BT-Drucksache 18/4000

zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 8. Europäischen Parlament am 25. Mai 2014

Vom 19. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4000 (neu)
18. Wahlperiode 19.02.2015
Zweite Beschlussempfehlung
des Wahlprüfungsausschusses

zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum
8. Europäischen Parlament am 25. Mai 2014

A. Problem
Gemäß Artikel 41 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes ist die Wahlprüfung Sache des
Deutschen Bundestages. Dieser hat nach den Bestimmungen des Wahlprüfungsge-
setzes auf der Grundlage von Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschus-
ses über die Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des 8. Eu-
ropäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland zu entscheiden. Insge-
samt sind 109 Wahleinsprüche eingegangen. Die jetzt zur Beschlussfassung vorge-
legten Entscheidungen betreffen 46 Wahlprüfungsverfahren. Die Beschlussempfeh-
lungen zu den weiteren Einsprüchen wird der Wahlprüfungsausschuss nach dem Ab-
schluss seiner Beratungen vorlegen.

B. Lösung
Zurückweisung von 46 Wahleinsprüchen wegen Unbegründetheit.

C. Alternativen
Keine.

D. Kosten
Keine.
Drucksache 18/4000 (neu) – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
die aus den Anlagen ersichtlichen Beschlussempfehlungen zu Wahleinsprüchen an-
zunehmen.

Berlin, den 5. Februar 2015

Der Wahlprüfungsausschuss

Dr. Johann Wadephul
Vorsitzender und Berichterstatter

Bernhard Kaster
Berichterstatter

Dr. Hans-Peter Uhl
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4000 (neu)
Inhaltsverzeichnis zum Anlagenteil

Beschlussempfehlungen zu den einzelnen Wahleinsprüchen

Aktenzeichen Einspruchsgegenstand BE Anlage Seite

EuWP 1/14 Einzelbewerber, mehrfache Stimmabgabe u. a. Abg. Bernhard Kaster 1 7

EuWP 4/14 Wahlstatistik, mehrfache Stimmabgabe
Abg. Dr. Hans-Peter Uhl/

Abg. Bernhard Kaster 2 13

EuWP 5/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 3 21

EuWP 9/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 4 27

EuWP 10/14 Wählen in JVA, mehrfache Stimmabgabe
Abg. Volker Beck (Köln)/

Abg. Bernhard Kaster 5 31

EuWP 14/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 6 39

EuWP 18/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 7 43

EuWP 21/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 8 47

EuWP 22/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 9 51

EuWP 23/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 10 55

EuWP 29/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 11 59

EuWP 30/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 12 63

EuWP 31/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 13 67

EuWP 33/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 14 71

EuWP 34/14 Mehrfache Stimmabgabe, Wahltermin Abg. Bernhard Kaster 15 75

EuWP 36/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 16 81

EuWP 37/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 17 85

EuWP 40/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 18 91

EuWP 41/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 19 95

EuWP 42/14 Mehrfache Stimmabgabe, Sitzkontingent Abg. Bernhard Kaster 20 99

Drucksache 18/4000 (neu) – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

EuWP 43/14 Mehrfache Stimmabgabe, Wahlmanipulation Abg. Bernhard Kaster 21 105

EuWP 47/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 22 111

EuWP 48/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 23 115

EuWP 49/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 24 119

EuWP 50/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 25 123

EuWP 53/14 Wahlrecht für EU-Bürger, mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 26 127

EuWP 54/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 27 131

EuWP 55/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 28 135

EuWP 56/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 29 139

EuWP 57/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 30 143

EuWP 59/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 31 147

EuWP 60/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 32 153

EuWP 61/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 33 157

EuWP 63/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 34 163

EuWP 65/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 35 167

EuWP 67/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 36 171

EuWP 71/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 37 175

EuWP 75/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 38 179

EuWP 76/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 39 183

EuWP 77/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 40 187

EuWP 79/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 41 193

EuWP 82/14 Mehrfache Stimmabgabe u. a. Abg. Bernhard Kaster 42 197

EuWP 83/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 43 203

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4000 (neu)

EuWP 92/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 44 207

EuWP 96/14 Mehrfache Stimmabgabe, Sitzvergabeverfahren Abg. Bernhard Kaster 45 213

EuWP 99/14 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Bernhard Kaster 46 219

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 1

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. H., 3640 José Domingo Ocampos (PY),

– Az.: EuWP 1/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom selben Tage Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt. Er hat
seinen Vortrag mit im Wesentlichen identischen Telefaxen vom 2. und 20. Juni sowie 6. August 2014 erweitert.

Der als „gewählter Botschafter der Bundesrepublik Deutschland“ mit einem Siegel auftretende Einspruchsfüh-
rer möchte seinen Einspruch auch als Petition und als Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bun-
des an den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages verstanden wissen. Außerdem enthält der
Text auch Anfragen bzw. Unterlagenforderungen an den Bundeswahlleiter, das Statistische Bundesamt und
das Auswärtige Amt, wobei zum Teil unklar bleibt, wer worüber Auskunft geben soll. Der Einspruchsführer
wünscht außerdem Stellungnahmen des Europarates, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD) und des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen.

Zur Europawahl 2014 trägt der Einspruchsführer Folgendes vor:

1. Alle Wahlanfechtungsargumente anderer Einspruchsführer mache er auch geltend.

2. Das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf- bzw. Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl gekippt. Nun
sei es leichter möglich, einen Sitz zu erreichen. Jedoch seien für ihn als Einzelbewerber die Fristen viel zu kurz
gewesen. Man benötige für den Wahlkampf und die Vorbereitungen mehrere Jahre. Er sei „ausgetrickst“ wor-
den.

3. Die Europawahl sei möglicherweise verfassungswidrig. Bei der Stimmabgabe von Millionen von Bürgern
sei es zu schweren Pannen gekommen. Ein bekannter Journalist sei offenbar nicht der einzige, der doppelt
abgestimmt habe. Nicht nur hätten Inhaber von zwei Staatsbürgerschaften zweimal ihre Stimme abgegeben
könnten, sondern auch das Kontrollsystem für jene Europäer, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem
Heimatland lebten und sich dort registrierten, funktioniere nicht umfassend. Der Bundeswahlleiter habe sich
über die Möglichkeit der mehrfachen Stimmabgabe während einer Sitzung des Bundeswahlausschusses besorgt
gezeigt.

Im Übrigen entspricht der Einspruch im Wesentlichen dem Vorbringen, das der Einspruchsführer bereits gegen
die Bundestagswahl 2013 vorgetragen hat: Er und seine Familienangehörigen seien an der Kandidatur gehin-
dert worden; das Auswärtige Amt verweigere ihm die zur Kandidatur nötige „Deutschen- und Krisenvorsorge-
liste“; Einzelbewerber würden gegenüber Parteibewerbern massiv benachteiligt; das Bundeswahlgesetz sei
vom Bundesverfassungsgericht kassiert worden und das „neue“ Wahlrecht nicht in Kraft getreten; die Bundes-
tagswahlkreise seien unzulässig zugeschnitten; es gebe keine Auslandswahlkreise. Insoweit wird auf die Bun-
destagsdrucksache 18/1810, Anlage 2, verwiesen. Darüber hinaus wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Drucksache 18/4000 (neu) – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4000 (neu)

staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten (wie sich aus der beigefügten Anlage ergebe). Rein
theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die
Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben.
Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlausschusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handha-
bung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Ausland lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Über-
sendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtli-
chen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen. Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimm-
abgaben bei der Europawahl ließen sich daraus aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703

Drucksache 18/4000 (neu) – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Absatz 5a
EuWO).

Entscheidungsgründe

I.

1. Der Einspruch ist unstatthaft und damit unzulässig, soweit er Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz
bzw. Unterlagenforderungen an den Bundeswahlleiter, das Statistische Bundesamt und das Auswärtige Amt
sowie Stellungnahmeersuchen an den Europarat, die OECD und den Menschenrechtsausschuss der Vereinten
Nationen enthält. Denn ein Einspruch ist gemäß § 26 EuWG in Verbindung mit § 1 Absatz 1 des Wahlprü-
fungsgesetzes (WPrüfG) nur statthaft, wenn er die Gültigkeit der Wahlen zum Deutschen Bundestag und die
Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl zum Gegenstand hat. Teils richten
die genannten Ansinnen sich gar nicht an den Deutschen Bundestag oder den Wahlprüfungsausschuss, teils
zielen sie auf ein Tätigwerden des Wissenschaftlichen Dienstes ab. Dessen Tätigkeit hat aber mit der Wahlprü-
fung nichts zu tun. Ohnehin ist der Wissenschaftliche Dienst nicht für öffentliche Auskünfte und Gutachten,
sondern zur Unterstützung der Parlamentstätigkeit bestellt.

2. Der Einspruch ist außerdem unstatthaft und damit unzulässig, soweit der Einspruchsführer (zum Teil in
Frageform) Forderungen zur Form der Unterstützungsunterschriften für Einzelbewerber, zur Parteienfinanzie-
rung für eine eigene Partei der Auslandsdeutschen, zum Briefwahlverfahren, zur Ausgestaltung der Sperrklau-
sel und zur Bildung von Auslandswahlkreisen formuliert. Ein erkennbarer Bezug – wie ihn § 1 Absatz 1
WPrüfG verlangt – zur Gültigkeit der Wahl zum 8. Europäischen Parlament oder einer möglichen Rechtsver-
letzung bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Wahl fehlt.

II.

Soweit der Einspruch zulässig ist, ist er unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Ver-
stoß gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Das Vorbringen des Einspruchsführers, er mache auch alle Einspruchsgründe geltend, die andere Einspruchs-
führer vorgetragen hätten, ist – wie ihm bereits auf seinen Einspruch gegen die Bundestagswahl 2013 mitgeteilt
wurde – unerheblich. Eine derartige Verweisung ohne eigenen Tatsachenvortrag ist nicht geeignet, den An-
fechtungsgegenstand mit hinreichender Bestimmtheit einzugrenzen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier
– nicht deutlich wird, inwieweit dem Einspruchsführer die Begründung des anderen Einspruchs, auf den ver-
wiesen werden soll, überhaupt bekannt ist (vgl. Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlage 20; 18/1810, Anlage
2). Der bloße Verweis auf andere ersetzt nicht den eigenständigen Vortrag und die eigene Argumentation. Auch
im Verfassungsbeschwerdeverfahren reicht die Bezugnahme auf die Begründung einer anderen Verfassungs-
beschwerde nicht aus (vgl. BVerfGE 8, 141 [142]); ebenso ist es nicht statthaft, im Wahlprüfungsverfahren vor
dem Bundesverfassungsgericht auf einen Schriftsatz im Verfahren vor dem Bundestag Bezug zu nehmen (vgl.
BVerfGE 21, 359 [361]; 122, 304 [310]).

2. Soweit der Einspruchsführer – wie schon in seinem Einspruch zur Bundestagswahl 2013 – behauptet, er und
seine Kinder seien dadurch, dass ihnen rechtswidrig die Ausstellung deutscher Reisepässe versagt worden sei,
an der Ausübung ihres passiven Wahlrechts gehindert worden, fehlt es an einer substantiierten Darlegung mög-
licher Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung der Europawahl. Einzelkandidaturen – auf die der Ein-
spruchsführer abzielt – sind bei Wahlen zum Europäischen Parlament gar nicht zulässig. Diese Wahlen erfolgen
gemäß § 2 Abs. 1 EuWG nach den Grundsätzen der Verhältniswahl mit Listenwahlvorschlägen (im Regelfall:
Parteilisten). Überdies hat der Einspruchsführer seine Behauptung – selbst wenn man diese auf eine Kandidatur
als Listenbewerber bezieht –erneut mit keinerlei überprüfbaren Tatsachen untermauert, obwohl der Deutsche
Bundestag dies bereits in seiner Entscheidung über den Einspruch des Einspruchsführers gegen die Bundes-
tagswahl 2013 bemängelt hat. Das (ebenfalls) erneute Vorbringen des Einspruchsführers, das Auswärtige Amt
und viele Botschaften verweigerten ihm als Einzelkandidaten die Wahllisten aus der „Deutschenliste oder Kri-
senvorsorgeliste“, obwohl über zehn Millionen Auslandsdeutsche wahlberechtigt seien, vermag dem Wahlein-
spruch ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen, da es auf eine nach § 2 Abs. 1 EuWG gar nicht zulässige
Einzelkandidatur abzielt. Dasselbe gilt für das Vorbringen zur angeblich massiven Benachteiligung von Einzel-
gegenüber Parteibewerbern. Ein Einspruch kann allein die Benachteiligung einzelner Wahlvorschlagsträger (in

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/4000 (neu)

der Regel: Parteien) gegenüber anderen (Parteien) zum Gegenstand haben. Eine solche hat der Einspruchsfüh-
rer aber gerade nicht vorgetragen. Davon abgesehen, dass es vorliegend um die Europawahl geht, ist – entgegen
der Auffassung des Einspruchsführers – das „bisherige Bundeswahlrecht“ nicht vom Bundesverfassungsgericht
als grundgesetzwidrig kassiert worden; zudem sind die durch das Gericht veranlassten Rechtsänderungen am
9. Mai 2013 in Kraft getreten. Der Zuschnitt der Bundestagswahlkreise ist für die Europawahl ohne Bedeutung.

3. Hinsichtlich des Vorbringens zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, aufgrund derer das Euro-
pawahlgesetz keine Sperrklausel mehr enthält, ist erneut darauf hinzuweisen, dass das Europawahlgesetz eine
Einzelbewerbung nicht vorsieht. Zudem trägt der Einspruchsführer nicht schlüssig vor, warum die Abschaffung
jeglicher Sperrklausel jemanden von einer Kandidatur abgehalten haben sollte. Im Gegenteil konnten deutlich
mehr deutsche Wahlvorschlagsträger als in der Vergangenheit Sitze im Europäischen Parlament erwerben.

4. a) Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprü-
fungsausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchs-
führer nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft die-
jenige (mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft
in einem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staats-
angehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimat-
staat leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben.
Vielmehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in

Drucksache 18/4000 (neu) – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

b) Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 2

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn N. F., 63263 Neu-Isenburg,

– Az.: EuWP 4/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax und einem Schreiben vom 21. Juli Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2015
eingelegt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen verschiedene, mit dem Wahlstatistikgesetz (WStatG) zusammenhän-
gende Aspekte sowie gegen die (angebliche) Möglichkeit zur mehrfachen Stimmabgabe bei der Europawahl.

I.

Die gesetzlich angeordnete repräsentative Wahlstatistik beeinträchtige in verfassungsrechtlich unzulässiger
Weise Wahlrechtsgrundsätze aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG), insbesondere die „Ge-
heimheit“ der Urnenwahl, und verletzte dadurch sein Recht auf eine ordnungsgemäße Wahl. Der Staat dürfe,
sofern dafür keine verfassungsrechtlichen Erfordernisse oder sonstige zwingende Gründe vorlägen, keine Maß-
nahmen durchführen, welche die Gefahr der Durchbrechung des Wahlgeheimnisses erhöhten oder zusätzliche
Möglichkeiten zur „gehaltvollen Charakterisierung des Stimmverhaltens einzelner Wähler“ schafften. Der
Staat verstoße gegen dieses Verbot durch die Durchführung der repräsentativen Wahlstatistik. Die dadurch
generierten Daten flössen staatlichen Stellen zu und seien unter Umständen auch für Private einsehbar. Ange-
sichts des unzulänglichen Schutzes der Stimmzettel im Umfeld der Auswertung bei den statistischen Landes-
ämtern und der nur zu berechtigten Zweifel an den Fähigkeiten der staatlichen Stellen, Daten vor unberechtig-
tem Zugriff zu schützen, sei der Personenkreis, der Einsicht in von selbst im Rahmen des Wahlstatistikgesetzes
als sensibel und schutzbedürftig eingeschätzte Daten erhalte, praktisch nicht zu begrenzen. Es könne auch kei-
neswegs sichergestellt werden, dass die Daten nicht auch außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes
und auch außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Strafrechtsvorschriften zum Schutz der Geheimheit
der Wahl verfügbar würden.

Der Einspruchsführer führt weiter aus, die Durchführung der repräsentativen Wahlstatistik bei der Europawahl
beeinträchtigte sowohl Transparenz wie öffentliche Überprüfbarkeit in verfassungsrechtlich unzulässiger
Weise und verletze sein Recht auf eine ordnungsgemäße Wahl. Das Aufbringen nicht-selbsterklärender unter-
schiedlicher Codierungen auf Stimmzetteln (Buchstabencodes A – L) sei nicht erlaubt, wenn es dazu keine die
Bedeutung der Codierung klarstellende Rechtsvorschrift gebe. Der Buchstabencode werde im für die repräsen-
tative Wahlstatistik einschlägigen Wahlstatistikgesetz nicht erwähnt. Zu einer eventuell ergänzend einschlägi-
gen Verordnung werde durch das Wahlstatistikgesetz nicht ermächtigt. Das Verwenden von Stimmzetteln mit
Unterscheidungsvordruck sei nicht gestattet, wenn dadurch die Fähigkeit des Wählers, sich aufgrund eigenen
Urteils von der Ordnungsgemäßheit der Wahl zu überzeugen, beeinträchtigt werde. Namentlich das Herausbil-
den des Vertrauens in den gewährten Schutz gegen eine spätere Rekonstruktion des Abstimmungsverhaltens
einzelner Wähler müsse auch weiterhin ohne besondere Vorbildung und ohne Rückgriff auf Gutachten oder

Drucksache 18/4000 (neu) – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
staatliche Zusicherungen möglich sein. Selbst wenn man – abweichend von der im Einspruch vertretenen Auf-
fassung – nicht von einer Beeinträchtigung des Wahlrechtsgrundsatzes der Geheimheit ausgehe, sei es nicht
möglich, ohne besondere Vorbildung und ohne Rückgriff auf Gutachten und staatliche Zusicherungen Ver-
trauen zu den Wahlabläufen mit „repräsentativen“ Stimmzetteln herauszubilden. Da seien zum einen die ver-
schiedenen Stimmzettelstapel, die nicht nur unterschiedliche Klartextmarkierungen, sondern auch unterschied-
liche Buchstabencodierungen aufwiesen. Bereits der Umstand, dass es mehrere Stimmzettelstapel gebe, be-
gründe erhebliches Misstrauen. Da seien zum anderen die vielfältigen Informationen, die benötigt würden, um
das unter dem Einsatz codierter Stimmzettel verbleibende Anonymisierungspotential abschätzen zu können.

