BT-Drucksache 18/4423

Europas Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit durch Forschung und Innovation stärken

Vom 24. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4423
18. Wahlperiode 24.03.2015
Antrag
der Abgeordneten Dr. Stefan Kaufmann, Albert Rupprecht, Michael Kretschmer,
Stephan Albani, Katrin Albsteiger, Sybille Benning, Cajus Caesar, Alexandra
Dinges-Dierig, Dr. Thomas Feist, Cemile Giousouf, Michael
Grosse-Brömer, Uda Heller, Xaver Jung, Dr. Philipp Lengsfeld, Patricia Lips,
Dr. Claudia Lücking-Michel, Dr. Heinz Riesenhuber, Tankred Schipanski,
Uwe Schummer, Dr. Wolfgang Stefinger, Max Straubinger, Sven Volmering,
Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann,
Hubertus Heil (Peine), Willi Brase, Dr. Daniela De Ridder, Dr. Karamba Diaby,
Saskia Esken, Petra Hinz (Essen), Oliver Kaczmarek, Christine Lambrecht,
Dr. Simone Raatz, Martin Rabanus, Marianne Schieder, Swen Schulz (Spandau),
Rainer Spiering, Thomas Oppermann und der Fraktion der SPD

Europas Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit durch Forschung und Innovation
stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

500 Millionen Europäer – etwa 7 Prozent der Weltbevölkerung – produzieren nahezu
30 Prozent des weltweiten Wissens und erarbeiten aktuell rund 20 Prozent der glo-
balen Wirtschaftsleistung. Europa ist damit grundsätzlich gut aufgestellt, um als ein
Kontinent der Ideen seine Zukunftsfähigkeit zu sichern und eine führende Position
in Wissenschaft, Forschung und Technologie zu behaupten. Der globale Wissens-
und Innovationswettbewerb wird jedoch zunehmend härter. So sind in den letzten
15 Jahren bedeutende wissenschaftlich-technologische Zentren und Innovationska-
pazitäten vor allem in Asien mit großer Dynamik massiv ausgebaut worden. Die
Investitionen in Forschung und Innovation wachsen in dieser Region sehr viel stär-
ker als in Europa. Diese weltweite Ausbreitung der Wissensproduktion und die Ku-
mulation der global verfügbaren Wissensmenge intensivieren den internationalen
Konkurrenzdruck erheblich, eröffnen gleichzeitig aber auch neue Kooperations-
chancen, die es vor allem bei der Bewältigung der großen gesellschaftlichen Heraus-
forderungen wie Gesundheit, Energie und Klimawandel im gegenseitigen Interesse
zu nutzen gilt.

Nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Wohlstand und sozialer Zusammenhalt hängen
vor diesem Hintergrund mehr denn je von ausreichend privaten und öffentlichen In-
vestitionen in Bildung, Forschung und Innovationen ab. Durch Forschung und Inno-
vation erzielte Wissens- und Technologievorsprünge sind der Schlüssel für die lang-
fristige Sicherung und Stärkung von Europas Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit.

Drucksache 18/4423 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Deshalb braucht Europas Forschung und Wissenschaft einen gemeinsamen For-
schungsraum, der grenzüberschreitend Fördermöglichkeiten bietet, Mobilitätsfrei-
räume für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eröffnet sowie eine hohe At-
traktivität und Offenheit für Talente aus aller Welt bietet. Die diesen Raum tragen-
den nationalen Wissenschaftssysteme müssen hierzu untereinander effektiver zu-
sammenarbeiten und sich nach außen noch stärker vernetzen. Dies erfordert eine
Forschungs- und Innovationspolitik der EU-Mitgliedstaaten, die nationale Aktivitä-
ten geschickt mit europäischen und internationalen Initiativen verzahnt. Bestmögli-
che Wirksamkeit und Kohärenz lassen sich dabei nur durch ein partnerschaftliches
Zusammenwirken von Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft auf natio-
naler wie europäischer Ebene erzielen.

