BT-Drucksache 18/4930

Forschung und Entwicklung für die Bekämpfung von vernachlässigten armutsassoziierten Erkrankungen stärken

Vom 19. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4930
18. Wahlperiode 19.05.2015
Antrag
der Abgeordneten Stephan Albani, Anette Hübinger, Albert Rupprecht, Michael
Kretschmer, Katrin Albsteiger, Sybille Benning, Alexandra Dinges-Dierig,
Dr. Thomas Feist, Cemile Giousouf, Michael Grosse-Brömer, Uda Heller,
Xaver Jung, Dr. Stefan Kaufmann, Dr. Georg Kippels, Dr. Philipp Lengsfeld,
Patricia Lips, Dr. Claudia Lücking-Michel, Dr. Heinz Riesenhuber, Tankred
Schipanski, Uwe Schummer, Dr. Wolfgang Stefinger, Max Straubinger, Sven
Volmering, Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Hubertus Heil
(Peine), Heinz-Joachim Barchmann, Burkhard Blienert, Willi Brase, Dr. Daniela De
Ridder, Dr. Karamba Diaby, Michaela Engelmeier, Saskia Esken, Gabriela Hein-
rich, Oliver Kaczmarek, Marina Kermer, Dr. Bärbel Kofler, Christine Lambrecht,
Dr. Sascha Raabe, Dr. Simone Raatz, Martin Rabanus, Mechthild Rawert, Stefan
Rebmann, Marianne Schieder, Swen Schulz (Spandau), Rainer Spiering, Gabi
Weber, Thomas Oppermann und der Fraktion der SPD

Forschung und Entwicklung für die Bekämpfung von vernachlässigten
armutsassoziierten Erkrankungen stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Gesundheit ist die Basis von Lebensqualität, von erfolgreicher gesamtgesell-
schaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung. Globale und nationale Entwicklun-
gen (z. B. Bevölkerungswachstum, Klimaänderung, demographischer Wandel und
Migration) stellen neue Anforderungen an die Sozial- und Gesundheitssysteme.
Dazu gehört auch notwendiges nationales und internationales präventives Agieren,
um den neuen Anforderungen in Zukunft gewachsen zu sein. Diese klare Absicht
wurde auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD fixiert.

Infektionskrankheiten sind nach wie vor eine große Bedrohung für die globale Ge-
sundheit. Darunter leiden vor allem die armutsgeprägten Regionen der Welt. An
HIV/AIDS, Tuberkulose (TB) und Malaria sowie einer Reihe weiterer, sogenannter
vernachlässigter Tropenkrankheiten wie Leishmaniose oder Schlafkrankheit, sind
heute mehrere Milliarden Menschen weltweit erkrankt, zudem fordern diese Krank-
heiten weiterhin jährlich Millionen Opfer. Leider hat sich die pharmazeutische In-
dustrie aus vielen Bereichen der Erforschung vernachlässigter armutsassoziierter Er-
krankungen zurückgezogen bzw. tritt dort nicht auf. Multilaterale und öffentlich-
private Initiativen wie der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose
und Malaria (GFATM) oder die GAVI-Impfallianz haben – auch mit substantieller

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deutscher Hilfe – durch Medikamentenverteilung, Aufklärungskampagnen und
Impfprogramme viel erreicht. Viele Millionen Menschenleben konnten gerettet wer-
den. Diese versorgungsorientierten Aktivitäten müssen aber durch Forschung und
Entwicklung für neue Medikamente, Impfstoffe und Diagnostika weiter gestärkt
werden, um den bestehenden und zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden.

Deutschland kann hierzu wichtige Beiträge leisten. Durch Ausbau der relevanten
nationalen Forschung einerseits und der gezielten Beteiligung an internationalen Ak-
tivitäten andererseits wird sowohl der Forschungsstandort Deutschland unterstützt
als auch die globale Gesundheitsvorsorge und Prävention auf diesem Gebiet ge-
stärkt.

