BT-Drucksache 18/408

Ehrung eines möglichen Kriegsverbrechers durch die Bundeswehr

Vom 30. Januar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/408
18. Wahlperiode 30.01.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen,
Annette Groth, Andrej Hunko, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Ehrung eines möglichen Kriegsverbrechers durch die Bundeswehr

Die Bundeswehr ehrt mit dem Namensgeber der General-Sponeck-Kaserne in
Germersheim einen Wehrmachtsgeneral, der für Kriegsverbrechen und Ver-
brechen gegen die Menschheit verantwortlich sein soll. Das ergibt sich aus
einem Artikel des US-Historikers Erik Grimmer-Solem (http://egrimmer.web.
wesleyan.edu/pdf/04%20Aufsatz%20Grimmer-Solem.pdf).
Die Kaserne trägt seit dem Jahr 1966 den Namen des Wehrmachtsgenerals Hans
Graf von Sponeck. Hans Graf von Sponeck hatte im Jahr 1941 als Kommandant
auf der Krim einen Rückzug der ihm untergebenen Truppen angeordnet, obwohl
ein solcher Rückzug zuvor von der Wehrmachtsspitze ausdrücklich untersagt
worden war. Er wurde daraufhin zum Tode verurteilt, zu Festungshaft begnadigt
und nach dem 20. Juli 1944 ermordet. In dem im Auftrag des Militärgeschicht-
lichen Forschungsamtes (MGFA) der Bundeswehr herausgegebenen Band „Tra-
dition und Traditionsverständnis in der Deutschen Luftwaffe“ heißt es dazu:
„Generalleutnant Hans Emil Otto Graf von Sponeck war zu Lebzeiten stets be-
müht, seinen Soldaten Geist und Haltung einzuflößen. Er ordnete den Zwang
zum unbedingten Gehorsam seinem Gewissen und der Verantwortung gegen-
über seinen Soldaten unter. Dafür ließ er sein Leben.“ Es gibt Erik Grimmer-
Solem zufolge aber keine Hinweise darauf, dass Hans Graf von Sponeck mit
dem militärischen Widerstand des 20. Juli 1944 in Verbindung gestanden hat.
Als Kommandeur der 22. Infanterie-Division (bis zum 14. Oktober 1941) bzw.
des XXXXII. Armeekorps (ab 3. Dezember 1941) war Hans Graf von Sponeck
nach den Recherchen von Erik Grimmer-Solem aber für zahlreiche verbrecheri-
sche Befehle verantwortlich.
Am 20. Juni 1941 soll Hans Graf von Sponecks Erster Generalstabsoffizier eine
Anweisung betreffend die Politkommissare der Sowjetarmee erteilt haben: „Sie
sind sofort abzusondern.“ Weiter heiße es darin: „Die Masse der Juden ist abzu-
sondern“. Derselbe Offizier soll im August 1941 der Division eingeschärft
haben, dass bei der Feststellung von Sabotageakten „laut eines mündlichen ge-
gebenen Armeebefehls“ mit derselben Schärfe „gegen halbwüchsige Burschen,
Frauen und Kinder“ wie gegen erwachsene Männer vorzugehen sei.
Am 7. Oktober 1941 soll Hans Graf von Sponeck selbst eine Anweisung erlas-
sen haben, verdächtige Zivilpersonen dem nächsten Sonderkommando der
Sicherheitspolizei oder dem Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS (SD) zu
übergeben. Insbesondere bei Jüdinnen und Juden bedeutete dies faktisch ein
Todesurteil.
Am 10. Dezember 1941 habe Hans Graf von Sponeck „Richtlinien für die Par-
tisanenbekämpfung“ erlassen, in denen es hieß: „Juden sind zu erfassen, mit

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Davidstern auf Brust und Rücken kenntlich zu machen, zu überwachen und zum
Arbeitsdienst heranzuziehen“. Diese Anordnung galt unterschiedslos für
Jugendliche, Frauen und Männer. Im Dezember 1941 war die Ermordung der
jüdischen Bevölkerung bereits in vollem Gang, ihre „Aussonderung“, Kennt-
lichmachung und Heranziehung zum Arbeitsdienst waren nichts weniger als
Schritte auf dem Weg zu ihrer Ermordung. Ferner soll Hans Graf von Sponeck
befohlen haben, aufgefundene Sowjetsoldaten, auch in Uniform, umgehend zu
erschießen.
All dies lasse, so Erik Grimmer-Solem, „keinen Zweifel daran, dass von
Sponeck den Weltanschauungskrieg Hitlers in der Sowjetunion billigte, in
seinem Kommando durchsetzte und deshalb für diese Verbrechen Mitverant-
wortung trägt.“
Besonders belastend für die Bundeswehr ist es aus Sicht der Fraktion DIE
LINKE., dass ihr diese Kenntnisse über Hans Graf von Sponeck im Prinzip wohl
schon lange bekannt sind. Das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ berich-
tete in seiner Ausgabe 52/2013, dass ein Major der Luftwaffe vor knapp zehn
Jahren die relevanten Dokumente im Bundesarchiv-Militärarchiv (BA-MA) ein-
gesehen habe und dem Chef des Luftwaffenamtes berichtete, Hans Graf von
Sponecks „Mitwisserschaft/Beteiligung an Kriegsverbrechen“ stehe „außer
Frage“, eine Umbenennung der Kaserne sei unvermeidbar. Der Vorstoß sei aber
verpufft. Das wirft aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller wiederum
ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis der Bundeswehr zur Wehrmacht, das
auch vor der Verehrung von Kriegsverbrechern nicht zurückschreckt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann war dem Bundesministerium der Verteidigung erstmals bekannt, dass

