BT-Drucksache 18/4547

Forschungsgelder von US-Geheimdiensten für die RWTH Aachen

Vom 2. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4547
18. Wahlperiode 02.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Wolfgang
Gehrcke, Annette Groth, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Forschungsgelder von US-Geheimdiensten für die RWTH Aachen

Nach Berichten des „WDR-Fernsehens“ erhält die Rheinisch-Westfälische
Technische Hochschule Aachen (RWTH Aachen) Forschungsgelder von US-
Geheimdiensten (WDR aktuell vom 17. März 2015). Konkret geht es dabei um
die Programme „Babel“ und „Bolt“, die von Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftlern des Lehrstuhls für Sprachverarbeitung und Mustererkennung am In-
stitut für Informatik beforscht werden. Laut dem Verein „Aachener Friedens-
preis“ sei es das Ziel von „Babel“, Aufnahmen in unterschiedlichen Sprachen in
Text umzuwandeln und auf bestimmte Stichworte zu durchsuchen (Pressemit-
teilung vom 16. März 2015). „Bolt“ sei das Kürzel für „Broad Operational
Language Translation“ und solle Mandarin Chinesisch und zahlreiche arabische
Dialekte ins Englische übersetzen. Dabei gehe es um mitgeschnittene Unterhal-
tungen, abgefangene E-Mails oder Kurznachrichten. „Bolt“ laufe auf Tablet-
Computern. Bei „Bolt“ handele es sich laut dem Verein offensichtlich um ein
Nachfolgeprojekt von „Gale“ („Global Autonomous Language Exploitation“),
das inzwischen als abgeschlossen ausgewiesen werde. Ziel war, Nachrichten-
sendungen, Textdokumente und andere Formen der Kommunikation aus dem
Arabischen und Chinesischen automatisch ins Englische zu übersetzen und in
Echtzeit verfügbar zu machen.
Auftraggeber von „Babel“ sei laut dem Verein „Aachener Friedenspreis“ eine
Forschungseinrichtung der „Intelligence Community“, einem Zusammen-
schluss von 17 US-Nachrichtendiensten, darunter auch die NSA und die CIA.
Auftraggeber von „Bolt“ sei mit der Defence Advanced Research Projects
Agency (DARPA) eine Forschungsbehörde des Pentagon. Die Projektbeschrei-
bung der DARPA verdeutliche die militärische Zielrichtung des Projektes. Bis
zum Ende des Jahres 2014 habe die DARPA einen Tablet-Prototypen erwartet,
damit Truppen im Irak und Afghanistan von Übersetzern unabhängig würden.
Laut einer Stellungnahme der RWTH Aachen würden die Forschungsprojekte
für Übersetzungssoftware zwar von amerikanischen Regierungsstellen geför-
dert, sie seien aber nicht geheim (WDR vom 20. März 2015). Dies hatte aller-
dings auch niemand behauptet. Darüber hinaus handele es sich um Grundlagen-
forschung, deren Ergebnisse sowohl im zivilen als auch im militärischen Be-
reich verwendet werden könnten. Bereits im Jahr 2013 war bekannt geworden,
dass die RWTH Aachen im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums ge-
forscht hatte (Aachener Zeitung vom 25. November 2013). In der öffentlich zu-
gänglichen Datenbank der amerikanischen Regierung tauchten demnach drei
RWTH-Projekte auf, die vom US-Verteidigungsministerium zwischen den Jah-
ren 2009 und 2013 mit insgesamt 428 370 US-Dollar (316 000 Euro) gefördert

