BT-Drucksache 18/5180

Seenotrettung auf dem Mittelmeer und deutsche Rettungskapazitäten

Vom 10. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5180
18. Wahlperiode 10.06.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Herbert Behrens, Jan Korte, Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, Christine Buchholz, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko,
Katrin Kunert, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Martina Renner,
Frank Tempel, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Seenotrettung auf dem Mittelmeer und deutsche Rettungskapazitäten

Am 8. Mai 2015 rettete das erste Mal ein deutsches Marine-Schiff über
400 Flüchtlinge im Mittelmeer aus Seenot, die Boote wurden vor Ort zerstört.
Die Fregatte „Hessen“ und das Versorgungsschiff „Berlin“ waren auf Anwei-
sung der Bundesregierung von der Atalanta-Mission zur Pirateriebekämpfung
vor dem Horn von Afrika abgezogen und in Reaktion auf das verheerende
Schiffsunglück im April 2015 mit mehr als 850 Toten im Mittelmeer mit dem
Ziel der Seenotrettung stationiert worden.
Die rechtlichen Grundlagen des Einsatzes sind bzw. waren zunächst noch nicht
vollständig geklärt (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. Mai 2015 „Zwei
deutsche Schiffe auf Rettungsmission im Mittelmeer“). Die Schiffe fahren unter
nationalem Mandat und es gibt Absprachen mit der italienischen Regierung bzw.
der Seenotleitstelle in Rom. Eine Beteiligung an der FRONTEX-Grenzschutz-
mission „Triton“ ist den Soldatinnen und Soldaten wegen des Trennungsgebots
nicht möglich (ebd.). Laut Meldung auf „www.bundeswehr.de“ vom 5. Mai
2015 ist die Rechtsgrundlage des Einsatzes Artikel 98 des Seerechtsüberein-
kommens der Vereinten Nationen. Die Schiffe sollen nach Erklärung der Bun-
desministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, „bis auf Weiteres
unbegrenzt zur Seenotrettung in dem Gebiet bleiben“ (dpa, 18. Mai 2015). Am
3. Juni 2015 wurde der Tender „Werra“ mit 66-köpfiger Besatzung und einer
Krankenstation zur Ablösung ins Mittelmeer entsandt (afp, 3. Juni 2015).
Bislang übernahmen auf staatlicher Seite vor allem italienische Marine- und
Küstenwacheeinheiten die Aufgabe der Seenotrettung. Nur auf konkrete Anfrage
halfen auch Schiffe der FRONTEX-Mission „Triton“, deren Einsatzleiter Klaus
Rösler gegenüber dem italienischen Innenministerium jedoch erklärte, dass nicht
jeder Anruf von einem Flüchtlingsboot ein Hilferuf sei und statt FRONTEX viel-
mehr das örtlich näher gelegene libysche Seenotrettungssystem informiert wer-
den solle (vgl. Presseerklärung von borderline-europe vom 10. Dezember 2014).
Die geretteten Flüchtlinge werden in der Regel in Italien an Land gebracht, das
damit nach den Regularien der Dublin-III-Verordnung für die Aufnahme, Unter-
bringung und Prüfung der Asylanträge der Geretteten zuständig ist. Die Europä-
ische Kommission hat am 27. Mai 2015 einen Vorschlag zur Verteilung von ins-
gesamt 40 000 Flüchtlingen innerhalb von zwei Jahren zur Entlastung Italiens
und Griechenlands vorgelegt, hiergegen gibt es jedoch zum Teil erhebliche Wi-
derstände aufseiten einiger Mitgliedstaaten. Am 26. Mai 2015 wurde das Man-

