BT-Drucksache 18/4681

Die europäische Sicherheitsstruktur retten - Übereinkommen in Gefahr

Vom 21. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4681
18. Wahlperiode 21.04.2015
Antrag
der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine
Buchholz, Sevim Da delen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel,
Andrej Hunko, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Niema Movassat, Dr. Alexander S.
Neu, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Die europäische Sicherheitsstruktur retten – Übereinkommen in Gefahr

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Ukraine-Konflikt bedroht den Frieden in Europa in ungeahntem Ausmaß. Die
Grundpfeiler der europäischen Sicherheit, die aus den Spannungen des Kalten Krie-
ges entstanden sind und zur Entspannung geführt haben, werden sukzessiv abgebaut.
Der Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (Intermediate
Range Nuclear Forces, INF) und die NATO-Russland-Grundakte sind durch die
neue Konfrontation stark gefährdet. Bereits 2001 haben die USA den Raketenab-
wehrvertrag (ABM) einseitig gekündigt. Im März 2015, 40 Jahre nach dem Ab-
schluss des KSE-Vertrages, hat Russland seine Teilnahme an der Konsultativen
Kommission des KSE-Vertrags ausgesetzt mit der Begründung, dass die NATO ihre
militärischen Aktivitäten an Russlands Grenzen erhöht. Agenturmeldungen, nach
denen Russland den KSE-Vertrag endgültig gekündigt habe, haben sich erfreulicher
Weise als Falschmeldungen herausgestellt. Gleichzeitig gab das russische Außenmi-
nisterium bekannt, Russland sei bereit, einen neuen Vertrag mit der NATO auszu-
handeln. Der Vertrag wurde in einer Zeit abgeschlossen, als die Einflussgrenzen in
Europa vollkommen anders waren und die NATO-Osterweiterung noch nicht begon-
nen hatte. In der NATO-Russland-Grundakte wurde vereinbart, den KSE-Vertrag
dieser neuen Lage anzupassen.

Der INF-Vertrag hat die atomaren Mittelstreckenraketen in Europa eliminiert und
damit die unmittelbare Gefahr eines Atomkrieges in Europa in die Ferne gerückt.
Bevor dieser Vertrag umgesetzt wurde, war es möglich, alle europäischen Städte
binnen Minuten atomar einzuäschern. In dem „Ukraine-Freiheitsakt“, der im De-
zember 2014 vom US-Kongress beschlossen wurde (www.congress.gov/bill/113th-
congress/house-bill/5859/text), wird der russischen Regierung vorgeworfen, boden-
gestützte Cruise Missiles zu entwickeln und damit gegen den Vertrag zur Beseiti-
gung von nuklearen Mittelstreckenraketen zu verstoßen. Die russische Regierung
dementiert das und wiederholt eigene Vorwürfe, die USA verstoße ebenfalls mit ih-
rem Raketenabwehrsystem gegen den Vertrag. Der US-Kongress hat mit dem neuen
Gesetz der russischen Regierung ein 90-Tage-Ultimatum gestellt: Entweder sie be-
weist bis zum Ende dieser Frist, dass sie nicht die erwähnten Marschflugkörper her-
stellt, oder die USA fühlen sich nicht mehr an den Vertrag zur Beseitigung von nuk-
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learen Mittelstreckenraketen gebunden. Die Obama-Administration wurde beauf-
tragt, für diesen Fall Optionen zu prüfen, wie die USA in dem Fall, dass Russland
die Frist nicht einhält, reagieren sollte. Ein Pentagon-Sprecher hat explizit in einer
Anhörung eines Kongresskomitees die Möglichkeit erwähnt, dass die USA die Op-
tion haben mit Atombomben ausgerüstete Mittelstreckenraketen in Europa zu stati-
onieren. Russland hat mit einem Atomangriff auf Dänemark gedroht. Eine Spirale
der Eskalation hat begonnen.

Die NATO-Russland-Grundakte wurde 1997 vereinbart als Antwort auf die russi-
sche Reaktion zur NATO-Osterweiterung. Die Grundakte sollte die Zusammenarbeit
zwischen der NATO und Russland ermöglichen und damit die Sicherheit in Europa
verbessern. Vor allem wurde der OSZE eine Schlüsselrolle zuteil. Ein wichtiger Teil
dieser Vereinbarung war die Erklärung seitens der NATO, dass sie keine Absicht,
keinen Plan und keinen Grund hat, in den neuen NATO-Mitgliedstaaten Atomwaf-
fen zu stationieren. In den USA kam jedoch kürzlich von einer Gruppe von republi-
kanischen Senatoren die Forderung, B61-Bomben in Osteuropa als Reaktion auf die
Konfrontation in der Ukraine zu stationieren (http://turner.house.gov/media-cen-
ter/press-releases/turner-rogers-the-us-must-take-immediate-action-to-change-pu-
tin-s).

Im Mai 2015 findet in New York (USA) die Überprüfungskonferenz zum Vertrag
über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) statt. Deutschland, die USA und
Russland gehören zu den Staaten, die diesen Vertrag ratifiziert haben, und verpflich-
ten sich in Artikel VI u. a. zur Beendigung des Wettrüstens.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich im NATO-Rat dafür einzusetzen, dass die NATO weder Russland noch ei-
nem anderen Staat mit dem Einsatz von Nuklearwaffen droht;

2. sich in bilateralen Beratungen mit den USA und Russland für nukleare Abrüs-
tung und die bedingungslose Bindung an den Washingtoner Vertrag über nuk-
leare Mittelstreckensysteme einzusetzen;

3. sich sowohl in den deutsch-US-amerikanischen als auch den deutsch-russischen
Beziehungen auf Basis des NVV und im Hinblick auf die New Yorker Überprü-
fungskonferenz für nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung einzusetzen.

Berlin, den 21. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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