BT-Drucksache 18/5093

Entwicklungsfinanzierung vor dem Hintergrund universeller Nachhaltigkeitsziele

Vom 9. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5093
18. Wahlperiode 09.06.2015
Antrag
der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, Sabine Weiss, Frank Heinrich (Chemnitz),
Charles M. Huber, Dr. Georg Kippels, Jürgen Klimke, Johannes Selle, Peter Stein,
Waldemar Westermayer, Dagmar G. Wöhrl, Tobias Zech, Volker Kauder, Gerda
Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Axel Schäfer (Bochum),
Heinz-Joachim Barchmann, Klaus Barthel, Marco Bülow, Michaela Engelmeier,
Gabriela Heinrich, Josip Juratovic, Christine Lambrecht, Dr. Sascha Raabe,
Stefan Rebmann, Gabi Weber, Manfred Zöllmer, Thomas Oppermann und
der Fraktion der SPD

Entwicklungsfinanzierung vor dem Hintergrund universeller Nachhaltigkeitsziele

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Vom 13. bis 16. Juli 2015 wird in Addis Abeba die dritte Finanzierungskonferenz
der Vereinten Nationen stattfinden. Zentrale Aufgabe ist es, die zukünftige interna-
tionale Architektur für die Umsetzungsmittel der Post 2015-Agenda für nachhaltige
Entwicklung zu entwerfen. Die Konferenz wird die finanzielle Basis für ihre Umset-
zung legen. Die Ergebnisse werden daher wichtig für die VN-Generalversammlung
im September 2015 in New York sein, im Rahmen derer die globale Post 2015-
Agenda mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung beschlossen wird, die für
alle Länder bis 2030 gelten soll.

Das Abkommen zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba soll auf den Ergeb-
nissen der Konferenzen von Monterrey (2002) und Doha (2008) aufbauen. Im Sinne
des Monterrey-Konsensus sollte das Abkommen die Verantwortung eines jeden
Landes für die eigene Entwicklung widerspiegeln und dabei die Verantwortung der
Staatengemeinschaft für die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen stärken. Das
Abkommen sollte daher auch Maßnahmen beinhalten, die nicht im engeren Sinne
finanzieller Art sind. Dazu gehören zum Beispiel regulatorische Maßnahmen und
qualitative Aspekte wie die Verankerung von Transparenz, Rechenschaft und Kor-
ruptionsprävention. Wichtige Schwerpunkte sind dabei globale öffentliche Güter,
Eigenverantwortung von Entwicklungs- und Schwellenländern, nationale Finanzres-
sourcen zur Finanzierung von Entwicklung, Einbindung privaten Kapitals (national
wie international) sowie der wirksame und effiziente Einsatz von öffentlicher Finan-
zierung für Entwicklung.

Eine Leitfunktion für die Konferenz wird dem Bericht des zwischenstaatlichen Ex-
pertenausschusses zur Finanzierung nachhaltiger Entwicklung (ICESDF) vom
8. August 2014 zukommen. Er enthält einen umfassenden Überblick und Analysen

Drucksache 18/5093 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
zum Spektrum finanzieller Ressourcen und Instrumente zur Finanzierung nachhalti-
ger Entwicklung. Der wertvolle Bericht informiert über Finanzressourcen und die
Voraussetzungen ihrer Mobilisierung – ohne einseitige Verantwortlichkeiten (über
nationale Eigenverantwortung hinaus) zu definieren. Der Bericht verweist zudem
auf die wichtige Rolle der Darlehensfinanzierung über staatliche Entwicklungsban-
ken, die eine Mobilisierung zusätzlichen privaten Kapitals erlaubt. Die Bedeutung
verstärkter Mobilisierung einheimischer öffentlicher Ressourcen und privater Fi-
nanzmittel für Entwicklung wird betont. Er spricht sich für die Einhaltung der Zusa-
gen internationaler öffentlicher Finanzierung (ODA) in Höhe von 0,7 Prozent des
Bruttonationaleinkommens (BNE) aus. Über öffentliche Finanzierung hinausge-
hende Entwicklungsfaktoren werden thematisiert, z. B. private Kapitalströme und
Investitionstätigkeit, Handel, Technologietransfer, Finanzmarktstabilität sowie Be-
reitstellung und Schutz globaler öffentlicher Güter. Der ICESDF-Bericht wird im
Synthesebericht des VN-Generalsekretärs Ban Ki-moon vom Dezember 2014 als
wichtige Grundlage für den kommenden Post-2015-Verhandlungsprozess zu Recht
gewürdigt.