Drucksache 18/5180 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
dat der FRONTEX-Mission „Triton“ erweitert und sowohl finanziell als auch
vom Einsatzraum her „Mare Nostrum“ angeglichen. Am letzten Wochenende im
Mai 2015 wurde eine Rekordzahl von mehr als 5 000 Flüchtlingen auf 25 Boo-
ten vor der libyschen Küste aus Seenot gerettet, 880 Menschen nahm die Fre-
gatte „Hessen“ an Bord, 17 Menschen konnten von einem Schlauchboot nur
noch tot geborgen werden (dpa vom 31. Mai 2015). Im Jahr 2015 kamen bislang
etwa 1 800 Flüchtlinge auf dem Mittelmeer ums Leben.
Durch eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. wurde bekannt, dass die
Seenotrettung in der Nähe der libyschen Küste während des ursprünglichen
„Triton“-Mandats vor allem durch private Handelsschiffe erfolgte (vgl. Antwort
der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/5024): Während diese im
Zeitraum November 2014 (Beginn der „Triton“-Mission) bis April 2015 an allen
Rettungseinsätzen beteiligt waren und insgesamt 18 963 Menschen aus Seenot
retteten, trugen Schiffe der FRONTEX-Mission lediglich zur Rettung von 1 710
Menschen bei. Dabei sind private Handelsschiffe zur Rettung von Menschen in
größerer Zahl nicht ausgestattet. Den Seeleuten fehlt auch eine entsprechende
Ausbildung und sie sind infolge der oftmals dramatischen Rettungsmaßnahmen
häufig traumatisiert und überfordert (Neue Osnabrücker Zeitung, 11. Mai 2015).
Da Rettungsaktionen für die Reedereien mit zeitlichen und finanziellen Verlus-
ten verbunden sind, besteht die Gefahr, dass nur in eindeutigen Notfällen eine
Rettung erfolgt und in Zweifelsfällen Flüchtlingsboote umfahren werden (siehe
Vorbemerkung der Fragesteller auf Bundestagsdrucksache 18/5024).
Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ ist auf zwei Schiffen im Mittelmeer
aktiv (epd vom 11. Mai 2015), im Fall des Rettungsschiffes „Phoenix“ zusam-
men mit der privaten maltesischen Hilfsorganisation „MOAS“. Auch die MS
„Sea-Watch“ des gleichnamigen privaten Vereins ist auf dem Weg ins Mittel-
meer und will dort für mehr Aufmerksamkeit und effektivere Rettungsmaßnah-
men sorgen (www.sea-watch.org). Seit Oktober 2014 betreiben zahlreiche Frei-
willige das „Alarmphone” (www.watchthemed.net), eine Hotline für Flücht-
linge in Seenot, mit deren Hilfe Rettungsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet und
hinsichtlich ihrer konsequenten Durchführung kontrolliert werden sollen.
Am 29. Mai 2015 wurde das 150-jährige Bestehen der „Deutschen Gesellschaft
zur Rettung Schiffbrüchiger“ (DGzRS) im Beisein von Bundespräsident
Joachim Gauck gefeiert. Während der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas
de Maizière, die Rettungsoperation „Mare Nostrum“ als „Beihilfe zum Schlep-
perwesen“ (Süddeutsche Zeitung vom 8. Januar 2015) bezeichnet und ihre
Einstellung gefordert hatte, betonte der Bundespräsident Joachim Gauck ange-
sichts der Flüchtlingstragödien auf dem Mittelmeer, wie wichtig eine funktio-
nierende und ambitionierte Seenotrettung sei (kna, 29. Mai 2015). Die DGzRS
verfügte im Jahr 2013 über 20 Seenotkreuzer und 40 Rettungsboote und konnte
auf 180 angestellte und 800 freiwillige Rettungspersonen zurückgreifen. Der
im November 2014 gestarteten FRONTEX-Mission „Triton“ standen zunächst
nur sieben Boote, vier Flugzeuge, ein Helikopter und 65 Personen zur Verfü-
gung, seit Ende Mai 2015 sind es drei Flugzeuge, zwei Hubschrauber, sechs
Hochsee-Rettungsschiffe, zwölf Patrouillenboote sowie neun Debriefing- und
sechs Screening Teams (http://frontex.europa.eu/news/frontex-expands-its-
joint-operation-triton-udpbHP).
Bis Juni 2015 kamen nach FRONTEX-Angaben (afp, 4. Juni 2015) zudem
45 000 Flüchtlinge über die Ägäis in die EU – von der Türkei nach Grie-
chenland –, eine Steigerung um 500 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auf der
Insel Lesbos finden zeitweilig über 550 bis 750 neu ankommende Flüchtlinge
am Tag sehr schlechte Lebensbedingungen vor (www.watchthemed.net/reports/
view/139), generell ist die Lage auf den griechischen Inseln „dramatisch“ (dpa
vom 3. Juni 2015).

