BT-Drucksache 18/4836

Beteiligung von Mitarbeitern des Urananreicherungsunternehmens URENCO an den Atomverhandlungen mit dem Iran

Vom 30. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4836
18. Wahlperiode 30.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Caren Lay, Jan van Aken, Andrej Hunko,
Ralph Lenkert, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Dr. Kirsten Tackmann,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Beteiligung von Mitarbeitern des Urananreicherungsunternehmens URENCO
an den Atomverhandlungen mit dem Iran

Am 20. März 2015 meldete die „Süddeutsche Zeitung“ mit Blick auf die zu der-
zeit laufenden Atomverhandlungen mit dem Iran: „Das Auswärtige Amt hat die
Anreicherungsexperten von URENCO hinzugezogen, jenes deutsch-niederlän-
disch-britische Konsortium, das [...] mit der iranischen Technologie gut vertraut
ist. Letztlich stammt sie ursprünglich sogar von dem Unternehmen: Der pakis-
tanische Atomschmuggler Abdul Qadir Khan hatte in den Siebzigerjahren bei
URENCO Pläne für die komplexen Maschinen gestohlen und sie später unter
anderem an Iran weiterverkauft.“
Die URENCO betreibt Anlagen zur Urananreicherung in Gronau (Deutschland),
Almelo (Niederlande) und Capenhurst (England) sowie in Eunice (USA).
Außerdem ist sie gemeinsam mit AREVA an der Enrichment Technology Com-
pany (ETC) beteiligt, die für die Forschung, Entwicklung und den Bau von
Urananreicherungs-Technik und -Anlagen zuständig ist.
Für die Urananreicherung werden bei URENCO Ultra-Gas-Zentrifugen einge-
setzt, um Uranbrennstoff mit einer Anreicherung von Uran 235 von ca. 5 Pro-
zent für den Einsatz in Atomkraftwerken herzustellen. Grundsätzlich ist es aber
auch möglich, höhere Uran 235-Anreicherungen bis hin zu atomwaffenfähi-
gem Spaltmaterial herzustellen. Aufgrund dieser Brisanz u. a. der Urananreiche-
rungsanlage in Gronau unterliegt die URENCO strengen Kontrollmaßnahmen.
Der Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ erinnert aber auch daran, dass
URENCO in der Vergangenheit nicht immer ein Vorbild in Sachen nukleare
Nichtverbreitung war. Tatsächlich hat URENCO in der Vergangenheit durch
mangelnde Sicherheitsvorkehrungen in erheblichem Umfang zur Weiterver-
breitung der militärisch äußerst sensiblen Zentrifugentechnologie beigetragen.
Im Falle des Abdul Qadir Khan hat das Kontrollregime bei URENCO nach Auf-
fassung der Fragesteller vollständig versagt – auch in Bezug auf die Kontrollen
durch die deutsche, niederländische und britische Regierung.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Aus welchen Gründen und mit welchen Fragestellungen hat die Bundesregie-

rung Anreicherungsexperten der URENCO an den Atomverhandlungen mit
dem Iran beteiligt, bzw. wer genau war Auftraggeber für die URENCO-Ex-
perten?

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2. Über welche Kenntnisse verfügen die URENCO-Anreicherungsexperten,
die nicht von Mitarbeitern der IAEO (Internationale Atomenergie-Organi-
sation) oder Euratom-Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden können,
bzw. welche Gründe waren dafür ausschlaggebend, URENCO-Mitarbeiter
zusätzlich einzubeziehen?

3. In welcher Weise fand die Beteiligung dieser URENCO-Anreicherungs-
experten während der Verhandlungen statt (persönliche Beteiligung, schrift-
lich o. a.)?

4. An welchen Sitzungen (Datum, Thema) waren diese URENCO-Anreiche-
rungsexperten im Rahmen der Atomverhandlungen direkt beteiligt?

5. Wie viele URENCO-Anreicherungsexperten mit welchen jeweiligen Funk-
tionen im Unternehmen waren insgesamt beteiligt?

6. In welchen URENCO-Anlagen sind diese Anreicherungsexperten jeweils
tätig?

7. Wie genau lauteten die Aufträge der Bundesregierung, zu der die
URENCO-Anreicherungsexperten jeweils in welcher Weise Stellung neh-
men sollten (bitte jeweils den Titel des Auftrags bzw. der Fragestellung ein-
zeln angeben)?