Die geschätzten Kosten für die Erreichung der globalen Entwicklungsziele ein-
schließlich der Bereitstellung und des Schutzes globaler öffentlicher Güter überstei-
gen die aus öffentlichen Haushalten bereitgestellten Mittel (ODA) bei weitem. Auch
wenn andere Finanzmittel wie z. B. die Rücküberweisungen von im Ausland leben-
den Staatsbürgern das ODA-Volumen um ein Vielfaches übersteigen, wird ODA
auch zukünftig eine wichtige Finanzierungsquelle für nachhaltige Entwicklung sein.
Vor allem fragilen Staaten und den Least Developed Countries (LDC) stehen weni-
ger alternative Finanzierungsformen wie z. B. nationale Steuereinnahmen sowie hei-
mische oder ausländische Investitionen zur Verfügung. Daher sollte sich die Ent-
wicklungsfinanzierung mittels ODA besonders auf diese Länder konzentrieren und
dabei das Vorkommen von Armut berücksichtigen. Der Grad der Konzessionalität
der Mittel könnte sich am Entwicklungsstand des Partnerlandes orientieren.

Die Umsetzung der Zusage, 0,7 Prozent des BNE für ODA einzusetzen, ist als eine
zentrale Forderung der Entwicklungsländer für die Konferenz in Addis Abeba zu
erwarten. Das Einhalten dieses Ziels ist immer komplementär zu eigenverantwortli-
chen Anstrengungen der Länder zu sehen; die in Paris, Accra und Busan vereinbar-
ten Wirksamkeitsprinzipien sind dabei wichtige Parameter. ODA sollte stärker zur
Mobilisierung privaten Kapitals genutzt werden. Dabei sollen auf der Konferenz in
Addis Abeba effektive Beiträge zum Einhalten von Menschenrechts- und Umwelt-
standards geleistet werden. Sie müssen kontrollierbar und sanktionierbar ausgestaltet
werden.

Dem Ausbau nationaler Finanzressourcen muss höhere Priorität gegeben werden.
Ein gerechtes und effektives Steuersystem ermöglicht den nationalen Regierungen,
durch entsprechende Steuereinahmen öffentliche Güter und Dienstleistungen wie
Gesundheits- und Bildungssysteme sowie Infrastruktur zu finanzieren. Eine ange-
messene progressive Ausgestaltung der Steuersysteme ermöglicht zudem einen so-
zialen Ausgleich der in Entwicklungs- und Schwellenländern häufig anzutreffenden
extremen Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen. Der Aufbau von
funktionierenden Steuersystemen ist ein wichtiger Baustein für die Reduzierung ex-
terner Hilfe und der Selbstbestimmtheit von Staaten.

Korruption, Steuervermeidung, Steuerhinterziehung und illegale Finanzströme (illi-
cit financial flows, IFF) untergraben die nachhaltige Mobilisierung eigener Einnah-
men in Entwicklungs- und Schwellenländern. Deutschland setzt sich in diesem Zu-
sammenhang dafür ein, dass diese Länder in die Lage versetzt werden, die neuen
globalen OECD-Standards gegen die Erosion der steuerlichen Bemessungsgrundla-
gen und grenzüberschreitende Gewinnverlagerung durch multinationale Konzerne
(Base Erosion and Profit Shifting, BEPS) zu erfüllen. Auch angemessene rechtliche
Regelungen für den Austausch von Informationen über Finanzkonten (Standard for

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5093
Automatic Exchange of Financial Account Information – Common Reporting Stan-
dard, AEoI) sollten erwogen werden. Dem Aufbau von effizienten nationalen Steu-
ersystemen und einer vertieften internationalen Steuerkooperation sollen künftig
mehr Bedeutung beigemessen werden.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass

1. die Bundesregierung für ihre entwicklungspolitische Zusammenarbeit im Rah-
men ihrer Haushaltsplanungen bereits finanzielle Vorsorge getroffen hat durch:
a) das „1. ODA-Paket“ zu Beginn der Wahlperiode in Höhe von zwei Mrd.