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Eine Seenotrettung auf der westlichen Mittelmeeroute, auf dem Weg nach Spa-
nien, ist häufig mit einer Zurückschiebung auf den afrikanischen Kontinent ver-
bunden. „Watch the Med“ berichtet von mehreren Rettungsaktionen durch ma-
rokkanische Einheiten, die die Geretteten zurück nach Marokko brachten (z. B.
www.watchthemed.net/index.php/reports/view/137). Der Ausbau von Seenot-
rettungseinheiten der nordafrikanischen Mittelmeeranrainer entspricht einer
Strategie, wie sie von Italien zur Abschreckung vorgeschlagen wurde und auch
von der Bundesregierung unterstützt wird (vgl. Bundestagsdrucksache 18/4794,
Antwort der Bundesregierung zu Frage 10). Mit der Vorverlagerung der Flücht-
lingsabwehr und Zurückweisung von Flüchtlingen durch afrikanische Behörden
wird das Zurückweisungsverbot der Genfer Flüchtlingskonvention indirekt
unterlaufen und die Aufgabe der Flüchtlingsaufnahme bzw. -abwehr auf den
afrikanischen Kontinent verschoben.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Schiffe befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit

im Mittelmeer mit dem vorrangigen oder zumindest nachrangigen Ziel der
Seenotrettung (bitte nach Schiffen, deren Ausstattung, Größe und Rettungs-
kapazitäten, Mandat bzw. Mission, Ort bzw. Region, Flaggenstaat usw. auf-
listen)?

2. Wie viele private Handelsschiffe passieren nach Kenntnis der Bundesregie-
rung migrationsrelevante Routen im Mittelmeer durchschnittlich im Monat
pro Jahr (bitte nach Routen bzw. Region getrennt auflisten)?

3. Wie verteilt sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der in den Jah-
ren 2014 und 2015 (soweit vorliegend, bitte auch monatlich auflisten) im
Mittelmeer aus der Seenot Geretteten auf zivile Handelsschiffe, behördliche
bzw. staatliche Schiffe und Schiffe unter einem FRONTEX-Mandat (bitte so
weit wie möglich weiter differenzieren nach Rettungsregion bzw. zentralen
Fluchtrouten, Flaggenstaaten der Rettungsboote, Seemeilenzonen usw.)?

4. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Umstand, dass laut ihrer Antwort zu Frage 1 auf Bundestagsdruck-
sache 18/5024 im Zeitraum November 2014 bis Ende April 2015 vor allem
private Handelsschiffe die Aufgabe der Seenotrettung in der Nähe der liby-
schen Küste übernommen haben, kaum jedoch Schiffe der FRONTEX-Mis-
sion „Triton“ (bitte ausführen), und inwieweit sollte die Rettung von Flücht-
lingen im Mittelmeer durch dafür ausgebildete staatliche Rettungseinheiten
erfolgen, statt durch private Handelsschiffe?

5. Inwieweit hat das Schreiben des FRONTEX-Einsatzleiters Klaus Röseler
(vgl. Pressemitteilung von borderline-europe vom 10. Dezember 2014) dazu
beigetragen, dass FRONTEX nur in nach Auffassung der Fragesteller ver-
gleichsweise geringem Umfang an der Seenotrettung vor der libyschen Küste
beteiligt war, und wie ist der genaue Wortlaut des der Bundesregierung offen-
kundig bekannten und von ihr als „einsatztaktische Empfehlung“ bezeichne-
ten Schreibens (vgl. Bundestagsdrucksache 18/3672, Antwort auf die Schrift-
liche Frage 27)?

