BT-Drucksache 18/4784

Neue Maßnahmen des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei zur Unterstützung ägyptischer Polizeibehörden

Vom 28. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4784
18. Wahlperiode 28.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Neue Maßnahmen des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei zur
Unterstützung ägyptischer Polizeibehörden

Ungeachtet zahlreicher Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte durch die
ägyptische Regierung (Frankfurter Rundschau vom 26. November 2014) hat die
Bundesregierung wieder Verhandlungen zum Abschluss eines Abkommens zur
Polizeizusammenarbeit mit Ägypten aufgenommen (Bundestagsdrucksache 18/
3054). Alle Details sollen aber unter Verschluss bleiben: Weder werden die deut-
schen Vorschläge mitgeteilt, noch erläutert die Bundesregierung die Reaktion
oder etwaige Gegenvorschläge der Regierung in Kairo. Diese Haltung hat das
Bundesministerium des Innern zuletzt im April 2015 bekräftigt (Schriftliche
Frage 44 des Abgeordneten Andrej Hunko auf Bundestagsdrucksache 18/4642).
Ungeachtet der Kritik hat das Bundesministerium des Innern nun weitere Maß-
nahmen beschlossen. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat „ägyptische Spreng-
stoffexperten“ zum internationalen BKA-Sprengstoff-Symposium im Novem-
ber 2015 in Magdeburg eingeladen. Der Leiter der ägyptischen Polizeiakademie
ist zu einem Informationsaustausch mit Vertretern der Fachhochschule des Bun-
des, der Deutschen Hochschule der Polizei, einer deutschen Landespolizei und
dem BKA eingeladen worden, um sich dort zu „Fragen der Aus- und Fortbil-
dung“ auszutauschen. Mit dem neu gegründeten ägyptischen National Security
Sector (NSS) und dem geheimdienstlichen General Intelligence Service (GIS)
plant das BKA die Durchführung eines „Expertenaustausches auf Fachebene
zum Thema ‚Terrorismus-/Extremismusbekämpfung‘ “. Auch die Staatsschutz-
Abteilungsleiter von NSS und BKA wollen sich zum Thema „Terrorismusbe-
kämpfung“ austauschen. Des Weiteren sollen Stipendiaten des NSS in einem
„Aufbaumodul“ ausgebildet werden.
Im Februar 2015 hat das Bundesministerium des Innern mit dem ägyptischen
Ministerium für innere Angelegenheiten für das laufende Jahr ebenfalls mehrere
Maßnahmen „für eine intensivere Zusammenarbeit im Verantwortungsbereich
der Bundespolizei“ vereinbart. Diese werden zwar nicht im Einzelnen benannt,
erstrecken sich aber laut dem Bundesministerium des Innern auf „die Bekämp-
fung illegaler Migration, die Unterstützung bei der Gewährleistung von Luft-
sicherheit sowie die Themenbereiche Sprengstoffermittlung bzw. Entschärfung,
polizeiliche Aufgabenerfüllung bei Großveranstaltungen und Aus- und Fortbil-
dung“. Außerdem sei beabsichtigt, einen grenzpolizeilichen Verbindungsbeam-
ten zu entsenden.

Drucksache 18/4784 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwiefern ist mittlerweile ein Zeitpunkt für den Abschluss des von der Bun-

desregierung verhandelten Abkommens zur Polizeizusammenarbeit mit
Ägypten absehbar?

2. Auf wessen Initiative hat die Bundesregierung nun weitere Maßnahmen zur
Polizeikooperation mit Ägypten beschlossen?

3. Welche der Maßnahmen wurden wann von welchem deutschen oder ägyp-
tischen Ministerium vorgeschlagen, und inwiefern wichen die Vorschläge
von den nun beschlossenen Maßnahmen ab?

4. Welche Kosten entstehen für die einzelnen Maßnahmen, und wie werden
diese übernommen?

5. Was ist der Bundesregierung über die Definition des Begriffs „Terrorismus“
durch ägyptische Sicherheitsbehörden bekannt?

6. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern ägyptische Behör-
den auch Streiks oder nicht genehmigte Demonstrationen als „Terrorismus“
bezeichnet werden?

7. Welche konkreten Kriminalitätsphänomene oder Vorfälle will die Bundes-
regierung bei einem „Expertenaustausch auf Fachebene zum Thema ‚Terro-
rismus-/Extremismusbekämpfung‘ “ ansprechen?

8. Wann und wo soll der „Expertenaustausch auf Fachebene zum Thema
‚Terrorismus-/Extremismusbekämpfung‘ “ stattfinden?

9. Was ist der Bundesregierung über die seitens Ägyptens gewünschten The-
men für den „Expertenaustausch auf Fachebene zum Thema ‚Terrorismus-/
Extremismusbekämpfung‘ “ bekannt?

