BT-Drucksache 18/4778

Abschlussbericht der weiteren ergänzenden Untersuchungen am Gewehr G36

Vom 28. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4778
18. Wahlperiode 28.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Annette Groth, Heike
Hänsel, Katrin Kunert, Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler und der Fraktion
DIE LINKE.

Abschlussbericht der weiteren ergänzenden Untersuchungen am Gewehr G36

Der am 17. April 2015 vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) vor-
gelegte Bericht zum Sturmgewehr G36 wirft Fragen zu den Technischen Liefer-
bedingungen (TL) sowie weiteren Test- und Bewertungsverfahren auf. Im Sinne
einer umfassenden Aufklärung ist es dringlich, zusätzlich zum üblichen Ant-
wortformat bei Kleinen Anfragen auch die relevanten Dokumente mit beizu-
fügen. Falls die Beschaffung der umfassenden Dokumentensammlungen dabei
länger dauern sollte, regen wir an, zunächst die Anfrage im üblichen Format im
Rahmen der üblichen Zeitvorgaben zu beantworten und die Dokumente inner-
halb einer angemessenen Zeit nachzuliefern.
Im Folgenden wird der Begriff „G36“ auch für solche Exemplare der G36-Ent-
wicklungslinie verwendet, die vor der Beschaffung unter anderem Namen (wie
zum Beispiel HK50) firmierten. Er umfasst dabei alle Modellvarianten („kurz“,
„lang“ etc.) des Sturmgewehrs.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche unterschiedlichen Bewertungskriterien, insbesondere hinsichtlich

Treffdistanz und Treffwahrscheinlichkeit (in Metern bzw. Prozent) wurden
für die aktuellen Tests von wem, wann, in welcher Form vorgeschlagen, dis-
kutiert und wieder verworfen, bis sich die AG G36 auf die endgültige Fas-
sung der Bewertungskriterien (wie in Absatz 4 des Kurzreferates des „Zu-
sammenfassenden Berichts der technischen Ergebnisse“ im „Abschlussbe-
richt Phase I“ vom 17. April 2015 wiedergegeben) geeinigt hatte (bitte alle
Vorschläge und Entwürfe der Bewertungskriterien beifügen)?

2. Wer hat die endgültige Entscheidung für die endgültige Fassung dieser Be-
wertungskriterien wann getroffen?

3. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht das BMVg bzw. das
Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundes-
wehr (BAAINBw) und die Wehrtechnische Dienststelle 91 (WTD 91) aus
früheren Versuchsergebnissen im Lichte der jetzt beschlossenen Bewertungs-
kriterien, d. h. hätten bei früheren Versuchen bei Anlegen der jetzigen Bewer-
tungskriterien auch schon geschlussfolgert werden müssen, dass das G36 die
Forderungen nicht erfüllt (hier bitte ausdrücklich eine fachliche, wissen-
schaftliche Bewertung der alten Versuchsergebnisse von den jeweiligen tech-
nischen Fachleuten einholen)?

Drucksache 18/4778 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Wenn ja, teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass eine klare Bewer-
tung des G36 schon früher möglich gewesen wäre, wenn nur konkrete Be-
wertungskriterien vorgelegen hätten?

5. Welche genauen Kriterien, Vorgaben und Bedingungen sahen die Taktisch
Technische Forderung von 1993 sowie die TL für das G36 vor (Dokumente
bitte beifügen)?

6. Basierten die TL auf der Annahme bzw. Voraussetzung, dass das G36
seitens der Bundeswehr im gesamten Bündnisgebiet der NATO eingesetzt
werden können musste?

7. Existieren Gewehre oder Maschinenpistolen in den Beständen der Bundes-
wehr, deren TL auch Präzisionsbeschuss mit mehr als fünf Schuss bzw. nach
vorheriger Abgabe von mehr als fünf Schuss vorsehen (wenn ja, bitte nach
Waffentyp und genauen Vorgaben der TL aufschlüsseln)?

8. Worin genau unterscheiden sich die Vorgaben der TL von den jetzigen Be-
wertungskriterien (siehe dazu insbesondere Abschlussbericht der WTD 91,
S. 7, letzter Absatz)?

9. Wodurch genau unterscheiden sich die Konstruktionsstände A0 bis A4 der
getesteten G36-Gewehre, und wer hat die Vorgaben dieser Konstruktions-
stände wann und warum definiert?

10. Wurde der Konstruktionsstand A3 seinerzeit vom BMVg angeregt oder in
Auftrag gegeben?
Wenn ja, mit welchem Ziel, aufgrund welcher Erfahrungen mit dem vor-
herigen Konstruktionsstand und mit welchen konkreten, veränderten oder
neuen Anforderungen?

