cross the border illegally and that la-
tely their numbers have increased twentyfold?“; www.hungarianspectrum.
org/2015/04/25/viktor-orban-will-take-care-of-hungarys-unwanted-
immigrants/), die vom stellvertretenden Vorsitzenden der Europäischen
Kommission Frans Timmermanns als „bösartig und falsch“ bezeichnet
wurde, weil sie „Vorurteile gegen Fremde“ fördere (afp vom 2. Juni 2015),
und was unternimmt die Bundesregierung bilateral bzw. auf EU-Ebene, um
diese Kampagne gegen Einwanderer und Flüchtlinge zu stoppen?

29. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Äußerung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán: „Die
weltweit stattfindende Masseneinwanderung könnte das Anlitz von Euro-
pas Zivilisation verändern […] Es gib keinen Weg zurück aus einem multi-
kulturellen Europa, weder zu einem christlichen Europa, noch zu einer Welt
nationaler Kulturen“ (afp vom 2. Juni 2015), und inwieweit hat sie hierauf
bereits reagiert?

Berlin, den 11. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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