BT-Drucksache 18/4390

Rechtliche und praktische Folgen der Verzögerung bei der Registrierung neu eingereister Asylbewerberinnen und Asylbewerber

Vom 20. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4390
18. Wahlperiode 20.03.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Daǧdelen, Harald Petzold (Havelland),
Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtliche und praktische Folgen der Verzögerung bei der Registrierung neu
eingereister Asylbewerberinnen und Asylbewerber

Der Leipziger Radiosender „Mephisto 97.6“ berichtete am 24. Februar 2015 un-
ter der Überschrift „Alles hängt am Innenministerium“, dass in Sachsen viele
Asylsuchende nicht durch das Bundesamt für Migration und Flüchtling (BAMF)
registriert würden, weil sie bereits vor der möglichen Registrierung auf die
Kommunen weiterverteilt würden. Damit solle eine Überfüllung der Erstaufnah-
meeinrichtung vermieden werden. Nach Berichten von Flüchtlingshelfern, die
den Fragestellern vorliegen, erhielten die Asylsuchenden lediglich eine Beschei-
nigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) und erst nach Monaten
eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung. In der Praxis führe das dazu,
dass Ausländerbehörden beispielsweise das Erlöschen der räumlichen Be-
schränkung (Residenzpflicht) nach drei Monaten nicht bescheinigten. Das führt
wiederum zu erheblichen Problemen, wenn Betroffene durch die Bundespolizei
aufgrund ihrer äußerlichen Merkmale (schwarze Hautfarbe etc.) kontrolliert und
wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Residenzpflicht angezeigt werden.
In Berlin wurde die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAA) im Sep-
tember 2014 kurzzeitig sogar geschlossen; die neu ankommenden Asylsuchen-
den konnten sich weder registrieren lassen und erhielten folglich auch keine
Sozialleistungen, inklusive der am Ende der Flucht häufig benötigten medizi-
nischen Versorgung. Seitdem hat die ZAA wieder durchgehend geöffnet, aller-
dings beklagte der Flüchtlingsrat Berlin in einer Pressemitteilung vom 25. Fe-
bruar 2015, dass Asylsuchende weiterhin unter unzumutbaren Bedingungen auf
einen Termin warten müssten und dass Asylverfahren entgegen der bundesrecht-
lichen Vorgaben nicht umgehend eingeleitet würden. Asylsuchende erhielten
nach einer ersten Vorsprache lediglich die Kostenübernahme für einen Schlaf-
platz in einer Traglufthalle ausgehändigt und müssten nach zehn Tagen wieder-
kommen. Die medizinische Versorgung sei in dieser Zeit nur durch Spenden
sichergestellt, da keinerlei Zugang zu Leistungen bestehe. Auch Bargeld für den
persönlichen Bedarf werde nicht ausgezahlt. In Berlin wie in München und
Karlsruhe wurden Aufnahmeeinrichtungen geschlossen, weil es Fälle von
Masern und Windpocken gab. Im Hinblick auf die medizinische Versorgung in
der Erstaufnahme kommentierte ein Mitglied der „Ärzte der Welt“ gegenüber
der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ vom 7. Dezember 2014 („Deutschland tut
weh“): „Die staatlichen Strukturen versagen, als wären wir ein Entwicklungs-
land.“
Nach Angaben der Bundesregierung betrug im vergangenen Jahr die durch-
schnittliche Zeit von der Asylantragstellung bis zur Anhörung vier Monate, wo-
bei Antragsteller aus prioritär bearbeiteten Herkunftsstaaten (Serbien, Mazedo-

Drucksache 18/4390 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
nien, Bosnien und Herzegowina, Syrien, Irak) deutlich kürzere Wartezeiten hin-
nehmen müssen als Asylsuchende aus anderen Herkunftsstaaten (beispielsweise
Nigeria mit 13,1 Monaten oder Pakistan mit 13,4 Monaten; vgl. Bundestags-
drucksache 18/3850, S. 20).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist der Bundesregierung über das beschriebene Problem einer verzöger-

ten Registrierung Asylsuchender aus den Bundesländern bekannt?
2. Wie viel Zeit vergeht nach Kenntnis der Bundesregierung in der Regel ak-

tuell von der Vorstellung bei einer Erstaufnahmestelle bis zur Registrierung,
und wie viel Zeit vergeht von der Registrierung bis zum Stellen des Asyl-
antrags bei der der Erstaufnahmeeinrichtung zugeordneten Außenstelle des
BAMF (bitte auch die Einschätzung fachkundiger Bediensteter wiederge-
ben)?

3. Was ist der Bundesregierung darüber hinaus zu Unsicherheiten der Auslän-
derbehörden bekannt, den Aufenthaltsstatus ihnen zugewiesener, noch nicht
registrierter Asylsuchender bzw. solcher Asylsuchender, die noch keinen
Asylantrag beim BAMF stellen konnten, korrekt festzustellen?
Gibt es geeignete Hinweise des BAMF an die Ausländerbehörden zum Um-
gang mit solchen Konstellationen (beispielsweise über das Ausstellen der
„Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“, Rechtsfolgen im
Asylverfahrensgesetz, Asylbewerberleistungsgesetz, Beschäftigungsver-
ordnung), oder sind solche Handreichungen in Planung?

4. Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung unternommen, sich über
diese Probleme selbständig zu informieren und ggf. Abhilfe zu schaffen?

5. Wurden diese Probleme zwischen den Vertretern von Bund und Ländern im
vergangenen und in diesem Jahr thematisiert, und wenn ja, zum Anlass wel-
cher Ereignisse (Treffen, Sitzungen, Gespräche etc.), und ggf. mit welchen
Ergebnissen?

6. Welche Erkenntnisse oder Einschätzungen fachkundiger Bediensteter lie-
gen der Bundesregierung zur Zahl der Personen vor, denen eine BüMA aus-
gehändigt wurde, sowie zur Dauer der Gültigkeit dieses Dokuments, und wo
werden solche Daten ggf. erfasst?

7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Fällen, in denen Asyl-
suchende aufgrund der fehlenden Bescheinigung über die Aufenthalts-
gestattung nicht nachweisen konnten, dass ihr Aufenthalt gestattet ist?

8. Welche Möglichkeiten haben Betroffene, durch die problematisierte Praxis
der Ausländerbehörden drohende Nachteile bezüglich des Erlöschens der
räumlichen Beschränkung für den Aufenthalt (Residenzpflicht), des Zu-
gangs zu besonderen Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgeset-
zes (Analogleistungen) und der Fristen für den Zugang zum Arbeitsmarkt
abzuwenden?

9. In wie vielen Fällen hat die Bundespolizei Anzeigen wegen des Verdachts
des unerlaubten Aufenthalts oder der unerlaubten Einreise in Fällen gestellt,
in denen Asylsuchende noch über keine Bescheinigung der Aufenthaltsge-
stattung verfügten?

10. In wie vielen Fällen wurden Anzeigen wegen des Verdachts der unerlaubten
Einreise bzw. des unerlaubten Aufenthalts zurückgenommen oder die Er-
mittlungen eingestellt, weil sich ergeben hatte, dass lediglich die Bescheini-
gung über die Gestattung des Aufenthalts fehlte (bitte auch die Gesamtzahl

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der eingestellten Ermittlungsverfahren in diesem Deliktsbereich im Ver-
gleich zum Anzeigenaufkommen für die Jahre 2013, 2014 und 2015 oder
Schätzungen fachkundiger Bediensteter hierzu angeben)?

Berlin, den 19. März 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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