BT-Drucksache 18/4726

Beschaffungsprozess des Sturmgewehrs G36 in den 90er-Jahren

Vom 22. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4726
18. Wahlperiode 22.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Niema Movassat,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Beschaffungsprozess des Sturmgewehrs G36 in den 90er-Jahren

Der am 17. April 2015 vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) vor-
gelegte Bericht zum Sturmgewehr G36 wirft Fragen zu dessen Beschaffungs-
geschichte auf. Im Sinne einer umfassenden Aufklärung bitten die Fragesteller
zusätzlich zum üblichen Antwortformat bei Kleinen Anfragen auch die relevan-
ten Dokumente ihrer Antwort beizufügen. Falls die Beschaffung der umfassen-
den Dokumentensammlungen dabei länger dauern sollte, regen die Fragesteller
an, zunächst die Kleine Anfrage im üblichen Format im Rahmen der üblichen
Zeitvorgaben zu beantworten und die Dokumente innerhalb einer angemessenen
Zeit nachzuliefern.
Im Folgenden wird der Begriff G36 auch für solche Exemplare der G36-Ent-
wicklungslinie verwendet, die vor der Beschaffung unter anderem Namen (wie
zum Beispiel HK50) firmierten. Er umfasst dabei alle Modellvarianten („kurz“,
„lang“ etc.) des Sturmgewehrs.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. War bei der erstmaligen Beschaffung des G36 in den 90er-Jahren nach heuti-

ger Auffassung des BMVg das Sturmgewehr zum Zeitpunkt der damaligen
Ausschreibung bereits ein marktfertiges, ausentwickeltes Produkt oder wurde
das G36 vor der endgültigen Beschaffungsentscheidung noch – mit oder nach
Kenntnis der Bundesregierung ohne Beteiligung von der Bundeswehr bzw.
dem BMVg – weiterentwickelt?

2. Wann wurde der Bundeswehr erstmals ein Exemplar des späteren G36 (sei-
nerzeit evtl. noch unter einer anderen Bezeichnung, wie z. B. HK50) zur
Verfügung gestellt?

3. Wann wurden zwischen dieser erstmaligen Überlassung und der endgültigen
Einführung welche weiteren Exemplare (Prototypen, Demonstratoren, Vor-
serienmodelle etc.) durch den Hersteller überlassen?

4. Hat es nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen diesen erstmals der
Bundeswehr überlassenen G36-Exemplaren und den später vertragsmäßig
ausgelieferten G36-Exemplaren Veränderungen am Gewehr gegeben?
Wenn ja, auf wessen Veranlassung hin wurden welche Veränderungen durch-
geführt (bitte die entsprechende Korrespondenz zwischen BMVg, Bundes-
wehr oder untergeordneten Dienststellen einerseits sowie Heckler & Koch
GmbH andererseits beifügen)?

Drucksache 18/4726 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Was genau ist im Sprachgebrauch des BMVg ein „Abnahmedemonstrator“,
und wie unterscheidet er sich per Definition von Prototypen einerseits und
Serienmodellen andererseits?

6. Gab es vom G36 (bzw. dessen Vorläufermodellen wie HK50) zu verschie-
denen Zeitpunkten unterschiedliche „Abnahmedemonstratoren“?
Wenn ja, wann gab es welche „Abnahmedemonstratoren“ mit welchen
unterschiedlichen Eigenschaften, Bauformen und bzw. oder werkstofflichen
Zusammensetzungen?

7. Welche anderen Begriffe als „Abnahmedemonstrator“ verwendet oder ver-
wendete das BMVg für Exemplare eines Sturmgewehrs, die während eines
Beschaffungs- und bzw. oder Entwicklungsprozesses für Test-, Vorführ-
oder Probezwecke überlassen werden bzw. wurden?

8. Wurde der Begriff „Abnahmedemonstrator“ in der Korrespondenz mit
Heckler & Koch GmbH verwendet?
Wenn nicht, welcher andere Begriff wurde dafür verwendet?

9. An welchem genauen Datum wurden diejenigen G36-Exemplare der
Bundeswehr bzw. dem BMVg überlassen, mit denen die für die Beschaf-
fungsentscheidung relevanten Tests und Erprobungen durchgeführt wurden?

10. Hatten diese Exemplare bereits eine Kunststoffzusammensetzung, die mit
derjenigen der serienmäßig ausgelieferten G36-Exemplare vollkommen
identisch war, oder gab es nach Kenntnis der Bundesregierung zu einem
späteren Zeitpunkt noch Veränderungen in der Kunststoffzusammenset-
zung?

11. Existierten nach Kenntnis der Bundesregierung Vorserienmodelle, Abnah-
medemonstratoren oder Prototypen, mit denen keine für die Beschaffungs-
entscheidung relevanten Tests und Erprobungen durchgeführt wurden (bitte
unter Angabe der ggf. zutreffenden Modelle und der Gründe für dieses Vor-
gehen)?