Darüber hinaus braucht Europa kräftige Investitionen in Forschung und Innovation
– auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten genauso wie auf europäischer Ebene. Mit dem
Anfang 2014 gestarteten und mit geplanten 77 Milliarden Euro größten Forschungs-
und Innovationsprogramm der Welt – Horizont 2020 – wurde auf europäischer
Ebene ein großer Schritt in Richtung mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit für
Europa getan. Diese Investitionen tragen wesentlich zur Umsetzung der Ziele der
Europa 2020-Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum
bei. Im Rahmen von Horizont 2020 werden Aktivitäten entlang der gesamten Inno-
vationskette gefördert – von der Grundlagen- bzw. Pionierforschung über die an-
wendungsnahe Forschung bis hin zur Vorbereitung marktfähiger Produkte und
Dienstleistungen. Horizont 2020 ermöglicht dadurch einen zusätzlichen Investiti-
onsschub sowie mehr Zusammenarbeit und Austausch über Ländergrenzen hinweg.
Nationale Maßnahmen werden auf diese Weise wirkungsvoll mit europäischen Ini-
tiativen verknüpft. Neben der öffentlich finanzierten Wissenschaft leisten dabei pri-
vate Unternehmen mit ihrem erheblichen finanziellen Engagement für Forschung
und Entwicklung sowie der Umsetzung von Ideen und Forschungsergebnissen in
neue, innovative Produkte, Dienstleistungen und Verfahren einen entscheidenden
Beitrag dazu, Europas globale wirtschaftliche Position zu sichern und zukunftsfä-
hige Arbeitsplätze in Europa zu schaffen bzw. zu erhalten.

Mit dem Ziel, die Investitionstätigkeit innerhalb der EU zu verbessern, mehr Ar-
beitsplätze und Wachstum zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit der EU insge-
samt zu fördern, hat die Europäische Kommission Ende 2014 auch eine „Investiti-
onsoffensive für Europa“ angekündigt. Zentrale Bedeutung kommt dabei dem ge-
planten neuen „Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI)“ zu. Bis
Juni 2015 soll eine Einigung über den Vorschlag erzielt werden, damit über den EFSI
durch Hebelung öffentlicher Gelder neue private Investitionen bereits ab Mitte 2015
mobilisiert werden können. Dieses Grundkonzept ist unbedingt zu unterstützen, auch
um zeitlich sehr zügig zu positiven Impulsen für Arbeit, Wirtschaftskraft und Inno-
vation zu kommen.

Nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission sollen Horizont 2020-Mittel in
Höhe von etwa 2,7 Milliarden Euro zur anteiligen Finanzierung des EFSI verwendet
werden. Davon betroffen wären auch der Europäische Forschungsrat (European Re-
search Council, ERC) als Flaggschiff der europäischen Spitzenforschung, Marie-

-Curie-Maßnahmen (MSCA) sowie das neue Förderformat in Horizont
2020 zur „Verbreitung von Exzellenz und Ausweitung der Beteiligung“, für das sich
der Deutsche Bundestag bereits im Jahr 2011 (Bundestagsdrucksache 17/5492) ex-
plizit ausgesprochen hat und das u. a. mit sog. „Teaming“- und „Twinning“-Maß-
nahmen auf die Verringerung der Forschungs- und Innovationskluft zwischen EU-
Mitgliedstaaten und Regionen in Europa abzielt.

