BT-Drucksache 18/5105

Empfehlungen der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" zur digitalen Bildung umsetzen

Vom 10. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5105
18. Wahlperiode 10.06.2015
Antrag
der Abgeordneten Özcan Mutlu, Tabea Rößner, Kai Gehring, Beate
Walter-Rosenheimer, Dr. Konstantin von Notz, Ulle Schauws, Katja Dörner,
Dr. Franziska Brantner, Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg, Kordula
Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe, Doris Wagner, Renate Künast und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Empfehlungen der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ zur
digitalen Bildung umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die digitale Gesellschaft ist technische und soziale Realität. Auch wenn in Deutsch-
land an vielen Stellen die dringend notwendige Infrastruktur zur notwendigen Be-
gleitung der Menschen in dieser digitalen Gesellschaft fehlt, ist der berufliche und
soziale Alltag ohne die Fähigkeit zum Umgang mit der digitalen Realität nicht oder
nur noch schwer zu bewältigen. Aus der zwangsläufigen und notwendigen Alltags-
praxis erwächst aber nicht automatisch die Fähigkeit zum selbstbestimmten Umgang
mit diesem Wandel oder die Kreativität zur eigenständigen Nutzung oder gar Wei-
terentwicklung der ökonomischen, sozialen und politischen Möglichkeiten, die sich
aus der digitalen Revolution ergeben. Digitale Bildung ist in diesem Zusammenhang
deshalb nicht nur als individueller, sondern auch als ökonomischer und sozialer Ent-
wicklungsprozess zu verstehen, der ohne die erfolgreiche Vermittlung von Medien-
kompetenz zum Scheitern verurteilt sein muss.

Medienkompetenz ist dabei die Fähigkeit, sich eine durch digitale Technik und Me-
dien geprägte Welt denkend, fühlend und handelnd selbstbestimmt, sozial verant-
wortlich und kompetent erschließen zu können. Der nicht nur reaktive, sondern pro-
duktive Umgang mit der digitalen Welt ist wie Lesen, Schreiben und Rechnen eine
Kulturtechnik. Diese muss, wie die anderen Kulturtechniken, möglichst früh gelehrt
und gelernt und dann auch altersübergreifend gefördert werden. Da digitale Bildung
vor allem nicht von Kindern und Jugendlichen aus sozio-ökonomisch benachteilig-
ten Familien erworben werden kann, kommt es vor allem auf formale und nonfor-
male Bildungsangebote an. Deshalb muss in frühkindlichen, schulischen, berufsbil-
denden, hochschulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen unserer Re-
publik auch digitale Bildung stattfinden. Nur so kann die digitale Spaltung der Ge-
sellschaft verhindert bzw. überwunden werden.

Der Deutsche Bundestag befasst sich seit Jahren intensiv mit netzpolitischen Frage-
stellungen und der Bedeutung des digitalen Wandels für die Gesellschaft. In der 17.
Wahlperiode richtete der Deutsche Bundestag eine Enquete-Kommission „Internet
und digitale Gesellschaft“ ein, die im März 2010 ihre insgesamt dreijährige Arbeit

Drucksache 18/5105 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
aufnahm. Im Einsetzungsbeschluss der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 17/950) verständigte man
sich, dass es Aufgabe der Kommission sei, konkrete Handlungsempfehlungen für
den Gesetzgeber zu erarbeiten.

Dieser Aufgabe kam die Kommission unter Einbeziehung des Wissens von 17 Sach-
verständigen und unter besonderer Einbeziehung der Öffentlichkeit („18. Sachver-
ständiger“) umfassend nach. Sie erarbeitete – dem Einsetzungsbeschluss weiter fol-
gend – in zwölf thematisch gegliederten Projektgruppen nicht nur eine umfassende
inhaltliche Bestandsaufnahme des weiten Themengebietes, sondern zudem insge-
samt hunderte konkrete Handlungsempfehlungen (vgl. Abschlussbericht auf Bun-
destagsdrucksache 17/12550).

Die in den zwölf Projektgruppen der Kommission erarbeiteten Berichte und Hand-
lungsempfehlungen wurden in zahlreichen Kommissionssitzungen umfassend bera-
ten, in Anhörungen und Fachgesprächen vertiefend erörtert, schließlich von den Mit-
gliedern der Kommission beschlossen und letztendlich mit großer interfraktioneller
Einigkeit im Plenum des Deutschen Bundestages verabschiedet. Während der Ple-
nardebatte am 18. April 2013 verwiesen die Mitglieder aller Fraktionen darauf, wie
wichtig es sei, die von der Kommission erarbeiteten Handlungsempfehlungen tat-
sächlich umzusetzen. In einer entsprechenden Initiative mit dem Titel „Den digitalen
Wandel politisch gestalten – Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission
„Internet und digitale Gesellschaft“ umsetzen“ (Bundestagsdrucksache 18/2880)
mahnte die antragstellende Fraktion, die Handlungsempfehlungen der Enquete-
Kommission auch tatsächlich umzusetzen.

Wie notwendig und dringend die Umsetzung dieser Handlungsempfehlungen gerade
im Bereich der digitalen Bildung tatsächlich ist, zeigen auch die Ergebnisse der kürz-
lich veröffentlichten „International Computer and Information Literacy Study 2014“
(ICILS 2014). Schülerinnen und Schüler aus Deutschland schneiden nur mittelmäßig
ab und die digitale Spaltung schreitet auch in unseren Bildungseinrichtungen voran.
Ein „Weiter so“ darf es deshalb nicht geben.

Zwar haben die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD mittlerweile einen Antrag
mit dem Titel „Durch Stärkung der Digitalen Bildung Medienkompetenz fördern und
digitale Spaltung überwinden“ (Drs. 18/4422) vorgelegt und im Plenum zur Diskus-
sion gestellt, dieser Antrag bleibt aber – wie die bisherigen Handlungen der Bundes-
regierung im Bereich digitale Bildung und Medien überhaupt – weit hinter den
Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission zurück.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

umgehend Vorschläge vorzulegen, wie die umfassenden Handlungsempfehlungen
der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ für alle Fragen digita-
ler Bildung, besonders jedoch aus den Bereichen
– frühkindliche Bildung, Primar- und Sekundarbildung,
– Hochschulbildung,
– Aus- und Weiterbildung,
– digitale Medien in Forschung und Wissenschaft: Open Access und Open Data,
– digitale Informations- und Kommunikationstechnologien als Gegenstand von

Forschung und Innovation sowie
– Potenziale von Informations- und Kommunikationstechnologien im Wissen-

schaftsbereich

schnellstmöglich umgesetzt werden können.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5105
Auf der Basis des neu gefassten Art. 91b Abs. 1 GG sind Vorschläge und Maßnah-
men vorzulegen, wie der Bund die Länder und Kommunen sowie Bildungs- und
Wissenschaftseinrichtungen bei der Umsetzung der Handlungsempfehlungen der
Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ unterstützen kann.

Berlin, den 9. Juni 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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