Aufbauend auf den existierenden Initiativen muss der Kampf gegen vernachlässigte
und armutsassoziierte Infektionskrankheiten dringend intensiviert werden. Nicht nur
die hohe Mortalität, wie zum Beispiel im Falle von HIV/AIDS, sondern auch die
Folgen der vernachlässigten Tropenkrankheiten, wie Arbeitsunfähigkeit, Behinde-
rung und Entstellung, von der über eine Milliarde Betroffene gezeichnet sind, zeigen
den hohen Handlungsbedarf auf. Eine positive wirtschaftliche Entwicklung der en-
demischen Gebiete der Schwellen- und Entwicklungsländer hängt maßgeblich von
einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Bevölkerung ab.

Vernachlässigung bei Forschung und Behandlung bedroht auch die Gesundheit in
Deutschland und Europa und verursacht sowohl Folgekosten für das Gesundheits-
wesen als auch volkswirtschaftliche Schäden.

Etwa drei Viertel der weltweit aufgebrachten Mittel für Forschungsförderung im Be-
reich armutsassoziierter Erkrankungen werden für die Erforschung von HIV/AIDS,
Malaria und Tuberkulose verwendet. Dennoch gibt es auch bei diesen Krankheiten
immer noch große Bereiche, die als vernachlässigt gelten und daher dringend adres-
siert werden müssen.

Dies wird besonders deutlich am Beispiel der Tuberkulose.

Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung (rund 2,5 Milliarden Menschen) ist mit Tu-
berkulose infiziert; die Krankheit bricht jedoch in den allermeisten Fällen nie aus.
Dennoch erkranken jährlich rund 9 Millionen Menschen weltweit, 2 Millionen Men-
schen jährlich sterben an TB, darunter über 200 000 Kinder. Besonders Menschen
mit einem geschwächten Immunsystem (z. B. durch Mangelernährung oder HIV-
Infektion) sind besonders gefährdet. Die derzeit verfügbaren Therapien sind lang-
wierig und verursachen schwere Nebenwirkungen. Bedrohlich ist die Zunahme von
Resistenzen, bei denen die gängigen Tuberkulosemedikamente nur unzureichend
oder überhaupt nicht mehr wirken. Nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisa-
tion (WHO) sind 50 Millionen Menschen Träger resistenter Tuberkulose-Erreger.
Unzureichende TB-Behandlung in Afrika, Osteuropa und Asien und die vor allem
in Afrika beobachtete häufige gleichzeitige Infektion mit HIV und Tuberkulose leis-
ten der Ausbreitung resistenter TB-Stämme weiter Vorschub. Hieraus ergibt sich
eine reale Bedrohung auch für Europa und Deutschland. Die aktuellen Zahlen des
Robert Koch-Institutes für 2013, die seit 2002 erstmals wieder einen Anstieg der
Tuberkulose-Fallzahlen in Deutschland zeigen, weisen darauf hin.

Diese multiresistenten Tuberkulosekeime bedrohen nicht nur Menschenleben in den
eigentlichen Endemie-Gebieten, sondern auch, verursacht durch Tourismus in die
betroffenen Länder und Migration aus den Ländern, Deutschland und Europa.

Insofern besteht Handlungsbedarf auf nationaler wie globaler Ebene. Die Behand-
lungskosten und Kosten für die Sozialsysteme sowie der wirtschaftliche Schaden
durch den Arbeitsausfall sind bei Weitem höher als die frühzeitige Investition in
Prävention und Vorsorge mit positiven globalen Folgen.

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Eine nachhaltige Reduktion der weltweiten TB-Erkrankungen wird nur mit neuen
Impfstoffen gelingen können. Der einzige existierende Impfstoff (BCG) für Kinder
bietet nur begrenzten Schutz und ist über 100 Jahre alt. Er ist untauglich für Erwach-
sene und kann bei HIV-exponierten Kindern wegen hoher Sicherheitsbedenken nicht
eingesetzt werden.

Mit in diesen Bereich investierten Mitteln könnte eine immunologische Untersu-
chung von Wirkstoffen stärker intensiviert werden, als dies sonst der Fall wäre. Dies
hätte beträchtliche Vorteile: Damit würden wichtige zusätzliche Erkenntnisse zum
Nutzen und zur Wirkungsweise eines Impfstoffs im Bereich der Tuberkulose-Prä-
vention gewonnen werden. Doch würden die dadurch gewonnenen zusätzlichen Er-
kenntnisse nicht nur die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs in dem Feld
„Tuberkulose“ erhöhen. Sie würden auch einen hohen Beitrag leisten, um den siche-
ren Einsatz des Impfstoffs bei HIV-infizierten Menschen vorzubereiten. Da die
Prognose von HIV-Patienten bei gleichzeitig bestehender TB-Erkrankung deutlich
schlechter ist, hätte eine Verhinderung der TB-Erkrankung auch bei HIV-Infizierten
eine deutlich positive Auswirkung auf deren Leben.