10. Mit welchem Personal aus welchen Abteilungen welcher Behörden will sich
die ägyptische Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung am „Exper-
tenaustausch auf Fachebene zum Thema ‚Terrorismus-/Extremismus-
bekämpfung‘“ beteiligen?

11. Mit welchem Personal aus welchen Abteilungen welcher Behörden wird
sich die Bundesregierung „Expertenaustausch auf Fachebene zum Thema
‚Terrorismus-/Extremismusbekämpfung‘ “ beteiligen?

12. Wann und wo werden sich die Staatsschutz-Abteilungsleiter von NSS und
BKA nach derzeitigem Stand zum Thema „Terrorismusbekämpfung“ aus-
tauschen?

13. Welche Themen bzw. welche konkreten Kriminalitätsphänomene werden
dort voraussichtlich behandelt?

14. Wie viele „ägyptische Sprengstoffexperten“ werden zum internationalen
BKA-Sprengstoff-Symposium im November in Magdeburg eingeladen?

15. Wann soll der Informationsaustausch mit dem Leiter der ägyptischen Poli-
zeiakademie bei der Fachhochschule des Bundes, der Deutschen Hoch-
schule der Polizei, einer deutschen Landespolizei und dem BKA stattfin-
den?

16. Welche „Fragen der Aus- und Fortbildung“ sollten dabei aus Sicht der Bun-
desregierung erörtert werden?

17. Welche Vorschläge wird die Bundesregierung hierzu machen?
18. Im Rahmen welcher Maßnahmen und zu welchen Inhalten sollen Stipen-

diaten des NSS ausgebildet werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4784
19. Welche Zielsetzung wird mit der nun beschlossenen „intensiveren Zusam-
menarbeit im Verantwortungsbereich der Bundespolizei“ verfolgt?

20. Welche deutschen und ägyptischen Behörden sind an den neuen Maßnah-
men zur „Bekämpfung illegaler Migration“ beteiligt?
a) Welche Projekte oder sonstigen Vorhaben sind zur „Bekämpfung illega-

ler Migration“ geplant?
b) Wo finden die Projekte oder sonstigen Vorhaben statt?
c) Wann sollen diese beginnen und enden?
d) Welches Personal und welche Sachmittel werden von den Beteiligten

hierfür aufgewendet?
21. Welche deutschen und ägyptischen Behörden sind an den neuen Maßnah-

men zur „Unterstützung bei der Gewährleistung von Luftsicherheit“ betei-
ligt?
a) Welche Projekte oder sonstigen Vorhaben sind zur „Unterstützung bei

der Gewährleistung von Luftsicherheit“ geplant?
b) Wo finden die Projekte oder sonstigen Vorhaben statt?
c) Wann sollen diese beginnen und enden?
d) Welches Personal und welche Sachmittel werden von den Beteiligten

hierfür aufgewendet?
22. Welche deutschen und ägyptischen Behörden sind an den neuen Maßnah-

men zur „Sprengstoffermittlung/Entschärfung“ beteiligt?
a) Welche Projekte oder sonstigen Vorhaben sind zur „Sprengstoffermitt-

lung/Entschärfung“ geplant?
b) Wo finden die Projekte oder sonstigen Vorhaben statt?
c) Wann sollen diese beginnen und enden?
d) Welches Personal und welche Sachmittel werden von den Beteiligten

hierfür aufgewendet?
23. Welche deutschen und ägyptischen Behörden sind an den neuen Maßnah-

men zur „polizeiliche Aufgabenerfüllung bei Großveranstaltungen“ betei-
ligt?
a) Welche Projekte oder sonstigen Vorhaben sind zur „polizeiliche Aufga-

benerfüllung bei Großveranstaltungen“ geplant?
b) Wo finden die Projekte oder sonstigen Vorhaben statt?
c) Wann sollen diese beginnen und enden?
d) Welches Personal und welche Sachmittel werden von den Beteiligten

hierfür aufgewendet?
24. Welche deutschen und ägyptischen Behörden sind an den neuen Maßnah-

men zur „Aus- und Fortbildung“ bei der Bundespolizei beteiligt?
a) Welche Projekte oder sonstigen Vorhaben sind zur „Aus- und Fortbil-

dung“ bei der Bundespolizei geplant?
b) Wo finden die Projekte oder sonstigen Vorhaben statt?
c) Wann sollen diese beginnen und enden?
d) Welches Personal und welche Sachmittel werden von den Beteiligten

hierfür aufgewendet?

Drucksache 18/4784 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
25. Für wann ist die Entsendung eines grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten
der Bundespolizei geplant?

26. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Einschät-
zung der Nahost-Expertin Ruth Jüttner von „Amnesty International“ aus
dem Sommer 2014, wonach allein in dem Jahr nach dem Sturz des ägyp-
tischen Präsidenten Mohammed Mursi bei Auflösungen von Demonstra-
tionen 1 400 Menschen ums Leben gekommen seien und dass die hieran
„beteiligten Soldaten und Polizisten […] keine Strafverfolgung fürchten“
müssen (www.evangelisch.de/inhalte/95682/03-07-2014/amnesty-beklagt-
massive-verletzung-der-menschenrechte-aegypten) für ihre geplante Aus-
weitung der Polizeikooperation mit Ägypten?

27. Welche eigenen Kenntnisse hat die Bundesregierung über diese Vorgänge?
28. Inwiefern hat die Bundesregierung im Rahmen ihres Ausbaus einer Koope-

ration mit Ägypten seit November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3054)
erneut die Verfolgung regierungskritischer Bloggerinnen bzw. Blogger und
Aktivistinnen bzw. Aktivisten angesprochen?

29. Wie haben die ägyptischen Behörden darauf jeweils reagiert, und welche
Zusagen wurden gemacht?

30. Was ist der Bundesregierung inzwischen darüber bekannt, ob die von ihren
Behörden gelehrten Fähigkeiten zur Ausforschung von Aktivitäten im Inter-
net durch ägyptische Behörden zur Verfolgung von Homosexuellen oder
Andersdenkenden genutzt werden?

31. Wann wurden in den Jahren 2014 und 2015 welche Maßnahmen der Bun-
desregierung in Ägypten dahingehend evaluiert, „ob vermitteltes Wissen
oder im Rahmen der Ausstattungshilfe zur Verfügung gestellte Technik im
Empfängerland bestimmungsgerecht und rechtsstaatlichen Maßstäben ent-
sprechend eingesetzt wird“?

32. Wer nahm die Prüfung jeweils vor?
33. Welche Ergebnisse zeitigte die Prüfung hinsichtlich des bestimmungs-

gerechten Einsatzes durch ägyptische Behörden?
34. Welche Maßnahmen wurden aufgrund einer solchen Prüfung in den letzten

fünf Jahren ausgesetzt?
35. Mit welchen Einzelmaßnahmen ist das Bundesministerium des Innern der-

zeit im Rahmen einer Sicherheitszusammenarbeit mit Tunesien aktiv?
36. Welche gegenwärtigen, in der Bundestagsdrucksache 18/3054 noch nicht

aufgeführten Anstrengungen der EU sind der Bundesregierung zu Ägypten
und Tunesien bekannt, um die Regierungen bei einer „Sicherheitssektor-
reform“ oder ähnlichen Maßnahmen für Polizeien, Geheimdienste oder
Zollbehörden zu unterstützen?

37. Was ist der Bundesregierung mittlerweile über Ziel, Zweck, Teilnehmende
und Einzelmaßnahmen des EU-Projekts „zum Thema Terrorismusbekämp-
fung in der Region Maghreb/Nordafrika im Rahmen des Stabilitätsinstru-
ments“ bekannt?

38. Wann begannen bzw. beginnen die EU-Vorhaben nach Kenntnis der Bun-
desregierung, und welche Behörden welcher Länder nehmen mit welchen
Aufgaben daran teil?

39. Welche weiteren EU-Vorhaben sollen nach Kenntnis der Bundesregierung
in den Jahren 2015 oder 2016 in Ägypten und bzw. oder Tunesien beginnen,
und welche Behörden welcher Länder nehmen mit welchen Aufgaben daran
teil?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4784
40. Inwiefern haben Italien, Deutschland, Frankreich oder Spanien nach Kennt-
nis der Bundesregierung bereits damit begonnen, die ägyptische oder tune-
sische Regierung zur besseren Zusammenarbeit im Bereich der Migrations-
kontrolle zu bewegen und Geflüchtete anstatt in die Europäische Union zu-
künftig „in ihre eigenen Häfen“ an der nordafrikanischen Küste bringen
(MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK Online vom 22. März 2015)?
a) Auf welche Weise könnte die EU aus Sicht der Bundesregierung Ägyp-

ten und Tunesien bei der „Rückführung der irregulären Migranten in ihre
Herkunftsländer“ helfen?

b) Welche Anstrengungen oder Vorbereitungen wurden hierzu bereits un-
ternommen?

41. Inwiefern bzw. mit welchem (Zwischen-)Ergebnis hat die Bundesregierung
bereits gegenüber welchen nordafrikanischen Regierungen vorschlagen, dort
„EU-Auffanglager für Flüchtlinge in Nordafrika“ einzurichten bzw. an ent-
sprechenden Plänen mitzuarbeiten (MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Online vom 22. März 2015)?

42. Mit welchen Behörden wurden hierzu nach Kenntnis der Bundesregierung
bereits von italienischer oder deutscher Seite Gespräche geführt (bitte
Datum, Ort und Teilnehmende mitteilen)?

Berlin, den 28. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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