Vor diesem Hintergrund gilt es, die prinzipiell ausdrücklich zu begrüßende „Inves-
titionsoffensive für Europa“ mit dem geplanten EFSI als Kerninstrument auf der ei-
nen Seite sowie das Programm Horizont 2020 als einen zentralen Treiber für die

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Weiterentwicklung des Europäischen Forschungsraums auf der anderen Seite ge-
meinsam zu einer Erfolgsgeschichte für Forschung, Innovation und Wachstum in
Europa zu machen.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt vor diesem Hintergrund,

1. dass die Bundesregierung die Weiterentwicklung des Europäischen Forschungs-
raums als wichtiges politisches Ziel verfolgt, um Europas wissenschaftliche
Leistungskraft insgesamt zu stärken und seine Innovationsfähigkeit entspre-
chend der Zielsetzung der Europa 2020-Strategie auszubauen;

2. dass die Bundesregierung hierzu mit Kabinettbeschluss vom 16. Juli 2014 eine
eigene Strategie zum Europäischen Forschungsraum – bestehend aus politischen
Leitlinien und einer nationalen Roadmap – verabschiedet und Deutschland da-
mit in Europa eine Vorreiterrolle übernommen hat;

3. dass die Bundesregierung darüber hinaus auf europäischer Ebene aktiv die Ent-
wicklung und Verabschiedung einer gemeinsamen Roadmap der EU-Mitglied-
staaten zur weiteren Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums (sog.
„ERA Roadmap“) vorantreibt, die entsprechende Anstrengungen auf nationaler
Ebene unterstützen und erleichtern soll;

4. dass die Europäische Kommission zur Konkretisierung und Umsetzung der von
ihr angekündigten Investitionsoffensive Mitte Januar 2015 einen Verordnungs-
vorschlag zur Einrichtung des EFSI vorgelegt hat, durch den ein wichtiger Bei-
trag zur Überwindung der Investitionslücke in Europa geleistet werden soll;

5. die Open Access-Politik der Europäischen Kommission hinsichtlich der stärke-
ren Beförderung von Open Access-Publikationen im Rahmen der EU-For-
schungsförderung.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. bei der weiteren Gestaltung des Europäischen Forschungsraums folgende
Punkte zu berücksichtigen:
a) Die Weiterentwicklung des Europäischen Forschungsraums sollte weiter

konsequent mitgliedstaatengetrieben und unter voller Berücksichtigung des
Subsidiaritätsprinzips erfolgen – in enger Partnerschaft mit der Europäi-
schen Kommission sowie den Wissenschafts- und sog. Stakeholder-Orga-
nisationen. Damit einhergehen muss eine intelligente Vernetzung nationa-
ler, bilateraler und europäischer Forschungs- und Innovationspolitik.

b) Mit Blick auf die Hauptverantwortung der Mitgliedstaaten bei der weiteren
Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums sollte eine Reform sei-
ner Governance vorangetrieben und in den Beratungsgruppen für die ein-
zelnen Handlungsfelder des Europäischen Forschungsraums auf höhere Ef-
fizienz und Wirksamkeit hingewirkt werden.

c) Es sind weitere Bemühungen der EU-Kommission zu einer Rechtsetzung
im Sinne eines einheitlichen Wissenschaftsurheberrechts und zur Veranke-
rung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke in den natio-
nalen Urheberrechtsgesetzen zu unterstützen.

d) Harmonisierende gesetzliche Maßnahmen auf europäischer Ebene zur Ge-
staltung des Europäischen Forschungsraums werden abgelehnt – sie wären
für die Diversität der Forschungssysteme und -kulturen in Europa, die den
für wissenschaftliche Höchstleistungen und Exzellenz notwendigen Wett-
bewerb fördert, abträglich. Sie bergen zudem die Gefahr unnötiger Büro-
kratie und der Einschränkung von Gestaltungs- und Entfaltungsmöglichkei-
ten für die Wissenschaft;

Drucksache 18/4423 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. sowohl die nationale als auch die geplante europäische Roadmap zum Europäi-

schen Forschungsraum konsequent umzusetzen. Dabei sollten insbesondere fol-
gende Bereiche im Fokus stehen:
a) Steigerung der Beteiligung deutscher Akteure, insbesondere von KMU