Bei HIV/AIDS und Malaria, den beiden anderen großen armutsassoziierten Infekti-
onskrankheiten ist die Problemlage ähnlich. Aber auch neue Medikamente – insbe-
sondere präventiv wirkende – müssen entwickelt werden, da sich gegen die existie-
renden zunehmend Resistenzen entwickeln.

Neben den „Großen Drei“ globalen gesundheitlichen Bedrohungen Tuberkulose,
HIV/AIDS und Malaria gibt es nach wie vor mehr als eine Milliarde Menschen, die
an den vernachlässigten Tropenkrankheiten leiden. Zu diesen vernachlässigten Tro-
penkrankheiten gehören dabei im Speziellen die afrikanische Schlafkrankheit, lym-
phatische Filariose, Chagas, Dengue-Fieber und Leishmaniose, um nur fünf der von
der WHO gelisteten 17 weiteren vernachlässigten Krankheiten zu benennen. Sie tre-
ten primär in Entwicklungs- und Schwellenländern auf, da wenig entwickelte Ge-
sundheitssysteme mit erschwertem oder unerschwinglichem Zugang für weite Be-
völkerungsteile sowie niedrige Hygienestandards der Verbreitung wenig entgegen-
setzen können. Verschärft wird diese Situation durch die passive Haltung der Phar-
mabranche, die aufgrund mangelnder Marktanreize nur wenig Forschung in diesem
Bereich betreibt.

Für viele dieser Krankheiten gilt wie bei HIV, Malaria und Tuberkulose, dass sie in
stabilen Gesundheitssystemen vermeidbar oder behandelbar sind. Unbehandelt ver-
laufen die Krankheiten entweder tödlich oder führen zu schweren chronischen ge-
sundheitlichen Beeinträchtigungen, die bis hin zu schwerer Behinderung und kom-
pletter dauerhafter Arbeitsunfähigkeit führen können. Soziale Stigmatisierung
kommt oftmals hinzu. Ein weiteres Problem in diesem Kontext sind häufig fehlende
speziell für die Behandlung von Kindern zugeschnittene Medikamente und schwer-
wiegende Nebenwirkungen der verfügbaren Arzneimittel. Die Infektion mit einer
oder mehrerer der Krankheiten bedeutet eine erhebliche Benachteiligung der Kinder
in ihrer physischen wie mentalen Entwicklung.

Im gesamten Bereich der vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten gilt
es, die bereits in der letzten Legislaturperiode begonnenen Anstrengungen fortzu-
führen. Hier ist ein langer Atem von Nöten, um Erreichtes nicht wieder zu gefährden
und bereits geleistete Hilfe nicht umsonst geleistet zu haben.

Daher müssen neben neuen oder bereits erfolgversprechenden Therapiemethoden
erhebliche infrastrukturelle und bildungstechnische Voraussetzungen geschaffen
werden, um Behandlungserfolge zu sichern.

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Eine Möglichkeit ist hierbei die Förderung von sogenannten „Product Development
Partnerships“ (PDPs). Dies sind Non-Profit-Organisationen, die Präventionsmetho-
den, Impfstoffe, Medikamente oder Diagnostika und Diagnosegeräte gegen diese Er-
krankungen entwickeln und kostengünstig absetzen.

