BT-Drucksache 18/4146

zu der Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen - Drucksache 18/4079 - Finanzhilfen zugunsten Griechenlands; Verlängerung der Stabilitätshilfe Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 2 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes auf Verlängerung der bestehenden Finanzhilfefazilität zugunsten der Hellenischen Republik

Vom 27. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4146
18. Wahlperiode 27.02.2015
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Klaus Ernst, Wolfgang Gehrcke, Dr. Sahra Wagenknecht
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen

– Drucksache 18/4079 –

Finanzhilfen zugunsten Griechenlands;
Verlängerung der Stabilitätshilfe

Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen
Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 2 des
Stabilisierungsmechanismusgesetzes auf Verlängerung der bestehenden
Finanzhilfefazilität zugunsten der Hellenischen Republik

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der Bundestag begrüßt, dass die neue griechische Regierung unter Führung
der Linkspartei Syriza dem während der Verhandlungen über die Gewäh-
rung weiterer Kreditzahlungen ausgeübten massiven Druck zahlreicher Re-
gierungen der Euroländer und insbesondere der Bundesregierung und ihres
Finanzministers Widerstand entgegengesetzt hat. Der Bundestag kritisiert
die kompromisslose Haltung der Bundesregierung, mit der diese die naht-
lose Fortschreibung der gescheiterten „Krisenpolitik“ aus Kürzungen und
marktradikalen Reformen erzwingen wollte. Er wendet sich gegen die Dro-
hungen von Bundesregierung, Eurogruppe und den Institutionen der soge-
nannten Troika, das Land auch künftig unter Druck zu setzen. Die griechi-
sche Regierung hat in ihrer Stellungnahme vom 23. Februar 2015 an die
Finanzminister der Eurogruppe deutlich gemacht, dass sie die Austeritäts-
politik nicht fortsetzen wird und einen Kurswechsel von der von den bis-
herigen Regierungen verfolgten Politik sozialer Kürzungen und der Verar-
mung und Verelendung weiter Teile der Bevölkerung ankündigt. Auch un-

Drucksache 18/4146 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ter den harten makroökonomischen und fiskalpolitischen Auflagen des ak-
tuell verlängerten „Griechenland II-Pakets“ hat sie sich zu einer Politik
verpflichtet, die die Stärkung staatlicher Einnahmen, die Verbesserung
staatlicher Handlungsmöglichkeiten und akute Maßnahmen zur Überwin-
dung der katastrophalen sozialen Lage in den Vordergrund stellt.

2. Im Einzelnen hat die griechische Regierung folgende Maßnahmen vorge-
schlagen: Die Bekämpfung von Korruption sowie von Steuerhinterziehung,
Steuerbetrug und Steuerfreiheit für reiche Oligarchen, die Unterbindung
des weitverbreiteten Schmuggels, die Aufstellung eines umfassenden Ver-
mögensverzeichnisses, eine effektivere Kontrolle bei staatlichen Aufträgen
und öffentlichen Ausschreibungen, eine umfassende Verwaltungsreform,
etwa im Bereich der Steuererhebung und Steuerfahndung, bei Insolvenzen
und bei dem Aufbau eines Katasterwesens. Die griechische Regierung hat
zwar entsprechend den Forderungen der Eurogruppe zusagen müssen, be-
reits abgeschlossene Privatisierungen während der Laufzeit der Kredite
nicht wieder rückgängig zu machen, die Durchführung neuer Privatisierun-
gen aber im Einzelnen auf ihre Vereinbarkeit mit Recht und Gesetz sowie
mit wirtschaftspolitischen Nutzenabwägungen des griechischen Staates zu
überprüfen.

