BT-Drucksache 18/4935

zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Gipfel Östliche Partnerschaft am 21./22. Mai 2015 in Riga, zum G7-Gipfel am 7./8. Juni 2015 in Elmau und zum EU-CELAC-Gipfel am 10./11. Juni 2015 in Brüssel

Vom 19. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4935
18. Wahlperiode 19.05.2015
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Klaus Ernst, Jan van Aken, Christine
Buchholz, Eva Bulling-Schröter, Sevim Da delen, Dr. Diether Dehm, Nicole
Gohlke, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert,
Stefan Liebich, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich,
Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin
zum Gipfel Östliche Partnerschaft am 21./22. Mai 2015
in Riga, zum G7-Gipfel am 7./8. Juni 2015 in Elmau
und zum EU-CELAC-Gipfel am 10./11. Juni 2015 in Brüssel

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Am 7. und 8. Juni 2015 treffen sich die Staatschefs von Deutschland, Großbritan-
nien, Frankreich, Italien, Japan, Kanada und der USA als „G7“ im bayerischen
Schloss Elmau. Wie seit den Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua 2001 üb-
lich, ziehen sich die Staatschefs in ein entlegenes Idyll zurück – fernab der Prob-
leme der Menschen, die sie regieren, und fernab der zu erwartenden Proteste. In
den G7-Treffen drückt sich die Anmaßung aus, die großen westlichen Industrie-
länder seien befugt, Entscheidungen zu zentralen Fragen der globalen Entwick-
lung zu treffen. Durch den Ausschluss Russlands wurde das Format von G8 auf
G7 verkleinert. Damit wurde noch deutlicher, dass es der G7 in erster Linie um
die Durchsetzung einseitiger wirtschaftlicher und geostrategischer Interessen ge-
gen den Rest der Welt geht. Auch wenn die Dominanz der G7/G8 in den letzten
Jahren insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht durch konkurrierende Industrie-
und Schwellenländer geschwächt wurde, bleibt ihre militärische Dominanz unan-
gefochten und hat sich die Ausrichtung ihrer Politik nicht grundlegend verändert.
Von Afghanistan über Irak und Syrien bis Libyen hat die kriegerische Außenpo-
litik der G7-Staaten in den Ländern des Südens Verwüstung und millionenfaches
Leid verursacht. Ihre wirtschaftlichen Interessen setzen die G7-Staaten ohne
Rücksicht auf die Entwicklungsinteressen der Länder des Südens durch. Die Fol-
gen des Klimawandels, dessen historische Schuld zum Großteil die Industrielän-
der tragen, sind besonders stark in den Ländern des Südens zu spüren, verschärfen
Konflikte und führen schon heute zu Millionen von Klimavertriebenen.

2. Auch wenn die G7 ihren Gipfel auch dieses Mal wieder entwicklungspolitisch
bemänteln, so sind doch alle G7-Staaten an den großen Freihandelsprojekten be-
teiligt, die derzeit vorbereitet werden: TTIP (EU–USA), CETA (EU–Kanada),
TPP (USA–Ostasien) und das Dienstleistungsabkommen TiSA. Die Abkommen

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werden zugunsten der Konzerne und gegen die Interessen der Lohnabhängigen
und Verbraucher, gegen Umweltschutz und Demokratie und zum Schaden der
Länder des Südens vorangetrieben. Die G7-Staaten wollen darin die weitere Libe-
ralisierung des Welthandels vorantreiben und in Bereiche öffentlicher Daseins-
vorsorge vordringen, die in der Welthandelsorganisation (WTO) bislang nicht
verhandelbar waren. Länder des Südens, die sich dieser neoliberalen Agenda in
der WTO oder in bilateralen Verhandlungen bislang widersetzt haben, werden
mit TTIP, CETA, TPP und TiSA noch stärker als bisher unter Druck geraten,
Forderungen nach mehr Liberalisierung und mehr Investorenschutz zuzustim-
men, auch wenn diese ihre entwicklungspolitischen Handlungsspielräume erheb-
lich einschränken. Anderenfalls riskieren sie, Marktanteile im globalen Handel
zu verlieren.