11. Aus welchem Grund hebt der Abschlussbericht der WTD 91, Seite 9, in Ab-
satz 2 besonders die Präzisionsleistung des Konstruktionsstandes A3 im
Vergleich zu den Vorgängern hervor?

12. Seit wann sind G36-Gewehre des Konstruktionsstandes A3 bei der Bundes-
wehr im Gebrauch?

13. Wie alt waren die 20 im Test untersuchten G36-Gewehre des Konstruktions-
standes A3, und wie viel Schuss waren vorher damit jeweils bereits abgege-
ben worden?

14. Wieviel Prozent der fabrikneu gelieferten G36 A3 haben in den routinemä-
ßigen Güteprüfungen der Bundeswehr die TL erfüllt?

15. Wie bewertet die Bundesregierung den Anteil der Waffen vom Konstruk-
tionsstand A3, die die TL im jetzigen Test nicht erfüllt haben?

16. Wie bewertet die Bundesregierung den niedrigen Anteil der Waffen vom
Konstruktionsstand A4, die die TL im jetzigen Test nicht erfüllt haben?

17. Haben andere Stellen, insbesondere die Bundesministerin der Verteidigung
Dr. Ursula von der Leyen und bzw. oder Staatssekretärinnen und Staats-
sekretäre im BMVg Entwürfe des „Zusammenfassenden Berichtes der tech-
nischen Ergebnisse“, der „Fähigkeitsbezogenen taktisch-operativen Bewer-
tung“ des Planungsamtes, den Text „Weitere ergänzende Untersuchungen
am Gewehr G36 – Projektbezogene Bewertung der Ergebnisse“ des
BAAINBw, den „Abschlussbericht“ der WTD 91 sowie den Text „Weitere
ergänzende Untersuchungen am Gewehr G36 – Ergebnisse der Phase 1“ des
Ernst-Mach-Instituts (EMI) vorab zur Kommentierung zu sehen bekommen
(wenn ja, bitte alle Kommentare, Hinzufügungen, Streichungen, Textvor-
schläge oder weitere Änderungsideen – ob am Ende umgesetzt oder nicht –
beifügen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4778
18. Welche Gewehrtypen verbergen sich hinter den Kürzeln „Fabrikat A“, „Fa-
brikat B“, „Fabrikat C“, „Fabrikat D“ und „Fabrikat E“?

19. Existierte eine Art Fragenkatalog für die Untersuchungen, z. B. konkrete
Fragen danach, ob es im Produktionszeitraum sprunghafte Änderungen
gab?
Wenn ja, wer hat diesen Fragenkatalog wann erstellt (bitte Katalog beifü-
gen)?

20. Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte oder Verdachtsmomente dafür,
dass es im Laufe der G36-Produktion – möglicherweise bislang nicht be-
kannte – Änderungen oder Abweichungen im Produktionsprozess gab
(siehe hierzu insbesondere Abschlussbericht WTD 91, S. 46, Absatz 2)?

21. Welche Erklärung hat die Bundesregierung für eine Trefferquote von mi-
nus 0,1 Schüssen bei zehn abgegebenen Schüssen (siehe Abschlussbericht
WTD 91, Tabelle 4 auf S. 44, Treffbild 3)?

22. Aus welchen Gründen wurden in Tabelle 58 des Abschlussberichtes der
WTD 91 in der Spalte „15/45 °C“ die Werte der ersten und zweiten Ver-
suchsreihe gemittelt, obwohl die Werte der beiden Reihen signifikant unter-
schiedliche und überhaupt nicht vergleichbare Werte darstellen, da der eine
Wert im aufsteigenden und der andere im absteigenden Temperaturspek-
trum ermittelt wurden?

23. Welche gemittelten Trefferwahrscheinlichkeiten würden sich in Tabelle 58
für eine Erwärmung von 15 auf 45 Grad Celsius ergeben, wenn nur die
Werte der aufsteigenden Temperaturreihe mit einbezogen werden (sprich:
eine Darstellung vergleichbar der Tabelle 59, diesmal allerdings für die erste
Versuchsreihe)?

24. Hatte ein früherer Entwurf des WTD-Abschlussberichtes auch eine der Ta-
belle 59 vergleichbare Auflistung der Mittelwerte der ersten Versuchsreihe
enthalten, und warum ist diese Tabelle nicht im Endbericht enthalten?

25. Welche gemittelten Trefferwahrscheinlichkeiten würden sich in Tabelle 58
für eine Erwärmung von 15 auf 45 Grad Celsius ergeben, wenn nur die
Werte der aufsteigenden Temperaturreihe mit einbezogen werden (sprich:
eine Darstellung vergleichbar der Tabelle 59, diesmal allerdings für die erste
Versuchsreihe)?

26. Ist es zutreffend, dass die auf Seite 77 des Abschlussberichtes der WTD 91
aufgeführten Daten nicht das G36 A2, sondern mutmaßlich die Konstruk-
tionsvariante A4 betreffen?