(Kleine und mittlere Unternehmen) und Hochschulen, an Horizont 2020;
b) Erhöhung der Quote für Deutschland bei der Einwerbung von Fördermitteln

aus Horizont 2020 („Rückflussquote“);
c) weiterer Ausbau der länderübergreifenden Forschungszusammenarbeit, ins-

besondere im Bereich der großen gesellschaftlichen Herausforderungen,
durch Fortführung und stärkere Nutzung bestehender Instrumente, Initiati-
ven und Plattformen wie der sog. Gemeinsamen Programmplanung (Joint
Programming Initiatives – JPIs), den Maßnahmen nach Art. 185 des Ver-
trags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV (öffentlich-
öffentliche Partnerschaften, P2Ps, z. B. EUROSTARS), Maßnahmen nach
Art. 187 AEUV (öffentlich-private Partnerschaften, PPPs) sowie der beiden
zwischenstaatlichen europäischen Forschungsinitiativen EUREKA und
COST;

d) Stärkung der Leistungsfähigkeit des Europäischen Forschungsraums insge-
samt in Kooperation mit anderen Mitgliedstaaten, insbesondere mit den seit
2004 neu aufgenommenen Ländern (EU 13) und den besonders von der
Krise betroffenen südlichen EU-Mitgliedstaaten. Bestehende europäische
Maßnahmen wie „Teaming“ und „Twinning“ sollten im Rahmen der Hori-
zont 2020-Föderlinie „Verbreitung von Exzellenz und Ausweitung der Be-
teiligung“ zu diesem Zweck aktiv genutzt und weiterentwickelt werden so-
wie neue, auch nationale Unterstützungsmaßnahmen wie beispielsweise
„ERA Fellowships“ (geplantes spezielles Stipendienprogramm für Wissen-
schaftsmanagerinnen und -manager aus EU 13-Mitgliedstaaten) eingeführt
werden;

e) Sicherung und Ausbau einer soliden und wettbewerbsfähigen Basis für For-
schungsinfrastrukturen;

f) Verbesserung der Mobilitätsbedingungen für Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler;

g) Verbesserung der Perspektiven und Arbeitsbedingungen für den wissen-
schaftlichen Nachwuchs an Hochschulen und Forschungseinrichtungen;

h) Stärkung der internationalen, auf Drittstaaten gerichteten Dimension des
Europäischen Forschungsraums auf der Grundlage eines strategischen und
fokussierten Ansatzes, der den vielfältigen bi- und multilateralen Koopera-
tionsbeziehungen der Mitgliedstaaten mit Drittländern angemessen Rech-
nung trägt und diese wirksam mit entsprechenden Aktivitäten und Initiati-
ven der EU verknüpft;

3. alle zwei Jahre einen Bericht zur internationalen Kooperation in Bildung, Wis-
senschaft und Forschung mit Schwerpunkt auf Europa vorzulegen. Der erste Be-
richt soll noch in dieser Legislaturperiode vorgelegt werden und auch zum Stand
der Umsetzung der Strategie der Bundesregierung zum Europäischen For-
schungsraum Auskunft geben. Er sollte darüber hinaus über den Stand der Um-
setzung von Horizont 2020 informieren – inklusive Dokumentation der Rück-
flüsse und Beteiligung deutscher Akteure. In diesem Gesamtkontext sollte auch
das Monitoring zur Internationalisierung von Forschung und Wissenschaft unter
Berücksichtigung des Monitoring-Mechanismus zum Europäischen For-
schungsraum (sog. EMM) ausreichende Berücksichtigung finden;
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4423
4. sich im europäischen Gesetzgebungsverfahren zum EFSI für folgende Punkte

einzusetzen:
a) Die anteilige Finanzierung des EFSI aus Horizont 2020 sollte sich zumin-

dest im Ergebnis nicht nachteilig auf die Gesamtfinanzierung von For-
schung in Europa auswirken. Im Interesse einer langfristigen Stärkung der
Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit Europas bei den von EFSI un-
terstützten Investitionen sollte deshalb ein Schwerpunkt auch auf for-
schungs- und innovationsbasierte Projekte gelegt werden.