Euro;
b) das „2. ODA-Paket“ im Rahmen des Eckwertebeschlusses für den Finanz-

planungszeitraum 2016 bis 2019 in Höhe von 8,3 Mrd. Euro;
c) die Zuweisung eines Großteils der zusätzlichen Mittel aus dem „2. ODA-

Paket“ (rd. 3,3 Mrd. Euro im Finanzplanungszeitraum) zum Haushalt des
Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
der somit 2016 gegenüber 2015 um 860 Mio. Euro auf rd. 7,4 Mrd. Euro
aufwächst;

2. die kollektive öffentliche Entwicklungszusammenarbeit der EU (Organe und
Mitgliedstaaten) 2014 insgesamt auf 58,2 Mrd. Euro (+ 2,4 Prozent gegenüber
2013) stieg – und somit im zweiten Jahr in Folge einen Aufwuchs verzeichnet.

3. die Bunderegierung die bestehenden regionalen Steuerverwaltungsnetzwerke in
Lateinamerika (CIAT) und Afrika (ATAF) fördert und die Etablierung eines
vergleichbaren Netzwerkes in Asien anstrebt. Diese Netzwerke leisten einen
wichtigen Beitrag zur Süd-Süd-Kooperation, haben eine erhebliche Hebelwir-
kung auf regionale Steuerreformen und dienen als „regionale Stimme“ in den
internationalen Steuerprozessen.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. bei den anstehenden Verhandlungen entwicklungshemmenden Ungleichheiten
auf zwei Ebenen entgegenzutreten. Zum einen sind Maßnahmen zu ergreifen,
um große soziale Ungleichheiten innerhalb der und zwischen den Staaten zu
verringern. Der Aufbau wirksamer nationaler Steuersysteme und internationaler
Regelungen kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Zum andern sind Vor-
schläge zu unterbreiten, wie den sozialen Ungleichheiten innerhalb der Staaten,
die insbesondere auf Benachteiligungen auf Grund von Geschlecht, Herkunft,
Lebensalter, Religion, sexueller Orientierung oder Behinderung zurückzuführen
sind, effektiv entgegengewirkt werden kann,

2. im Rahmen der zusätzlich zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel (ODA-Pa-
kete) weitere Schritte zum Erreichen des „0,7-Prozent-Ziels“ zu unternehmen,

3. die Fähigkeit der Partnerländer zur Generierung von Eigenmitteln durch effek-
tive Steuersysteme und die Stärkung nationaler Kapitalmärkte stärker zu för-
dern. Ein besonderes Augenmerk sollte hier auf die Bedürfnisse kleiner und
mittlerer Unternehmen (KMU) gelegt werden, die in Entwicklungsländern für
einen Großteil der Arbeitsplätze verantwortlich zeichnen,

4. sich für einen robusten Monitoring- und Review-Mechanismus für die getroffe-
nen Verabredungen einzusetzen,

5. den internationalen Dialog über die Einführung alternativer innovativer und
nachhaltiger Finanzierungskonzepte für Entwicklung zu intensivieren. Denn
umfassende Ziele wie inklusive Entwicklung, ökologische Nachhaltigkeit oder
Frieden und Sicherheit lassen sich nicht allein über staatliche Entwicklungszu-
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/5093 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

sammenarbeit erreichen. Eine stärker international vernetzte Entwicklungszu-
sammenarbeit als Teil einer globalen Kooperation könnte Mittel dort einsetzen,
wo sie zur Lösung von globalen Problemen den größten Nutzen erbringen,

6. sich vor dem Hintergrund der globalen Solidarität international für ein gerechtes
und transparentes Steuersystem einzusetzen, um Steuervermeidung und -hinter-
ziehung zu bekämpfen und Steueroasen zu schließen.

Berlin, den 9. Juni 2015

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Thomas Oppermann und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.