6. Inwieweit sehen die Bundesregierung und insbesondere das Bundesministe-
rium des Innern (BMI) eine Mitverantwortung für den Anstieg der Todeszah-
len auf dem Mittelmeer nach der Einstellung von „Mare Nostrum“ (Interna-
tionale Organisation für Migration [IOM], Agenturmeldungen vom 21. April
2015), deren Beendigung und Ersetzung durch eine FRONTEX-Mission mit
eingeschränktem Mandat eine Forderung von Deutschland bzw. Bundesin-
nenminister Dr. Thomas de Maizière war (bitte auch die genaue Positionie-
rung der Bundesregierung nachzeichnen)?

Drucksache 18/5180 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
7. Inwieweit stimmt die Bundesregierung der Einschätzung des Kommissions-
präsidenten Jean-Claude Juncker zu, der erklärte: „Es war ein großer Fehler,
Mare Nostrum einzustellen“, und: „Das hat Menschenleben gekostet“
(DER TAGESSPIEGEL vom 29. April 2015), die sich deckt mit der fach-
lichen Einschätzung von Flavio di Giacomo von IOM: „Dass Mare Nostrum
im vergangenen November aufgegeben wurde, war ein schlimmer Fehler“,
danach habe es weiter Ankünfte gegeben, nur die Zahl der Toten habe zuge-
nommen (www.tagesschau.de vom 20. April 2015; bitte ausführen)?

8. Inwieweit sieht das BMI die FRONTEX-Mission „Triton“ als einen echten
Beitrag zum Schleppertum an, nachdem das „Triton“-Mandat mit dem Ziel
der Seenotrettung räumlich und finanziell der Mission „Mare Nostrum“
angeglichen wurde, vor dem Hintergrund, dass der Bundesinnenminister
Dr. Thomas de Maizère, erklärt hatte, dass „Mare Nostrum“ „objektiv auch
Beihilfe zum Schlepperwesen“ gewesen sei und den Schleppern dabei ge-
holfen habe, Milliardengewinne zu erzielen (vgl. Interview des Bundesin-
nenministers mit der Süddeutschen Zeitung vom 8. Januar 2015; bitte aus-
führen), und inwieweit revidiert der Bundesinnenminister gegebenenfalls
seine damaligen Äußerungen, etwa auch die, wonach sich „Mare Nostrum“
als „Brücke nach Europa“ herausgestellt habe, was auf Dauer so nicht sein
könne (www.bmi.bund.de/SharedDocs/Reden/DE/2014/09/haushaltsrede-
2015.html)?

9. In welcher Weise will die Bundesregierung ihre Beteiligung an der Seenot-
rettung im Mittelmeer gegebenenfalls ausweiten, wovon hängt dies ab, wel-
che entsprechenden Pläne oder Vorbereitungen gibt es, und unter welchen
Umständen sollen derzeit eingesetzte Schiffe bzw. Besatzungen im Verlauf
der Mission ausgetauscht werden (bitte so konkret wie möglich ausführen)?

10. Wie ist das jetzige Mandat bzw. die Planung und Ausführung des deutschen
Marineeinsatzes zur Seenotrettung im Mittelmeer (bitte so genau wie mög-
lich darstellen und Ausführungen, insbesondere auch zu den Aspekten:
rechtliche Grundlagen, geplante Dauer, vorgesehenes Einsatzgebiet, genaue
Finanzierung des Einsatzes und Höhe der Kosten, Verantwortlichkeiten,
Kommunikationswege, Personalausbildung und -wechsel, Kontrolle bzw.
Befragung und Festnahme von Personen, Umgang mit mutmaßlichen
Schleusern, Klärung von Identitäten, Umgang mit dem Refoulement-Ver-
bot, Verbringung in sichere Häfen usw. machen)?