b) Eine Mitfinanzierung des EFSI aus Mitteln, die bislang für den Europäi-
schen Forschungsrat (ERC), Marie- -Curie-Maßnahmen
(MSCA) und das Programm „Verbreitung von Exzellenz und Ausweitung
der Beteiligung“ vorgesehen sind, sollte abgelehnt werden.

c) Beim geplanten EU-Investitionspaket sollten bei der Auswahl der Projekte
– neben dem zentralen Kriterium der wirtschaftlichen Tragfähigkeit – auch
die Aspekte Forschung und Innovation (u.a. über mögliche Kriterien „Inno-
vationsgrad/-orientierung“ sowie „nachhaltiges Wachstum“) maßgeblich
berücksichtigt werden.

d) Der rechtliche Rahmen des EFSI sollte so ausgestaltet werden, dass auch
öffentliche Forschungseinrichtungen und Hochschulen von den Vorteilen
des EFSI angemessen profitieren können.

e) Eine regelmäßige Unterrichtung über die Aktivitäten des EFSI im Rat der
Europäischen Union und im Europäischen Parlament sowie – durch die
Bundesregierung – im Deutschen Bundestag muss sichergestellt werden;

Ergänzende Erläuterungen zu Forderung 1: Weitere Gestaltung des Europäischen
Forschungsraums

In Umsetzung der auf europäischer Ebene primärrechtlich verankerten Zielsetzung
der Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums (Art. 179 AEUV) und des
Auftrags aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zur Stärkung des
europäischen Wissenschafts- und Innovationssystems gestaltet die Bundesregierung
die Weiterentwicklung des Europäischen Forschungsraums aktiv mit. Dies begrüßt
der Bundestag ausdrücklich. Zentrale Weichenstellungen müssen auf nationaler
Ebene erfolgen, damit der Europäische Forschungsraum wie der gemeinsame Bin-
nenmarkt zu einer gefühlten Realität für die Menschen in Europa wird. Prioritäre
Handlungsfelder für die Schaffung eines starken Europäischen Forschungsraums
sind die gemeinsam von der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten
identifizierten Bereiche wie effektivere nationale Forschungssysteme, optimale län-
derübergreifende Zusammenarbeit, Mobilität, Gleichstellung der Geschlechter und
Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts in der Forschung, offener Zugang zu
wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie internationale Kooperation. In diesen
Handlungsfeldern wurde ausweislich des Fortschrittsberichts der Europäischen
Kommission zum Europäischen Forschungsraum vom 15. September 2014 in den
letzten Jahren viel erreicht; Deutschland ist hier überwiegend bereits sehr gut aufge-
stellt. Die hohe politische Bedeutung, die Forschung und Innovation hierzulande seit
Jahren beigemessen wird, zahlt sich aus. Der Europäische Forschungsraum ist dem-
entsprechend auf eine solide Basis gestellt und kann als grundsätzlich verwirklicht
angesehen werden, bedarf aber gleichzeitig der ständigen Weiterentwicklung, die
angesichts der Vielfalt der den Europäischen Forschungsraum tragenden nationalen
Forschungs- und Innovationssysteme vor allem durch die Mitgliedstaaten sowohl
auf nationaler als auch europäischer Ebene erfolgen muss.

