BT-Drucksache 18/4564

Deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien vor dem Hintergrund der saudisch geführten Militärintervention im Jemen

Vom 8. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4564
18. Wahlperiode 08.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Wolfgang Gehrcke,
Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Stefan Liebich,
Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien vor dem Hintergrund der
saudisch geführten Militärintervention im Jemen

In der Nacht vom 25. auf den 26. März 2015 begann eine saudische Militärinter-
vention im Jemen. Saudi-Arabien führt dabei eine Koalition verschiedener ara-
bischer Staaten an. Diese Intervention ist nach der in den Jahren 2009 bzw. 2010
bereits die zweite des Königreiches im südlichen Nachbarland in der jüngeren
Vergangenheit. Die jetzige Kampagne ist militärisch deutlich massiver als die
letzte. Die Luftschläge sind nun nicht mehr auf den Norden des Landes be-
schränkt, sondern werden landesweit durchgeführt. Gleichzeitig mit den Luft-
schlägen hat Saudi-Arabien eine Seeblockade gegen den Jemen verhängt. Nach
heutigem Stand ist der Einsatz von Bodentruppen nicht auszuschließen.
Das Königreich Saudi-Arabien ist einer der bedeutendsten Abnehmer deutscher
Rüstungsgüter. Seit dem Jahr 1999 lieferten deutsche Rüstungsunternehmen
Rüstungsgüter im Gesamtwert von rund 2,8 Mrd. Euro. Die saudische Luftwaffe
ist ausgerüstet mit den Kampflugzeugen der Typen Tornado und Eurofighter
bzw. Typhoon, die von Großbritannien geliefert wurden, aber Komponenten aus
Deutschland enthalten. Die saudische Luftwaffe bezieht direkt aus Deutschland
Iris-T-Raketen. Im Königreich wird auch das Sturmgewehr G36 des Herstellers
Heckler & Koch produziert. Im Jahr 2014 wurde bekannt, dass die Lürssen-
Werft einen Großauftrag über die Lieferung von über 100 Patrouillenbooten und
schnellen Einsatzbooten aus Saudi-Arabien erhalten hat.
In der Vergangenheit bezeichnete die Bundesregierung Saudi-Arabien als
„Stabilitätsfaktor“ (Regierungssprecher Steffen Seibert: http://de.reuters.com/
article/domesticNews/idDEBEE8B202Z20121203) bzw. „Stabilitätsanker“ (der
damalige Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maiziére, www.welt.
de/politik/deutschland/article13476959/Saudi-Arabien-Ein-Stabilitaetsanker-
in-der-Region.html). Für das aktuelle Vorgehen Saudi-Arabiens zeigte der Bun-
desminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, im Interview mit der
Bild-Zeitung „Verständnis“ (www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/
Interviews/2015/150327-BM_Bild.html?nn=338020). Sein Sprecher erklärte
für die Bundesregierung, dass „keine Zweifel an der völkerrechtlichen Legi-
timität des saudischen Vorgehens“ bestünden (www.auswaertiges-amt.de/DE/
_ElementeStart/Sprecher_node.html). Der Bundesaußenminister Dr. Frank-
Walter Steinmeier erklärte in diesem Interview weiterhin, dass es „gegenwärtig
nicht sehr wahrscheinlich“ sei, dass Saudi-Arabien bei der Intervention im
Jemen deutsche Waffen einsetze.

Drucksache 18/4564 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. In welchem Umfang hat die Bundesregierung Rüstungsexportgenehmigun-

gen für Saudi-Arabien jeweils in den Monaten Februar und März 2015 er-
teilt?
Der Export welcher Güter in welcher Stückzahl wurde dabei genehmigt?

2. Hat die Bundesregierung im April 2015 Rüstungsexporte nach Saudi-Ara-
bien genehmigt, und falls ja, um den Export welcher Güter in welcher
Stückzahl handelte es sich dabei?

3. Erachtet die Bundesregierung Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien in der
aktuellen Situation als orientiert „am Sicherheitsbedürfnis und außenpoliti-
schen Interesse der Bundesrepublik Deutschland“ (s. Politische Grundsätze
der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüs-
tungsgütern)?
Falls ja, inwieweit dienen diese Exporte dem Sicherheitsbedürfnis, und in-
wiefern dienen sie den außenpolitischen Interessen Deutschlands?

4. Sind die Interventionen Saudi-Arabiens im Jemen, aber auch in Bahrain, aus
Sicht der Bundesregierung im außen- und sicherheitspolitischen Interesse
Deutschlands?

5. Ist Saudi-Arabien aus Sicht der Bundesregierung angesichts der Militär-
aktion im Jemen weiterhin als „Stabilitätsfaktor“ bzw. „Stabilitätsanker“ zu
bezeichnen?

6. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob Saudi-Arabien bzw. die von
Saudi-Arabien angeführte Koalition eine Seeblockade gegen den Jemen
verhängt hat?

