BT-Drucksache 18/4889

Umsetzung der assistierten Ausbildung im Rahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung für die Jahre 2015 bis 2018

Vom 8. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4889
18. Wahlperiode 08.05.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Dr. Petra Sitte, Azize Tank,
Harald Weinberg, Katrin Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung der assistierten Ausbildung im Rahmen der Allianz für Aus- und
Weiterbildung für die Jahre 2015 bis 2018

Die Bundesregierung hat gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft, der Gewerk-
schaften und der Länder am 12. Dezember 2014 die „Allianz für Aus- und Wei-
terbildung 2015 – 2018“ beschlossen. Mit dieser neuen Allianz wurde der Ende
des Jahres 2014 auslaufende „Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräf-
tenachwuchs“ abgelöst. Die Allianz wiederum wird Ende des Jahres 2018 aus-
laufen. Im Vordergrund dieser Allianz steht die Stärkung der dualen Ausbildung.
Die Allianzpartner haben sich u. a. darauf verständigt, die assistierte Ausbildung
einzuführen. Der Deutsche Bundestag beschloss am 26. Februar 2015 dafür eine
gesetzliche Regelung in § 130 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III).
In der Präambel des Konzepts „Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III“
der Bundesagentur für Arbeit (S. 6) heißt es auch: „Über eine Verstetigung des
gesetzlichen Instrumentes soll nach ersten Erfahrungen entschieden werden.“
Bisher gab es nur auf Landesebene Modellprojekte für assistierte Ausbildungen.
Durch eine „assistierte“ Form der Ausbildung wird ein Bildungsträger als dritter
Partner eingesetzt, um sowohl den ausbildenden Betrieb als auch den jugend-
lichen Auszubildenden selbst bei der Aufnahme und Bewältigung der Ausbil-
dung zu unterstützen. Es handelt sich dabei um die Förderung bzw. Unterstüt-
zung einer betrieblichen Erstausbildung. Nach § 130 Absatz 2 SGB III „sind
lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte junge Menschen, die wegen in ihrer
Person liegender Gründe ohne die Förderung eine betriebliche Berufsausbildung
nicht beginnen, fortsetzen oder erfolgreich beenden können, [förderungsbedürf-
tig]“. Im Konzept „Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III“ sind als
weitere einschränkende Kriterien des zu fördernden Personenkreises der Besitz
der „Ausbildungsreife und Berufseignung“ sowie die Altersgrenze bis 25 Jahre
definiert. Der Betreuungsschlüssel soll sich wie folgt gestalten: Auf einen Aus-
bildungsbegleiter kommen 23 bis 25 Teilnehmende, auf einen Sozialpädagogen
kommen 31 bis 33 Teilnehmende und auf eine Lehrkraft 35 bis 37 Teilnehmende
(vgl. Konzept „Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III“, S. 30).
Die Einführung der assistierten Ausbildung im Rahmen der Allianz für Aus- und
Weiterbildung bietet Potenzial, allerdings gibt es noch viele Unklarheiten. Vie-
lerorts werden Befürchtungen und Kritik geäußert. So kritisiert beispielsweise
der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V. u. a.: „Die
Jugendhilfeorientierung, die individualisierten Fördermöglichkeiten ohne Maß-
nahmecharakter, die Hilfen aus einer Hand, die Kontinuität in der Förderstruktur
durch immer gleiche ausführende Akteure – all das ist in die bundesweite
Lösung nicht eingeflossen. An ihre Stelle ist eine standardisierte Maßnahme für
eine eng eingegrenzte Zielgruppe getreten, die in der bekannten Ausschrei-

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bungspraxis zu den preisdiktierten Wechseln der durchführenden Träger führen
wird und keine Ansprüche auf regionale Jugendhilfeeinbindung und fundierte,
vernetzte Sozialarbeit in der Region stellt“ (Birgit Beierling: „Assistierte Aus-
bildung: Noch nicht der große Wurf“, www.good-practice.de/infoangebote_
beitrag6059.php, 4. Mai 2015).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was soll die Assistenz im Sinne des § 130 SGB III umfassen?

Welche konkreten Aufgaben sind vorgesehen?
a) Was ist die Begründung für die Ausschreibung der assistierten Ausbildung

für einzelne Ausbildungsjahrgänge?
b) Wie kann bei jährlicher Vergabe an konkurrierende Bildungsträger eine

Kontinuität der Ansprechpartner für die Betriebe vor Ort ermöglicht wer-
den?

c) Wie wird durch die nun festgelegten Ausschreibungen sichergestellt, dass
bewährte Trägersysteme einbezogen werden?