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wurden. Außer Aachen hätten auch Universitäten in Bochum und Wuppertal
entsprechende Gelder erhalten.
Laut dem 2013 erschienenen „Drohnenforschungsatlas“ der Tübinger Informa-
tionsstelle Militarisierung e. V. ist die RWTH Aachen auch in der deutschen
wehrtechnischen Forschung überaus aktiv. So sei ein entsprechender Lehrstuhl,
der gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Naturwissenschaftlich-Techni-
sche Trendanalysen (INT) betrieben wird, mit einem herausragenden Wissen-
schaftler mit langer Bundeswehr- und Bundeswehruniversitätskarriere besetzt.
Das Institut analysiere für die Bundeswehr technologische Trends und empfehle
Forschungsthemen unter wehrtechnischen Aspekten. Im Bereich Drohnen
werde an einer Reihe von Projekten geforscht. Erkenntnisse seien unter anderem
auf einem Workshop der Rüstungsfirma Diehl Stiftung & Co. KG präsentiert
worden.
In einem Brief an den Rektor der RWTH Aachen Dr. Ernst Schmachtenberg kri-
tisiert der „Aachener Friedenspreis“, die Abhörpraktiken, insbesondere der NSA,
seien dank Edward Snowden inzwischen hinlänglich bekannt, trotzdem ent-
wickelten Geheimdienste „ein geradezu bizarres Eigenleben ohne parlamenta-
rische oder gar gesellschaftliche Aufsicht“. Wenn sich die RWTH Aachen von
US-Geheimdiensten über Forschungsgelder dafür bezahlen ließe, aktiv einen
Beitrag hierzu zu leisten, sei dies ethisch nicht zu rechtfertigen. Dies widerspre-
che auch der Freiheit der Forschung, denn diese Freiheit stoße „dort an ihre
Grenzen, wo sie anderen ihre Freiheit nimmt“. Es sei erschreckend, festzustel-
len, in welchem Ausmaß die RWTH an Rüstungsforschung beteiligt ist. Die
Hochschule solle sich aber bei der Drittmitteleinwerbung nicht mehr von den
Bedürfnissen der US-Militärs für ihre weltweite Kriegsführung und den Bedürf-
nissen der US-Geheimdienste für ihre weltweiten schrankenlosen Ausfor-
schungs- und Abhörpraktiken leiten lassen.
Gefordert wird, umfassend offenzulegen, an welchen anderen Projekten für Rüs-
tungskonzerne, Pentagon oder Geheimdienste durch die RWTH geforscht wird.
Rektor Dr. Ernst Schmachtenberg solle sich mithilfe der Einführung einer Zivil-
klausel auf zivile Forschung verpflichten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist der Bundesregierung über Forschungsgelder von US-Geheimdiens-

ten für die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH
Aachen) zu den Bereichen Sprachverarbeitung, Sprecherkennung und Mus-
tererkennung bekannt?

2. Wer ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Auftraggeber für die jeweili-
gen Projekte?

3. Um welche Gelder, in welcher Höhe, für welche konkreten Projekte handelt
es sich nach Kenntnis der Bundesregierung dabei?

4. Inwiefern werden die Projekte nach Kenntnis der Bundesregierung auch aus
deutschen Forschungsgeldern unterstützt?

5. Inwiefern erhalten auch Bundesbehörden Zugang zu den Forschungsergeb-
nissen?

6. Welche der Institute und Lehrstühle, die aktuell oder in der Vergangenheit für
das US-Verteidigungsministerium und US-Geheimdienste geforscht haben,
erhalten oder erhielten nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergange-
nen fünf Jahren Drittmittel aus Bundesministerien, Behörden oder For-
schungsprogrammen des Bundes?

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7. Inwiefern hält es die Bundesregierung für bedenklich oder unbedenklich,
dass die Forschungen an der RWTH Aachen jene Abhörmaßnahmen der
NSA verbessern könnten, von denen sie selbst mutmaßlich betroffen war
oder sogar noch ist?

8. Inwiefern hatten welche Bundesbehörden in der Vergangenheit bereits
eigene Kontakte mit der beauftragenden „Intelligence Community“, einem
Zusammenschluss von 17 US-Nachrichtendiensten, der die Forschungen an
der RWTH Aachen beauftragte?

9. Welche Verabredungen wurden dort getroffen?
10. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auch andere Hoch-

schulen in Nordrhein-Westfalen Gelder des US-Verteidigungsministeriums
bzw. von US-Geheimdiensten für Forschungen erhalten bzw. seit 2009 er-
hielten?

11. Welche eigenen Forschungen hat die Bundesregierung derzeit zur Sprach-
verarbeitung, Spracherkennung, Sprecherkennung und Mustererkennung
beauftragt?
a) Welche Gelder werden hierfür bereitgestellt?
b) Welche Teilnehmer, Partner bzw. Endnutzer sind an den Projekten betei-

ligt, und welche konkreten Aufgaben werden von ihnen übernommen?
12. Welche weiteren Forschungen übernahm die RWTH Aachen nach Kenntnis

der Bundesregierung im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums bzw.
von US-Geheimdiensten?

13. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, an welchen Projekten im Zu-
sammenhang mit unbemannten Systemen für Sicherheitsanwendungen an
der RWTH Aachen geforscht wird?

14. Welche der Projekte erfolgen im Auftrag der Bundesregierung, bzw. auf
welche andere Art und Weise sind Bundesbehörden daran beteiligt?

15. Wann und wo haben Bundesbehörden bereits an Präsentationen entspre-
chender Forschungsprojekte teilgenommen?

16. Inwiefern trifft es zu, dass die RWTH Aachen bzw. dort angesiedelte Insti-
tute für die Bundeswehr technologische Trends analysiert hätten und For-
schungsthemen unter wehrtechnischen Aspekten empfohlen werden?

Berlin, den 2. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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