Des Weiteren ist der Einspruchsführer der Meinung, die wahlstatistische Erhebung bei der Europawahl führe
zu einer verfassungswidrigen Einschränkung des Rechtsschutzes gegenüber der wahlstatistischen Erhebung
und verletzte seine von der Verfassung garantierten Rechte. Die Beschränkung des Rechtsschutzes auf Anru-
fung der Wahlorgane und Wahlanfechtung gemäß Artikel 41 GG verschlechtere die Rechtsposition des Wahl-
bürgers, im Vergleich zum Rechtsschutz eines Bürgers bei der Datenerhebung zu einem repräsentativen Mik-
rozensus, erheblich. Man habe keinen Anspruch auf einen gesetzlich bestimmten Richter, vorläufiger Rechts-
schutz werde nicht gewährt und man könne den Deutschen Bundestag nicht wegen Befangenheit ablehnen. Die
repräsentative Wahlstatistik diene aber Zielen, die keineswegs die Beschränkung des ordentlichen Rechtswegs
rechtfertigten. Der Bürger habe Anspruch darauf, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegen
übergriffige Maßnahmen des Staats auf dem ordentlichen Rechtsweg zu verteidigen.

Außerdem glaubt der Einspruchsführer, die gesetzlichen Regelungen zur repräsentativen Wahlstatistik autori-
sierten die „Kompromittierung“ von Stimmzetteln, was dazu führen könne und bereits dazu geführt habe, dass
Stimmzettel nicht mehr für glaubwürdige Nachzählungen zur Verfügung stünden, wodurch sein Recht auf eine
ordnungsgemäße Wahl verletzt werde. Der Gesetzgeber habe, ohne dass dies durch verfassungsrechtliche Er-
fordernisse oder zwingende Gründe geboten sei, den zur Gewährleistung der Nachprüfbarkeit erforderlichen
rechtlichen Schutz für einen Teil der Stimmzettel wesentlich reduziert und dabei die Kompromittierung von
Stimmzetteln in Kauf genommen.

II.

Schließlich trägt der Einspruchsführer vor, es gebe im deutschen Europawahlrecht keine Regelungen zur ef-
fektiven Verhinderung einer mehrfachen Stimmabgabe durch Inhaber einer deutschen und einer weiteren EU-
Staatsbürgerschaft. Dies verletze sein Recht auf eine ordnungsgemäße Wahl. Durch die ausgiebig öffentlich
diskutierte doppelte Stimmabgabe des Herrn G. d. L. sei hinreichend belegt, dass es sich bei der Möglichkeit

zur doppelten Stimmabgabe nicht um eine rein abstrakte, bloß hypothetische Fallkonstruktion ohne Bezug zur
Wirklichkeit handele. Im Gegenteil sei belegt worden, dass es keinerlei krimineller Energie, sondern nur eines

Rechtsirrtums bedürfe, um seine Stimme zweimal abgeben zu können. Angesichts der Besonderheiten der
rechtlichen Konstruktion des Europawahlrechts müssten diese, bis zur Widerlegung, zur Begründung eines

Wahlmangels hinreichen. Anderenfalls würde dem deutschen Wahlbürger abverlangt, zur Durchsetzung sei-
nes Rechts auf eine ordnungsgemäße Wahl sich mit den meist fremdsprachig dokumentierten Wahlrechtsbe-
stimmungen anderer Rechtstraditionen sowie mit deren Implementierung in 27 EU-Staaten auseinanderzuset-
zen. Da dies in wesentlichen Feldern (zum Beispiel bei der Frage nach der Durchsetzung des Prinzips „one
man, one vote“) auf die materielle Abschaffung des Rechts auf einen Wahleinspruch hinausliefe, könne die

Beweislast eine Einspruchsführers nicht so weit gedehnt werden, dass das Recht Zum Wahleinspruch zur in-
haltsleeren Farce werde.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/4000 (neu)
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129, 300, 317 f.) nur für die

Drucksache 18/4000 (neu) – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments gelte. Durch eine illegale
zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit der Stimmen bei der Wahl
der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht betroffen. Bezüglich der
europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mitgliedstaaten gelte der
Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland auch nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europaweite Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die Europawahl allgemein,
unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis zwischen den Wählern
aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kontingents der Grundsatz
der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG dürfe
bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Absatz 5a
EuWO).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/4000 (neu)

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

I.

1. Da der Einspruchsführer sich auf die Verfassungswidrigkeit bestimmter Normen des Wahlstatistikgesetzes
beruft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in stän-
diger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften
nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl.
zuletzt etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen
5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34
bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19; 18/1710,
Anlage 57). Abgesehen davon sind die verfassungsrechtlichen Bedenken des Einspruchsführers unbegründet.
Die Regelungen der repräsentativen Wahlstatistik sind verfassungsgemäß.

a) § 5 Absatz 2 Satz 1 WStatG verstößt (wie auch die übrigen Vorschriften des Wahlstatistikgesetzes) nicht
gegen Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG, insbesondere nicht gegen das Wahlgeheimnis (vgl. Bundestagsdrucksa-
chen 15/1150, Anlagen 14 bis 17, 32; 15/2400, Anlage 1; 16/3600, Anlage 15 und 16; 17/1000, Anlage 5;
17/2250, Anlagen 5 und 12; 17/3100, Anlage 33; 18/1710, Anlage 57) und den Grundsatz der Freiheit der Wahl
(vgl. Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlage 17; 16/3600, Anlage 16; 17/3100, Anlage 33; 18/1710, Anlage
57).

b) Das durch Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG geschützte Wahlgeheimnis wird nicht dadurch berührt, dass die
repräsentative Wahlstatistik durch die Verwendung von Stimmzetteln mit Unterscheidungsmerkmalen nach
Geschlecht und Geburtsjahresgruppen (§ 5 Absatz 2 Satz 1 WStatG) Rückschlüsse auf das durchschnittliche
Wahlverhalten von Gruppen von Wählern – definiert nach Geschlecht und Zugehörigkeit zu Geburtsjahres-
gruppen – zulässt. Denn Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG verbietet nur, dass das Wahlverhalten des individuellen
Wählers bekannt wird, nicht jedoch das Gewinnen von Erkenntnissen über das Wahlverhalten einer Gruppe
von Wählern, vorausgesetzt es ist sichergestellt, dass daraus keine Rückschlüsse auf das Wahlverhalten einzel-
ner Mitglieder der Gruppe gezogen werden können. Das ergibt sich aus der Funktion des Grundsatzes der
geheimen Wahl: Er bezweckt, eine freie Wahl dadurch zu gewährleisten, dass der Einzelne sicher sein kann,
dass ihn mangels Kenntnis niemand wegen seines Wahlverhaltens zur Rechenschaft ziehen kann (vgl. nur Bun-
destagsdrucksachen 16/900, Anlage 26; 17/1000, Anlage 5; 17/2250, Anlagen 5 und 12; 17/3100, Anlage 33;
18/1710, Anlage 57). Dessen kann sich der Einzelne dann sicher sein, wenn lediglich bekannt wird, wie eine
bestimmte Anzahl von Wählern einer bestimmten Gruppe abgestimmt hat, ohne dass festgestellt werden kann,
um welche individuellen Wähler es sich dabei handelt. Die Vorgaben des Wahlstatistikgesetzes schließen eine
solche Individualisierung des Stimmverhaltens bei der repräsentativen Wahlstatistik aus. Die in § 5 Absatz 2
Satz 1 (und in § 2) WStatG genannten Erfassungskriterien sind weiträumig gefasst, und gemäß § 3 Satz 3
WStatG muss ein für wahlstatistische Erhebungen ausgewählter Wahlbezirk mehr als 400 Wähler umfassen.
Somit wird eine Vielzahl von Wählern erfassen, ohne dass ein Rückschluss auf den Einzelnen möglich ist. Eine
Deanonymisierung ist grundsätzlich nicht möglich. Zwar ist es trotz dieser Vorkehrungen theoretisch durchaus
denkbar, dass die Wahlbeteiligung in einer bestimmten Geburtsjahresgruppe so niedrig – im Extremfall: eins
– ist, dass unter Bruch des Verbots einer statistischen Auswertung durch den Wahlvorstand oder des Verbots
der Zusammenführung von Wählerverzeichnis und Stimmzetteln Rückschlüsse auf das Wahlverhalten be-
stimmter Personen möglich sind. Schließlich ist es auch theoretisch denkbar, dass in einem Wahlkreis nur ein
Wahlberechtigter seine Stimme abgibt oder dass alle in einem Wahlkreis abgegebenen Stimmen auf ein und
denselben Wahlvorschlag entfallen. Auch dann wäre bekannt, wie der einzelne Wähler abgestimmt hat, ohne
dass man deshalb sagen könnte, es habe keine geheime Wahl stattgefunden. Des Weiteren wäre es möglich,
dass eine Partei gar keine Stimmen erhalten hat. Auch in diesem Fall ist offenkundig, dass eine bestimmte
Person diese Partei nicht gewählt hat. (Für diesen Schluss bedarf es allerdings keiner wahlstatistischen Erhe-
bung und Auswertung; er lässt sich bereits anhand des amtlichen Endergebnisses ziehen.) Aber all diese nach
der allgemeinen Lebenserfahrung absolut fernliegenden Szenarien rechtfertigen nicht die Annahme, die Durch-
führung der repräsentativen Wahlstatistik stehe nicht mit dem Grundsatz der geheimen Wahl in Einklang. Im
Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass die Vorgaben des Wahlstatistikgesetzes und damit auch § 5 Absatz 2
Satz 1 WStatG den Anforderungen des Grundsatzes der geheimen Wahl genügen.

Drucksache 18/4000 (neu) – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

c) § 5 Absatz 2 Satz 1 WStatG widerspricht (wie die übrigen Vorschriften des Wahlstatistikgesetzes) auch nicht
dem Grundsatz der Freiheit der Wahl aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG. Der Grundsatz der freien Wahl
verlangt, dass der Wähler seine Entscheidung, ob und ggf. wen er wählt, frei, d. h. ohne Zwang oder sonstige
unzulässige Beeinflussung von außen ausüben kann (BVerfGE 47, 253 [282]; 95, 335 [350]). Die Teilnahme
an der Durchführung der repräsentativen Wahlstatistik ist zwar insofern ein Zwang, als der Wähler ohne sie
nicht an der Urnenwahl teilnehmen kann. Dieser Zwang bezieht sich aber nicht auf die Entscheidung des Wäh-
lers, ob und ggf. wen er wählt. Durch die Pflicht, einen für statistische Zwecke gekennzeichneten Stimmzettel
zu verwenden, wird seine Entschließungsfreiheit in Bezug auf seine Wahlentscheidung vielmehr ebenso wenig
verengt wie etwa durch die Pflicht, seinen Stimmzettel in der Wahlkabine zu kennzeichnen und zu falten. Die
Notwendigkeit, an der Durchführung der repräsentativen Wahlstatistik teilzunehmen, um seine Stimme abzu-
geben, würde allenfalls dann eine Gefährdung des Grundsatzes der freien Wahl mit sich bringen können, wenn
der Wähler befürchten müsste, dass durch die Durchführung der repräsentativen Wahlstatistik bekannt wird,
wie er persönlich abgestimmt hat. Dann bestünde nämlich die Möglichkeit, ihn wegen seines Abstimmungs-
verhaltens in irgendeiner Weise zur Rechenschaft zu ziehen. Das könnte ihn wiederum davon abhalten, seine
Wahlentscheidung ausschließlich nach seinen persönlichen Präferenzen zu treffen. Solch einer Gefährdung des
Grundsatzes der freien Wahl über die Verletzung einer seiner wichtigsten institutionellen Absicherungen, des
Grundsatzes der geheimen Wahl (vgl. dazu BVerfGE 99, 1 [13]), wird aber durch die Vorgaben des Wahlsta-
tistikgesetzes vorgebeugt. Nicht zuletzt der Umstand, dass die Stimmabgabe nur mit den für statistische Zwe-
cke gekennzeichneten Stimmzetteln möglich ist, trägt dazu bei, dass es nicht zu der Situation kommen kann,
dass nur so wenige gekennzeichnete Stimmzettel abgegeben werden, dass Rückschlüsse auf das Wahlverhalten
bestimmter Personen möglich sind (vgl. Hahlen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, Anhang 5
– Erläuterungen zur Wahlstatistik – Rn. 6).

d) § 5 Absatz 2 Satz 1 WStatG läuft auch – entgegen der Ansicht des Einspruchsführers, der insoweit von
fehlender Transparenz und nicht möglicher öffentlicher Überprüfbarkeit spricht – nicht dem Grundsatz der
Öffentlichkeit der Wahl (Artikel 38 in Verbindung mit Artikel 20 Absätze 1 und 2 GG) zuwider. Der genannte
Grundsatz verlangt, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen, soweit
nicht andere verfassungsrechtliche Belange eine Ausnahme rechtfertigen; dabei kommt der Kontrolle der
Wahlhandlung und der Ermittlung des Wahlergebnisses eine besondere Bedeutung zu (BVerfGE 123, 39 [70]).
Ein Wahlverfahren genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, wenn der Wähler nicht zuverläs-
sig nachvollziehen kann, ob seine Stimme unverfälscht erfasst und in die Ermittlung des Wahlergebnisses ein-
bezogen wird und wie die insgesamt abgegebenen Stimmen zugeordnet und gezählt werden (vgl. BVerfG, a.
a. O.). Es ist nicht ersichtlich und wird vom Einspruchsführer auch nicht überzeugend dargelegt, warum die
Verwendung von amtlichen Stimmzetteln mit Unterscheidungsmerkmalen nach Geschlecht und Geburtsjah-
resgruppen die Öffentlichkeit des Wahlvorganges im Sinne einer Nachvollziehbarkeit durch die Wähler be-
schränken sollte. Wähler, die sich wundern bzw. nicht selbst erklären können, warum sie einen Stimmzettel
mit Unterscheidungsmerkmalen erhalten und was die der Unterscheidung dienenden Buchstaben bedeuten,
können sich zur Aufklärung an den Wahlvorstand wenden oder die im Wahllokal bereitgehaltenen Informati-
onsblätter zurate ziehen. Die Behauptung des Einspruchsführers, es lasse sich im Wahllokal nicht überprüfen,
ob der auf dem Stimmzettel aufgedruckte, der Unterscheidung dienende, Buchstabe von A bis L tatsächlich
nur für „Geschlecht“ und „Geburtsjahresgruppe“ stehe, leuchtet daher nicht ein. Dasselbe gilt für die Ordnung
der Stimmzettel zu Stapeln. Eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Unterscheidung nach Buchstaben lie-
fern die §§ 4, 5 WStatG. Eine ausdrückliche Erwähnung der Buchstaben im Gesetz oder in einer Verordnung
ist nicht erforderlich.

2. Die Regelung zur zeitweisen Überlassung der auszuwertenden Stimmzettel an die statistischen Landesämter
bzw. Statistikstellen der Gemeinden ist ebenfalls verfassungskonform. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit sie
eine Verletzung des Wahlgeheimnisses nach sich ziehen sollten. Die Vorgaben des Wahlstatistikgesetzes zu
den für die Wahlstatistik verwendeten Unterscheidungsmerkmalen (§ 5 Absatz 2 Satz 1 und § 2 WStatG) und
zur Stichprobenauswahl (§ 3 Satz 3 WStatG) verhindern – wie oben gesehen – einen Rückschluss auf das
Wahlverhalten Einzelner. Durch die zeitweise Überlassung an die statistischen Landesämter bzw. Statistikstel-
len der Gemeinden ändert sich daran nichts. Selbst wenn Unbefugte die Stimmzettel erhielten, könnten sie
daraus keine Rückschlüsse ziehen. Da das Wahlgeheimnis gewahrt ist und bleibt, ist auch nicht erkennbar,
inwieweit der Grundsatz der Freiheit der Wahl durch die zeitweise Überlassung zur statistischen Auswertung
verletzt werden könnte. Die Befürchtung des Einspruchsführers, es bestünde ein erhöhtes Risiko der „Kom-
promittierung“ von Stimmzetteln, weil diese zeitweise statistischen Landesämtern, die sich in einer gewissen
Entfernung vom Wahllokal befinden können, zur Verfügung gestellt werden, ist nicht nur rein hypothetisch.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/4000 (neu)

Sie verkennt auch, dass es sich bei den zeitweise übersandten Stimmzetteln um bereits ausgezählte und in das
Endergebnis eingeflossene Stimmzettel handelt. Ihre Kompromittierung wäre allenfalls für eine Neuauszäh-
lung relevant. Sofern eine solche im Raum steht, würden Stimmzettel aber gar nicht zur Auswertung übersandt.
Überdies können auch Stimmzettel, die nicht zur Auswertung übersandt werden und sich in der Obhut einer
Gemeinde befinden, „kompromittiert“ werden. Strafbares Verhalten kann nicht in jedem Fall durch Verfah-
rensregeln verhindert werden. Auch dem Öffentlichkeitsgrundsatz läuft die zeitweise Überlassung von Stimm-
zetteln an statistische Landesämter bzw. Statistikstellen der Gemeinden nicht zuwider. Soweit sie behördenin-
tern erfolgende Auswertungen betrifft, hat die repräsentative Wahlstatistik den Anforderungen des Öffentlich-
keitsgrundsatzes nicht zu genügen. Namentlich mit der vor dem Hintergrund des Öffentlichkeitsgrundsatzes
bedeutsamen Kontrolle der Wahlhandlung und der Ermittlung des Wahlergebnisses hat die wahlstatistische
Auswertung nichts zu tun. Sie findet erst statt, wenn die Wahlhandlung abgeschlossen und das Wahlergebnis
festgestellt ist. Davon abgesehen werden die ausgewerteten statistischen Daten gemäß den Vorgaben des Wahl-
statistikgesetzes der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und können dann auch nachvollzogen werden.