Ergänzende Erläuterungen zu Forderung 2: Konsequente Umsetzung der nationalen
und geplanten europäischen Roadmap zum Europäischen Forschungsraum

Die am 16. Juli 2014 vom Kabinett beschlossene Strategie der Bundesregierung zum
Europäischen Forschungsraum bildet den Rahmen, um die erreichte gute Position

Drucksache 18/4423 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Deutschlands abzusichern und in den nächsten Jahren im Zusammenwirken mit den
verschiedenen Akteuren die weitere Ausgestaltung des Europäischen Forschungs-
raums auf nationaler und europäischer Ebene aktiv voranzutreiben und konkrete
Maßnahmen umzusetzen. Dem Leitgedanken der Übernahme stärkerer Selbstver-
pflichtungen durch die EU-Mitgliedstaaten folgend, der auch in Ratsschlussfolge-
rungen zum Europäischen Forschungsraum vom Februar 2014 hervorgehoben wird,
bildet eine nationale Roadmap als Herzstück der Regierungsstrategie die Grundlage
für die weitere Umsetzung des Europäischen Forschungsraums.

Gleichzeitig unterstützt der Bundestag die Vorgehensweise der Bundesregierung,
sich aktiv für die Erarbeitung eines europäischen Fahrplans („ERA Roadmap“) zur
weiteren Gestaltung des Europäischen Forschungsraums mit den anderen Mitglied-
staaten einzusetzen. Ziel ist es, die „ERA Roadmap“ bis Mitte dieses Jahres im Rat
der Europäischen Union für Wettbewerbsfähigkeit (Ratsformation für Forschung)
zu verabschieden. Aus deutscher Sicht ist die Entwicklung der „ERA Roadmap“ da-
bei komplementär zur nationalen Strategie zum Europäischen Forschungsraum zu
sehen. Beide folgen dem Grundgedanken, dass die Bedingungen für einen gemein-
samen Europäischen Forschungsraum nun gegeben sind und seine Weiterentwick-
lung in erster Linie Aufgabe der Mitgliedstaaten ist. Die geplante „ERA Roadmap“
soll zu jeder relevanten Priorität ein oder zwei Schlüsselaktionen skizzieren, die die
Mitgliedstaaten verstärkt angehen wollen. Dies aber unter voller Berücksichtigung
des Umstandes, dass die Forschungssysteme der Mitgliedstaaten unterschiedlich
sind und es deshalb verschiedene Wege der Implementierung geben muss. Die „ERA
Roadmap“ soll in diesem Sinne nationale Anstrengungen unterstützen und erleich-
tern.

Ergänzende Erläuterungen zu Forderung 3: Etablierung einer regelmäßigen Be-
richtspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag zur interna-
tionalen Kooperation in Bildung, Wissenschaft und Forschung mit Schwerpunkt auf
Europa

Die 2008 vom Kabinett beschlossene Strategie der Bundesregierung zur Internatio-
nalisierung von Wissenschaft und Forschung („Deutschlands Rolle in der globalen
Wissensgesellschaft stärken“), mit der zum ersten Mal die internationale Wissen-
schaftskooperation als Kennzeichen einer modernen Standortpolitik beschrieben
wurde, soll auf der Grundlage eines entsprechenden Auftrags im Koalitionsvertrag
in dieser Legislaturperiode unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung (BMBF) weiterentwickelt werden. Ein erster wichtiger Meilenstein
im Kontext der Weiterentwicklung der Internationalisierungsstrategie war die Vor-
lage des BMBF-Aktionsplans „Internationale Kooperation“ im Oktober 2014. In
dem Aktionsplan sind konkrete Maßnahmen und Leuchttürme in der internationalen
Zusammenarbeit aufgeführt, mit denen Bildung, Wissenschaft, Forschung und Inno-
vation in Deutschland vor dem Hintergrund der strategischen Interessen Deutsch-
lands in Europa und der Welt gestärkt werden sollen.

