BT-Drucksache 18/4926

Der Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie und die Kooperation mit der Privatwirtschaft

Vom 12. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4926
18. Wahlperiode 12.05.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau, Jan Korte, Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Ralph Lenkert,
Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Frank Tempel,
Halina Wawzyniak, Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Der Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz,
das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie und die Kooperation
mit der Privatwirtschaft

Im Jahr 2006 beschäftigte die National Security Agency (NSA) über 5 400 Pri-
vatfirmen. Diese Firmen führen Staatsaufträge durch, sind aber auch auf dem
privaten Markt stark etabliert. Erwähnt werden international agierende Firmen,
wie z. B. CACI International, Narus, Halliburton, Corporate Science Corpora-
tion (CSC), u. v. m. (vgl. Stephan Blancke, „Private Intelligence: Geheimdienst-
liche Aktivitäten nicht-staatlicher Akteure“, Wiesbaden, 2011).
Am 31. Oktober 2013 berichtete der „stern“ unter dem Titel „Das unterwanderte
Land“, dass die Vereinigten Staaten von Amerika auch in Deutschland ein Netz
von mindestens 90 US-Firmen, welche die USA mit Dienstleistungen unterstüt-
zen, unterhalten. Jene Dienstleistungen sind teilweise nur den staatlichen Ge-
heim- bzw. Nachrichtendiensten bekannt. Deren Mitarbeiter müssen sich zwar
mit dem so genannten Tesa-Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland an-
melden, eine ausreichende Übersicht bzw. Kontrolle der Aufgaben und Tätigkei-
ten dieser Privatunternehmen ist allerdings weder bekannt noch nachvollziehbar
angestrebt.
Des Weiteren sind „solche Tarnstrukturen im Zusammenhang mit dem Bundes-
nachrichtendienst (BND) sowie dem Bundesamt für Verfassungsschutz bekannt
geworden“ (s. Blancke, S., „Private Intelligence: Geheimdienstliche Aktivitäten
nicht-staatlicher Akteure“, S. 11.). Genannt werden in diesem Zusammenhang
das Saarbrücker Institut für Wirtschaftsrecherchen (IWR), die Consultingfirma
Padec GmbH und die Firma Team Base Research.
Dem Fernsehbericht „US-Geheimdienste sind gute Kunden von SAP“, aus-
gestrahlt am 10. März 2015 in dem MDR-Magazin „FAKT“, ist Folgendes zu
entnehmen: „ ‚Sehr viel, was wir anhand der Datenbanken machen, ist die Ziel-
auswahl. Dank Gott, dass sie uns dazu in die Lage versetzen‘, trug der frühere
NSA- und CIA-Chef Michael Hayden auf einer Tagung der amerikanischen
SAP-Tochterfirma vor. Mit der Zielauswahl bezog er sich auf die gezielte Tö-
tung von Menschen, die aufgrund von Metadaten möglich sei. Seit einigen Jah-
ren kauft die deutsche Firma SAP SE Firmen auf, z. B. den amerikanischen
Suchtechnikentwickler Inxight und den amerikanischen Datenbankhersteller
Sybase. Einer der besten Regierungskunden von Sybase ist die NSA. Kurzum:
Durch die Ankäufe besagter Firmen, ist es SAP möglich, seinen Kunden eine

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Komplettlösung anzubieten: das schnellste Datenbank-System, das Massen-
daten schnell verarbeiten kann, und eine gleichfalls schnell arbeitende Durch-
suchungstechnik.“
Vor Kurzem enthüllten Nachforschungen von „ZEIT ONLINE“, dass auch der
deutsche Auslandsnachrichtendienst BND die Software HANA von SAP er-
werben soll, um eine größtmögliche Speicherung und schnellstmögliche Durch-
suchung von eben diesen Datenmengen zu gewährleisten (www.zeit.de vom
10. März 2015 „SAP arbeitet für die NSA“).
Die Vergabe und der Umfang staatlicher Aufträge im Bereich geheimdienst-
licher Tätigkeiten an privatwirtschaftliche Unternehmen und deren Koopera-
tionen sind ein bisher kaum thematisiertes Phänomen. Die Auslagerung von
Forschungsaufträgen und Arbeitstechniken zur Analyse von Informationen an
private Firmen entwickelt sich in einem dramatischen Maße in einer Grauzone.
Dadurch wird ein Verlust von staatlichen Hoheitsrechten vorangetrieben, ohne
dass hierüber eine politische und transparente Debatte erfolgt. Eine rechtliche
Grundlage für diesen Prozess ist nicht erkennbar, eine parlamentarische Kon-
trolle findet faktisch nicht statt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele deutsche und ausländische Privatfirmen (einschließlich möglicher

Tochterunternehmen und Ausgründungen), welche mit geheim- bzw. nach-
richtendienstlichen Techniken und Methoden Informationsgewinnung betrei-
ben und betrieben haben, wurden seit dem Jahr 2000 von dem und für den
BND, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) oder dem Bundesamt für
Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) mit Staatsaufträgen beschäf-
tigt (bitte um genaue Angabe der Anzahl der Firmen pro Jahr und die Nen-
nung der jeweiligen Auftrag gebenden Behörde bzw. Regierungsstelle)?

2. Welche Privatfirmen, die mit geheim- bzw. nachrichtendienstlichen Techni-
ken und Methoden Informationsgewinnung betreiben oder betrieben haben,
wurden seit dem Jahr 2005 vom BND, BfV oder BSI beschäftigt (bitte um
Angabe der Firmen und Jahr, in denen die Staatsaufträge vergeben wurden)?