Auch die (über das gesamte Wahlstatistikgesetz verteilten) Bestimmungen zur statistischen Auswertung der
Stimmzettel sind verfassungsgemäß. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit diese Regelungen eine Verletzung des
Wahlgeheimnisses oder des Grundsatzes der Freiheit der Wahl zur Folgen haben könnten. Im Gegenteil: Wie
mehrfach ausgeführt, ist ein Rückschluss auf das Wahlverhalten anhand der Unterscheidungsmerkmale ange-
sichts der Größe der Stichprobenwahllokale bzw. Stichprobenbriefwahlbezirke nicht möglich. Niemand muss
fürchten, dass seine Wahlentscheidung Dritten gegenüber offengelegt wird. Bezüglich des Öffentlichkeits-
grundsatzes gilt das unter 2. Gesagte entsprechend.

Die zwingende Teilnahme an der Wahlstatistik, sofern das betreffende Wahllokal oder der betreffende Brief-
wahlbezirk für die Stichprobe ausgewählt wurden, verstößt im Übrigen auch nicht gegen das aus dem allge-
meinen Persönlichkeitsrecht des Artikels 2 Absatz 1 GG herzuleitende Recht der Wähler auf informationelle
Selbstbestimmung. Dieses Recht gewährt Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und
Weitergabe von persönlichen Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 [41 ff.]). Die im Rahmen der Wahlstatistik erhobenen
Daten sind jedoch keine personenbezogenen, sondern anonymisierte Daten. Die Erfassungskriterien sind so
weiträumig gefasst, dass sie eine Vielzahl von Wählern erfassen, ohne dass ein Rückschluss auf den Einzelnen
möglich ist.

4. Die Ansicht des Einspruchsführers, der Rechtsschutz gegen wahlstatistische Erhebungen sei in verfassungs-
rechtlich unzulässiger Weise beschränkt, ist juristisch nicht haltbar. Das Grundgesetz selbst weist in Artikel 41
GG die Wahlprüfung dem Deutschen Bundestag und dem Bundesverfassungsgericht zu. Artikel 41 GG ver-
drängt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Rechtsweggarantie des Artikels 19
Absatz 4 GG (vgl. nur BVerfGE 22, 275 [281]; 34, 81 [94]; 46, 196 [198]; 66, 232 [234]). Dieser Rechtsweg-
ausschluss betrifft auch den verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg gegen (vermeintliche) subjektive Wahlbeein-
trächtigungen während der Wahl, einschließlich der unmittelbaren Wahlvorbereitung (vgl. BVerfGE 28, 214
[219]). Dies ist rechtsstaatlich vertretbar, weil der auch im Wahlprüfungsverfahren grundsätzlich erforderliche
Rechtsweg (vgl. BVerfGE 103, 131 [136 ff.]) über Artikel 41 Absatz 2 GG dadurch gewahrt wird, dass die
Wahlprüfungsentscheidung des Deutschen Bundestages unmittelbar vor dem Bundesverfassungsgericht mit
der Wahlprüfungsbeschwerde angegriffen werden kann (vgl. etwa Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, 2. Auf-
lage 2013, Artikel 41 Rn. 11).

II.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins

Drucksache 18/4000 (neu) – 20 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 21 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 3

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn B. S., 68526 Ladenburg,
des Herrn M. O., 69151 Neckargemünd,

des Herrn C. M., 68782 Brühl,
des Herrn P. K., 69151 Neckargemünd,

vertreten durch den Einspruchsführer zu 1.

– Az.: EuWP 5/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführer haben durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit einem Schreiben vom 27. Mai 2014
Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesre-
publik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt. Sie haben ihren Vortrag durch ein Schreiben vom 16. Juli 2014
ergänzt.

Sie tragen vor, gemäß § 1 Satz 2 des Europawahlgesetzes (EuWG) würden die Abgeordneten des Europäischen
Parlaments in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Bei der angegriffenen
Wahl hätten aber Wahlberechtigte, die neben der deutschen Staatsangehörigkeit zusätzlich die Staatsangehö-
rigkeit eines weiteren Mitgliedstaates oder mehrerer weiterer Mitgliedstaaten der Europäischen Union besitzen,
die Möglichkeit gehabt, zusätzlich zur Wahl der auf Deutschland entfallenden Mitglieder des Europäischen
Parlaments auch an der Wahl der auf den anderen Mitgliedstaat oder die anderen Mitgliedstaaten, dessen bzw.
deren Staatsangehörigkeit sie besitzen, entfallenden Mitglieder des Europäischen Parlaments teilzunehmen.
Demgegenüber hätten Wahlberechtigte, die lediglich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, nur in einem
Mitgliedsstaat an der Wahl der auf diesen entfallenden Mitglieder des Europäischen Parlaments teilnehmen
können. Zwar hätten Wahlberechtige, die in mehreren EU-Mitgliedstaaten zum Europäischen Parlament wahl-
berechtigt waren, ihr Wahlrecht gemäß § 6 Absatz 4 EuWG nur einmal ausüben dürfen. In Ermangelung eines
einheitlichen europäischen Wählerverzeichnisses oder zumindest eines Abgleichs der nationalen Wählerver-
zeichnisse hätte dies jedoch tatsächlich nicht gewährleistet werden können. Auch eine Regelung, wonach etwa
die Eintragung in das Wählerverzeichnis des einen Mitgliedstaates nur gegen Vorlage der amtlichen Beschei-
nigung des anderen Mitgliedstaates über die Nichteintragung im dortigen Wählerverzeichnis erfolgt wäre, habe
nicht bestanden. Im Übrigen wäre sie bereits daran gescheitert, dass den nationalen Behörden der Umstand,
dass ein Bürger mehrere Staatsangehörigkeiten besitze, in der Regel nicht bekannt sei. Vor dem Hintergrund,
dass eine Überprüfung der Einhaltung des § 6 Absatz 4 EuWG nicht nur nicht stattgefunden habe, sondern
schon aus tatsächlichen Gründen überhaupt nicht möglich gewesen wäre, habe auch die Strafandrohung des
§ 107a Absatz 1 des Strafgesetzbuches (StGB) der mehrfachen Ausübung des Wahlrechts durch ein und den-
selben Wahlberechtigten zum Europäischen Parlament nicht wirksam vorzubeugen vermocht. Wahlberech-
tigte, welche die Staatsangehörigkeit mehrerer Mitgliedstaaten besitzen, hätten somit bei der Wahl zum Euro-
päischen Parlament mehrfach eine Stimme abgeben können, ohne dass die Behörden dies wirklich hätten un-
terbinden, sanktionieren oder auch nur aufklären können. Die betroffene Personengruppe sei von nicht über-
schaubarer Größe. Wie bereits der am 25. Mai 2014 öffentlich gewordene Fall des Herrn G. d. L., der neben
der deutschen auch die italienische Staatsangehörigkeit besitze und offen zugegeben habe, in beiden Staaten
an der Wahl zum Europäischen Parlament teilgenommen zu haben, zeige, sei die Möglichkeit der mehrfachen

Drucksache 18/4000 (neu) – 22 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Stimmabgabe bei der angegriffenen Wahl auch tatsächlich genutzt worden. Hätte Herr d. L. diesen Sachverhalt
nicht selbst öffentlich gemacht, wäre dieser weder den deutschen noch den italienischen Wahlbehörden zur
Kenntnis gelangt.

Nach alledem sei bei der angegriffenen Wahl der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit gern. § 1 Satz 2 EuWG
nicht gewahrt worden. Angesichts der nach dem Wegfall der Fünf- bzw. Drei-Prozent-Klausel nur noch ver-
gleichsweise geringen Zahl der für ein Mandat erforderlichen Stimmen auf der einen und der unüberschaubaren
Anzahl möglicher Mehrfachwähler auf der anderen Seite sei auch von der Mandatserheblichkeit dieser Wahl-
rechtsverletzung auszugehen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführer wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 EuWG
geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden
hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der Europawahlordnung – EuWO).
Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl
– auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache Stimmabgabe bei der Europawahl sei
im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a StGB. Wie auch sonst in der Rechts-
ordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung recht-
lich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertretungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden
auch verfolgt würden, werde aus dem den Einsprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23 – Drucksache 18/4000 (neu)

Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Drucksache 18/4000 (neu) – 24 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchsführer
nennen keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 25 – Drucksache 18/4000 (neu)

der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 4

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. W., 79853 Lenzkirch,

– Az.: EuWP 9/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 28. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Ab-
geordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Der „Doppelstaatsbürger“ G. d. L. habe am Abend des 25. Mai 2014 in einer TV-Sendung berichtet, dass er
zwei Wahlbenachrichtigungen, je eine aus Deutschland und aus Italien, erhalten habe und demnach auch zwei-
mal abgestimmt habe. Unabhängig von der individuellen Schuld von Herrn d. L. zeige dies, dass bei der Euro-
pawahl offensichtlich auch ein Fehler im System aufgetreten sei, nämlich dass alle „Doppelstaatsbürger“ aus
jedem Land, von dem sie einen Pass besäßen, eine Wahlbenachrichtigung erhalten hätten und folglich die
Möglichkeit gehabt hätten, mehr als eine Stimme abzugeben. Es sei davon auszugehen, dass sie in gutem Glau-
ben mehrfach gewählt hätten. Der Grundsatz, dass ein Bürger auch nur eine Stimme hat, sei jedoch eines der
höchsten Güter einer demokratischen Wahl, und ein massenhafter Verstoß gegen diesen Grundsatz, wie er
offensichtlich bei der Europawahl vorgekommen sei, führe unweigerlich dazu, dass diese Wahl nicht den An-
forderungen an eine verfassungsgemäße demokratische Wahl entsprochen habe und somit ungültig sei.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 28 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchsführer
nennen keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 30 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 5

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn T. M.-F., 79104 Freiburg,

– Az.: EuWP 10/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 26. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2015 eingelegt.
Mit einem Schreiben vom 3. Juni 2014 hat er seinen Wahleinspruch erweitert.

Der Einspruchsführer befindet sich in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Freiburg in Sicherungsverwahrung. Er
trägt mehrere Einspruchsgründe vor:

1. Er rügt, wie schon in früheren Wahleinsprüchen, dass in keiner deutschen Anstalt für Sicherungsverwahrung
ein beweglicher Wahlvorstand eingesetzt worden sei, obwohl ein entsprechendes Bedürfnis bestanden habe.

2. Des Weiteren sei die Wahl durch die JVA Freiburg behindert worden. So hätten Bedienstete der JVA im
Vorfeld der Europawahl postalisch eingehende Wahlunterlagen der Gefangenen und Untergebrachten geöffnet
und „zensiert“. Darüber hinaus hätten die Wahlberechtigten in der JVA Freiburg nur wählen dürfen, wenn sie
vorher einen entsprechenden Antrag bei der Anstaltsleitung gestellt hätten. Dieses Antragserfordernis habe der
Anstaltsleitung zudem offenbart, welche Insassen und Untergebrachten an der Wahl teilnehmen würden und
welche nicht und somit eine rechtwidrige Öffentlichkeit der Wahl geschaffen.

3. Mutmaßlich millionenfach hätten Bürger anderer EU-Mitgliedstaaten, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
der BRD haben, doppelt gewählt, nämlich in der Bundesrepublik Deutschland und in ihrem Heimatland. Pro-
minentester und bekennender „Doppelwähler" sei Herr d. L. Durch die mutmaßlich millionenfach erfolgte
zweifache Abgabe von Stimmen sei das Wahlergebnis verfälscht und gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit
verstoßen worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg hat zu dem Vorbringen des Einspruchsführers am
26. Juni 2014 im Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

Nach § 8 der Europawahlordnung (EuWO) sollten für die Stimmabgabe in Justizvollzugsanstalten bei entspre-
chendem Bedürfnis und soweit möglich bewegliche Wahlvorstände gebildet werden. Eine generelle Verpflich-
tung der Wahlbehörden zur Einrichtung einer Gelegenheit zur Urnenwahl in Justizvollzugsanstalten sähen die
Wahlvorschriften allerdings nicht vor. Wegen des Grundsatzes, dass jeder Wahlberechtigte nur in dem Wahl-
kreis wählen kann, in dessen Wählerverzeichnis er geführt wird (§ 4 des Europawahlgesetzes [EuWG] in Ver-
bindung mit § 14 Absatz 2 des Bundeswahlgesetzes [BWG]), sei die Wahl vor einem beweglichen Wahlvor-
stand nicht für alle sich in einer JVA aufhaltenden Wahlberechtigten möglich.

§ 57 Absatz 1 EuWO sehe zwar vor, dass die Gemeindebehörde bei entsprechendem Bedürfnis und soweit
möglich Gelegenheit geben solle, dass die in sozialtherapeutischen Anstalten und Justizvollzugsanstalten an-
wesenden Wahlberechtigten, die einen für den Wahlkreis gültigen Wahlschein besitzen, in der Anstalt vor

Drucksache 18/4000 (neu) – 32 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

einem beweglichen Wahlvorstand wählten. Das bedeute jedoch zugleich, dass alle dort anwesenden Wahlbe-
rechtigten, die in den Wählerverzeichnissen anderer Wahlkreise geführt würden, insbesondere weil sie dort
zum Stichtag für die Eintragung ins Wählerverzeichnis gemeldet sein müssen (vgl. § 15 Absatz 1 EuWO), ihre
Stimme nicht vor dem beweglichen Wahlvorstand abgeben könnten. Diese Wahlberechtigten seien, soweit sie
nicht dort an der Urnenwahl teilnehmen könnten, wo sie im Wählerverzeichnis eingetragen sind, in jedem Fall
auf die Stimmabgabe per Briefwahl verwiesen.

Davon abgesehen räume die Regelung, wie sich auch aus der Entscheidungspraxis des Wahlprüfungsausschus-
ses des Deutschen Bundestags ergebe, den Gemeindebehörden einen großen Entscheidungsspielraum ein (Bun-
destagsdrucksachen 14/2761, Anlage 15; 15/2400, Anlage 6; 15/4750, Anlage 9; 16/3600 Anlage 39, 17/2200
Anlage 3, 17/6300 Anlage 3 sowie Landtagsdrucksache 15/641 und Beschluss des Staatsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 22. Mai 2012, A7: GR (V) 2/11). Denn gemäß §§ 8 und 57 EuWO sei Voraussetzung für
die Bildung eines beweglichen Wahlvorstandes, dass ein Bedürfnis für dessen Einrichtung bestehe und die
Einrichtung auch möglich ist. In Anbetracht des gleichwohl nicht unerheblichen organisatorischen Aufwands,
der stets geringen Wahlbeteiligung unter den Gefangenen und Sicherungsverwahrten und der gesetzlich vor-
gesehenen, verfassungskonformen sowie in der Praxis bewährten Möglichkeit der Briefwahl habe aus Sicht
des Justizvollzugs – wie bereits schon bei vorangegangenen Parlamentswahlen – kein Bedürfnis für die Ein-
richtung beweglicher Wahlvorstände bestanden. Daher seien die Justizvollzugsanstalten auch nicht an die Ge-
meindebehörden wegen der Einrichtung beweglicher Wahlvorstände herangetreten.

Im Übrigen sei das Vorbringen des Einspruchsführers, die Briefwahl sei statistisch gesehen die absolute Aus-
nahme, so nicht zutreffend. Bereits mit dem (sog.) dritten BWG vom 7. Mai 1956 (BGBl. I. S. 383) sei die
Briefwahl im Bundestagswahlrecht und mit dem EuWG vom 16. Juni 1978 (BGBl. I S. 709) auch im Europa-
wahlrecht eingeführt worden. Ziel der Neuregelung sei es gewesen, eine möglichst umfassende Wahlbeteili-
gung der Wahlberechtigten zu erreichen. Mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der BWO und der EuWO
vom 3. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2378) habe der Gesetzgeber darüber hinaus auf die bis dahin bestehende
Notwendigkeit, mit konkreten, gesetzlich bestimmten Gründen die Teilnahme an der Briefwahl beantragen zu
müssen, verzichtet. Seither könne jeder Wahlberechtigte an der Briefwahl teilnehmen, wenn er – aus welchen
Gründen oder Erwägungen auch immer – nicht am Wahltag im Wahllokal wähle. Damit trage die Briefwahl
dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG)
in besonderem Maße Rechnung. Im Übrigen würden auch die statistischen Daten belegen, dass es sich bei der
Briefwahl um keine Ausnahme handelte. So habe der Anteil der Briefwähler bundesweit bei der Bundestags-
wahl 1957 noch bei 4,9 % der Wähler gelegen, während er seither kontinuierlich zuletzt bei der Bundestagswahl
2013 auf annähernd ein Viertel (24,3 %) sowie bei der Europawahl 2014 im Land Baden-Württemberg auf
23,5 % der Wähler gestiegen sei.

Auch sofern Sicherungsverwahrten nach diesen Vorgaben aus Vollzugsgründen keine vollzugsöffnenden Maß-
nahmen oder keine Ausführung zur Teilnahme an der Europawahl in dem für sie zuständigen Wahlbezirk ge-
währt wurden, sei ihre Teilnahme an der Wahl angesichts der gesetzlich vorgesehenen alternativen Möglichkeit
der Briefwahl in verfassungskonformer Weise gesichert gewesen.