2. Wer entscheidet nach welcher fachlichen Kompetenz über die „Ausbildungs-
reife“ von interessierten Jugendlichen an einer assistierten Ausbildung?
Warum ist sie überhaupt ein Kriterium für die Aufnahme einer assistierten
Ausbildung?
Welchen Stellenwert hat in diesem Zusammenhang ein erfolgreicher Schul-
abschluss?

3. Wer soll die Stellen bzw. Maßnahmen für Bildungsträger ausschreiben?
a) Hält die Bundesregierung das gesetzte Ziel, bis zu 10 000 Plätze für das

Ausbildungsjahr 2015/2016 zu schaffen (vgl. www.bmbf.de/de/2295.php),
für bedarfsdeckend?

b) Wie viele Plätze wurden im April 2015 tatsächlich für das Ausbildungs-
jahr 2015/2016 ausgeschrieben?

c) Warum wurde ggf. von dem zuvor gesetzten Ziel abgewichen?
d) Wie viele Plätze werden im Oktober bzw. November 2015 für das Ausbil-

dungsjahr 2016/2017 ausgeschrieben?
4. Inwiefern hält die Bundesregierung den im Konzept genannten Betreuungs-

schlüssel für sinnvoll – insbesondere unter dem Aspekt, dass in den Modell-
projekten, deren Erfolg die bundesweite Einführung der assistierten Ausbil-
dung zugrunde liegt, der Betreuungsschlüssel mit 1:8 bis 1:12 bei rund einem
Drittel der nun anvisierten Anzahl der Teilnehmenden lag?
a) Sind dabei insbesondere bei den Unterrichtsstunden die Anforderungen

(mindestens vier Unterrichtsstunden pro Woche), das Berufsspektrum und
der Personalschlüssel miteinander abgeglichen worden?

b) Wenn ja, auf der Basis welchen Rechenmodells?
c) Wenn nein, auf welche Weise werden die Betreuungsschlüssel ermittelt?
d) Wie viel Zeit ist für Abstimmungen mit den Ausbildungsbetrieben, wie

viel für Beratung und Unterstützung der Ausbilder in den Betrieben und
wie viel für Fahrtzeiten zwischen den Betrieben modellhaft kalkuliert?

5. Wie bemisst sich der zeitliche Umfang der Unterstützung im Rahmen einer
„assistierten Ausbildung“?
Warum wurde er nach Kenntnis der Fragesteller für Stütz- und Förderunter-
richt mit mindestens vier Wochenstunden ohne konkrete Bedarfsanalyse fest-
gelegt, nicht aber für die betriebliche Unterstützung?

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Wie soll die wöchentliche Unterrichtung von vier Stunden pro Teilnehmen-
den pro Woche bei einem Personalschlüssel von einer Lehrkraft zu 36 Teil-
nehmenden durchgeführt werden, insbesondere bei kleinen Losgrößen von
14 bis 18 Teilnehmerplätzen?

6. Warum ist keine Hilfe für Betriebe und Jugendliche aus einer Hand konzi-
piert worden, sondern sind drei getrennte Arbeitsgebiete für Ausbildungs-
begleiter, Sozialpädagogen und Lehrkräfte entwickelt worden?

7. Welche Unterstützungsstrukturen sind für die einzelnen Teilnehmenden fi-
nanziell und personell gesichert?
a) Inwiefern kann im Rahmen der assistierten Ausbildung auf die unter-

schiedlichen Bedürfnisse, die sich aus den verschiedenen Benachteili-
gungen ergeben, eingegangen werden, bzw. welche Möglichkeiten bie-
ten die Ausgestaltungsspielräume innerhalb der assistierten Ausbildung,
auf die unterschiedlichen Benachteiligungen auch unterschiedlich einge-
hen zu können (bitte für die einzelnen benachteiligten Gruppierungen
ausführen, z. B. Menschen mit Behinderung, mit Migrationshintergrund,
Alleinerziehende etc.)?

b) Wie stellt sich die Bundesregierung zum Beispiel den Einbezug von
Menschen mit Behinderung in das Angebot der assistierten Ausbildung
vor?
Wie werden hier die spezifischen Kompetenzen beim Personal sicher-
gestellt?
Sind hier besondere Ressourcen für einen erweiterten und/oder anderen
Betreuungsaufwand in das Fachkonzept einbezogen worden?

8. Wie soll die assistierte Ausbildung finanziert werden, um sie als flächen-
deckendes Instrument zu gewährleisten?
a) In welcher Weise sollen sich die Länder beteiligen?

