BT-Drucksache 18/5013

Anstrengungen von Europol, INTERPOL und der Europäischen Kommission zum Aushebeln von Verschlüsselungstechniken

Vom 21. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5013
18. Wahlperiode 21.05.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Annette Groth, Ulla Jelpke, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau,
Harald Petzold (Havelland) und der Fraktion DIE LINKE.

Anstrengungen von Europol, INTERPOL und der Europäischen Kommission
zum Aushebeln von Verschlüsselungstechniken

Rob Wainwright, der Direktor des Europäischen Polizeiamts Europol, hat in In-
terviews mehrmals vor der zunehmenden Nutzung von Verschlüsselungstechno-
logien gewarnt (Onlineausgabe der BBC vom 29. März 2015, Onlineausgabe
Die Presse vom 5. Mai 2015). Verschlüsselung sei demnach „eines der Haupt-
instrumente von Terroristen und Kriminellen“. Sie verwendeten die Technolo-
gie, um „ihre Identitäten zu verbergen“. Der Europol-Chef, Rob Wainwright,
war Teilnehmer einer Konferenz im österreichischen St. Pölten mit 20 geladenen
europäischen Innenministern. Am sogenannten Salzburg Forum nahmen außer
Österreich, Italien und Deutschland vor allem südosteuropäische Länder teil.
Allerdings solle Verschlüsselung laut dem Europol-Chef nicht komplett ver-
boten werden. Auch seien Hintertüren eher ungeeignet, denn darüber würden die
Anwendungen womöglich auch von Dritten kompromittiert. Vielmehr sollten
Behörden „mit Technologiefirmen kooperieren“, um auf diese Weise „Zugang
zur Kommunikation jener Personen zu bekommen, die unsere Gesellschaft
beschädigen wollen“. Es ist unklar, welche „Technologiefirmen“ hier gemeint
sind. Vermutlich handelt es sich um die Firmen Google, Facebook und Micro-
soft, mit denen sich Europol bereits im Oktober 2014 zum Abendessen traf
(Bundestagsdrucksache 18/4582). Zusammen mit den Innenministern der Euro-
päischen Union (EU) wollte Europol die Internetdienstleister für einfachere Ver-
fahren zur Löschung unliebsamer Internetinhalte bewegen. Ein weiteres Treffen
mit den Internetdienstleistern soll diesen Monat stattfinden. Die Europäische
Kommission kündigte an, bei dem Treffen sollten auch „Bedenken der Strafver-
folgungsbehörden in Bezug auf die neuen Verschlüsselungstechniken Raum ge-
geben werden“ (Kommissionsdokument COM(2015) 185 final vom 28. April
2015).
Im Januar 2015 hatte bereits der EU-Anti-Terror-Koordinator Gilles de Kerchove
gefordert, Internet- und Telekommunikationsanbieter zum Einbau von Hinter-
türen für verschlüsselte Kommunikation zu zwingen (www.statewatch.org/
news/2015/jan/eu-council-ct-ds-1035-15.pdf). Die Forderung steht unter der
Überschrift „Verschlüsselung/Abhören“ und bezieht sich auf die Veröffent-
lichungen von Edward Snowden. Demnach würden im Zuge der NSA-Affäre
(NSA – National Security Agency) viele IT-Anbieter dezentrale Verschlüsse-
lungsverfahren anbieten, was das behördliche Abhören zusehends erschwere.
Die Europäische Kommission soll nun rechtliche Möglichkeiten untersuchen,
nach denen die Firmen zur Herausgabe von Schlüsseln gezwungen werden
könnten. Unklar ist, inwiefern dies lediglich in der EU ansässige Unternehmen

Drucksache 18/5013 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
beträfe. Mit einem ähnlichen Vorstoß hatte der britische Premierminister David
Cameron Furore gemacht, sein Vorschlag wurde vom US-Präsidenten Barack
Obama unterstützt (Onlineausgabe The Wall Street Journal vom 16. Januar 2015).
Auch der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, hatte sich zunächst
entsprechend geäußert. Auf dem „Internationalen Forum für Cybersicherheit“ im
nordfranzösischen Lille erklärte Dr. Thomas de Maizière laut „AFP“, die deut-
schen Sicherheitsbehörden müssten „befugt und in der Lage sein, verschlüsselte
Kommunikation zu entschlüsseln oder zu umgehen, wenn dies für ihre Arbeit zum
Schutz der Bevölkerung notwendig ist“ (Pressemitteilung des Bundesministeri-
ums des Innern – BMI – vom 20. Januar 2015, SPIEGEL ONLINE vom 21. Januar
2015). Verschlüsselte Internetkommunikation mache „an Landesgrenzen aber
nicht halt“. Ähnlich äußerte sich auch das Innenministerium Österreichs (future-
zone vom 22. Januar 2015).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. An welchen Treffen haben welche Bundesbehörden in den Jahren 2014 und

2015 teilgenommen, bei denen Angehörige von Europol, INTERPOL, der
Europäischen Kommission, dem Projekt ENLETS oder des EU-Anti-Ter-
rorismus-Koordinators vor einer zunehmenden Nutzung von Verschlüsse-
lungstechnologien gewarnt haben und bzw. oder forderten, Möglichkeiten
zu deren Umgehung, Aushebelung oder Unbrauchbarmachung zu befor-
schen oder einzuführen?