11. Auf welcher Rechtsgrundlage basiert die Zerstörung von Flüchtlingsbooten
nach Rettungseinsätzen durch die deutsche Marine, und in welchen Fällen
geschieht dies (nicht)?
Zerstören nach Kenntnis der Bundesregierung auch die im Rahmen von
FRONTEX-Operationen bzw. die in nationaler Verantwortung anderer Län-
der eingesetzten Schiffe, insbesondere die italienische Küstenwache und
Marine, solche Boote, auf denen sich gerettete Flüchtlinge befanden (auf
welcher Rechtsgrundlage bzw. unter welchen Bedingungen), und wie wer-
den gegebenenfalls die rechtmäßigen Besitzer der zerstörten Boote entschä-
digt, wenn ihnen diese ohne ihr Wissen und Zutun entwendet wurden?

12. Inwieweit ist es rechtlich zulässig, deutsche Marine-Schiffe unter dem Man-
dat von FRONTEX, das den Auftrag der Grenzsicherung verfolgt, einzu-
setzen (bitte die entsprechende Rechtslage genau darstellen und nach dem
EU-Recht – FRONTEX-Verordnung usw. – bzw. dem deutschen Verfas-
sungsrecht und einfachem Recht differenzieren)?

13. Welche konkreten Beiträge liefert Deutschland derzeit für die FRONTEX-
Mission „Triton“ (bitte genau auflisten, auch nach den jeweiligen Kosten
und Kostenerstattungen durch FRONTEX), und welche weiteren Beiträge

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5180
sind durch die Bundesregierung angeboten worden, stehen auf Abruf bereit
oder sind von FRONTEX angefragt worden?

14. Wie verläuft die Finanzierung bzw. Kostenerstattung der von den Mitglied-
staaten für die FRONTEX-Mission „Triton“ bereitgestellten Schiffe, Flug-
zeuge, Geräte und Besatzungen, und inwieweit sieht die Bundesregierung
ein Problem darin, dass Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen
keine Militärschiffe der FRONTEX-Operation unterstellen darf (Frank-
furter Allgemeine Zeitung vom 6. Mai 2015 „Zwei deutsche Schiffe auf
Rettungsmission im Mittelmeer“), so dass der Einsatz nicht refinanziert
werden kann, und inwieweit wird sich die Bundesregierung vor diesem Hin-
tergrund für europäische Seenotrettungsaktionen einsetzen, die nicht unter
dem FRONTEX-Mandat laufen, bzw. dafür, vor allem nichtmilitärische
Rettungseinheiten zur Seenotrettung beizusteuern (bitte ausführen)?

15. Welche technischen, rechtlichen oder praktischen Probleme haben sich bis-
lang beim Einsatz der deutschen Schiffe bei der Seenotrettung ergeben, wie
wird der Einsatz bislang bewertet, und welche Änderungen sind gegebenen-
falls geplant (bitte darlegen)?

16. Welche Maßnahmen wurden ergriffen oder sind geplant hinsichtlich der
psychischen Belastungen für die Besatzungsmitglieder von Schiffen (der
deutschen Marine oder von privaten Handelsschiffen unter deutscher
Flagge) infolge der Rettungsmaßnahmen oder angesichts der Bergung von
Toten, und welche Erfahrungen liegen diesbezüglich bislang vor?

17. Welche Vereinbarungen, mündlich sowie schriftlich oder in der Praxis, gibt
es hinsichtlich des Rettungseinsatzes der deutschen Schiffe mit Italien bzw.
der Seenotleitstelle in Rom, mit anderen Staaten, mit EU-Behörden, Agen-
turen oder ganz konkret mit FRONTEX (bitte auflisten und ausführen)?

18. Welche Regelungen bestehen zu der Frage, wohin die von den deutschen
Schiffen geretteten Flüchtlinge gebracht werden sollen und welches Land
für die Aufnahme, Unterbringung und entsprechenden Asylprüfverfahren
zuständig sein soll?

19. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung auf der EU-Ebene generelle
Regelungen dahingehend, dass für Schutzsuchende, die im Mittelmeer in
Seenot gerettet werden, nicht automatisch das EU-Land zuständig ist, in das
Gerettete zunächst verbracht werden (bitte ausführen und mögliche Alter-
nativ-Regelungen zur geltenden Rechtslage und Praxis benennen), auch vor
dem Hintergrund, dass die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel beim
Besuch des maltesischen Ministerpräsidenten Joseph Muscat erklärte, dass
Flüchtlinge, die über das Mittelmeer kommen, „unsere gemeinsamen
Flüchtlinge“ seien (www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Artikel/2015/02/
2015-02-04-besuch-mp-malta.html)?

20. Welche Schiffe der Marine bzw. Bundeswehr sind derzeit wo im Einsatz,
und welche von ihnen stünden für Rettungsmaßnahmen im Mittelmeer zur
Verfügung oder sind zumindest technisch hierfür prinzipiell geeignet, wie
z. B. die beiden derzeit eingesetzten Schiffe (bitte Name und Art des Schif-
fes, derzeitiger Ort, Größenordnung, Höhe, Fahrgastaufnahmefähigkeit, Be-
satzung, Anzahl der Rettungsboote und Rettungsgüter usw. nach Schiffen
auflisten)?

21. Inwieweit ist es geplant oder wäre es möglich, auch auf zivile Rettungs-
schiffe zurückzugreifen, etwa der DGzRS, und gibt es hierzu Überlegungen,
Kontakte oder Initiativen, etwa auch hinsichtlich einer möglichen Unterstüt-
zung der DGzRS beim Ausbau geeigneter Rettungskapazitäten (bitte darle-
gen)?

Drucksache 18/5180 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
22. Inwieweit sind die DGzRS oder andere Rettungsgesellschaften in die der-
zeitigen deutschen Rettungsmaßnahmen im Mittelmeer einbezogen, etwa
zu Schulungs- und Beratungsaufgaben, Einsatz von Personal und Material
usw. (bitte im Einzelnen auflisten und ausführen)?

23. Wie viele Schiffe zur Seenotrettung welcher Größenordnung gibt es nach
Kenntnis der Bundesregierung aufseiten der zivilen Seenotrettungsdienste
(bitte differenziert auflisten)?

24. Hält die Bundesregierung das seit dem 26. Mai 2015 geltende Mandat für
die FRONTEX-Mission „Triton“ (http://frontex.europa.eu/news/frontex-
expands-its-joint-operation-triton-udpbHP) für ausreichend oder für ver-
besserungswürdig, angesichts des Umstands, dass auch während der Mis-
sion „Mare Nostrum“ immer noch fast 3 500 Menschen auf dem Mittelmeer
ertrunken sind (www.zeit.de vom 20. Februar 2015 „Wie viele Menschen
müssen sterben, bevor Europa handelt?“) und auch die jetzige Einsatzzone
nicht bis an die libysche Küste heranreicht?

25. Auf welche Art und Weise können zivile Handelsschiffe nach Kenntnis der
Bundesregierung aktuelle Positionsdaten von Schiffen der Grenzbehörden
anderer Länder (insbesondere von EU-Mittelmeeranrainern), aber auch von
Schiffen der FRONTEX-Operation erfahren, und wie ist der typische Ab-
lauf einer Rettungsaktion, wenn ein ziviles Handelsschiff oder ein behördli-
ches Schiff in nationaler Verantwortung bzw. im Mandat einer FRONTEX-
Mission auf eine Notlage aufmerksam wird oder es entsprechende Erkennt-
nisse durch EUROSUR oder andere Überwachungs- und Beobachtungs-
maßnamen gibt (bitte differenziert darstellen)?

26. Nach welchen internationalen Abkommen oder Europäischen Verordnun-
gen müssen Handelsschiffe nach Kenntnis der Bundesregierung mit wel-
chem Mindestmaß an Rettungsgütern (Rettungsringe, -westen, -decken,
Erste-Hilfe-Ausstattung usw.) ausgestattet sein (bitte nach Vorschriften für
jedes Hilfsgut aufschlüsseln)?