7. Sind die Patrouillenboote und die schnellen Einsatzboote, deren Lieferung
nach Saudi-Arabien die Bundesregierung mit einer Hermes-Bürgschaft abgesi-
chert hat (www.spiegel.de/politik/ausland/gabriel-verteidigt-ruestungsexport-
und-buergschaft-fuer-saudi-arabien-a-950856.html), nach Kenntnis der Bun-
desregierung dazu geeignet, Seeblockaden zu verhängen bzw. durchzusetzen?

8. Sind diese Boote (Frage 7) nach Kenntnis der Bundesregierung prinzipiell
dazu fähig, Schiffe im Persischen Golf, im Golf von Oman, im Golf von
Aden und im Roten Meer zu stoppen, abzufangen o. Ä.?

9. Sind nach Kenntnissen der Bundesregierung bei der Bombardierung von
Zielen im Jemen saudische Kampflugzeuge des Typs Tornado eingesetzt
worden?

10. Sind nach Kenntnissen der Bundesregierung beim Einsatz der saudischen
Luftwaffe im Jemen Kampfflugzeuge des Typs Eurofighter bzw. Typhoon
eingesetzt worden?

11. Sind nach Kenntnissen der Bundesregierung beim Einsatz der saudischen
Luftwaffe im Jemen Tankflugzeuge des Typs A330 MRTT eingesetzt wor-
den?

12. Hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2009 den Export von Komponenten
für die Rakete „Brimstone“ genehmigt (falls ja, bitte unter Angabe der Be-
zeichnung der Komponente, der Stückzahl, des Jahres und des Wertes)?

13. Hat die Bundesregierung den Export von Komponenten für solche Brim-
stones genehmigt, die an Saudi-Arabien ausgeliefert wurden (falls ja, bitte
unter Angabe der Bezeichnung der Komponente, der Stückzahl, des Jahres
und des Wertes)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4564
14. Hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2010 den Export von Komponenten
für den Marschflugkörper „Storm Shadow“ genehmigt (falls ja, bitte unter
Angabe der Bezeichnung der Komponente, der Stückzahl, des Jahres und
des Wertes)?

15. Hat die Bundesregierung den Export von Komponenten für solche „Storm
Shadow“-Marschflugkörper genehmigt, die an Saudi-Arabien ausgeliefert
wurden (falls ja, bitte unter Angabe der Bezeichnung der Komponente, der
Stückzahl, des Jahres und des Wertes)?

16. Für welche Flugkörper waren die in den Rüstungsexportberichten 2009,
2010, 2011, 2013 sowie die in der Antwort auf die Nachfrage zur Schriftli-
chen Frage 2 auf Bundestagsdrucksache 18/4044 aufgeführten „Teile für
Flugköper“ jeweils bestimmt?

17. Wurde im Jahr 2012 seitens der Bundesregierung der Export von „Teilen für
Flugkörper“ nach Saudi-Arabien genehmigt, und falls ja, welchen Geneh-
migungswert hatte diese Exportgenehmigung bzw. hatten diese Exportge-
nehmigungen?

18. Hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2009 den Export von Munition für
die Kanone BK-27 nach Saudi-Arabien genehmigt (bitte unter Angabe des
Jahres, der Stückzahl und des Genehmigungswertes)?

19. Für den Export welcher Komponenten mit welchem Wert für Flugzeuge der
Typen „Tornado“, „Eurofighter“, „F-15 Eagle“, „E-3 Sentry“ und „C-130“
nach Saudi-Arabien hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2009 Genehmi-
gungen mit welchem jeweiligen Genehmigungswert erteilt (bitte nach Jah-
ren und Flugzeugtypen aufschlüsseln)?

20. Hat die Bundesregierung seit Beginn der saudisch geführten Militärinter-
vention Saudi-Arabien Reexporte für gelieferte und bzw. oder dort in Lizenz
hergestellte deutsche Waffen in den Jemen genehmigt, und falls ja, um wel-
che Rüstungsgüter mit welcher Stückzahl handelte es sich dabei?

21. Hat die Bundesregierung seit Beginn der saudisch geführten Militärinter-
vention einem anderen Land der Militärkoalition Reexporte für aus
Deutschland gelieferte und bzw. oder mit deutscher Lizenz in den jeweili-
gen Staaten hergestellte deutsche Rüstungsgüter in den Jemen genehmigt,
und falls ja, um welche Rüstungsgüter mit welcher Stückzahl handelte es
sich dabei?

22. Handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei den im Tagesschau-
Beitrag zur Lage im Jemen vom 4. April 2015, Sendung um 20 Uhr, gezeig-
ten Gewehren, die die Militärkoalition über Aden abgeworfen hat, um Ge-
wehre deutscher Bauart bzw. Entwicklung, und falls ja, um welche?

23. Welche Informationen (Bericht der Botschaft Riad, nachrichtendienstliche
Erkenntnisse o. Ä.) lagen der Einschätzung des Bundesaußenministers im
Einzelnen zugrunde, als er den Einsatz deutscher Waffen im aktuellen Kon-
flikt am 27. März 2015 als „nicht sehr wahrscheinlich“ bezeichnete (siehe
Vorbemerkung der Fragesteller)?
Aufgrund welcher Informationen schloss der Bundesminister dabei bei-
spielsweise aus, dass saudische Truppen mit G36-Sturmgewehren bereits im
Rahmen von Kommandoaktionen o. Ä. die saudisch-jemenitische Grenze
überschritten haben?