2. Welche Probleme wurden im Rahmen der Beiträge konkret definiert, und
welche Forderungen wurden erhoben?

3. Welche Beiträge haben Bundesbehörden aus diesem Anlass (auch reaktiv)
erbracht?

4. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern und mit welchem
Inhalt in den Jahren 2014 und 2015 auch bei Treffen internationaler Zusam-
menschlüsse, wie den G6, den G7, dem Salzburg Forum oder der Police
Working Group on Terrorism, über Möglichkeiten zur Umgehung, Aushe-
belung oder Unbrauchbarmachung von Verschlüsselungstechniken disku-
tiert wurde?

5. Inwiefern ist auch die Bundesregierung, wie der Europol-Chef, der Auffas-
sung, Verschlüsselung sei „eines der Hauptinstrumente von Terroristen und
Kriminellen“?

6. Inwiefern und auf welcher Rechtsgrundlage ist es Bundesbehörden aus
Sicht der Bundesregierung bereits jetzt gestattet, verschlüsselte Kommuni-
kation zu umgehen, auszuhebeln oder unbrauchbar zu machen?

7. Welche Techniken und Werkzeuge kommen bei Bundesbehörden zur Ver-
schlüsselung zum Einsatz (etwa SSL, PGP, serverseitig, clientseitig)?

8. Welche Techniken und Werkzeuge kommen bei Bundesbehörden für die
Umgehung, Aushebelung oder Unbrauchbarmachung von Verschlüsse-
lungstechniken zum Einsatz?

9. Welche technischen Defizite existieren aus Sicht der Bundesregierung hin-
sichtlich der Umgehung, Aushebelung oder Unbrauchbarmachung von Ver-
schlüsselungstechniken?

10. Welchen internationalen Regelungsbedarf sieht die Bundesregierung hin-
sichtlich der Umgehung, Aushebelung oder Unbrauchbarmachung von Ver-
schlüsselungstechniken?

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11. Inwiefern teilen auch deutsche Strafverfolgungsbehörden die von der Euro-
päischen Kommission gemeldeten „Bedenken“ in Bezug auf die „neuen
Verschlüsselungstechniken“, denen bei Treffen mit Internetdienstleistern
„Raum gegeben werden“ soll?

12. Was ist der Bundesregierung über Pläne von Europol bekannt, die Koope-
ration von nationalen Behörden mit „Technologiefirmen“ hinsichtlich der
Umgehung, Aushebelung oder Unbrauchbarmachung von Verschlüsselungs-
techniken zu verbessern, um dadurch „Zugang zur Kommunikation jener
Personen zu bekommen, die unsere Gesellschaft beschädigen wollen“?

13. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern Europol Möglich-
keiten zur Umgehung, Aushebelung oder Unbrauchbarmachung von Ver-
schlüsselungstechniken auch bei jenen Treffen mit den Firmen Google,
Facebook, Youtube oder Microsoft ansprechen will, die eigentlich zum
leichteren Löschen oder Sperren von Internetinhalten (etwa unter Einbezug
der noch zu gründenden „EU Internet Referral Unit“) anberaumt wurden?

14. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern es sich
bei den im Oktober 2014 begonnenen Zusammenarbeitsformen der EU-In-
nenminister und Europol mit den Firmen Google, Facebook, Youtube oder
Microsoft zum leichteren Löschen oder Sperren von Internetinhalten um ein
geeignetes Forum handelt, die Umgehung, Aushebelung oder Unbrauchbar-
machung von Verschlüsselungstechniken zu diskutieren?

15. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die Europäische
Kommission rechtliche oder technische Möglichkeiten untersucht, unter-
suchen will oder untersuchen soll, nach denen die Firmen zur Herausgabe
von Schlüsseln für die Verschlüsselungstechnik gezwungen werden könn-
ten?

16. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auch die noch zu
gründende „EU Internet Referral Unit“ die Umgehung, Aushebelung oder
Unbrauchbarmachung von Verschlüsselungstechniken untersuchen, erör-
tern oder einsetzen soll?

17. Sofern der Bundesregierung hierzu keine Kenntnisse vorliegen, welche
eigene Position vertritt sie hierzu?

18. Was ist der Bundesregierung über sonstige Studien oder Erhebungen der
Europäischen Kommission, von Europol oder ENLETS bekannt, die die
Umgehung, Aushebelung oder Unbrauchbarmachung von Verschlüsse-
lungstechniken zum Inhalt haben?

Berlin, den 20. Mai 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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