Bereits am 3. April 2014 habe die Stadt Freiburg der JVA Freiburg Informationen zur Wahlberechtigung, Ein-
tragung ins Wählerverzeichnis und Ausübung des Wahlrechts mit der Bitte um Bekanntgabe an die unterge-
brachten Personen übermittelt. Alle am Stichtag für die Eintragung in das Wählerverzeichnis (20. April 2014)
in Freiburg gemeldeten Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit seien von Amts wegen in das Wählerver-
zeichnis eingetragen worden. Unionsbürger würden eingetragen, sofern sie bereits bei der Europawahl 2004
und/oder 2009 oder auf Antrag ins Wählerverzeichnis aufgenommen worden seien. Hiervon sei auch bei in der
JVA inhaftierten oder in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Personen nicht abgewichen worden. So
sei der Einspruchsführer, da er in Freiburg am Stichtag gemeldet gewesen sei, von Amts wegen in das Wähler-
verzeichnis eingetragen worden. Sofern in Freiburg wahlberechtigte Personen nicht im Wählerverzeichnis ein-
getragen gewesen seien, sei es ihnen, insbesondere auch den in der JVA Inhaftierten oder in der Sicherungs-
verwahrung Untergebrachten, möglich gewesen, bis zum 4. Mai 2014 einen entsprechenden Antrag auf Ein-
tragung zu stellen. Entsprechende Antragsformulare habe die Stadt der JVA vorsorglich übermittelt. Alle im
Wählerverzeichnis eingetragenen Personen hätten entsprechend Wahlbenachrichtigungen erhalten, auch die in
der JVA inhaftierten oder in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Personen.

Zwar sei von der Einrichtung eines beweglichen Wahlvorstandes in der JVA abgesehen worden, den inhaftier-
ten und untergebrachten Personen sei jedoch eine Teilnahme an der Wahl durch Briefwahl möglich gewesen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 33 – Drucksache 18/4000 (neu)

Die entsprechenden Antragsformulare seien zusammen mit den Wahlbenachrichtigungen versandt worden. Die
Anträge auf Erteilung der Briefwahlunterlagen hätten bis zu den in § 26 Absatz 4 EuWO genannten Fristen bei
der Stadt Freiburg eingereicht werden können, woraufhin diese die Briefwahlunterlagen verschickt habe. Die
Wahlbriefe hätten bis spätestens 18 Uhr am Wahltag beim Wahlamt der Stadt Freiburg eingehen müssen. Auch
diesbezüglich seien keine besonderen Bedingungen für die Wahlteilnahme der in der JVA inhaftierten oder in
der Sicherungsverwahrung untergebrachten Personen aufgestellt worden. Sofern durch die Unterbringung oder
Inhaftierung in der JVA besondere Postlaufzeiten aufträten, liege dies nicht im Einflussbereich der Stadt Frei-
burg.

Die besonderen Termine für die Abgabe von Anträgen und Briefwahlunterlagen, welche die JVA Freiburg den
Inhaftierten und Untergebrachten mit Aushang vom 17. April 2014 mitgeteilt habe, beträfen nur ein zusätzli-
ches Angebot der JVA, mit dem sichergestellt werden solle, dass alle inhaftierten und in der Sicherungsver-
wahrung untergebrachten Personen die Möglichkeit hätten, bereits rechtzeitig im Vorfeld die notwendigen
Maßnahmen zur Teilnahme an der Wahl zu ergreifen.

So hätten die für die Europawahl im Einzelfall auszufüllenden Anträge (Antrag für deutsche Staatsbürger auf
Eintragung in das Wählerverzeichnis, Antrag für Unionsbürger auf Eintragung in das Wählerverzeichnis, An-
trag auf Ausstellung eines Wahlscheines mit Briefwahlunterlagen) bei den zuständigen Bediensteten der JVA
auf allen Stockwerken und in allen Abteilungen bereit gelegen und seien den Gefangenen auf mündliche oder
schriftliche Nachfrage ausgegeben worden. Die diensthabenden Stockwerksbeamten seien angewiesen gewe-
sen, die Vorführungen zu den angebotenen Abgabeterminen (in der Abteilung Sicherungsverwahrung, in der
der Einspruchsführer untergebracht sei, am 24. April 2014, 14.45 bis 15.15 Uhr) vorrangig abzuwickeln. Um
allen Insassen der JVA Freiburg die Wahlteilnahme zu ermöglichen, wäre bei einem entsprechenden Bedarf,
der allerdings nicht geltend gemacht worden sei, auch ein Zusatztermin angeboten worden. Der Einspruchs-
führer habe am 24. April 2014 um 15.03 Uhr bei der zuständigen Bediensteten der JVA Freiburg den (für ihn
nicht erforderlichen) Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis und den Antrag auf Ausstellung eines
Wahlscheines abgegeben. Eine schriftliche Anmeldung bei der Bediensteten, die die Anträge entgegengenom-
men habe, sei, entgegen dem Vortrag des Einspruchsführers, nicht erforderlich gewesen. Aus Sicherheitsgrün-
den sei es allerdings erforderlich gewesen, dass die Gefangenen und Untergebrachten ihren zuständigen Stock-
werksbeamten mündlich informierten, dass sie eine Vorführung zu dem genannten Termin bei der für die Ent-
gegennahme der Anträge zuständigen Bediensteten wünschten.

Bei identischem Ablauf habe die JVA Freiburg an weiteren Terminen angeboten, in einer eingerichteten Wahl-
kabine den Stimmzettel mit den übrigen Briefwahlunterlagen geheim und unbeobachtet auszufüllen. Für die in
der Abteilung Sicherungsverwahrung Untergebrachten sei hierfür der 22. Mai 2014, 14.45 bis 15.15 Uhr ter-
miniert gewesen. Es habe auch die Möglichkeit bestanden, die Briefwahlunterlagen in einer anderen Räum-
lichkeit auszufüllen. Die ausgefüllten Unterlagen seien bei der dafür vorgesehenen Bediensteten zur sicheren
Verwahrung genommen und termingerecht an die Stadtverwaltung Freiburg weitergeleitet worden. Der Ein-
spruchsführer sei auf die Stimmabgabe in diesem Rahmen explizit hingewiesen worden. Er habe den Termin
unter Hinweis auf den bereits erfolgten Postversand seiner Briefwahlunterlagen abgelehnt.

Den Gefangenen und Untergebrachten sei es jederzeit unbenommen geblieben, sowohl die Anträge auf Eintra-
gung in das Wählerverzeichnis und Ausstellung eines Wahlscheines als auch die ausgefüllten Briefwahlunter-
lagen selbständig per Post an die Stadt Freiburg zu versenden. Auf die Gefahr einer Verzögerung bei Benutzung
des üblichen Postwegs sei ausdrücklich hingewiesen worden.

Entgegen dem Vorbringen des Einspruchsführers würden die ausgehenden Wahlbriefe in der JVA Freiburg
dem Zensurverbot unterliegen, sofern diese in den amtlichen Umschlägen versandt wurden. Das Vorbringen
des Einspruchsführers beziehe sich, wie er gegenüber einer Bediensteten der JVA Freiburg geäußert habe, auf
die eingehenden – unausgefüllten – Wahlunterlagen. Diese unterlägen dem Zensurverbot nicht.

Der Einspruchsführer hat sich zu der ihm am 15. Juli 2014 übersandten Stellungnahme nicht geäußert.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-

Drucksache 18/4000 (neu) – 34 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 EuWG
geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden
hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 EuWO). Auf diese Zusammenhänge
gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von
Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zu-
dem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechts-
ordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung recht-
lich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertretungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden
auch verfolgt würden, werde aus dem den Einsprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 35 – Drucksache 18/4000 (neu)

seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129, 300, 317 f.) nur für die
Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments gelte. Durch eine illegale
zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit der Stimmen bei der Wahl
der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht betroffen. Bezüglich der
europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mitgliedstaaten gelte der
Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland auch nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europaweite Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die Europawahl allgemein,
unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis zwischen den Wählern
aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kontingents der Grundsatz
der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG dürfe
bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 36 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Aus dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Hinsichtlich der – schon nicht hinreichend substantiierten, weil nicht näher belegten – Rüge des Einspruchs-
führers, für Strafgefangene sei in keinem Bundesland ein Wahllokal eingerichtet worden und in keiner Anstalt
für Sicherungsverwahrung sei ein beweglicher Wahlvorstand eingesetzt worden, liegt kein Wahlfehler vor. Die
Wahlvorschriften sehen keine generelle Verpflichtung der Wahlbehörden zur Einrichtung einer Gelegenheit
zur Urnenwahl in Justizvollzugsanstalten vor. Wegen des Grundsatzes, dass jeder Wahlberechtigte nur in dem
Wahlkreis wählen kann, in dessen Wählerverzeichnis er geführt wird (§ 4 EuWG in Verbindung mit § 14
Absatz 2 BWG), ist dies nicht einmal ohne Weiteres für alle sich in einer JVA aufhaltenden Wahlberechtigten
möglich. § 8 EuWO sieht zwar vor, dass die Gemeindebehörde bei entsprechendem Bedürfnis und soweit
möglich Gelegenheit geben soll, dass die in sozialtherapeutischen Anstalten und Justizvollzugsanstalten anwe-
senden Wahlberechtigten, die einen für den Wahlkreis gültigen Wahlschein besitzen, in der Anstalt vor einem
beweglichen Wahlvorstand wählen. Sofern ein solches Bedürfnis besteht, ist gemäß § 8 Satz 1 EuWO ein
Wahllokal in der Anstalt einzurichten. § 8 Satz 1 EuWO besagt aber auch, dass alle in der Anstalt anwesenden
Wahlberechtigten, die in den Wählerverzeichnissen anderer Wahlkreise geführt werden, insbesondere weil sie
dort zum Stichtag für die Eintragung ins Wählerverzeichnis gemeldet waren (vgl. § 15 Absatz 1 EuWO) ihre
Stimme nicht vor dem beweglichen Wahlvorstand abgeben können. Diese Wahlberechtigten sind, soweit sie
nicht dort an der Urnenwahl teilnehmen können, wo sie im Wählerverzeichnis eingetragen sind, in jedem Fall
auf die Stimmabgabe per Briefwahl verwiesen. Davon abgesehen räumt die Regelung, wie der Wahlprüfungs-
ausschuss in ständiger Entscheidungspraxis (zum Bundestags- und zum Europawahlrecht) feststellt, den Ge-
meindebehörden einen großen Entscheidungsspielraum ein (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/2761 Anlage 15,
15/2400 Anlage 6, 16/3600 Anlage 39; 17/2200, Anlage 3, 17/6300, Anlagen 3, 8 und 9; 18/1710, Anlage 5).
Denn gemäß §§ 8 und 57 EuWO ist Voraussetzung für die Bildung eines beweglichen Wahlvorstands, dass ein
Bedürfnis für dessen Einrichtung besteht und die Einrichtung auch möglich ist. Das Bedürfnis für die Bildung
eines beweglichen Wahlvorstands ergibt sich nicht bereits aus der Tatsache, dass in einer JVA meist zahlreiche
Wahlberechtigte inhaftiert sind. Denn zum einen steht damit nicht zugleich fest, dass diese auch die oben dar-
gelegten Voraussetzungen für die Wahl vor dem beweglichen Wahlvorstand erfüllen. Zum anderen ist bei der
Entscheidung über das Vorliegen eines entsprechenden Bedürfnisses zu berücksichtigen, dass stets die Mög-
lichkeit der Briefwahl besteht (vgl. zur Parallelvorschrift in der Bundeswahlordnung vgl. Seifert, Bundeswahl-
recht, 3. Auflage 1976, § 60 BWO Nr. 1).

Aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses besteht seit Einführung der Briefwahl keine zwingende Notwendig-
keit, bewegliche Wahlvorstände in Justizvollzugsanstalten einzurichten, sofern nicht besondere Gründe vorlie-
gen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2200, Anlage 3). Dass eine Briefwahl – auch von Strafgefangenen oder
Sicherungsverwahrten – weniger „sicher“ wäre, als eine Urnenwahl, erschließt sich dem Wahlprüfungsaus-
schuss nicht.

Auch die Frage, ob die Einrichtung eines beweglichen Wahlvorstands überhaupt möglich ist, ist von der Ge-
meindebehörde zu beurteilen, die mit Unterstützung der Leitung der JVA die Stimmabgabe vor einem beweg-
lichen Wahlvorstand zu organisieren hat (vgl. § 57 Absätze 2 und 3 EuWO). Hierbei können personelle und
organisatorische Gegebenheiten, insbesondere auch Sicherheitserwägungen, eine Rolle spielen. Nur wenn die
genannten Voraussetzungen, also ein Bedürfnis und auch die Möglichkeit der Einrichtung eines beweglichen
Wahlvorstands, vorliegen, gilt als Rechtsfolge, dass die Gemeindebehörde Gelegenheit zur Wahl vor einem
beweglichen Wahlvorstand geben soll. Dies ergibt sich jedoch aus dem Vorbringen des Einspruchsführers
nicht. Vielmehr hat aus Sicht des Justizvollzugs Baden-Württemberg in Anbetracht des nicht unerheblichen
organisatorischen Aufwands, der stets geringen Wahlbeteiligung unter den Gefangenen und Sicherungsver-
wahrten und der gesetzlich vorgesehenen verfassungskonformen (vgl. BVerfGE 21, 200 [205]; 59, 119 [125])
sowie in der Praxis bewährten Briefwahlmöglichkeit – wie bereits schon bei vorangegangenen Parlamentswah-
len – kein Bedürfnis für die Einrichtung beweglicher Wahlvorstände bestanden, weshalb die Justizvollzugsan-
stalten auch nicht an die Gemeindebehörden wegen der Einrichtung beweglicher Wahlvorstände herangetreten
sind. In der beschriebenen, auf geltendem Recht beruhenden Vorgehensweise der Wahlbehörden liegt – anders
als der Einspruchsführer meint – kein Ausschluss aller Sicherungsverwahrten von der unmittelbaren und ge-
heimen Wahl und damit auch kein Verfassungsverstoß. Alle Sicherungsverwahrten konnten ihr Wahlrecht,
zumindest im Wege der mit der Urnenwahl gleichrangigen Briefwahl, wahrnehmen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37 – Drucksache 18/4000 (neu)

2. a) Die vom Einspruchsführer behauptete inhaltliche Kontrolle von Wahlbriefen von Gefangenen durch Be-
dienstete der JVA kann ebenfalls nicht den Erfolg des Einspruchs begründen. Er hat hierzu auch keine konkre-
ten Tatsachen vorgetragen, die seinen Einspruch untermauern würden. Der in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG
und § 1 Satz 2 EuWG festgelegte Grundsatz der geheimen Wahl gilt auch für die Briefwahl von Gefangenen.
Einer ausdrücklichen Regelung des Verbots der Kontrolle von Wahlbriefen von Gefangenen bedarf es deshalb
nicht. Gemäß § 59 Absatz 4 EuWO ist auch bei der Stimmabgabe durch Briefwahl in Justizvollzugsanstalten
Vorsorge zu treffen, dass der Stimmzettel unbeobachtet gekennzeichnet und in den Wahlumschlag gelegt wer-
den kann, insbesondere dann, wenn sich mehrere Gefangene in einer Zelle befinden. Die Leitung der Einrich-
tung hat hierfür einen geeigneten Raum zu bestimmen, dessen Ausstattung zu veranlassen und den Wahlbe-
rechtigten bekannt zu geben, wann der Raum für die Ausübung der Briefwahl zur Verfügung steht. Dieser
Pflicht ist die JVA Freiburg nachgekommen. Der Wahlberechtigte wiederum hat den Stimmzettel persönlich
zu kennzeichnen, in den amtlichen Wahlumschlag zu legen und diesen zu verschließen (§ 59 Absatz 1 EuWO).
Die verschlossenen Wahlumschläge werden dann ungeöffnet dem jeweiligen Wahlamt zugeleitet. Das Verbot,
Postsendungen zu öffnen, zu lesen und gegebenenfalls zu zensieren, erstreckt sich indes nicht auf die einge-
hende Post des Sicherheitsverwahrten.

b) Auch die Rüge des Einspruchsführers, das Antragserfordernis verletze ihn in der Ausübung seines Wahl-
rechts, kann nicht überzeugen. Trotz der Entscheidung des Wahlvorstandes gegen die Einrichtung eines be-
weglichen Wahlvorstandes an in der JVA Freiburg ist den Inhaftierten und Sicherungsverwahrten die Teil-
nahme an der Europawahl nicht verwehrt worden. Ihnen stand – wie oben erläutert – die der Urnenwahl voll-
kommen gleichgestellte Möglichkeit der Briefwahl offen. Soll von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wer-
den, so finden die entsprechenden Vorschriften der EuWO, insbesondere § 59, Anwendung.

Die Briefwahl setzt den Besitz eines Wahlscheins voraus. Dieser wird dem Wahlberechtigten – unabhängig
davon, ob er sich in einer JVA befindet oder nicht – nur auf Antrag bei der zuständigen Gemeindebehörde
erteilt (vgl. §§ 24 Absatz 1, 25 EuWO). Voraussetzung für die Erteilung eines Wahlscheins wiederum ist, dass
der Antragssteller im Wählerverzeichnis eingetragen ist. Eine entsprechende Eintragung kann nur auf Antrag
erfolgen (vgl. § 17 Absatz 1 EuWO). Auch hier trifft das Antragserfordernis jeden Wahlwilligen. Die von der
JVA Freiburg mit Aushang vom 17. April 2014 veröffentlichten Voraussetzungen zur Teilnahme an der Euro-
pawahl stellen demnach keine zusätzliche Behinderung des Wahlvorganges dar, sondern sind lediglich Aus-
fluss der wahlrechtlichen Bestimmungen zum Erhalt eines Wahlscheins bzw. der Briefwahlunterlagen, die für
jedermann gelten.

c) Das Argument des Einspruchsführers, das Antragsprozedere sowie das Aufsuchen von Bediensteten der JVA
in Vorbereitung der Wahlhandlung verschaffe dem Staat – hier der JVA Freiburg – einen ungerechtfertigten
Überblick und die Zahl der Wähler und Nichtwähler und verletzte das Gebot der geheimen Wahl, ist ebenfalls
nicht haltbar. Sowohl Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG als auch § 1 Satz 2 EuWG legen für die Europawahl in
der Bundesrepublik Deutschland fest, dass die Wahl geheim zu erfolgen hat. Konkret bedeutet dies, dass jeder
Wahlberechtigte sein Wahlrecht so ausüben können muss, dass andere Personen keine Kenntnis von seiner
Wahlentscheidung erhalten (vgl. BVerfGE 99, 1 [13]). Dies schützt indes nur die Wahlentscheidung selbst und
nicht die Frage, ob ein Wahlberechtigter von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat. Diese Informationen
sind dem Staat zum Beispiel über das Wählerverzeichnis zugänglich und bilden unter anderem die Grundlage
für Erhebungen über die Wahlbeteiligung.