27. Ist es zutreffend, dass in den 90er-Jahren vor der Entscheidung für das
HK50 bzw. G36 auch andere Gewehre von der Bundeswehr getestet wur-
den?
a) War darunter das Steyr AUG?

aa) Wenn ja, welches genau?
bb) Wenn ja, wie haben diese anderen im Vergleich zum G36 in den da-

maligen Tests abgeschnitten (bitte Prüfprotokolle, Erfahrungsbe-
richte und alle anderen relevanten Dokumente beilegen).

cc) Aus welchen Gründen fiel die Entscheidung gegen dieses Modell?
b) Waren darunter Gewehre der AK-Baureihe (Kalashnikov)?

aa) Wenn ja, welche genau?

Drucksache 18/4778 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
bb) Wenn ja, wie haben diese im Vergleich zum G36 in den damaligen
Tests abgeschnitten (bitte Prüfprotokolle, Erfahrungsberichte und
alle anderen relevanten Dokumente beilegen).

cc) Wenn ja, waren darunter Exemplare aus Beständen der Nationalen
Volksarmee, NVA?

dd) Aus welchen Gründen fiel die Entscheidung gegen dieses Modell?
c) Wurden weitere Modelle anderer Hersteller getestet?

aa) Wenn ja, welche genau?
bb) Wenn ja, wie haben diese im Vergleich um G36 in den damaligen

Tests abgeschnitten (bitte Prüfprotokolle, Erfahrungsberichte und
alle anderen relevanten Dokumente beilegen)?

cc) Aus welchen Gründen fiel die Entscheidung gegen dieses Modell
bzw. diese Modelle?

28. Wann genau ist die Bundesverteidigungsministerin Dr. Ursula von der
Leyen erstmals von dem Entwurf des Bundesrechnungshofberichtes von
wem und auf welche Weise in Kenntnis gesetzt worden?

29. Wie genau lautete die Meldung über Probleme mit dem G36 aus Afghanis-
tan vom 22. März 2012 (s. Sitzungsprotokoll des Verteidigungsausschusses
vom 22. April 2015)?

30. Gab es andere – formelle oder informelle – Meldungen zum G36 aus Afgha-
nistan vor dem 22. März 2012?

31. Wann genau kam die erste Meldung über Präzisionsprobleme beim G36 aus
der Güteprüfstelle (bitte Dokument beilegen)?

32. Aus welchen Gründen wurde ab dem 60. ausgelieferten G36 die Kunststoff-
zusammensetzung geändert und auf wessen Veranlassung geht dies zurück?

33. Wann wurde die Bundeswehr erstmals über die geänderte Kunststoffzusam-
mensetzung informiert (bitte Dokument beilegen)?

34. Gab es danach noch weitere bzw. erneute Tests bei der Bundeswehr mit der
neuen Variante?

35. Wie verträgt sich die Tatsache, dass es nach Beginn der Auslieferung des
G36 noch eine Veränderung der Kunststoffzusammensetzung gab, mit der
Aussage von Generalmajor Zimmer in der Sitzung des Verteidigungsaus-
schusses vom 4. Februar 2015, dass der „Abnahmedemonstrator“ im glei-
chen baulichen Zustand, auch hinsichtlich der Werkstoffe, gewesen sei wie
die später von der Bundeswehr abgenommenen Gewehre?

36. Hat das BMVg bzw. eine untergeordnete Dienststelle jemals die Zusam-
mensetzung des verwendeten Kunststoffes bzw. der verwendeten Kunst-
stoffe eigenständig untersucht oder von einer unabhängigen dritten Stelle
untersuchen lassen?
Falls ja, wann wurden diese Untersuchungen von wem an welchen Varian-
ten zu welchem Zeitpunkt durchgeführt?

37. Hat das BMVg bzw. eine untergeordnete Dienststelle dem Hersteller Heck-
ler & Koch GmbH eine Veränderung der Zusammensetzung des verwendeten
Kunststoffes bzw. der verwendeten Kunststoffe genehmigt bzw. sich mit
dem Hersteller auf eine Veränderung verständigt?
Falls ja, wann wurde die Veränderung in welcher Form für welche Varianten
genehmigt bzw. sich darauf verständigt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4778
Hat das BMVg bzw. eine untergeordnete Dienststelle jemals nachträglich
Kenntnis erlangt von einer Veränderung der Zusammensetzung des verwen-
deten Kunststoffes bzw. der verwendeten Kunststoffe seitens des Herstel-
lers, und falls ja, wie hat das BMVg bzw. eine untergeordnete Dienststelle
Kenntnis erlangt (bitte unter Angabe des Datums der Veränderung, der Art
der Veränderung, des Datums der Kenntnisnahme sowie der Angabe, wel-
che Varianten betroffen waren)?

Berlin, den 27. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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