Wird es eine Kofinanzierung durch die Länder geben?
b) Können alle Länder davon profitieren?

Gibt es bestimmte Voraussetzungen?
9. Welche Standards sollen für Bildungsträger gelten, die eine assistierte Aus-

bildung durchführen?
Werden nach Kenntnis der Bundesregierung Bildungsträger mit Vorerfah-
rungen in den Länderprogrammen zur assistierten Ausbildung (z. B. Baden-
Württemberg) bevorzugt?
a) Wie sollen mit der Einführung der assistierten Ausbildung Doppelstruk-

turen vermieden werden?
b) Welche Verständigung gibt es mit den Ländern oder regionalen Akteu-

ren?
c) Inwiefern werden Länderkonzeptionen zur assistierten Ausbildung (ins-

besondere Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Sachsen) mit ein-
gebunden?
In welchem Umfang?

10. Inwiefern wurde vor der Festschreibung der Einführung der assistierten
Ausbildung im Sinne des § 130 SGB III ein Erfahrungsaustausch mit Mo-
dellprojekten und Landesprogrammen aufgenommen, und wie ist dieser
Fachaustausch in das Fachkonzept der Bundesagentur für Arbeit eingeflos-
sen (bitte die einzelnen Modellprojekte und Landesprogramme einzeln be-
nennen)?

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a) Was passiert mit jungen Menschen, die in die Förderung der assistierten
Ausbildung aufgenommen worden sind und sich in Phase I (Vorberei-
tung) für eine schulische Ausbildung entscheiden und in Phase II (wäh-
rend einer Ausbildung) dann nicht mehr gefördert werden können?
Gibt es ein alternatives Förderangebot für diese Teilnehmenden?

b) Wird seitens der Bundesregierung über eine Ausweitung auch auf nicht-
duale Ausbildungsgänge nachgedacht oder über die Einführung äquiva-
lenter Unterstützungsformen?

11. Wann wird es eine Evaluation des Instruments der assistierten Ausbildung
geben, um gegebenenfalls den zu fördernden Personenkreis zu erweitern
bzw. zu modifizieren und ggf. das Fachkonzept zu überarbeiten?

12. Welche Daten sollen bei einer Zwischen- bzw. Verlaufsevaluation erhoben
werden?

13. Wie ist der Stand der Verhandlungen zwischen dem Bundesministerium für
Arbeit und Soziales und dem Bundesministerium für Bildung und For-
schung, um den nach Kenntnis der Fragesteller bestehenden Konflikt mit
den Verpflichtungsermächtigungen, die es den Jobcentern fast unmöglich
macht, sich zu beteiligen, aufzulösen?

14. Welche Rolle nimmt die Jugendhilfe bei diesem arbeitsmarktpolitischen
Instrument ein?

15. Wie sind die zuständigen Stellen bzw. Kammern eingebunden in erfolgs-
sichernde Maßnahmen der assistierten Ausbildung?

16. Wie ist die Umsetzung der assistierten Ausbildung im ländlichen Raum bei
sehr kleinen Losen gedacht?
Sind hier besondere Personalschlüssel für zeitaufwendige Betreuungswege
eingerechnet worden?
Ist der Stütz- und Förderunterricht in ländlichen Regionen auch anders als
im Präsenzlernen umsetzbar?
Gibt es entsprechende Konzepte der Bundesagentur für Arbeit?

17. Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung sichergestellt werden, dass der
Maßnahmendschungel am Übergang von der Schule zum Beruf durch die
assistierte Ausbildung nicht noch dichter wird?
Was plant und was tut die Bundesregierung, um mittelfristig eine für alle
Beteiligten überschaubare Förderstruktur beruflicher Bildung zu schaffen?

18. Wie werden die ausbildenden Betriebe über diese Form der Ausbildungs-
assistenz informiert?

19. Wie wird sichergestellt, dass die assistierte Ausbildung sowohl den Be-
darfen der jungen Menschen als auch der Lebenswirklichkeit ausbildender
Betriebe angepasst wird?

20. In Anbetracht dessen, dass eine konflikthafte Beziehung zwischen Ausbil-
der und Auszubildendem der Hauptgrund für Ausbildungsabbrüche dar-
stellt, in welcher Weise ist angelegt, dass die assistierte Ausbildung auf eine
Stärkung der Beziehung Ausbilder – Auszubildender hinwirkt?

21. Wann und nach welchen Kriterien wird entschieden, ob die assistierte Aus-
bildung nach dem Jahr 2018 weitergeführt wird?

Berlin, den 8. Mai 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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