Ein weiterer möglicher Ansatz, die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamen-
ten für vernachlässigte, armutsbedingte Krankheiten (neglected tropical diseases) zu
fördern, bildet die Idee eines Health Impact Fund (HIF). Das bestehende Patentsys-
tem bietet zwar Anreize für die Erforschung und den Vertrieb neuer Wirkstoffe, doch
es lässt gerade in Märkten mit geringer Kaufkraft auch Versorgungslücken. Der
Health Impact Fund ist ein Ansatz diese Lücken zu schließen und die weltweite Ver-
sorgung mit neuen Medikamenten zu verbessern. Von Staaten finanziert, böte der
HIF Patentinhabern die Möglichkeit, auf Monopolpreise zugunsten von Prämien zu
verzichten, deren Höhe sich nach den globalen Auswirkungen ihres neuen Produkts
richtet. Ein Unternehmen, das ein Medikament beim HIF melden würde, würde sich
verpflichten, es weltweit zum Kostenpreis anzubieten. Im Gegenzug erhielte es für
eine bestimmte Zeit Prämien auf Basis der gemessenen Auswirkungen des Medika-
ments auf die Weltgesundheit. Die Meldung beim HIF wäre freiwillig und Patent-
rechte blieben den Meldern erhalten.

Der Deutsche Bundestag bedauert die, im Verhältnis zum Bedarf, nach wie vor un-
zureichende Erforschung und Bekämpfung von vernachlässigten und armutsassozi-
ierten Krankheiten. Da das wirtschaftliche Interesse von Pharmaunternehmen hier
eher gering ist, muss der öffentliche Sektor als Triebfeder und Katalysator vorange-
hen. Die schwierige finanzielle Lage vieler Staaten bewirkt allerdings, dass sie ihr
Engagement in diesem Bereich nicht steigern, sondern eher reduzieren – mit den
absehbar fatalen Folgen, wovor die Fachleute aus der Wissenschaft seit geraumer
Zeit warnen.

Mit dem Förderkonzept „Vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten“
nimmt Deutschland im internationalen Vergleich eine gute, aber noch ausbaufähige
Stellung ein und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Gesund-
heitssituation vieler Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Diesen gilt
es zu verstärken.

Der Deutsche Bundestag stellt weiterhin fest, dass die sozioökonomischen Auswir-
kungen von Infektionskrankheiten und vernachlässigten Tropenkrankheiten auf die
Entwicklungs- und Schwellenländer verheerend sind. Sie sind die Folge von Armut
und verstärken diese zugleich.

Das bisherige Förderkonzept mit seinen verschiedenen Handlungssäulen ermöglicht
schon jetzt die erfolgreiche Entwicklung von effektiven Diagnosemethoden und
Therapien.

Eine Weiterentwicklung des Förderkonzepts und eine damit verbundene Verstär-
kung der Entwicklung von Produkten für Prävention, Diagnose oder Behandlung
durch Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs) sind unerlässlich.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

dass die Bundesregierung für den Zeitraum von 2011 bis 2015 bereits eine
Summe in Höhe von 22 Millionen Euro für PDPs eingesetzt und damit einen
innovativen Weg eingeschlagen hat;

dass die Unterstützung von PDPs ein wesentlicher Beitrag zur Eindämmung von
vernachlässigten tropischen und armutsassoziierten Erkrankungen ist;

dass die Aktivitäten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina
hinsichtlich einer wissenschaftlichen Bestandsaufnahme und den daraus folgen-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4930

den Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung von vernachlässigten und armut-
sassoziierten Erkrankungen im Rahmen der G7-Ratspräsidentschaft weiter Be-
achtung finden;

die Teilnahme Deutschlands an der EDCTP-Initiative (European and Develo-
ping Countries Clinical Trials Partnership), die sich zusammen mit europäischen
und afrikanischen Partnerländern der Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und
Tuberkulose widmet;

dass ebenfalls die langjährige Förderung des „Special Programme for Research
and Training in Tropical Diseases“ (TDR) der Weltgesundheitsorganisation, das
Forschung und Entwicklung bei Tropenerkrankungen überwiegend durch pri-
vate oder universitäre Konsortien umsetzt, koordiniert und verifiziert, um beste-
hende Behandlungsprodukte oder -ansätze zur Bekämpfung dieser Krankheiten
zu fördern.