3. a) Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprü-
fungsausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchs-
führer nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft die-
jenige (mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft
in einem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staats-
angehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimat-
staat leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben.
Vielmehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf

Drucksache 18/4000 (neu) – 38 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

b) Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 39 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 6

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn W. G., 52399 Merzenich,

– Az.: EuWP 14/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 30. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Das Bekanntwerden des Verstoßes gegen das Wahlrecht durch Herrn d. L., der am Abend der Europawahl vor
Millionen von Fernsehzuschauern ohne jegliches Unrechtsbewusstsein angegeben habe, zwei Stimmen abge-
geben zu haben, weil er zwei Staatsbürgerschaften besitze, lasse den Schluss zu, dass es sich dabei nicht um
einen Einzelfall gehandelt habe. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts kämen allein in Deutschland ca.
eine Million Wahlberechtigte, die neben der deutschen Staatsbürgerschaft die eines weiteren EU-Mitgliedstaa-
tes besäßen, für ein solches Fehlverhalten in Frage. Die Tatsache, dass derartige Verstöße gegen das Wahlrecht
strafbewehrt seien (§ 107a Absatz 1 des Strafgesetzbuches – StGB) zeige, dass der Gleichheit der Wahl(-
stimme) prinzipiell ein hoher Stellenwert beigemessen werde. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem
Urteil vom 26. Februar 2014 die Gleichheit der Wahl besonders herausgestellt.

Der Umstand, dass Verstöße gegen die Gleichheit der Wahl jedoch weder kontrolliert, noch verhindert werden
könnten, stelle die demokratische Legitimation des Europaparlaments insgesamt in Frage, da die Gleichheit
der Wahl als Grundprinzip demokratischer Wahlen nicht gewährleistet sei und unter Beibehaltung des derzei-
tigen Wahlverfahrens nicht gewährleistet werden könne.

Wegen der Einzelheiten des gesamten Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache

Drucksache 18/4000 (neu) – 40 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
StGB. Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines rechtlichen Verbots eine
Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertretungsfall Gesetzesverstöße
von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Einsprüchen zugrundeliegenden
Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 41 – Drucksache 18/4000 (neu)

gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie

Drucksache 18/4000 (neu) – 42 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 43 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 7

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. M., 65936 Frankfurt a. M.,

– Az.: EuWP 18/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 3. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Die rechtswidrige mehrfache Stimmenabgabe von EU-Bürgern mit doppelter Staatsangehörigkeit und/oder mit
zwei Wohnsitzen in unterschiedlichen EU-Ländern sei nicht kontrolliert und somit auch nicht verhindert wor-
den. Maximal könnten acht Millionen EU-Bürger doppelt gewählt haben.

Der Grundsatz der Wahlgleichheit sei daher nicht mehr gewährleistet gewesen. Mit der Verletzung der Wahl-
gleichheit sehe er, der Einspruchsführer, sich als benachteiligt an.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern

Drucksache 18/4000 (neu) – 44 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45 – Drucksache 18/4000 (neu)

unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der

Drucksache 18/4000 (neu) – 46 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 47 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 8

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. H., 50999 Köln,

– Az.: EuWP 21/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 2. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Nach einem Medienbericht sei die Wahl zum Europäischen Parlament eventuell verfassungswidrig. Sollte eine
Prüfung ergeben, dass tatsächlich Millionenfach doppelt abgestimmt worden sein könnte, könnte nach Ansicht
eines früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts dies zur Ungültigkeit der Wahl führen. Auch ein
Bonner Staatsrechtler sehe die Legitimität der gesamten Europawahl infrage gestellt. Der Vorsitzende des In-
nenausschusses des Deutschen Bundestages halte die „laxen“ Vorschriften für rechtlich und politisch untrag-
bar. Nach Recherchen eines Nachrichtenmagazins hätten nicht nur Doppelpassinhaber wie Herr d. L. zweimal
wählen können: Auch das Kontrollsystem für jene Europäer, die in einem anderen EU-Staat als in ihrem Her-
kunftsland lebten und sich dort zur Wahl registriert hätten, funktioniere nicht umfassend. Dies habe eine Um-
frage unter allen EU-Mitgliedstaaten ergeben. Mehr als acht Millionen Europäer im wahlfähigen Alter könnten
betroffen sein. Die Wahl habe nicht dem Grundsatz der Gleichheit entsprochen. Das Prinzip „one man one
vote“ sei nicht durchsetzbar gewesen.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 48 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 49 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchsführer
nennen keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 50 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 51 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 9

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. R., 38489 Jübar,

– Az.: EuWP 22/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 27. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Er trägt vor, es habe mindestens einen Rechtsverstoß gegen § 6 Absatz 4 des Europawahlgesetzes (EuWG)
gegeben.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 EuWG
geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden
hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der Europawahlordnung – EuWO).
Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl
– auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache Stimmabgabe bei der Europawahl sei
im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a des Strafgesetzbuches (StGB). Wie
auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines rechtlichen Verbots eine Vorkehrung
zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertretungsfall Gesetzesverstöße von den Straf-
verfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Einsprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen

Drucksache 18/4000 (neu) – 52 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 53 – Drucksache 18/4000 (neu)

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik

Drucksache 18/4000 (neu) – 54 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 55 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 10

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. M., 46145 Oberhausen,

– Az.: EuWP 23/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 28. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Mit Entsetzen vernehme er der aktuellen Presse, dass Herr d. L. als Besitzer zweier Pässe aus EU-Ländern
widerrechtlich doppelt seine Stimme bei der Europawahl abgegeben habe. Zudem werde von Millionen dop-
pelten Staatsbürgern allein in Deutschland berichtet, die allesamt ebenfalls diese Möglichkeit gehabt hätten.
Da nicht kontrollierbar sei, ob ein Großteil der Wahlberechtigten seine Stimme doppelt abgegeben habe, sei es
auch unmöglich sicherzustellen, dass das Ergebnis legitim sei. Er, der Einspruchsführer fürchte um das Gewicht
seiner Stimme.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern

Drucksache 18/4000 (neu) – 56 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 57 – Drucksache 18/4000 (neu)

unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der

Drucksache 18/4000 (neu) – 58 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 11

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn W. W., 27580 Bremerhaven,

– Az.: EuWP 29/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 29. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Herr d. L. habe öffentlich am Wahlabend im TV erklärt, dass er als „Doppelstaatler“ (mit deutscher und italie-
nischer Staatsbürgerschaft) bei der Europawahl 2014 zweimal gewählt habe, in einem Wahllokal in Hamburg
als Deutscher und beim italienischen Konsulat in Hamburg als Italiener. Das Wahlrecht sehe aber nur das
einmalige persönliche Wahlrecht vor. Es stehe zu vermuten, dass viele Wahlberechtigte mit deutscher und
anderer (EU-)Staatsbürgerschaft ebenfalls doppelt gewählt hätten. Und es sei zu vermuten, dass wahlberech-
tigte Deutsche im Ausland, die eine doppelte (EU-)Staatsbürgerschaft besitzen, sich entsprechend verhalten
hätten. Damit werde nicht nur im Bundesland Bremen, sondern im gesamten Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland und auch der EU das Wahlergebnis verfälscht. Zugleich werde gegen das Wahlrecht verstoßen
und unter Umständen eine Straftat begangen.

Wie er, der Einspruchsführer, inzwischen in seinem persönlichen Umfeld festgestellt habe, sei seine Vermu-
tung, dass es weitere Fälle mit doppelter Staatsbürgerschaft und doppelter Wahlbeteiligung gebe, zutreffend.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 60 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 61 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 62 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 63 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 12

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. J., 85107 Baar-Ebenhausen,

– Az.: EuWP 30/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 26. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Herr d. L. habe öffentlich am Wahlabend im TV zugegeben, dass er als „Doppelstaatler“ (mit deutscher und
italienischer Staatsbürgerschaft) bei der Europawahl 2014 zweimal gewählt habe, einmal im italienischen Kon-
sulat und dann in einer Hamburger Grundschule. Mit Bezug auf den Bundeswahlleiter meldeten die Medien
eine Zahl von rund 171.500 EU-Bürgern, die in deutschen Wählerverzeichnissen gelistet seien. Auch wenn ein
europaweiter Abgleich sämtlicher Personendaten aufwendig sei, sei es doch die Aufgabe der Bundesregierung
und der entsprechenden EU-Behörden bzw. Institutionen, den ordnungsgemäßen Ablauf einer solchen Wahl
sicherzustellen und zu gewährleisten. Dies sei hier nicht erfolgt. Wenn das Ergebnis dieser Wahl Bestand haben
sollte, bedeute das, dass seine, des Einspruchsführers, Stimme und die jedes Deutschen und/oder EU-Bürgers
mit einfacher Staatsbürgerschaft im eigenen Land nur 50 % des Wertes eines Wahlberechtigten mit zwei EU-
Staatsbürgerschaften habe.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 64 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 65 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 66 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 67 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 13

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn E. R., 45279 Essen,

– Az.: EuWP 31/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 29. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Bei der Europawahl 2014 hätten in Deutschland über eine Million EU Bürger mit weiterer Staatsangehörigkeit
eines EU-Mitgliedstaates die Möglichkeit gehabt, in zwei Ländern abzustimmen, was nachweislich auch ge-
schehen sei. Die Information über die Möglichkeit war drei Tage vor der Wahl online bei der „Zeit" zu erhalten.
Deshalb halte er, der Einspruchsführer, Unwissenheit nicht für gegeben. Wer zweimal gewählt habe, habe
Wahlbetrug begangen. Dieser sei strafbar.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach

Drucksache 18/4000 (neu) – 68 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 69 – Drucksache 18/4000 (neu)

gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,

Drucksache 18/4000 (neu) – 70 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 71 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 14

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn K.-U. Z., 25704 Meldorf,

– Az.: EuWP 33/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 28. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

EU-Bürger mit mehrfacher Staatsbürgerschaft hätten mehrere Wahlbenachrichtigungen erhalten und mehrfach
wählen können. Mindestens der Deutsch-Italiener G. d. L. habe von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und
öffentlich in einer Fernsehsendung am 25. Mai 2014 zugegeben, zweimal gewählt zu haben. Damit sei gegen
den elementaren Grundsatz der Gleichwertigkeit der Stimmen aller Wähler verstoßen worden. Die Stimme des
Wählers d. L. wiege vielmehr doppelt so schwer wie seine, des Einspruchsführers, Stimme, da sie zweimal
gezählt worden sei: Einmal in Deutschland, ein zweites Mal in Italien. Diese nicht hinnehmbare Praxis der
Wahlbehörden entspreche der Verfahrensweise, die von EU-Politikern in der Ukraine so heftig kritisiert werde:
Wahlen ohne zuverlässiges Wählerverzeichnis und Gewähr dafür, dass nur Wahlberechtigte und diese nur ein-
mal abstimmen können.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre

Drucksache 18/4000 (neu) – 72 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 74 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 75 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 15

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. H.-G. F., 74321 Bietigheim-Bissingen,

– Az.: EuWP 34/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 31. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2015 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt mehrere Sachverhalte:

1. Mehrere hunderttausend Europäer hätten doppelt wählen können. Dies sei Betrug und ein Verstoß gegen das
Gleichheitsgebot.

2. Die Europawahl habe in den verschiedenen Mitgliedstaaten der EU zum Teil an verschiedenen Tagen statt-
gefunden, so in den Niederlanden bereits am 22. Mai 2014. Die Veröffentlichung von Hochrechnungen der
dortigen Wahl noch am Wahlabend sei ein Versuch gewesen, die Gesamtwahl mit Hilfe der Medien zu mani-
pulieren.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 76 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Aus dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. a) Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprü-
fungsausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchs-
führer nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft die-
jenige (mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft
in einem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staats-
angehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimat-
staat leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben.
Vielmehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 78 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

b) Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

2. Die vom Einspruchsführer gerügte Praxis, nach der in der Europäischen Union teilweise an unterschiedlichen
Tagen gewählt wird, steht im Einklang mit europäischen und nationalen Wahl-rechtsvorschriften.

a) Maßgebliche Vorschrift auf europäischer Ebene ist der Direktwahlakt. Nach Artikel 10 Absatz 1 DWA be-
stimmen die Mitgliedstaaten den Wahltermin innerhalb eines Zeitraumes vom Donnerstagmorgen bis zum un-
mittelbar auf diesen folgenden Sonntag. Der Zeitraum wird nach Artikel 11 Absatz 1 des DWA vom Rat nach
Anhörung des Parlaments bestimmt. Bei der zurückliegenden Europawahl wurde aufgrund des Beschlusses des

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 79 – Drucksache 18/4000 (neu)

Rates der Europäischen Union vom 14. Juni 2013 (2013/299/EU, Euratom) der Zeitraum vom 22. Mai (Don-
nerstag) bis zum 25. Mai 2014 (Sonntag) festgelegt. Unterschiedliche Wahltermine sind daher nicht rechtswid-
rig, sondern im Europarecht angelegt.

b) Dass in einzelnen Mitgliedstaaten das jeweilige Teilergebnis in privaten Hochrechnungen, die etwa Fern-
sehsender in Auftrag gegeben hatten, veröffentlicht wurde, bevor die Wahllokale in anderen Mitgliedstaaten
öffneten, stellt ebenfalls keine Verletzung der europäischen oder nationalen Wahlrechtsvorschriften dar. Zu
einer Publikation amtlicher Hochrechnungen, die nach Artikel 10 Absatz 2 DWA verboten wäre, ist es – auch
nach dem Vortrag des Einspruchsführers – ohnehin nicht gekommen. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso an-
gesichts der Unterschiedlichkeit der Parteienlandschaft und des Wahlverhaltens der Wähler in den Niederlan-
den und in Deutschland eine unzulässige Beeinflussung stattgefunden haben soll. Entscheidend ist aber, dass
der Einspruchsführer hierzu keine konkreten Tatsachen vorgetragen hat, die seinen Einspruch untermauern
könnten. Eine nähere Prüfung einer pauschalen Behauptung durch den Wahlprüfungsausschuss des Deutschen
Bundestags ist mangels eines hinreichend bestimmten Anfechtungsgegenstandes nicht geboten (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 17/2200, Anlage 2).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 81 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 16

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn D. S., 92360 Mühlhausen,

– Az.: EuWP 36/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 29. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Es liege ein Verstoß gegen die §§ 1, 2 und 6 des Europawahlgesetzes (EuWG) vor. Die Wahl sei nicht gleich
gewesen. Viele Wähler hätten mehr als einen Wahlschein bzw. eine Wahlbenachrichtigung besessen. EU-Bür-
ger, die in Deutschland leben und den deutschen sowie einen weiteren Pass eines EU-Mitgliedstaates besitzen,
hätten die Möglichkeit gehabt, in Deutschland oder in einer konsularischen Vertretung des anderen EU-Landes
(insbesondere Italiens) zu wählen. In Deutschland werde nicht kontrolliert, ob die Bürger mit zwei verschiede-
nen Pässen zweimal an der Europawahl teilgenommen hätten Diesen EU-Bürgern habe man die Möglichkeit
zum Wahlbetrug gegeben und, soweit ersichtlich, nichts unternommen, um diesen Betrug zu unterbinden. Die
Gleichheit des Wahlrechts sei damit sichtbar missachtet worden. Damit liege auch ein Verstoß gegen das
Grundgesetz und weiteres deutsches Recht vor.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre

Drucksache 18/4000 (neu) – 82 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 83 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 84 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 85 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 17

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau C. E., 71409 Schwaikheim,

– Az.: EuWP 37/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Schreiben vom 1. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 einge-
legt.