24. Verfügt die Bundesregierung über Kenntnisse, ob nach dem 27. März 2015
deutsche Waffen seitens Saudi-Arabiens eingesetzt worden sind, und falls
ja, wie lauten diese Kenntnisse im Einzelnen?

Drucksache 18/4564 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
25. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung seitens Saudi-Arabiens bei der
Militärintervention im Jemen sonstige Rüstungsgüter aus Deutschland ein-
gesetzt worden, und falls ja, welche?

26. Welche Reisen hat der Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier in
seiner ersten und in seiner zweiten Amtszeit als Außenminister nach Saudi-
Arabien unternommen, und welche Vertreter der deutschen Rüstungsindus-
trie haben ihn dabei gegebenenfalls begleitet (bitte jeweils unter Angabe des
Datums, des Namens des Unternehmens und des Vertreters des Unterneh-
mens)?

27. Gab es seit dem 1. Januar 2013 Besuche von Vertretern der saudischen
Landstreitkräfte bei der Bundeswehr (bitte unter Angabe des Datums, des
Besuchsgrundes und dem Rang und der Funktion der einzelnen Vertreter)?

28. Gab es bei diesen Besuchen (Frage 27) auch Präsentationen bzw. Vorfüh-
rungen von Führungsinformationssystemen, Battlemanagementsystemen
oder anderer militärischer Software, und waren bei diesen Präsentationen
bzw. Vorführungen auch Vertreter von Rüstungsunternehmen anwesend
(bitte unter Angabe des Namens des Rüstungsunternehmens sowie der
Funktion der jeweiligen Vertreter der Unternehmen)?

29. Gab es seit dem 1. Januar 2013 Besuche von Vertretern der Bundeswehr bei
den saudischen Landstreitkräften (bitte unter Angabe des Datums, des Be-
suchsgrundes und dem Rang und der Funktion der einzelnen Vertreter)?

30. Gab es bei diesen Besuchen (Frage 29) auch Präsentationen bzw. Vorfüh-
rungen von Führungsinformationssystemen, Battlemanagementsystemen
oder anderer militärischer Software, und waren bei diesen Präsentationen
bzw. Vorführungen nach Kenntnis der Bundesregierung auch Vertreter von
Rüstungsunternehmen anwesend (bitte unter Angabe des Namens des Rüs-
tungsunternehmens sowie der Funktion der jeweiligen Vertreter der Unter-
nehmen)?

31. Welche Amtshilfeverfahren bezüglich welcher saudischen Beschaffungs-
vorhaben sind zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung bzw.
dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der
Bundeswehr und saudischen Stellen seit dem Jahr 2000 vereinbart worden
(bitte unter Angabe des Jahres der Vereinbarung, der jeweiligen Laufzeit,
des zu beschaffenden Rüstungsgutes bzw. der zu beschaffenden Rüstungs-
güter sowie des jeweiligen Wertes und der Stückzahl)?

32. Wurden diese Amtshilfeverfahren (Frage 31) im Zusammenhang mit der
saudischen Militäraktion gegen die Volksgruppe der Houthis in den Jahren
2009 bzw. 2010 und bzw. oder im Zusammenhang mit der saudischen Mili-
tärintervention in Bahrain im März 2011 ausgesetzt, und falls nein, warum
nicht?

33. Teilt die Bundesregierung die Auffassungen der schwedischen Außenminis-
terin Margot Wallström bezüglich der Menschenrechte im Allgemeinen und
der Frauenrechte im Speziellen, wie sie in der geplanten, aber nicht gehal-
tenen Rede der Ministerin auf dem Treffen der Arabischen Liga am 9. März
2015 ausgeführt sind (www.government.se/sb/d/19970/a/255562), und falls
nein, an welchen Punkten hat die Bundesregierung abweichende Ansichten?

34. Ist die schwedische Regierung nach dem saudisch-schwedischen Eklat
(www.sueddeutsche.de vom 13. März 2015 „Die Frau, die Saudi-Arabien
herausfordert“) im Zusammenhang mit dieser Rede (Frage 33), der u. a. die
Folge hatte, dass Saudi-Arabien keine Geschäftsvisa für Schweden mehr
ausstellte, an die Bundesregierung mit der Bitte um Unterstützung, Fürspra-
che o. Ä. herangetreten, und welche Schritte hat die Bundesregierung ggf.
im Anschluss daran unternommen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4564
35. Ist die Bundesregierung nach dem saudisch-schwedischen Eklat im Zusam-
menhang mit dieser Rede (Frage 33) an die schwedische Regierung heran-
getreten, um ihre Solidarität mit der schwedischen Position zum Ausdruck
zu bringen und bzw. oder Unterstützung anzubieten?

36. Hat die Bundesregierung den saudisch-schwedischen Eklat auf EU-Ebene
thematisiert, und falls ja, in welchem Rahmen, zu welchem Zeitpunkt und
mit welchem Ziel?

Berlin, den 8. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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