Der Deutsche Bundestag begrüßt insgesamt das 2011 verabschiedete Förderkonzept
der Bundesregierung zu „Vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten“
und fordert darüber hinaus die intensivere Förderung der Forschung an Medikamen-
ten für multiresistente Tuberkulose-Erreger, TB-Impfstoffe, sowie die Forschung
zur Diagnostik und zur Behandlung gegen HIV/AIDS.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, unter Berücksichti-
gung finanzieller Handlungsspielräume,

1. das Förderkonzept „Vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten“ weiter
zu entwickeln; PDPs als Instrument zur Entwicklung von adäquaten Präven-
tions- und Diagnosemethoden sowie Medikamenten gegen vernachlässigte tro-
pische und armutsassoziierte Erkrankungen einschließlich Tuberkulose,
HIV/AIDS und Malaria zu fördern. Und ebenso die erfolgreiche PDP-Förderung
zu einem weiterzuentwickelnden festen Bestandteil der internationalen For-
schungsförderung mit internationaler Ausstrahlung zu machen;

2. in Verhandlungen mit Entwicklungsländern darauf hinzuwirken, dass diese ihre
Anstrengungen zum Aufbau und zur Verbesserung von Gesundheitssystemen
verstärken, so dass Gesundheitsdienste, insbesondere Basisgesundheitsdienste,
nachhaltig und mit gleichberechtigtem Zugang für alle zur Verfügung stehen;

3. sowohl Forschungsanstrengungen zu den drei Infektionskrankheiten mit beson-
ders hoher Mortalität (HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose), wie auch zu den
„Vernachlässigten Tropenkrankheiten“ mit ihrer besonders hohen Krankheits-
last ressortübergreifend koordiniert zu intensivieren und so zur Verwirklichung
der in der UN-Millenniumserklärung festgelegten und zu erreichenden Ziele
beizutragen;

4. das deutsche Engagement im Bereich der globalen Gesundheit auszubauen und
bei der Produktentwicklung für vernachlässigte und armutsbedingte Erkrankun-
gen weiterhin Verantwortung zu übernehmen sowie in der Entwicklungspart-
nerschaft strukturelle Unterstützung für Gesundheitssysteme zu leisten;

5. die Gesamtförderstrategie darauf auszurichten, dass die gesamte Translations-
kette bis hin zur Anwendung in der Krankenversorgung abgedeckt ist;

6. die bestehende nationale Förderung im Bereich der Grundlagenforschung, der
präklinischen Forschung und der klinischen Forschung weiter fortzusetzen und
zu stärken;

7. bei der Förderung im Bereich der vernachlässigten und armutsassoziierten
Krankheiten neben der Unterstützung von produktorientierter Forschung auch
die anwendungsorientierte Grundlagenforschung auszubauen;

8. im Rahmen der Weiterentwicklung und Unterstützung der nationalen Infekti-
onsforschung (z. B. Deutsches Zentrum für Infektionsforschung e. V. (DZIF)

Drucksache 18/4930 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

und Forschungszentrum Borstel (FZB)), die Erforschung vernachlässigter tropi-
scher und armutsassoziierter Erkrankungen, bei gleichzeitiger Einbindung inter-
nationaler Partner, als eine der zentralen Herausforderungen weiter voranzutrei-
ben;

9. bei der Unterstützung von PDPs darauf zu achten, dass insbesondere die be-
darfsorientierte, kostengünstige und zeitnahe Entwicklung sowohl von Präven-
tions- und Diagnosemethoden als auch von Medikamenten im Vordergrund der
Arbeit der zu fördernden Organisationen bzw. Institutionen steht;

10. weiterhin durch engen Austausch mit der PDP-Funders Group sicherzustellen,
dass für zukünftige thematische Schwerpunktsetzungen Forschungslücken früh-
zeitig identifiziert werden können und durch bessere Koordination in Zukunft
vermieden werden;

11. eine zweite Förderrunde für PDPs durch das Bundesministerium für Bildung
und und Forschung (BMBF) festzuschreiben und die Ausweitung der Förderung
auf Medikamente zur Diagnose und Behandlung, sowie Impfstoffe für Tuber-
kulose und HIV/AIDS signifikant zu betreiben;

12. im Falle einer zukünftigen positiven Evaluation der zweiten PDP-Förderrunde,
diesen Förderansatz durch eine dritte Förderrunde zu verstetigen, dafür höhere
Finanzmittel als für die zweite Runde vorzusehen und einzuplanen. Auf Grund-
lage der wissenschaftlichen und politischen Bewertung ist auch gerade die Fi-
nanzierung der Entwicklung von Produkten gegen HIV/AIDS und Tuberkulose
zwingend als notwendig befunden worden, da auch die erfolgreiche Bekämp-
fung dieser Krankheiten von zentraler Bedeutung für die Erreichung der UN-
Millenniums-Entwicklungsziele 4 und 5 ist;