12. Für welche seit dem Jahr 1985 beschafften Sturmgewehre, Gewehre oder
Maschinenpistolen sehen die Technischen Lieferbedingungen als ein Ab-
nahme- bzw. Prüfkriterium auch eine spezifizierte Trefferleistung im heiß-
geschossenen Zustand oder nach einer dem heutigen sogenannten einsatz-
nahen Beschussrhythmus ähnlichen Schussfolge vor?

13. Existierten im Beschaffungsprozess des G36, von den ersten Überlegungen
über den Ausschreibungsprozess und das Lastenheft bis hin zu den Techni-
schen Lieferbedingungen, Dokumente im BMVg oder in der Bundeswehr,
die als eine mögliche Anforderung an ein zu beschaffendes Sturmgewehr
auch eine spezifizierte Trefferleistung im heißgeschossenen Zustand bzw.
nach einer dem heutigen einsatznahen Beschussrhythmus ähnlichen Schuss-
folge vorsahen (bitte alle Dokumente – Lastenhefte, Technische Liefer-
bedingungen und andere relevante Dokumente in allen Versionen und Än-
derungsvorschlägen – beifügen)?

14. Wenn entsprechende Dokumente existieren, wann wurde aus welchem
Grund und auf wessen Anregung hin diese Anforderung im weiteren Be-
schaffungsprozess wieder gestrichen?

15. Gab es gegen die Streichung dieser Anforderung Stimmen aus dem BMVg
bzw. der Bundeswehr?
Wenn ja, von wem, und mit welcher Begründung (bitte die entsprechenden
Dokumente, Protokolle oder den Schriftwechsel beifügen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4726
16. Existierten zum Zeitpunkt der Beschaffung oder in den Jahren danach nach
Kenntnis der Bundesregierung Anforderungen an Sturmgewehre nach
NATO-Standard (NATO – Nordatlantikpakt-Organisation), die als eine
mögliche Anforderung hinsichtlich einer spezifizierten Trefferleistung im
heißgeschossenen Zustand bzw. nach einer dem heutigen einsatznahen Be-
schussrhythmus ähnlichen Schussfolge interpretiert werden müssen (wenn
ja, bitte die entsprechenden Dokumente bzw. NATO-Standards beifügen)?

17. Gab es während des Beschaffungsprozesses Tests bei der Bundeswehr oder
im Auftrag des BMVg bzw. untergeordneter Dienststellen, bei denen die
Trefferleistung des G36 im heißgeschossenen Zustand untersucht wurde?
Wenn ja, wann, von wem, und mit welchem Ergebnis (bitte Dokumente
beifügen)?
Wenn nein, warum nicht?

18. Mit welchen zu welchem Zeitpunkt überlassenen G36-Exemplaren haben
Experten des BMVg bzw. der Bundeswehr Tests und Erprobungen durchge-
führt (bitte nach Datum der Überlassung, Anzahl der überlassenen G36-Ex-
emplare, den jeweils unterschiedlichen Eigenschaften, Zusammensetzun-
gen oder technischen Bauweisen der überlassenen Exemplare, Art und Er-
gebnissen der durchgeführten Tests aufschlüsseln)?

19. Wo, wann und von wem wurden Exemplare des späteren G36 in Einrichtun-
gen der Bundeswehr oder von Einheiten der Bundeswehr vor der Beschaf-
fung getestet, was war der jeweilige Testauftrag, das Testergebnis und die
daraus abgeleiteten zentralen Empfehlungen für den weiteren Beschaf-
fungsprozess?

20. Gab es von einer testenden Einheit eine Empfehlung, das G36 nicht zu
beschaffen?
Wenn ja, wann, von wem, und mit welcher Begründung?

21. Welche Personen und welche Organisationseinheiten im BMVg, in der
Bundeswehr und in untergeordneten Dienststellen waren am Beschaffungs-
prozess des G36 in welcher Funktion beteiligt (bitte genau mit Namen,
Dienstgrad, Funktion, Entscheidungskompetenz im Beschaffungsprozess,
Diensthierarchien, eingesetzten Gremien inklusive der jeweiligen Teilneh-
merinnen und Teilnehmer und Benennung der Personen und Dienststellen,
die die letztendliche Entscheidung für das G36 und die genaue Formulie-
rung der Technischen Lieferbedingungen gefällt haben, aufschlüsseln)?

22. Welche Personen im BMVg, in der Bundeswehr oder von untergeordneten
Dienststellen hatten während des Beschaffungsprozesses des G36 Kontakt
mit Funktionsträgern von Heckler & Koch GmbH?

23. Welche früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im BMVg, in der Bun-
deswehr oder von untergeordneten Dienststellen haben nach Kenntnis der
Bundesregierung nach dem Jahr 1985 eine – auch beratende – Tätigkeit bei
Heckler & Koch GmbH übernommen (unter Angabe von Position und Da-
tum des Wechsels)?

24. Welche früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Heckler & Koch
GmbH haben nach nach Kenntnis der Bundesregierung dem Jahr 1985 eine
– auch beratende – Tätigkeit im BMVg, bei der Bundeswehr oder bei unter-
geordneten Dienststellen übernommen (unter Angabe von Position und Da-
tum des Wechsels)?

Berlin, den 21. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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