Hans Graf von Sponeck Befehle erlassen haben soll bzw. für diese verant-
wortlich gewesen sein soll, Jüdinnen und Juden „abzusondern“, aufgefun-
dene Rotarmisten zu erschießen, gegen Jugendliche, Frauen und Kinder mit
derselben Brutalität vorzugehen wie gegen Erwachsene usw.?

2. Aus welchem Grund wurde die Kaserne in Germersheim im Jahr 1966 nach
Hans Graf von Sponeck benannt?
Inwiefern haben sich die Verantwortlichen der Kaserne im Vorfeld und seither
darum bemüht, nicht nur die Befehlsverweigerung Hans Graf von Sponecks
im Dezember 1941, sondern auch seine mögliche Verantwortung für Kriegs-
verbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit zu thematisieren?
Falls solche Bemühungen nicht erkennbar sind, warum nicht, und welche
Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

3. Welche, über wenige Daten zur militärischen Karriere hinausgehenden Dar-
stellungen über Hans Graf von Sponeck gibt es in der Bundeswehr, und was
ist ihr wesentlicher Tenor (bitte möglichst vollständige Auflistung von Bro-
schüren, Darstellungen, Tafeln usw. angeben)?
Inwiefern wird Hans Graf von Sponeck dabei als vorbildhaft dargestellt?
Inwiefern wird darin seine mögliche Verantwortung für Kriegsverbrechen
und Verbrechen gegen die Menschheit dargestellt?

4. Welche Angaben kann die Bundesregierung zur Aussage des Magazins
„DER SPIEGEL“ machen, dass ein Major der Luftwaffe die belastenden
Dokumente über Hans Graf von Sponeck bereits vor zehn Jahren im BA-MA
eingesehen hat?
Falls dies im Wesentlichen zutrifft,
a) inwiefern hatte der Major einen dienstlichen Auftrag (von wem, mit wel-

chem Ziel und Erkenntnisinteresse),

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/408
b) inwiefern hat der Major einen Bericht oder eine Zusammenfassung der aus
der Akteneinsicht gewonnenen Erkenntnisse an welche Dienststellen
übermittelt,
● was waren der wesentliche Inhalt und die Empfehlungen dieses Be-

richts,
● ist die Bundesregierung bereit, den vollständigen Bericht dem Deut-

schen Bundestag vorzulegen,
c) trifft die Darstellung, der Major habe die mögliche Mitwisserschaft bzw.

Beteiligung Hans Graf von Sponecks an Kriegsverbrechen gegenüber dem
Chef des Luftwaffenamtes als „außer Frage“ stehend bezeichnet und eine
Umbenennung der Kaserne als unvermeidlich, im Wesentlichen zu,

d) wie haben die vorgesetzten Dienststellen sich im Anschluss an dieses
Aktenstudium bzw. den Bericht des Majors verhalten, und welche
Schlussfolgerungen haben sie daraus gezogen (bitte mit Begründung),

e) warum wurde die Kaserne damals nicht umbenannt,
f) wie beurteilt die Bundesregierung den Umgang der Bundeswehr bzw. des

Bundesministeriums der Verteidigung damit aus heutiger Sicht?
5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Angaben in

dem Artikel von Erik Grimmer-Solem?
6. Beabsichtigt die Bundesregierung, nun zügig eine Umbenennung der Kaserne

vorzunehmen, und wenn nein, warum nicht?
7. Ist die Bundesregierung der Ansicht, ein Offizier der Wehrmacht, der zwar

militärfachlich motivierten Ungehorsam gegen Hitler zeigte, aber – wie be-
richtet – zu keinem Zeitpunkt Kritik an der Ermordung der jüdischen Bevöl-
kerung übte, diese vielmehr durch eigene Befehle unterstützt haben soll,
tauge als Vorbild für die Bundeswehr, und wenn ja,
a) warum, und
b) inwiefern widerspricht eine solche Ehrung dem, was die Bundesregierung

unter Innerer Führung versteht?
8. Falls die Bundesregierung die vorstehende Frage bejaht, ist sie bereit, eine

Prüfung aller noch nach Wehrmachtsgenerälen bzw., umfassender, nach
Offizieren, Ereignissen und Orten des Ersten Weltkrieges und der deutschen
Kolonialkriege benannten Kasernen vorzunehmen, um mögliche weitere be-
lastetete Namensgebungen zu revidieren?
Wenn ja, bis wann, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 30. Januar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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