27. Wo in Deutschland gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Stationen zu
Luftnotrettung (militärisch, staatlich, zivil), über wie viele Flugzeuge und
Hubschrauber welcher Rettungskapazität verfügen diese Luftnotrettungs-
stationen, und wie schnell könnten Fahrzeuge dieser Stationen eventuell im
Mittelmeer bei Seenotrettungen eingesetzt werden?
Welche Überlegungen oder Erfahrungen gibt es hierzu?

28. Hat sich nach Auffassung der Bundesregierung bestätigt, was die Euro-
päische Kommission zur Einführung des Grenzüberwachungssystems
EUROSUR angekündigt hat, dass nämlich damit „ein entscheidender Bei-
trag zur Rettung von Personen geleistet [würde], die sich selbst in Gefahr
begeben, um an die Küsten Europas zu gelangen“ (Pressemitteilung der
Europäischen Kommission vom 29. November 2013, „EUROSUR: Neue
Instrumente zur Rettung von Migranten und zur Verhütung von Straftaten an
den EU-Grenzen“), und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen
zieht die Bundesregierung aus heutiger Sicht aus der Erklärung der Innen-
kommissarin Cecilia Malmström: „EUROSUR ist eine echte europäische
Lösung, die es ermöglicht, Migranten auf überfüllten und nicht seetüchtigen
Booten zu retten und so weitere Flüchtlingstragödien im Mittelmeerraum zu
vermeiden […]“ (ebd.), angesichts des Umstands, dass viele Tausend Men-
schen nach Einführung von EUROSUR im Mittelmeer ums Leben gekom-
men sind?

29. Wie ist der aktuelle Stand von EUROSUR, insbesondere mit Blick auf die
Mittelmeerregion, und welche Daten und Erfahrungen zum konkreten Bei-
trag von EUROSUR zur effektiveren Seenotrettung im Mittelmeer liegen

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/5180
vor (bitte relevante Seenotrettungsfälle einzeln auflisten bzw. Angaben so
konkret wie möglich machen)?

30. Was haben die Einführung und die bisherige Unterhaltung des EUROSUR-
Systems bislang gekostet (bitte nach Jahren und nach Kosten für die EU, für
die einzelnen Mitgliedstaaten bzw. Deutschland auflisten)?

31. Werden innerhalb der EU oder innerhalb der Bundesregierung die Kosten
der Effektivierung der EU-Grenzsicherung (FRONTEX, EUROSUR, Er-
richtung von Zäunen, Auffanglagern usw., EU-Fonds zur Grenzsicherung
usw., zusätzlich nationale Grenzschutzmaßnahmen) einmal grundlegend
evaluiert und ins Verhältnis gesetzt zu möglichen Folgekosten, die entstehen
würden, wenn legale und sichere Einreisewege für Schutzsuchende eröffnet
würden, damit es zu keinem weiteren Massensterben im Mittelmeer kommt
und den Schleuserorganisationen, die bekämpft werden sollen, sofort und
effektiv die Geschäftsgrundlage entzogen würde (bitte ausführen)?

32. Welche nicht belastbaren Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu der
nach Auffassung der Fragesteller insoweit unbeantwortet gebliebenen
Frage 14 auf Bundestagsdrucksache 18/5024 vor, d. h. dazu, welche straf-
rechtlichen Folgen zivilen Handelsschiffen drohen, wenn sie Flüchtlinge
bzw. Personen ohne Einreiseerlaubnis in die EU an Bord nehmen und in
einen EU-Staat verbringen (Vorwurf der Schleusung und bzw. oder Bei-
hilfe zur illegalen Einreise usw.; bitte die konkrete EU-Rechtslage, die
Rechtslage in Deutschland und die Rechtslage – soweit der Bundesregie-
rung bekannt – anderer relevanter Mitgliedstaaten darstellen und in Bezug
auf die Situation der Seenotrettung im Mittelmeer ausführen)?

Berlin, den 9. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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