3. Der Abschluss bi-regionaler Freihandelsabkommen hat auch eine geostrategische
Komponente. Die Abkommen integrieren zwar die beteiligten Wirtschaftsräume
untereinander. Für Drittstaaten wirken sie jedoch ausschließend. Das ist beabsich-
tigt. Sowohl US- als auch EU-Vertreter haben wiederholt hervorgehoben, dass
die Abkommen das Vordringen der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien,
VR China, Südafrika) auf dem Weltmarkt eindämmen sollen. Sie führen mithin
zu einer konfrontativen wirtschaftspolitischen Blockbildung und tragen damit
auch zur Gefährdung des Weltfriedens bei.

4. Mit dem Ausschluss Russlands haben sich die G7 auf eine neue, hoch gefährliche
Konfrontationspolitik im Ukraine-Konflikt festgelegt. Nun soll auf dem Gipfel
ohne Russland über den Ukraine-Konflikt beraten werden. Damit handeln die G7
in derselben Logik wie die NATO, die ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als ein
Dialog mit Russland am nötigsten war, die Kooperation im Rahmen des NATO-
Russland-Rates suspendierte. Die Bundesregierung hätte als Gastgeberin des
Gipfels und amtierende G7-Präsidentin ein Zeichen setzen, Russland wieder als
Partner einladen und damit Deeskalationssignale an Russland senden sollen. Da-
mit wäre nicht die G7/G8 legitimer geworden. In Zeiten der allgegenwärtigen
Kriegsgefahr muss aber jeder Ort für Dialog und Verständigung gesucht werden.
Ein dauerhaftes Friedenssystem in Europa wird es ohne Aussöhnung mit Russ-
land nicht geben.

5. Die G7-Staaten repräsentieren lediglich 10 Prozent der Weltbevölkerung. Ihre
Treffen im Format der G7/G8 entbehren demokratischer Legitimation, etwa
durch völkerrechtlich verbindliche Verträge oder durch eine Beauftragung durch
die Vereinten Nationen (VN). Sie leiten ihr politisches Mandat einzig aus ihrer
vermeintlichen wirtschaftlichen Überlegenheit ab. Das Format soll abgeschafft,
die entwicklungs-, handels-, finanz-, wirtschafts- und umweltpolitischen Kompe-
tenzen der VN müssen gestärkt werden, damit dort die zukunftswichtigen Ent-
scheidungen unter Beteiligung aller 193 Mitgliedstaaten getroffen werden kön-
nen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. eine Debatte zur Auflösung der G7/G8 und der Überführung der von den G7/G8
beanspruchten Entscheidungskompetenzen in die Strukturen der Vereinten Nati-
onen zu beginnen,

2. in den internationalen Organisationen und auch auf dem diesjährigen G7-Treffen
darauf hinzuwirken, dass die bestehenden völkerrechtlich legitimen internationa-
len Organisationen – hier zuerst die Vereinten Nationen und die OSZE – poli-
tisch, strukturell und finanziell gestärkt werden,

3. anlässlich des 70-jährigen Bestehens der Vereinten Nationen und des 40-jährigen
Bestehens der OSZE/KSZE auf den anstehenden verschiedenen Festakten die Be-
deutung und Relevanz dieser legitimen völkerrechtlichen Organisationen zu be-
tonen,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4935
4. in den Vereinten Nationen, bei der OSZE, aber auch auf dem G7-Gipfel für einen

neuen Dialog mit Russland einzutreten, innerhalb der NATO darauf hinzuwirken,
dass eine weitere Osterweiterung des Bündnisses ausgeschlossen wird, und in-
nerhalb der EU Initiativen für eine neue dialogorientierte EU-Osteuropa-Nach-
barschaftspolitik anzustoßen und

5. sich in der EU gegen die Weiterverhandlung des Transatlantischen Handels- und
Investitionsabkommens mit den USA, TTIP, und des globalen Dienstleistungs-
abkommens TiSA auszusprechen und im Rat das Verhandlungsergebnis der EU-
Kommission zu CETA abzulehnen und für diese Position bei den anderen EU-
Regierungen sowie gegenüber dem EU-Parlament zu werben.

Berlin, den 19. Mai 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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