Grundlage einer zielgerichteten Internationalisierung ist eine breite Informationsba-
sis. Für die politische Diskussion und Bewertung ist nicht nur der Aufbau eines ent-
sprechenden umfassenden Monitoring als Analyseinstrumentarium erforderlich,
sondern auch eine regelmäßige Berichtspflicht der Bundesregierung gegenüber dem
Deutschen Bundestag. Deshalb soll die Bundesregierung künftig dem Deutschen
Bundestag alle zwei Jahre (erstmals noch vor Ablauf dieser Legislaturperiode) einen
Bericht zur internationalen Kooperation in Bildung, Wissenschaft und Forschung
vorlegen. Ein Schwerpunkt soll dabei auf Europa gelegt werden. Dazu gehört – vor
allem im ersten Bericht – eine Unterrichtung über die Bewertung des Stands der
Umsetzung der Strategie der Bundesregierung zum Europäischen Forschungsraum
sowie über den Stand der Umsetzung von Horizont 2020 (einschließlich Dokumen-
tation der Rückflüsse und der Beteiligung deutscher Akteure). Inhaltlich soll der Be-
richt darüber hinaus u. a. folgende Punkte berücksichtigen: Übersicht zu relevanten

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4423
Aktivitäten der Bundesregierung sowie der Wissenschafts- und Mittlerorganisatio-
nen; Informationen zur Internationalisierung der deutschen Forschungslandschaft;
internationale Entwicklungen und Kooperationsmöglichkeiten wichtiger Partnerlän-
der sowie ein Ländervergleich zu zentralen Aspekten der internationalen Dimension.

Ergänzende Erläuterungen zu Forderung 4: Europäischer Fonds für strategische In-
vestitionen (EFSI)

Die Europäische Kommission hat Mitte Januar 2015 ihren Vorschlag für eine Ver-
ordnung zum EFSI (EFSI-VO) vorgelegt, der auch Änderungen der Verordnung zu
Horizont 2020 enthält. Der Verordnungsvorschlag knüpft an die Kommissionsmit-
teilung zu einer „Investitionsoffensive für Europa“ vom 26. November 2014 an, die
am 18. Dezember 2014 vom Europäischen Rat mit Schlussfolgerungen gebilligt
wurde. Bis Juni 2015 soll im Gesetzgebungsverfahren eine Einigung über den Vor-
schlag erzielt werden, damit über den EFSI neue Investitionen bereits ab Mitte 2015
auf den Weg gebracht werden können. Die Initiative soll zum einen private Investi-
tionen (Infrastrukturmaßnahmen wie Breitband, Energienetze und Verkehr; Bildung,
Forschung und Innovation; erneuerbare Energien und Energieeffizienz) mobilisieren
(bis zu 240 Milliarden Euro) und zum anderen für KMU sowie Unternehmen mit bis
zu 3.000 Beschäftigten verbesserte Zugänge zu Finanzierungsmöglichkeiten schaf-
fen (bis zu 75 Milliarden Euro). Durch jeden Euro aus öffentlichen Mitteln, der über
den Fonds bereitgestellt wird, sollen öffentliche und private Investitionen von ins-
gesamt 15 Euro generiert werden. Insgesamt sollen auf diese Weise von 2015 bis
2017 Investitionen im Umfang von 315 Milliarden Euro angestoßen werden.

Inhaltlich sieht der Verordnungsvorschlag die Einrichtung des EFSI, einer europäi-
schen Plattform für Investitionsberatung und eines Verzeichnisses für europäische
Investitionsprojekte vor. Der neue EFSI soll innerhalb der Europäischen Investiti-
onsbank (EIB) etabliert werden und durch eine Garantie im Umfang von insgesamt
21 Milliarden Euro abgesichert werden (davon 16 Milliarden Euro aus dem EU-
Haushalt und 5 Milliarden Euro von der EIB).

Nach dem Verordnungsvorschlag soll zur (Teil-) Finanzierung des EFSI das Budget
von Horizont 2020 faktisch um 2,7 Milliarden Euro bzw. etwa 3,5 Prozent reduziert
werden. Dabei sollen sich die Kürzungen in unterschiedlicher Weise auf die einzel-
nen Budgetlinien von Horizont 2020 auswirken.

Berlin, den 24. März 2015

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Thomas Oppermann und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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