8. Von wann bis wann waren diese URENCO-Anreicherungsexperten jeweils
für die Bundesregierung tätig, und in welcher Höhe wurden diese entlohnt
bzw. bezahlt?

9. Haben das Auswärtige Amt oder andere Bundesministerien sich schon
früher von Mitarbeitern der URENCO oder der URENCO-Tochter ETC
(Enrichment Technology Company) beraten lassen?
Wenn ja, wann, aus welchem Anlass, und in welchem Umfang?

10. In welchem Umfang greifen das Auswärtige Amt oder andere Bundesminis-
terien in Sachen Urananreicherung auf externe Berater zurück, die nicht
unmittelbar oder mittelbar für URENCO oder die URENCO-Tochter ETC
arbeiten (bitte nach Zeitpunkt, Anlass und Umfang der Beratungstätigkeit
aufschlüsseln)?

11. In welcher Weise soll nach Kenntnis der Bundesregierung künftig sicher-
gestellt werden, dass in den Urananreicherungsanlagen des Irans eine An-
reicherung von Uran 235 zu Atomwaffenzwecken unterbunden wird, und
in welcher Weise haben dabei die Informationen bzw. Kenntnisse der
URENCO-Anreicherungsexperten geholfen (bitte umfassend darstellen, in
welcher Weise die Zahl der Zentrifugen begrenzt und überwacht werden
und welche sonstigen Kontrollmaßnahmen eine wirksame Überwachung
und Früherkennung ermöglichen sollen)?

12. Über wie viele Zentrifugen jeweils welcher Art verfügt der Iran nach Kennt-
nis der Bundesregierung derzeit, wie viele davon sind wo im Einsatz, und
wie viel angereichertes Uran 235 mit welchem Anreicherungsgrad kann der
Iran damit pro Jahr herstellen?

13. Wie viele Zentrifugen welcher Art kann der Iran nach Kenntnis der Bundes-
regierung pro Jahr herstellen?

14. Wie viele der im Iran eingesetzten Zentrifugen wären nach Kenntnis der
Bundesregierung notwendig, um innerhalb eines Jahres so viel angereicher-
tes Uran 235 mit welchem Anreicherungsgrad herzustellen, damit dieses für
Atomwaffen einsetzbar wäre, und in welcher Weise soll sichergestellt wer-
den, dass die Herstellung dieser Menge nicht erfolgt (bitte um ausführliche
Darstellung)?

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15. Wie viele Zentrifugen sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei der
URENCO in Gronau derzeit in Betrieb?
Wie viele werden jeweils im Schnitt der letzten fünf Jahre pro Jahr ausge-
tauscht?

16. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung vorgesehen, dass URENCO- oder
ETC-Mitarbeiter künftig in irgendeiner Weise bei der Zentrifugenherstel-
lung bzw. dem Einsatz der Zentrifugen im Iran beteiligt sein werden, und
wenn ja, in welcher Weise (z. B. zur Kontrolle, Überwachung oder in ande-
ren Belangen)?

17. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung geschäftliche Verbindungen,
bzw. wird es in Zukunft Verbindungen zwischen der URENCO bzw. der
ETC und Firmen oder staatlichen Stellen im Iran geben, die an der Zulie-
ferung für und die Herstellung von Zentrifugen oder dem Einsatz der Zen-
trifugen zur Urananreicherung beteiligt sind?
Wenn ja, in welcher Weise, und zu welchen Zwecken?

18. Welche Bedeutung haben nach Einschätzung der Bundesregierung die
Kenntnisse und Unterlagen, die der pakistanische Wissenschaftler Abdul
Qadir Khan bei der URENCO damals erworben bzw. gestohlen hat, für die
Fähigkeit des Irans zur Urananreicherung, und in welcher Weise wird heute
bei URENCO sichergestellt, dass sich derartiges nicht wiederholen kann?

19. Wie soll nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt werden, dass
eine Weiterverbreitung der auf URENCO-Technologien basierenden Uran-
anreicherungstechnik des Irans an weitere Staaten künftig verhindert wer-
den kann, bzw. war dies Thema der Atomverhandlungen mit dem Iran, und
welche Regelungen gibt es dazu?

Berlin, den 30. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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