Durch das Eingeständnis eines Einzelnen sei aufgedeckt worden, dass das geltende Europawahlverfahren Men-
schen mit zwei Pässen bevorzuge. Sie als Deutsche mit einem Pass werde durch die gängige Praxis diskrimi-
niert. Das Wahlverfahren für Menschen mit zwei Pässen sei so gestaltet, dass jeder und jede die Möglichkeit
der doppelten Stimmabgabe habe. Das Wahlrecht in einer Demokratie gründe sich aber auf den Primat „Eine
Person – eine Stimme“. Dadurch, dass Menschen mit zwei Pässen ein rechtswidriges Wahlrecht, das Plural-
wahlrecht, ausübten, werde die Wahl als Ganzes ungültig. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil
zur Abschaffung der Sperrklausel für die Europawahl unter anderem dargelegt, dass jeder Wähler mit seiner
Stimme den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung der zu wählenden Vertretung haben müsse. Dieser
Rechtsgrundsatz werde durch die Möglichkeit, das Stimmrecht zweimal ausüben zu können, verletzt. Das Ar-
gument, dass auch dann, wenn viele Menschen mit Doppelpass doppelt abgestimmt hätten, das Wahlergebnis
als Ganzes nicht verfälscht worden wäre, sei nicht beweisbar und eine bloße Behauptung. Es könne sehr wohl
zu einer Verfälschung des Ergebnisses kommen, weil es faktisch keine Kontrolle darüber gebe, wie viele Per-
sonen doppelt abgestimmt hätten und wie sich das auf das Wahlergebnis ausgewirkt habe. Es genüge auch
nicht und sei lebensfremd, die Abgabe von Doppelstimmen allein dadurch verhindern zu wollen, dass in den
Unterlagen darauf verwiesen werde, dass nur eine Stimme abgegeben werden dürfe, und darauf zu hoffen, dass
sich alle an diese Aufforderung hielten.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der

Drucksache 18/4000 (neu) – 86 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 87 – Drucksache 18/4000 (neu)

betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchsführe-
rin nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat

Drucksache 18/4000 (neu) – 88 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 89 – Drucksache 18/4000 (neu)

Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 91 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 18

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn F. R. R., 65187 Wiesbaden,

– Az.: EuWP 40/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 1. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Den Medien habe er entnommen, dass in erheblicher Anzahl Personen mit mehr als einer Staatsbürgerschaft
eines EU-Mitgliedstaates die Möglichkeit gehabt hätten, in jedem Land, dessen Staatsangehörigkeit sie besit-
zen, an der Europawahl teilzunehmen. Bekanntestes Beispiel sei Herr G. d. L. In einem Zeitungsbericht habe
er gelesen, dass ca. 4,3 Millionen deutsche Staatsbürger einen weiteren Pass besäßen. Große Gruppen seien
Polen und Italiener. Er gehe davon aus, dass es in einem ganz erheblichen Umfang wahlberechtigte Deutsche
gebe, die zugleich einen Pass eines anderen EU-Mitgliedstaates besäßen und dort prinzipiell ebenfalls wahlbe-
rechtigt gewesen seien. Er selbst besitze „nur“ die deutsche Staatsbürgerschaft. Er habe daher lediglich die
Möglichkeit gehabt, in Deutschland seine Stimme abzugeben. Über eine Million Wahlberechtigte hätten zu-
sätzlich die Möglichkeit besessen, sowohl in Deutschland als auch einem anderen EU-Mitgliedstaat zu wählen.
Mechanismen, um eine mehrfache Stimmabgabe zu verhindern, habe es nicht gegeben. Da die Zahl der „Mehr-
fachstaatsbürger“ ganz erheblich sein dürfte, wirke sich dies auch auf das Wahlergebnis aus.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 92 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 93 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 94 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 95 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 19

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. N. N., 65232 Taunusstein-Hambach,

– Az.: EuWP 41/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 1. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Wie der Presse zu entnehmen sei, hätten offenbar in Deutschland lebende Ausländer anderer EU-Staaten, so-
fern sie Doppelpass-Inhaber seien, bei der Europawahl mit zwei Stimmen Einfluss auf die Zusammensetzung
des Europaparlaments nehmen können. Dies widerspreche entschieden dem Rechtsverständnis von demokra-
tischen Wahlen, bei denen alle Bürger gleich zu behandeln seien. Offenbar bestünden keine Verwaltungsvor-
kehrungen gegen einen solchen Missbrauch.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach

Drucksache 18/4000 (neu) – 96 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97 – Drucksache 18/4000 (neu)

gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,

Drucksache 18/4000 (neu) – 98 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 99 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 20

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn P. T., 48159 Münster,

– Az.: EuWP 42/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem am 27. Mai 2014 eingegangenen Schreiben Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai
2014 eingelegt. Er hat seinen Vortrag mit einem Schreiben vom 3. Oktober 2014 erweitert.

1. Soweit möglich, wolle er das Ergebnis der Europawahl beanstanden, denn die Wahlmodalitäten entsprächen
nicht demokratischen Prinzipien. Herr d. L. habe im Fernsehen freimütig erklärt, zweimal gewählt zu haben:
einmal als Italiener im Konsulat und dann als Deutscher in einem Wahllokal. Es sei nicht auszuschließen, dass
Derartiges häufiger vorkomme und nicht alle Stimmen die gleiche Wertigkeit besäßen.

2. Außerdem sollte ein Parlament nach einem einheitlichen Wahlrecht gewählt werden. Die 28 EU-Mitglied-
staaten besäßen aber jeder ein eigenes Wahlrecht mit unterschiedlichem Wahlalter und unterschiedlichen Sperr-
klauseln. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil gegen die Sperrklausel im Europawahlrecht den
Eindruck erweckt, das Europäische Parlament sei kein Parlament im eigentlichen Sinne, sondern eine parla-
mentarische Versammlung aus 28 Teilen. Dieses Bild werde dadurch verstärkt, dass die unterschiedlich hohe
Abgeordnetenzahl der einzelnen Staaten dazu führe, dass der Einfluss und die Gewichtung der Wählerstimmen
je nach Land sich stark unterschieden: Auf 90.000 Luxemburger komme ein Abgeordneter und auf ca. 800.000
Deutsche ebenfalls. Das Prinzip „Jede Stimme zählt gleich“ sei extrem verletzt. Er sehe ein, dass sich die
parteipolitische Vielfalt der kleineren Länder widerspiegeln solle und dass bei genauem Austarieren ca. 1.000
Abgeordnete aus Deutschland auch nicht die Lösung seien. Hinzu komme, dass ein Luxemburger, der in
Deutschland wähle, den Wert seiner Stimme verkleinere, ein Deutscher, der in Luxemburg abstimme, den Wert
seiner Stimme hingegen um das Zehnfache steigere. Dabei sei die eingangs erwähnte Problematik des doppel-
ten Stimmrechts noch gar nicht berücksichtigt.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4

Drucksache 18/4000 (neu) – 100 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 101 – Drucksache 18/4000 (neu)

300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. a) Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprü-
fungsausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchs-
führer nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft die-
jenige (mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft

Drucksache 18/4000 (neu) – 102 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

in einem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staats-
angehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimat-
staat leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben.
Vielmehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

b) Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103 – Drucksache 18/4000 (neu)

frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

2. Das deutsche Kontingent von 96 Sitzen ergibt sich aus Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäi-
sche Union (in der Fassung des Vertrages von Lissabon – EUV) in Verbindung mit dem Beschluss des Euro-
päischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments (2013/312/EU,
Amtsblatt der EU 2013 L 181/57). Die Bundesrepublik Deutschland stellt damit bereits das nach Artikel 14
Absatz 2 Satz 4 EUV größtmögliche Mandatskontingent. Die Gesamtsitzzahl des Parlaments ist auf 751 be-
schränkt, Artikel 14 Absatz 2 Satz 2 EUV. Die Repräsentanz der Mitgliedstaaten im Europäischen Parlament
ist nach dem Prinzip der fallenden (degressiven) Proportionalität geregelt: Staaten mit einer relativ geringen
Einwohnerzahl sind überproportional stark (mit mindestens sechs Abgeordneten) im Europäischen Parlament
vertreten, während die Länder mit den höchsten Bevölkerungsanteilen unterrepräsentiert sind (da die Ober-
grenze wie gesehen bei 96 Abgeordneten liegt). Grundgedanke des gesetzlich geregelten Sitzverteilungsschlüs-
sels ist eine gewisse Proportionalität zwischen den Sitzen im Parlament und der Bevölkerung der Mitgliedstaa-
ten einerseits und andererseits der Gewährleistung, dass auch die verschiedenen politischen Strömungen aus
den bevölkerungsschwächeren Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer Vertretung haben. Die bevölkerungsar-
men Mitgliedstaaten haben – wie der Einspruchsführer selbst ausführt – einen Anspruch auf eine Mindestre-
präsentation, die in der Lage ist, deren Parteipluralismus wiederzugeben. Andernfalls könnte in einigen Staaten
nur eine Partei sich überhaupt Hoffnung machen, in das Europäische Parlament zu gelangen. Die politischen
Strömungen innerhalb der kleineren Mitgliedstaaten blieben dann unberücksichtigt, während die politische
Vielfalt der größeren Staaten stärker abgebildet würde. Zwar hat in der Beschränkung des Mandatskontingents
– bezogen auf die gesamte EU – eine Ungleichwertigkeit der Stimmen zufolge. Diese ist aber durch die euro-
päischen Rechtsnormen vorgegeben und durch die dargestellten Erwägungen gerechtfertigt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 105 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 21

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. H. F., 53721 Siegburg,

– Az.: EuWP 43/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 4. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt. Er hat
seinen Vortrag mit Schreiben vom 25. Juni und 1. Juli 2014 sowie einem am 28. Juli 2014 eingegangenen Fax
erweitert.

1. Der Einspruchsführer führt aus, Millionen EU-Bürger hätten doppelt abstimmen können und dies offensicht-
lich auch getan. Das Kontrollsystem für Europäer, die in einem anderen EU-Staat als in ihrem Herkunftsland
leben und sich dort zur Wahl registrierten, solle ebenfalls nicht umfassend funktionieren, wie Medienberichte
zeigten. Die Europawahl sei wegen des den millionenfachen Betruges verfassungswidrig und zwingend sofort
zu wiederholen. Er, der Einspruchsführer, habe den örtlichen Kreiswahlleiter nach der Anzahl der Doppelpass-
Inhaber und nach der Kontrolle des praktizierten Wahlrechts gefragt. Es sei bemerkenswert, dass die örtlichen
Wahlleiter dazu keinerlei Angaben machen könnten, wie das beigefügte Antwortschreiben des Kreiswahlleiters
des Rhein-Sieg-Kreises zeige. In seinem Fax vom 28. Juli 2014 nennt der Einspruchsführer die Zahl der Bürger
mit deutscher Staatsangehörigkeit und derjenigen eines weiteren EU-Mitgliedstaates im Rhein-Sieg-Kreis.

2. Ferner äußert der Einspruchsführer den Verdacht, die Wahlergebnisse könnten durch Steuerung der „Emp-
fangscomputer“ gefälscht sein. Die Auszählung der Stimmen vor Ort erfolge korrekt, aber bei der Übermittlung
der Daten zum „Empfangscomputer“ lasse sich das Ergebnis für die Parteien so steuern, dass ein bestimmtes
Wahlergebnis nicht überschritten werde, so dass zum Beispiel die „Alternative für Deutschland“ bei der Bun-
destagswahl maximal 4,7% und bei der Europawahl 2014 7,1%, die Partei „Volksabstimmung“ bei den Euro-
pawahlen 2009 und 2014 hingegen nur 0,3% erhalten habe. Die übrigen Stimmen werden dann im Computer
anderen Parteien zugeschlagen. Da sich die Wahlleiter offensichtlich nicht von der Ordnungsmäßigkeit der
eingesetzten Computer(-hardware und -software) überzeugt hätten und es keine unabhängige notarielle oder
ähnlich gelagerte Überwachung gebe, sei die Europawahl ungültig und müsse zwingend umgehend wiederholt
werden. In Meinungsumfragen forderten regelmäßig über 70 % der befragten Wählerinnen und Wähler Volks-
abstimmungen nach dem Vorbild der Schweiz. Die Partei „Volksabstimmung“ habe diese Umfragen auch in
ihre Wahlaussagen als Rechtfertigung für ihre Forderung nach Volksabstimmungen für alle wichtigen Sach-
fragen auf kommunaler, Landes-, Bundes- und Europa-Ebene aufgenommen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass
bei der Wahl konstant nur 0,3% der Wählerinnen und Wähler die Partei „Volksabstimmung“ wählten. Da davon
auszugehen sei, dass die Meinungsumfragen richtig seien, bestehe ein begründeter Verdacht, dass die Wahler-
gebnisse gefälscht worden seien.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/4000 (neu) – 106 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 107 – Drucksache 18/4000 (neu)

kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 108 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

I.

Der Einspruch ist unzulässig, soweit der Einspruchsführer – im Übrigen unstreitige und nicht entscheidungs-
erhebliche – Tatsachen erst nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 26 EuWG in Verbindung mit § 2 Absatz 4
Satz 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) vorgetragen hat.

II.

Soweit er zulässig ist, ist der Einspruch unbegründet.

1. a) Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprü-
fungsausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchs-
führer nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft die-
jenige (mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft
in einem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staats-
angehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimat-
staat leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben.
Vielmehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 109 – Drucksache 18/4000 (neu)

beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

b) Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

2. Der Einspruchsführer bringt keine Belege für seine Behauptung bei, die Wahlergebnisse könnten durch eine
Steuerung von „Empfangscomputern“ – also Wahlfälschung – gefälscht sein. Dabei hätte er nachvollziehbar
darlegen müssen, aus welchem Geschehen sich seiner Ansicht nach ein die Gültigkeit der Wahl berührender
Wahlfehler ergibt (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlage 5; 17/1000, Anlagen 13 und 19;
17/2250, Anlage 11; 18/1160, Anlagen 3, 6 und 83; BVerfGE 40, 11 [30]). Dies hat er unterlassen und statt-
dessen bloße, aus der Luft gegriffene Vermutungen geäußert. Der Einspruchsführer hat lediglich darauf hinge-
wiesen, dass sich die (generelle) Zustimmung in Meinungsumfragen zu der Frage, ob mehr Volksabstimmun-
gen durchgeführt werden sollten, nicht in den Wahlergebnissen der Partei „Volksabstimmung“, die sich unter
anderem die Ausweitung der Volksabstimmungen zum Ziel gesetzt hat, niederschlägt. Ein Indiz für Wahlfäl-
schung ist dies – schon bei grober Betrachtung – keineswegs. Zum einen haben mehrere (auch größere) Parteien
sich die Ausweitung der Möglichkeit von Volksabstimmungen zum Ziel gesetzt. Zum anderen hängt der Wahl-
erfolg in der Regel nicht von (nur) einem Thema ab, sondern vornehmlich von der überzeugenden Bündelung
mehrerer Themenkomplexe und der Überzeugungskraft der Kandidatinnen und Kandidaten. Wahlbeanstan-
dungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht
hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, müssen als
unsubstantiiert zurückgewiesen werden (Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlagen 283 bis 285; 15/1850, An-
lage 25; 15/2400, Anlage 9; 17/1000, Anlagen 13 und 19; 18/1160, Anlagen 3, 6 und 83; BVerfGE 48, 271
[276]; 66, 369 [379]; 85, 148 [159]; 122, 304 [309]; Hahlen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013,
§ 49 Rn. 25).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 111 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 22

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. H., 28199 Bremen,

– Az.: EuWP 47/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 5. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Bei der Europawahl sei nicht oder unzureichend verhindert worden, dass es zu einer doppelten Stimmabgabe
von EU-Wahlbürgern gekommen sei. In den Wahllokalen sei aufgrund der „Wahllisten“ nur bekannt gewesen,
ob eine Person per Brief gewählt habe oder nicht. Habe ein ausländischer EU-Bürger sich in deutsche „Wahl-
listen“ eintragen lassen, habe eine Kontrollmeldung an seine Heimatgemeinde geschickt werden sollen. Weder
der „Wahllokalleiter“ noch Mitarbeiter des für die Wahl in Bremen zuständigen Statistischen Landesamtes
hätten zusagen können, dass eine Überprüfung erfolgt sei. Im Gegenteil seien Äußerungen gefallen wie: „Da
müssen wir auf die Ehrlichkeit der Wähler setzen“ oder „Es ist ja verboten, doppelt zu wählen“. Bei Bürgern
mit doppelter Staatsangehörigkeit sei noch nicht einmal sichergestellt, dass der jeweils andere Staat von der
weiteren Staatsangehörigkeit Kenntnis habe. Bei doppelter EU-Staatsbürgerschaft sei eine Doppelwahl somit
nicht zu verhindern. Bei der angegriffenen Wahl hätten Millionen die Möglichkeit einer doppelten Stimmab-
gabe gehabt. Es sei nicht davon auszugehen, dass Herr d. L. ein Einzelfall gewesen sei. § 6 Absatz 4 des
Europawahlgesetzes (EuWG) sei verletzt und ebenso das Grundrecht aus Artikel 3 Absätze 1 und 3 des Grund-
gesetzes (GG).

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines

Drucksache 18/4000 (neu) – 112 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 113 – Drucksache 18/4000 (neu)
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des

Drucksache 18/4000 (neu) – 114 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 115 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 23

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. S., 78589 Dürbheim,

– Az.: EuWP 48/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 4. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Es habe nicht nur die Möglichkeit für einzelnen Personen gegeben, mehrere Stimmen abzugeben, sondern es
sei auch davon Gebrauch gemacht worden. Herr G. d. L. habe in einer Fernsehsendung erklärt, zweimal gewählt
zu haben.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.