3. Dass die Finanzminister der Eurogruppe, die Europäische Zentralbank
(EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) auf der Grundlage der
verschiedenen griechischen Vorschläge und der von der Europäischen Fi-
nanzstabilisierungsfazilität (EFSF) übermittelten Änderung der Finanzhil-
fevereinbarung durch die Verlängerung der Bereitstellfrist bis Ende Juni
2015 zugestimmt haben, bedeutet für Griechenland, vorbehaltlich einer
Ende April erfolgenden weiteren Spezifizierung und Billigung, die Gewäh-
rung einer „Kreditbrücke“ bis zum 30. Juni 2015. Auch wenn der Name der
„Troika“ entfallen ist, sind noch deutliche Bemühungen notwendig, um das
einseitige und undemokratische Diktat durch „Institutionen“ wie EU-
Kommission, EZB und IWF vollkommen zu überwinden und der EU wie-
der einen demokratischen Charakter zu verleihen. Immerhin müssen diese
Institutionen nun mit der griechischen Regierung auf Spitzenebene verhan-
deln. Die Zeit, in der ihre Beamten einfach Weisungen an die Regierung er-
teilen, ist vorbei. Insofern ist dem Kommentar der griechischen Regierung
zuzustimmen: „Die Verlängerung der Kreditvereinbarung um vier Monate
und die von der griechischen Regierung vorgelegt und von europäischer
Seite angenommene Reformliste markieren einen Wendepunkt. Sowohl für
Europa als auch für Griechenland.“ Inakzeptabel ist allerdings, dass auch
jetzt wieder das Europäische Parlament völlig ausgeschaltet blieb.

4. Die positive Bewertung der Vorschläge der jetzigen griechischen Regie-
rung ist auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit früheren griechi-
schen Regierungen zu bewerten: Die Konservativen der Nea Demokratia
und die sich als sozialdemokratisch verstehenden Kräfte in der PASOK
hatten sich nach dem Ende der Militärdiktatur, von einem kurzen Zwi-
schenspiel 1989 abgesehen, abwechselnd oder gleichzeitig den griechi-
schen Staat mit verheerenden Folgen zur „Beute“ gemacht. Flächende-
ckend hatten sie staatliche Positionen und Ämter besetzt, Korruption nicht
nur zugelassen, sondern gefördert, zugleich aber den Aufbau staatlicher
Verwaltungsorganisationen wie eines effektiven Steuer-, Zoll- und Katas-
terwesens vernachlässigt, superreichen Oligarchen ungerechtfertigte Steu-
erprivilegien gewährt und insgesamt zum Verlust staatlicher Einnahmen in
riesigem Umfang beigetragen. Wenn Griechenland sich heute in einer aus-
gesprochen schwierigen Situation befindet, tragen dafür nicht die Kräfte
die Verantwortung, die die heutige Regierung stellen, sondern Parteien, die
auf das engste im europäischen und internationalen Rahmen mit den Par-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4146

teien der deutschen „Großen Koalition“ zusammengearbeitet haben und
von ihnen unterstützt wurden. Das wird in der zukünftigen innenpolitischen
Diskussion in Deutschland über eine Unterstützung Griechenlands zu be-
rücksichtigen sein, wie auch die rechtliche und moralische Verpflichtung,
einen Zwangskredit aus dem Jahr 1942 zurückzuzahlen.

5. Der Bundestag geht davon aus, dass die griechische Regierung eine neue
Wirtschafts- und Sozialpolitik umsetzt, die auf der Förderung und Stabili-
sierung der öffentlichen wie der privaten Nachfrage beruht, statt auf einer
Fortsetzung der völlig fehlgeschlagenen Austeritätspolitik, die zu einer
humanitären Katastrophe, zu massenhafter Verarmung und sozialem Elend
geführt hat. Das gilt für die Ausweitung der Investitionen im industriellen
und landwirtschaftlichen Bereich wie für die Stärkung der Kaufkraft bei
Löhnen und Renten sowie für die Stabilisierung des Gesundheitswesens.
Haushaltsmäßig bekennt sich Syriza zur Erzielung eines Primärüberschus-
ses. Die Regierung hat gegenüber der Eurogruppe entsprechende Vorschlä-
ge zur Herabsetzung der Überschussziele für 2015 gemacht, die akzeptiert
wurden. Auf dieser Grundlage wird die Zustimmung der griechischen Be-
völkerung wachsen und die Durchsetzungsfähigkeit der Regierung für Ver-
änderungen im Inneren und zur Selbstbehauptung auf EU-Ebene stärker
werden.