13. sich im Rahmen des europäischen Programms für Forschung und Innovation
„Horizont 2020“ weiterhin dafür einzusetzen, dass ergebnisorientierte For-
schungs- und Produktentwicklung zu Themen der globalen Gesundheit und im
Speziellen zu vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten weiterhin
berücksichtigt werden;

14. auf europäischer Ebene dafür Sorge zu tragen, dass PDPs und andere innovative
Instrumente, wie z. B. durch die Ausschreibung eines Nachwuchs-Forscherprei-
ses, durch Programme wie Horizont 2020 gefördert werden;

15. die klinische Forschung zu HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose durch die wei-
tere Teilnahme an der European and Developing Countries Clinical Trials Part-
nership Initiative (EDCTP) erfolgreich voranzutreiben und die Fortführung der
deutschen Finanzbeiträge für die EDCTP zu ermöglichen;

16. die Wissensbasis für die Verbesserung der medizinischen Versorgung in den
Schwellen- und Entwicklungsländern strukturell und inhaltlich zu verbreitern;

17. den Aufbau funktionierender Gesundheitssysteme durch Unterstützung der da-
zugehörigen Gesundheitsforschung in den Schwellen- und Entwicklungsländern
anzuregen;

18. sog. Capacity-Building-Maßnahmen (z. B. Ausbildung von medizinischem Per-
sonal und Wissenschaftlern bzw. Aufbau von Infrastrukturen bei der Durchfüh-
rung klinischer Studien) im Allgemeinen, aber auch das Engagement der PDPs
in diesen Bereichen zu fördern, um so eine Stärkung der Qualitätsinfrastruktur
vor Ort und eine Langzeitbeobachtung von neu eingeführten Medikamenten und
Impfstoffen zu erreichen;

19. den Wissenstransfer mit Forschern in den betroffenen Regionen weiter auszu-
bauen, um Material- und Personalressourcen zu bündeln, regionale Forschungs-
infrastrukturen zu schaffen und so effizienteres Handeln zu gewährleisten;

20. daher die Nutzung nationaler Gesundheitsdatenbanken in den betroffenen Regi-
onen zu prüfen, mit der Idee der Unterstützung der Einrichtung von Versi-

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chertendatenbanken zur Etablierung eines Gesundheitssystems und zur verbes-
serten Erhebung von medizinischen Statistiken. Belange des Datenschutzes sind
zu berücksichtigen. Fragestellung könnte sein:
Herstellung der Erreichbarkeit von Patienten.
Versorgung der Versicherten mit wichtigen Informationen z. B. über SMS

als ergänzende Maßnahme zur Versorgung der Patienten mit Medikamenten
und Impfstoffen.

Abbildung der gesundheitlichen Situation in einem Land.
Verbesserung medizinischer Statistiken als Grundlage für die Forschung.
Unterstützung der Etablierung eines Gesundheitssystems;

21. der PDP-Förderung, als auch der European and Developing Countries Clinical
Trials Partnership (EDCTP) und dem Gesundheitsnetzwerk Subsahara künftig
innerhalb des Titels Gesundheitsforschung und Gesundheitswirtschaft in Ein-
zelplan 30 deutliche Sichtbarkeit zu verleihen, insbesondere durch die explizite
Ausweisung des Volumens in den Erläuterungen;

22. dem Deutschen Bundestag regelmäßig darüber Auskunft zu geben, welche Mit-
tel zur Erreichung der Gesundheits-Millennium Development Goals aufgebracht
werden und die Entwicklung für ein Verfahren zur Messung zu unterstützen;

23. einen Preis für die erfolgreiche Nachwuchsforschergruppe im Bereich der ver-
nachlässigten, armutsassoziierten Erkrankungen auszuloben;

24. zur Unterstützung der Grundlagenforschung an vernachlässigten Krankheiten
die Einrichtung und den Aufbau öffentlich zugänglicher Substanzsammlungen
und Datenbanken zu unterstützen.

Berlin, den 19. Mai 2015

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Thomas Oppermann und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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