Drucksache 18/4000 (neu) – 116 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117 – Drucksache 18/4000 (neu)
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch

Drucksache 18/4000 (neu) – 118 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 119 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 24

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn F. M. G., 29693 Hodenhagen,

– Az.: EuWP 49/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 3. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Wie inzwischen aus den Medien bekannt sei, sei es für Doppelpass-Inhaber und EU-Bürger, die in einem an-
deren EU-Land als ihrem Herkunftsstaat lebten und sich dort zur Wahl registrierten, möglich, zweifach ihre
Stimme abzugeben. Den Medien sei ferner zu entnehmen gewesen, dass diese Problematik nicht nur einen
kleinen Kreis der Wahlberechtigten, sondern bis zu acht Millionen Wahlberechtigte betreffen könnte. Er, der
Einspruchsführer, habe diese Möglichkeit als ausschließlich deutscher Staatsangehöriger nicht gehabt. Insofern
liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit vor. Sowohl der Zähl- als auch der Erfolgswert der
Stimmen der EU-Bürger, die nur in einem EU-Land wahlberechtigt sind, seien gegenüber denjenigen, die
mehrfach die Möglichkeit der Stimmabgabe haben, benachteiligt. Diese eklatante Ungleichbehandlung, die
durch geeignete Maßnahmen im Vorfeld der Wahl hätte vermieden werden können und müssen, müsse zur
Erklärung der Ungültigkeit der Wahl führen.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 120 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 121 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 122 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 123 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 25

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn S. F., 45968 Gladbeck,

– Az.: EuWP 50/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 6. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Offenbar hätten etliche Millionen EU-Bürger, die entweder Doppelpass-Inhaber seien oder außerhalb ihres
Herkunftslandes lebten, zumindest die Möglichkeit der doppelten Stimmabgabe gehabt: einmal für ihr Her-
kunftsland und einmal für das Land, in welchem sie ihren Lebensmittelpunkt haben. Dieser Umstand lasse
rechtstaatlichen Prinzipien vermissen, wie sie für eine Wahl freiheitlich-demokratischen Charakters erforder-
lich seien. Daher sei bei rein objektiver Betrachtung die angegriffene Wahl für ungültig zu erklären und zu
wiederholen. Jedoch sollte im Vorfeld einer Neuwahl europaweit eine einheitliche Organisations- wie Kon-
trollsystematik eingeführt werden, mittels derer gewährleistet wäre, dass bei künftigen Europawahlen jeder
EU-Bürger – ohne Ausnahme – auch tatsächlich nur eine Stimme abgeben könne.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken

Drucksache 18/4000 (neu) – 124 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 125 – Drucksache 18/4000 (neu)

darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen

Drucksache 18/4000 (neu) – 126 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 127 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 26

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn K. F., 41363 Jüchen,

– Az.: EuWP 53/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 2. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

1. Er trägt vor, die auf deutschem Staatsgebiet lebenden EU-Ausländer würden in das Wählerverzeichnis auf-
genommen und seien wahlberechtigt. Gerade Menschen aus Rumänien und Bulgarien seien in der Regel nicht
des Deutschen so mächtig, dass sie den Stimmzettel verstünden. In jedem Land stünden Parteien mit bestimm-
ten Werten und Zielen zur Wahl. In Deutschland werde seit Jahren auch eine gewisse politische Bildung bzw.
Ausbildung betrieben. Er, der Einspruchsführer, zweifle an, dass der genannte Personenkreis in der Lage sei,
den Stimmzettel richtig zu verstehen. Es stelle sich die Frage, ob Angehörige des Personenkreises gegebenen-
falls eine Partei ankreuzten, die sie gar nicht unterstützen wollten.

2. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass Personen mehrfach wählten, sofern mehrere Wohn- oder
Aufenthaltsorte (in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten) bestünden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführer wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 128 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 129 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Es entspricht seit der 4. Direktwahl zum Europäischen Parlament im Jahr 1994 geltendem Recht (§ 6 Absatz
3 EuWG), dass Menschen mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates (Unionsbürger) unter
bestimmten Voraussetzungen an der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesre-
publik Deutschland teilnehmen dürfen. Das aktive und passive Wahlrecht für Unionsbürger mit Wohnsitz in
einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, ergibt sich aus europarechtlichen Verpflich-
tungen, namentlich Artikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU.

2. a) Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprü-
fungsausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchs-
führer nennen keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft
diejenige (mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürger-
schaft in einem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere
Staatsangehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Hei-
matstaat leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen
haben. Vielmehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahl-

Drucksache 18/4000 (neu) – 130 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

richtlinie 93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewie-
sen wird (vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen,
dass sich alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürger-
schaft des Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO
stellen, ins deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur
EuWO darauf hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personen-
kreis ein Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

b) Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 131 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 27

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn A. M., 78315 Radolfzell,

– Az.: EuWP 54/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 28. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

In einer TV-Sendung habe Herr G. d. L. berichtet, dass er zweimal gewählt habe. Er habe nicht gewusst, dass
das laut § 6 Absatz 4 des Europawahlgesetzes (EuWG) nicht erlaubt sei. Er, der Einspruchsführer, gehe davon
aus, dass Herr d. L. das tatsächlich nicht gewusst habe; vielmehr hätten die Behörden der einzelnen Länder (im
Falle von Herrn d. L. die deutschen und die italienischen) der doppelten Stimmabgabe Vorschub geleistet, in
dem sie ihm zwei unabhängig voneinander gültige Wahlbenachrichtigungen zugestellt hätten. Es sei davon
auszugehen, dass dies bei allen EU-Bürgern mit zwei Staatsangehörigkeiten von EU-Staaten der Fall gewesen
sei, da es sich offensichtlich um ein systemisches Problem handele. Damit hätten diese Bürger die Möglichkeit
gehabt, unwissentlich staatlich subventionierten Wahlbetrug zu begehen. Da es sich hier um eine nicht uner-
hebliche Zahl an Bürgern handele und das Problem sicher nicht nur bei deutsch-italienischen Bürgern aufge-
treten sei, sei das Wahlergebnis – auch wegen der geringen Wahlbeteiligung – falsch und die Wahl daher in
allen Ländern der EU zu wiederholen.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 EuWG
geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden
hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der Europawahlordnung – EuWO).
Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl
– auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache Stimmabgabe bei der Europawahl sei
im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a des Strafgesetzbuches (StGB). Wie
auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines rechtlichen Verbots eine Vorkehrung
zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertretungsfall Gesetzesverstöße von den Straf-
verfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Einsprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 132 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 133 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 134 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 135 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 28

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. U. P., 48431 Rheine,

– Az.: EuWP 55/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 6. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Die öffentlich gewordene doppelte Stimmabgabe des Herrn G. d. L. habe gezeigt, dass bei der Europawahl
2014 offensichtlich Kontrollmechanismen gefehlt hätten, die ein solches Vorgehen unmöglich gemacht hätten.
Allein in Deutschland besäßen rund 1 Million Bürger eine doppelte Staatsbürgerschaft. Es sei daher zu be-
fürchten, dass außer Herrn d. L. eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Wählern europaweit ebenfalls ihre
Stimme doppelt abgegeben habe, mit einer entsprechenden Verfälschung des Wahlergebnisses. Die Gültigkeit
des Wahlergebnisses sei somit nicht garantiert.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern

Drucksache 18/4000 (neu) – 136 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 137 – Drucksache 18/4000 (neu)

unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der

Drucksache 18/4000 (neu) – 138 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 139 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 29

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn L. N., 63128 Dietzenbach,

– Az.: EuWP 56/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 26. Mai 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Herr G. d. L. habe in einer Fernsehsendung bekannt, dass er zweimal seine Stimme zur Wahl des Europäischen
Parlaments abgegeben habe: einmal im italienischen Konsulat zur Wahl der italienischen Vertreter für das
Europäische Parlament und noch einmal im deutschen Wahllokal für die Vertreter der Bundesrepublik
Deutschland. Gemäß § 6 Absatz 4 des Europawahlgesetzes (EuWG) sei aber das Prinzip „One man – one vote“
auch bei der Wahl zum Europäischen Parlament einzuhalten.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 EuWG
geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden
hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der Europawahlordnung – EuWO).
Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl
– auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache Stimmabgabe bei der Europawahl sei
im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a des Strafgesetzbuches (StGB). Wie
auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines rechtlichen Verbots eine Vorkehrung
zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertretungsfall Gesetzesverstöße von den Straf-
verfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Einsprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach

Drucksache 18/4000 (neu) – 140 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 141 – Drucksache 18/4000 (neu)

gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,

Drucksache 18/4000 (neu) – 142 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 143 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 30

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau H. F., 74635 Kupferzell-Hesselbronn,

– Az.: EuWP 57/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Schreiben vom 4. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 einge-
legt.

Im Fall des Herrn d. L. seien ohne alle Probleme mehrere Stimmgaben möglich gewesen, da er zwei Staatsbür-
gerschaften besitze. Allein die Möglichkeit, dass aufgrund von Verfahrensfehlern in einer größeren Anzahl von
Fällen der Grundsatz des „ein Mann, eine Stimme“ durch eigene persönliche Entscheidung habe ausgehebelt
werden können, mithin mehrere Stimmabgaben von ein und derselben Person in einer großen Anzahl von Fäl-
len möglich und wahrscheinlich sei, entziehe der Europawahl jeden Anspruch auf Glaubwürdigkeit.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern

Drucksache 18/4000 (neu) – 144 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 145 – Drucksache 18/4000 (neu)

unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchsführe-
rin nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der

Drucksache 18/4000 (neu) – 146 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 147 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 31

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Vereinigung „Die Republikaner“, 70044 Stuttgart,
vertreten durch Herrn Dr. R. S., ebenda,

– Az.: EuWP 59/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Schreiben ihres Vertreters vom 11. Juni 2014 Einspruch gegen die Gül-
tigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25.
Mai 2014 eingelegt.

Sie trägt vor, verschiedenen Pressemeldungen zufolge hätten offenbar „Doppelstaatler“ mehrmals an der Eu-
ropawahl 2014 teilgenommen. Herr G. d. L. habe offenbart, dass er sowohl als deutscher wie als italienischer
Staatsbürger eine Stimme abgegeben habe. Da er nicht der einzige Doppelstaatler sein dürfte, der doppelte
abgestimmt habe, sei die Europawahl in verfassungswidriger Weise erfolgt, da gegen das Gebot der Wahl-
gleichheit verstoßen worden sei. Sowohl der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts als auch ein
Bonner Staatsrechtler hätten auf die Problematik solcher doppelten Stimmabgaben hingewiesen.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken

Drucksache 18/4000 (neu) – 148 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 149 – Drucksache 18/4000 (neu)

darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

I.

Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit des Einspruchs. Die Einspruchsführer hat lediglich ein
Postfach angegeben. Zwar wird die Angabe einer sog. ladungsfähigen Anschrift nach dem Wortlaut des Wahl-
prüfungsgesetzes (WPrüfG) nicht ausdrücklich verlangt. Dies ist jedoch auch im Falle der Zivilprozess- und
der Verwaltungsgerichtsordnung nicht anders. Gleichwohl ist für beide Prozessarten anerkannt, dass eine ord-
nungsgemäße Klageerhebung zumindest im Regelfall die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift voraussetzt
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 57 und die dort angeführten Nachweise; 16/3600, Anlage 27;
17/1000, Anlage 5) und dass die Angabe eines Postfachs diesem Erfordernis grundsätzlich nicht genügt (vgl.
BVerwG, NJW 1999, S. 2608 [2609]; Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2013, § 253 Rn. 8;
Geisler, in: Prütting/Gehrlein [Hrsg.], ZPO, 5. Auflage 2013, § 253 Rn. 11; Kopp/Schenke, Verwaltungsge-
richtsordnung, 19. Auflage 2013, § 82 Rn. 4). Wahlprüfungsausschuss und Deutscher Bundestag haben die
Frage, ob diese Grundsätze auch im Wahlprüfungsverfahren gelten, bislang offengelassen (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 58; 17/1000, Anlage 5; 18/1810, Anlage 9). Beide Zweifelsfragen können auch
im vorliegenden Verfahren unbeantwortet bleiben, da der Einspruch jedenfalls unbegründet ist.

Drucksache 18/4000 (neu) – 150 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

II.

Der Einspruch ist unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchsführe-
rin nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 151 – Drucksache 18/4000 (neu)

nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 153 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 32

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Prof. Dr. W. A., 21149 Hamburg,

– Az.: EuWP 60/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 10. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Er mache sich große Sorgen um die Demokratie. Es sei ihm zu Ohren gekommen, dass ein Deutscher (Herr G.
d. L.) mit einem zweiten Pass eines anderen EU-Landes sowohl in Deutschland als auch im Konsulat seines
Landes im Hamburg habe wählen dürfen und vorher von beiden Ländern Wahlunterlagen zugeschickt bekom-
men haben solle. So sei keine gerechte Wahl möglich gewesen, denn es sei nicht klar, welche und wie viele
Bürger des Landes so eine Möglichkeit gehabt hätten und wie sehr das Wahlergebnis dadurch verfälscht wor-
den sei.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern

Drucksache 18/4000 (neu) – 154 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 155 – Drucksache 18/4000 (neu)

unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der

Drucksache 18/4000 (neu) – 156 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 157 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 33

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau G. D. S., 92224 Amberg,

– Az.: EuWP 61/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Schreiben vom 4. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 einge-
legt.

Es bestehe Grund zu der Annahme, dass in erheblichem Maße gegen § 6 Absatz 4 des Europawahlgesetzes
(EuWG) verstoßen worden sei. Zwar sei der Presse zurzeit nur ein Fall zu entnehmen, nämlich der des Herrn
G. d. L., der zweimal gewählt und somit gegen die elementare Bestimmung des § 6 EuWG verstoßen habe.
Einer aktuellen Statistik zufolge sei mit dem Zensus 2011 erstmals die Zahl der Deutschen mit (mindestens)
einem weiteren Pass registriert worden. Demnach hätten laut Melderegistereintrag knapp 4,3 Millionen Perso-
nen neben der deutschen (mindestens) eine weitere Staatsangehörigkeit, davon 690.000 die polnische, 570.000
die russische und 530.000 die türkische. Man könne somit von zwei bis drei Millionen Personen ausgehen,
welche die doppelte Staatsangehörigkeit besäßen, die sich auf ein europäisches Land beziehe. Wenn man davon
ausgehe, dass mindestens 80 % im wahlberechtigten Alter seien, so sei das Potential für eine Doppelstimmab-
gabe mindestens im Bereich von zwei Millionen anzusetzen. Bei 62.004.092 Wahlberechtigten entspreche dies
ca. 3 % der Wahlberechtigten. Festzuhalten bleibe, dass gesetzlich keine Vorkehrung getroffen worden sei, um
eine doppelte Stimmabgabe zu verhindern. Auch könne nicht eingewandt werden, dass die Möglichkeit zur
Doppelwahl wohl nicht in Anspruch genommen worden sei. Es finde sich kein Hinweis in den Wahllokalen
oder auf den Wahlbenachrichtigungen, der auf dieses Problem und den damit zusammenhängenden Wahlge-
setzverstoß hinweise. Im Gegenteil, wenn selbst ein politisch versierter Redakteur wie Herr d. L. nach eigener
Aussage davon ausgegangen sei, dass ihn der Doppelpass zur doppelten Stimmabgabe berechtige, dann sei es
erlaubt anzunehmen, dass dies erst recht für die anderen Bürger und Bürgerinnen gelte. Der gerügte Verstoß
sei auch mandatsrelevant. Dies ergebe sich schon aus der großen Anzahl der möglichen Doppelwähler. Eine
nach Artikel 38 des Grundgesetzes (GG) allgemeine und gleiche Wahl habe somit nicht stattgefunden.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 EuWG

Drucksache 18/4000 (neu) – 158 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden
hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der Europawahlordnung – EuWO).
Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl
– auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache Stimmabgabe bei der Europawahl sei
im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a des Strafgesetzbuches (StGB). Wie
auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines rechtlichen Verbots eine Vorkehrung
zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertretungsfall Gesetzesverstöße von den Straf-
verfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Einsprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 159 – Drucksache 18/4000 (neu)

der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchsführe-
rin nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat

Drucksache 18/4000 (neu) – 160 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 161 – Drucksache 18/4000 (neu)

Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 163 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 34

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

1. des Herrn W. B., 73329 Kuchen,
2. der Frau R. B., ebenda,

– Az.: EuWP 63/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführer haben mit einem Schreiben vom 3. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 einge-
legt.

In der Presse sei nachzulesen, dass nicht nur Herr G. d. L., wie seit dem Wahlabend bundesweit bekannt, seine
Stimme zweimal abgegeben habe, sondern 13,6 Millionen anderer Bürger, die im europäischen Ausland leben,
und zusätzlich alle jene mit doppelter Staatsbürgerschaft wie Herr d. L. in Europa zumindest dieselbe Mög-
lichkeit gehabt hätten. Nur in Litauen sei kontrolliert worden, ob Ausländer dort zur Wahl gegangen seien, und
dies dann an die jeweiligen Wahlleiter der Heimatländer weitergeleitet worden. Bei einem derart knappen
Wahlergebnis wie dem der Europawahl seien mehr als 13,6 Millionen möglicherweise doppelt abgegebener
Stimmen keine zu vernachlässigende Größe. Außerdem verletze es den Gleichheitsgrundsatz, wenn die Stimme
einzelner Bürger doppelt, die von anderen nur einfach gewertet werde. Die Durchführung der Europawahl
genüge nicht den Kriterien einer demokratischen Wahl.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 164 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 165 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchsführer
nennen keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 166 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 167 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 35

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn U. S., 73760 Ostfildern,

– Az.: EuWP 65/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 16. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Herr G. d. L. habe an der Europawahl 2014 zweimal teilgenommen, er, der Einspruchsführer, hingegen nur
einmal. Dies verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen

Drucksache 18/4000 (neu) – 168 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 169 – Drucksache 18/4000 (neu)

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik

Drucksache 18/4000 (neu) – 170 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 171 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 36

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. K., 53721 Siegburg,

– Az.: EuWP 67/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 21. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Durch die Aussage mindestens des Herrn G. d. L. im Fernsehen sei bewiesen, dass mindestens in einem Fall
eine gesetzlich nicht zulässige mehrfache Stimmabgabe erfolgt sei. Weiter sei in der gleichen Sendung der
Verdacht geäußert worden, dass dies mehrfach geschehen sei, was die anwesenden Politiker unwidersprochen
gelassen hätten. In der Presse sei in den darauffolgenden Tagen mehrfach die gleiche Vermutung geäußert
worden. Gleichzeitig sei bestätigt worden, dass eine mehrfache Stimmabgabe wegen Aufenthalts im Ausland
und damit verbundener Mehrfachregistrierung zur Wahl erfolgt sei. Damit sei zumindest in einem Fall erwie-
senermaßen gegen das Verbot der mehrfachen Stimmabgabe verstoßen worden. Weitere sehr wahrscheinliche
Fälle seien gesetzlich zu verfolgen und aufzuklären.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken

Drucksache 18/4000 (neu) – 172 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 173 – Drucksache 18/4000 (neu)

darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen

Drucksache 18/4000 (neu) – 174 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 175 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 37

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. S., 64331 Weiterstadt,

– Az.: EuWP 71/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem am 24. Juni 2014 eingegangenen Schreiben Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai
2014 eingelegt.