6. Mit der durch die jetzige Kreditverlängerung gewonnenen Zeit bekommt
die griechische Regierung die Möglichkeit, die angekündigten positiven
Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Zugleich werden die Voraussetzun-
gen dafür in Angriff genommen werden müssen, dass es zu einer Umschul-
dung im Sinne eines weiteren strukturellen Umbaus der Kredite und der mit
ihnen verbunden Auflagen kommt, dass insbesondere eine umfassende
Förderung von Investitionen und eine nachhaltige Nachfragesteigerung
gewährleistet werden. Zu erwarten ist auch, dass die neue griechische Re-
gierung die Rüstungsausgaben weiter senken und Rüstungsimporte auch
aus den anderen EU-Ländern herabsetzen wird. In diesem Zusammenhang
muss von deutscher Seite auch endlich geklärt werden, ob und wie Rüs-
tungsunternehmen aus EU-Ländern durch „Schmiergeldzahlungen“ wett-
bewerbswidrig Rüstungsgeschäfte befördern. Hier ist insbesondere von der
Bundesregierung und von der SPD-Bundestagsfraktion zu erwarten, dass
sie Auskunft über ihre Kenntnisse von Zahlungen an zwei ehemalige SPD-
Bundestagsabgeordnete durch die Firma Krauss-Maffei-Wegmann (KMW)
gibt, über die in der Presse Mitte des Jahres 2014 berichtet worden war.

7. Mit der Billigung der Vorschläge Griechenlands durch die Finanzminister
der Eurozone ist eine positive Wende zwar eingeleitet, aber noch lange
nicht zu einem Ende gebracht. In Griechenland und auch in den anderen
Mitgliedstaaten der EU ist dafür Sorge zu tragen, dass die eine demokrati-
sche und soziale Wende der EU-Politik vorgenommen wird. Entsprechende
Veränderungen des jeweiligen gesellschaftlichen Bewusstseins können ins-
besondere durch eine Auseinandersetzung mit der Politik der griechischen
Regierungen vor dem 25. Januar 2015 und die Haltung der politischen
Kräfte dazu in den andern Mitgliedstaaten angestoßen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich im Rahmen der Europäischen Union für die Durchsetzung folgender Ziele
einzusetzen:

1. Die Mechanismen für die Gewährung, Verlängerung und Abwicklung von
Kredithilfen an Mitgliedstaaten der EU werden grundlegend reformiert. Die
„Troika“ wird aufgelöst, die von ihr kontrollierten „Programme“ werden
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/4146 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

überprüft und überarbeitet. Im Rahmen der Kreditgewährungen sind Insti-
tutionen von EU, EZB und IWF durch politisch Verantwortliche und nicht
durch nachgeordnete Angehörige zu vertreten. Weisungen dürfen nicht oh-
ne Beschluss der verantwortlichen Gremien erteilt werden. Auch ist dafür
Sorge zu tragen, dass das Europäische Parlament in die entsprechenden
Entscheidungsprozesse einbezogen wird.

2. Der von den EU-Verträgen nicht gedeckte Machtmissbrauch der Europäi-
schen Zentralbank (EZB) zur Durchsetzung neoliberaler Politik beim Auf-
kauf von Anleihen muss unverzüglich beendet werden.

3. Griechenland ist über den 30. Juni 2015 hinaus bis zur generellen Neurege-
lung der Kreditbeziehungen ein zeitlich befristeter Brückenkredit ohne aus-
teritätspolitische Auflagen zu gewähren, um die Folgen eines abrupten fi-
nanziellen Zusammenbruchs des Landes und entsprechende Konsequenzen
für die anderen Mitgliedstaaten der EU zu vermeiden. Zusätzlich bedarf es
generell eines strukturellen Umbaus der Kredite und der mit ihnen verbun-
den Auflagen, Zinsen und Rückzahlungsfristen.

4. Der Vorschlag der neuen griechischen Regierung für ein eurozonenweites
Sozial- und Investitionsprogramm, finanziert durch das Europäische Sys-
tem der Zentralbanken, wird nachdrücklich unterstützt.

5. Darüber hinaus benötigen Griechenland und die anderen „Programmstaa-
ten“ wieder mehr finanziellen Spielraum. Voraussetzungen und Einzelhei-
ten sind auf einer EU-Schuldenkonferenz auszuhandeln und zu vereinba-
ren.

6. Mitgliedstaaten der EU dürfen nicht länger als „Steueroasen“ für reiche
Steuerpflichtige aus Griechenland und anderen Ländern der EU zur Verfü-
gung stehen. Kapitalflucht ist auch dadurch zu stoppen, dass Bankguthaben
griechischer Staatsbürger über 200.000 EUR in anderen EU-Staaten einge-
froren und dem griechischen Staat gemeldet werden, damit überprüft wer-
den kann, ob die Gelder bereits rechtmäßig besteuert wurden oder noch zu
besteuern sind. Auch international sind „Steueroasen“ mittels völkerrecht-
licher Verträge zu ächten und trocken zu legen.

Berlin, den 27. Februar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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