3. Welche dieser Unternehmen und Unternehmenseinheiten exportierten ihre
hier angesprochenen Produkte nach Kenntnis der Bundesregierung in Länder
außerhalb der Europäischen Union?

4. Welche dieser Unternehmen und Unternehmenseinheiten mit welchen aktu-
ellen Produkten hat der Bundesminister für Wirtschaft und Energie aus wel-
chen konkreten Anlässen seit dem Jahr 2005 im Auge, wenn er die Export-
richtlinien und die Exportpraxis im Bereich der Sicherheitstechnologien
strenger regeln bzw. solche Verschärfungen begründen will (www.ndr.de
vom 19. Mai 2014 „Gabriel will Stopp für Spähtechnologie-Export“)?

5. Welches parlamentarische Gremium wurde in diesem Zeitraum über die Fir-
men und die jeweiligen Aufträge informiert, und wurden dabei die jeweiligen
nachrichtendienstlichen Hintergründe der Firmen und Aufträge konkret be-
nannt?
Wenn nein, warum wurde auf diese Unterrichtung verzichtet?

6. Wie viele Aufträge an welche Firmen wurden aufgrund einer Ablehnung
durch ein parlamentarisches Gremium mit welcher Begründung im Zeitraum
von 1998 bis heute
a) nicht erteilt oder
b) trotzdem vergeben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4926
7. Beabsichtigt die Bundesregierung, den Abgeordneten des Deutschen Bun-
destages die mit den Privatfirmen abgeschlossenen Verträge – gegebenen-
falls in der Geheimschutzstelle – zugänglich zu machen (bitte begründen)?

8. Welche rechtlichen Regelungen sprechen aus Sicht der Bundesregierung
gegen eine solche Unterrichtung des Parlaments?

9. Wurden seit dem Jahr 2005 vom BND, BfV oder BSI bzw. von den verant-
wortlichen Ministerien und dem Bundeskanzleramt Aufträge an staatliche
oder private Universitäten im In- oder Ausland, an Institute oder an so
genannte Denkfabriken (think tanks) vergeben mit dem Ziel der Entwick-
lung oder Verbesserung von Techniken, Methoden und/oder Programmen,
mit denen eine geheim- bzw. nachrichtendienstliche Informationsgewin-
nung – auch in Bezug auf Personendaten – möglich ist?

10. Wurden seit dem Jahr 2005 vom BND, BfV oder BSI bzw. von den verant-
wortlichen Ministerien und dem Bundeskanzleramt Aufträge an die staat-
lichen oder staatlich finanzierten Forschungseinrichtungen Max-Planck-Ge-
sellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V., Helmholtz-Gemeinschaft
Deutscher Forschungszentren e. V., Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried
Wilhelm Leibniz e. V., Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der ange-
wandten Forschung e. V. und Bundesinstitute mit Forschungsaufgaben
(Ressortforschung) vergeben mit dem Ziel der Entwicklung oder Verbesse-
rung von Techniken, Methoden und/oder Programmen, mit denen eine ge-
heim- bzw. nachrichtendienstliche Informationsgewinnung – auch in Bezug
auf Personendaten – möglich ist?

11. Wenn die Fragen 9 oder 10 mit ja beantwortet werden, an wen, in welchem
finanziellen Rahmen und in welchem Jahr (bitte tabellarisch angeben) wur-
den Aufträge vergeben, und welche parlamentarischen Gremien wurden
über diese Aufträge konkret informiert?

12. Wurden dafür auch Fördergelder der Deutschen Forschungsgemeinschaft
e. V. verwendet (bitte tabellarisch angeben)?

13. Wurden seit dem Jahr 2005 Aufträge vom BND, BfV oder BSI bzw. den
verantwortlichen Ministerien und dem Bundeskanzleramt an das Saar-
brücker Institut für Wirtschaftsrecherchen (IWR), an die Consultingfirma
Padec GmbH oder an die Firma Team Base Research vergeben?

14. Wenn ja, wie viele, in welchem finanziellen Umfang, mit welchem Inhalt
und wann (bitte genaue Angaben pro Jahr)?

15. Haben der BND, das BfV und das BSI bzw. die verantwortlichen Ministe-
rien und das Bundeskanzleramt seit dem Jahr 2005 Aufträge an private aus-
ländische Militärdienstleister vergeben und wenn ja, an welche, in welchem
finanziellen Rahmen, mit welchem Inhalt und in welchem Jahr (bitte tabel-
larisch angeben)?

16. Wie schätzen der BND, das BfV und das BSI und die verantwortlichen
Ministerien sowie das Bundeskanzleramt allgemein die Gefahr des Geheim-
nisverrates und der Datenverstöße durch die von ihnen beauftragten Privat-
firmen ein, die Aufgaben in sicherheitssensitiven Bereichen übernommen
haben?

17. Wie und nach welchen Standards werden die Sicherheitsüberprüfungen der
Beschäftigten in den beauftragten Firmen durchgeführt?

Drucksache 18/4926 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
18. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Geheimnisträger (Stand: 2013)
welcher Stufe es in den beauftragten Privatfirmen jeweils gibt (bitte nach
Jahren, Firmen und Anzahl der Geheimnisträger auflisten)?

Berlin, den 12. Mai 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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