Bei der Europawahl habe es kein gültiges Wählerverzeichnis bzw. Register gegeben, welches gewährleiste,
dass ein Wahlberechtigter nur einmal seine Stimme abgeben könne. Das Eingeständnis des Herrn G. d. L.
zweimal gewählt zu haben, sei wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. Die Möglichkeit, eine zweite
Stimme abzugeben, hätten bei der Europawahl 2014 einige Millionen Wähler gehabt. Ein Beispiel: Durch die
Möglichkeit der Briefwahl oder der Stimmabgabe in den jeweiligen diplomatischen Vertretungen habe bei der
Abgabe einer zweiten Stimme nicht einmal ein „großer Ortswechsel“ vorgenommen werden müssen. Eine de-
mokratische Wahl bedeute, dass ein Wähler auch nur eine Stimme habe. Dass es kein gültiges Wählerverzeich-
nis bzw. Register für Europawahlen gebe, sei ein gravierender Verstoß gegen die Prinzipien von demokrati-
schen Wahlen, wie sie im Grundgesetz eindeutig niedergelegt seien.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 176 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 177 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 178 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 179 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 38

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau J. S.-N., 6020 Emmenbrücke (CH),

– Az.: EuWP 75/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Schreiben vom 10. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 einge-
legt.

Sie lege als deutsch-schweizerische Doppelbürgerin Einspruch ein gegen den Ausgang der Europawahl. In der
Presse sei nachzulesen, dass nicht nur Herr G. d. L., wie seit dem Wahlabend bundesweit bekannt, seine Stimme
zweimal abgegeben habe, sondern 13,6 Millionen anderer Bürger, die im europäischen Ausland leben, und
zusätzlich alle jene mit doppelter Staatsbürgerschaft wie Herr d. L. in Europa zumindest dieselbe Möglichkeit
gehabt hätten. Nur in Litauen sei kontrolliert worden, ob Ausländer dort zur Wahl gegangen seien, und dies
dann an die jeweiligen Wahlleiter der Heimatländer weitergeleitet worden. Bei einem derart knappen Wahler-
gebnis wie dem der Europawahl seien mehr als 13,6 Millionen möglicherweise doppelt abgegebener Stimmen
keine zu vernachlässigende Größe. Außerdem verletze es den Gleichheitsgrundsatz, wenn die Stimme einzelner
Bürger doppelt, die von anderen nur einfach gewertet werde. Die Durchführung der Europawahl genüge nicht
den Kriterien einer demokratischen Wahl.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 180 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 181 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchsführe-
rin nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 182 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 183 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 39

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. S., 49143 Bissendorf,

– Az.: EuWP 76/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 16. Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Herr G. d. L. habe bei der Europawahl mehrere Stimmen (als Italiener und als Deutscher) abgegeben, wie er in
einer Fernsehsendung erklärt habe. Mit seinen Stimmen habe Herr d. L. – verglichen mit ihm, dem Einspruchs-
führer – einen doppelt so hohen Erfolgswert auf das Ergebnis der Wahl und bei der Zusammensetzung des
Europäischen Parlamentes. Mit Herrn d. L. hätten Hunderttausende Bürger mit gleichen Voraussetzungen
(mehrfachen Staatsbürgerschaften und mehreren Pässen von EU-Mitgliedstaaten) die Möglichkeit, mehrere
Stimmen abzugeben und damit vielfach Einfluss auf die Repräsentation im Europäischen Parlament zu nehmen
(vergleichbar mit dem Preußischen Dreiklassenwahlrecht). Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-
lichkeit davon auszugehen, dass sie davon Gebrauch gemacht hätten. Auch schlössen die einschlägigen Wahl-
gesetze die mehrfache Stimmabgabe von Bürgern der EU-Mitgliedstaaten mit mehrfachen Staatsbürgerschaf-
ten und Pässen nicht bzw. nicht wirksam aus. Sie seien damit verfassungswidrig. Das Wahlverfahren zum
Europäischen Parlament schließe gleichermaßen die mehrfache Stimmabgabe solcher Unionsbürger nicht oder
nicht wirksam aus. Durch all dies werde sein, des Einspruchsführers, Grundrecht auf Wahlrechtsgleichheit
verletzt. Neben den allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen werde auch das Demokratieprinzip verletzt.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines

Drucksache 18/4000 (neu) – 184 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 185 – Drucksache 18/4000 (neu)

Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des

Drucksache 18/4000 (neu) – 186 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 187 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 40

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn K. S., 22113 Oststeinbek,

– Az.: EuWP 77/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 28. Mai Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014
eingelegt.

Medienberichten sei zu entnehmen, dass ein Bürger der Bundesrepublik Deutschland, Herr G. d. L., sowohl als
Inhaber der deutschen als auch der italienischen Staatsangehörigkeit an der Europawahl teilgenommen und
somit unzulässigerweise zweimal sein Wahlrecht in Anspruch genommen habe. Dieser Einzelfall verfälsche
zwar rechnerisch marginal, juristisch aber fundamental nicht nur die Wertigkeit seiner, des Einspruchsführers,
Stimme, sondern die Wertigkeit aller abgegebenen Stimmen. Durch diese Art von Wahlmanipulation sei of-
fenbar geworden, dass es an einer Kontrollmöglichkeit dieser fehlerhaften Verfahrensweise mangele. Diese
Lücke sei deshalb als ein fundamentaler Verfahrensfehler zu qualifizieren, weil sie vielfach ausgenutzt worden
sein könnte. Nach aller Lebenserfahrung dürfte dies der Fall sein. Die Durchführung der Europawahl sei des-
halb verfahrenswidrig. Die Wahlergebnisse seien verfälscht. Er fordere eine Überprüfung dahingehend, wie
viele deutsche Staatsbürger Inhaber einer weiteren Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates seien, in wie
vielen Fällen für solche Bürger mehrfach Wahlscheine ausgestellt worden seien und in wie vielen Fällen diese
Staatsangehörigen mehrfach von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hätten. Sollten sich weitere Missbrauchs-
fälle – wie zu vermuten sei – herausstellen, würde dies die Grundsätzlichkeit des Verfahrensverstoßes unter-
streichen. Der Einspruch beziehe sich auf das Wahlverfahren in allen EU-Mitgliedstaaten. Jeder Verstoß bzw.
schon die Möglichkeit einer Manipulation beeinträchtige die Wertigkeit seiner Stimme.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache

Drucksache 18/4000 (neu) – 188 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 189 – Drucksache 18/4000 (neu)

gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

I.

Der Einspruch ist unzulässig, soweit der Einspruchsführer die Wahl in allen EU-Mitgliedstaaten anficht. Ge-
genstand der Wahlprüfung vor dem Deutschen Bundestag kann gemäß § 26 des Europawahlgesetzes (EuWG)
in Verbindung mit § 1 Absatz 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) nur die Wahl der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland sein.

II.

Soweit er zulässig ist, ist der Einspruch unbegründet.

Drucksache 18/4000 (neu) – 190 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 191 – Drucksache 18/4000 (neu)

verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 41

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau K. G., 76149 Karlsruhe,

– Az.: EuWP 79/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Schreiben vom 5. Juli Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014
eingelegt.

Gemäß § 1 des Europawahlgesetzes (EuWG) würden die Abgeordneten in allgemeiner, unmittelbarer, freier,
gleicher und geheimer Wahl gewählt. Da es Wählern jedoch möglich gewesen sei, unter bestimmten Umstän-
den in anderen EU-Ländern ebenfalls an der Wahl von Abgeordneten des Europäischen Parlaments teilzuneh-
men, sehe sie den Wahlgrundsatz der gleichen Wahl verletzt. So habe zum Beispiel Herr G. d. L. in einer
öffentlichen Fernsehsendung eingeräumt, sowohl in Deutschland als auch in Italien abgestimmt zu haben. Sie
gehe davon aus, dass auch andere Wählerinnen und Wähler von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten.
Hierdurch sehe sie ihr Recht auf gleiche Wahl verletzt.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 EuWG
geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden
hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der Europawahlordnung – EuWO).
Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl
– auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache Stimmabgabe bei der Europawahl sei
im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a des Strafgesetzbuches (StGB). Wie
auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines rechtlichen Verbots eine Vorkehrung
zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertretungsfall Gesetzesverstöße von den Straf-
verfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Einsprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder

Drucksache 18/4000 (neu) – 194 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 195 – Drucksache 18/4000 (neu)

unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchsführe-
rin nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der

Drucksache 18/4000 (neu) – 196 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 197 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 42

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau E. R. K., 6345 Kössen (AUT),

– Az.: EuWP 82/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Fax vom 9. Juli 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Ab-
geordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2015 eingelegt.

Sie rügt mehrere Sachverhalte:

1. Die Bundesrepublik besitze keinen völkerrechtlichen Status. 52 % der Wahlberechtigten hätten sich gegen
das Europäische Parlament ausgesprochen. Das Europäische Parlament sei kein „Bestandteil“ eines souveränen
Staates. Die EU sei rechtswidrig durch Diktatoren, ohne Volksbeteiligung, entstanden.

2. Der bekannte Journalist G. d. L. habe in einer Fernsehsendung erklärt, er habe als deutscher und italienischer
Staatsbürger einmal in einem italienischen Konsulat und einmal in einem deutschen Wahllokal abgestimmt.
Dies widerspreche den Wahlstatuten. Es bleibe zu hoffen, dass die deswegen ermittelnde Staatsanwaltschaft
Hamburg, auch mit Unterstützung anderer Stellen, europaweit anhand aller „Wählerlisten“ die Stimmabgabe
aller Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft überprüfe.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Drucksache 18/4000 (neu) – 198 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 199 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die unter Ziffer 1 des Tatbestandes genannten Einwände der Einspruchsführerin sind weder historisch noch
juristisch nachvollziehbar. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein souveräner Staat. Die EU ist kein Staat,
sondern ein durch Verträge ihrer Mitgliedstaaten gegründeter Staatenverbund. Die Verträge der Mitgliedstaa-
ten wurden von den dafür nach der jeweiligen nationalen Rechtsordnung befugten Vertretern geschlossen. Be-
teiligt waren von deutscher Seite die Bundesregierung, deren Regierungschef gemäß Artikel 63 des Grundge-
setzes vom Deutschen Bundestag gewählt wird, sowie der von der Bundesversammlung gewählte Bundesprä-
sident. Das Europäische Parlament ist ein Organ dieses Verbundes.

2. a) Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprü-
fungsausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchs-
führerin nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft
diejenige (mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürger-
schaft in einem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere
Staatsangehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Hei-
matstaat leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen

Drucksache 18/4000 (neu) – 200 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

haben. Vielmehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewie-
sen wird (vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen,
dass sich alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürger-
schaft des Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO
stellen, ins deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur
EuWO darauf hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personen-
kreis ein Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

b) Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 201 – Drucksache 18/4000 (neu)

Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 203 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 43

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn A. H., 81247 München,

– Az.: EuWP 83/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 12. Juli 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Bei der Europawahl hätten, wie durch den Fall des Herrn G. d. L. bekannt geworden sei, etwa eine Million
wahlberechtigte deutsche Staatsangehörige, welche zugleich eine oder mehrere andere europäische Staatsan-
gehörigkeit/en besitzen, mangels entsprechender Vorkehrungen die Wahlunterlagen mehrfach erhalten und
deshalb unbemerkt mehrfach abgestimmt. Das sei unzulässig: Mehrfache Staatsangehörigkeit berechtige nicht
zur mehrfachen Stimmabgabe. Dadurch würden die Grundsätze für die Europawahl verletzt und diese Wahl
verfälscht: Bei korrekter Durchführung hätte sie ein anderes Ergebnis gehabt.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern

Drucksache 18/4000 (neu) – 204 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 205 – Drucksache 18/4000 (neu)

unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der

Drucksache 18/4000 (neu) – 206 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 207 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 44

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

1. der Frau J. B., 66386 St. Ingbert,
2. der Frau E. D., ebenda,

3. des Herrn H. D., ebenda,
4. des Herrn N. K., 66333 Völklingen,
5. der Frau G. M., 66121 Saarbrücken,

6. des Herrn P. M., ebenda,
7. des Herrn E. P., 23779 Neukirchen,
8. des Herrn H. R., 66386 St. Ingbert,

9. der Frau C. S, 66359 Bous,
10. der Frau G. S., 58566 Kierspe,

11. des Herrn S. W., 66987 Thaleischweiler-Fröschen,
12. der Frau J. W., 66482 Zweibrücken,

vertreten durch Herrn Rechtsanwalt P. R., 66121 Saarbrücken,

– Az.: EuWP 92/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

1. Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Auslagenersatz wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführer haben mit einem Schreiben und einem Fax ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 23.
Juli Juni 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus
der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

Sie halten die angefochtene Europawahl wegen mandatsrelevanter Wahlfehler für ungültig.

I.

Ein erster Wahlfehler sei darin zu erblicken, dass Herr G. d. L. bei der aktuellen Europawahl zweimal gewählt
habe, und zwar einmal am 24. Mai 2014 im italienischen Konsulat und einmal am 25. Mai 2014 in einer Ham-
burger Grundschule. Dies stelle einen Verstoß gegen § 6 Absatz 4 des Europawahlgesetzes (EuWG) dar, wo-
nach das Wahlrecht nur einmal und nur persönlich ausgeübt werden dürfe, wobei dies ausdrücklich auch für
Wahlberechtigte gelte, die zugleich in einem anderen EU-Mitgliedstaat zum Europäischen Parlament wahlbe-
rechtigt sind. Zugleich sei der Straftatbestand der Wahlfälschung (§ 107a Absatz 1 des Strafgesetzbuches –
StGB) verwirklicht.

Ein zweiter Wahlfehler bestehe darin, dass das deutsche Europawahlrecht in § 6 EuWG in Verbindung mit
§§ 15, 17b der Europawahlordnung (EuWO) keine Vorkehrungen bereithalte, um zu verhindern, dass Personen,
welche neben der deutschen Staatsangehörigkeit zugleich die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitglied-
staats innehaben, sowohl in Deutschland als auch in dem anderen Mitgliedstaat, in das jeweilige Wählerver-
zeichnis eingetragen werden und somit doppelt wählen können. Der Doppelpass-Inhaber werde, da er ja Deut-
scher sei, von Amts wegen in das Wählerverzeichnis seiner Wohnsitzgemeinde in Deutschland eingetragen.

Drucksache 18/4000 (neu) – 208 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Da er zugleich Staatsangehöriger eines anderen EU-Mitgliedstaates sei, werde er auch in das dortige Wähler-
verzeichnis eingetragen. Bei der Stimmabgabe in Deutschland sei nun nicht gewährleistet, dass die deutschen
Wahlorgane von einer vorherigen Stimmabgabe in dem anderen EU-Mitgliedstaat Kenntnis erlangten bzw.
umgekehrt, dass nach erfolgter Stimmabgabe in Deutschland der jeweils andere Mitgliedsstaat über die erfolgte
Ausübung des Wahlrechts in Deutschland informiert werde. So hätten Recherchen des Bundeswahlleiters laut
einem Pressebericht ergeben, dass in fünf EU-Mitgliedstaaten eine automatische Aufnahme der im Ausland
lebenden Staatsangehörigen in die dortigen Wählerverzeichnisse erfolgt sei, insbesondere auch in Italien. Unter
denjenigen Mitgliedstaaten, in denen die Eintragung als im Ausland lebender Staatsangehöriger in das Wäh-
lerverzeichnis beantragt werden muss, gebe es fünf Staaten, in denen die einmal erfolgte Eintragung über meh-
rere Jahre hinweg oder sogar unbegrenzt fortgeschrieben würde. Demzufolge übersende der überwiegende Teil
dieser Mitgliedstaaten den im Ausland lebenden Staatsangehörigen offenbar automatisch die Wahlunterlagen.
Problematisch sei zudem, dass kein Verzeichnis existiere, in dem sämtliche in Deutschland wahlberechtigten
Doppelpass-Inhaber festgehalten seien. Da nach groben Schätzungen ca. acht Millionen wahlfähige Europäer
betroffen seien, liege ein schwerwiegendes Defizit des deutschen Europawahlrechts vor, welches die Gefahr
einer Wahlfälschung in erschreckend großem Ausmaß berge; im Falle des Herrn d. L. habe sich diese Gefahr
auch verwirklicht. Ob tatsächlich eine doppelte Stimmabgabe in diesem Umfang stattgefunden habe, werde
von Seiten des Wahlprüfungsausschuss zu ermitteln sein. Fakt sei jedoch, dass allein die Lückenhaftigkeit des
deutschen Europawahlrechts einen Wahlfehler darstelle, denn ein Wahlrecht, das die Einhaltung des für die
Demokratie grundlegenden Prinzips der Zählwertgleichheit der Wählerstimmen („One man, one vote“) nur
dem Zufall oder der Rechtstreue der Bürger überlasse, erweise sich als verfassungswidrig. Zur Abstellung die-
ses Missstands müsste eine Optionspflicht dergestalt geschaffen werden, dass sich ein Doppelpass-Inhaber klar
entscheiden müsse, in welchem Mitgliedsstaat er sein Wahlrecht ausüben wolle. Die Wahlunterlagen dürften
ihm erst dann übersandt bzw. ausgehändigt werden, wenn sichergestellt sei, dass das Wahlrecht bislang in dem
anderen Mitgliedsstaat nicht ausgeübt wurde. Gleichzeitig müsste dem anderen Mitgliedsstaat durch die deut-
schen Wahlorgane Mitteilung gemacht werden, dass der Betreffende in Deutschland bereits gewählt hat, und
es müsste im Wählerverzeichnis des anderen Mitgliedsstaats ein Sperrvermerk eingetragen werden.

Ein weiterer Wahlfehler sei darin zu erblicken, dass das deutsche Europawahlrecht in § 6 EuWG in Verbindung
mit §§ 15-17b EuWO keine Vorkehrungen bereithalte, um zu verhindern, dass Angehörige eines anderen EU-
Mitgliedstaats sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in das Wählerverzeichnis eingetragen
werden und somit doppelt wählen können. Insofern stelle sich eine ähnliche Problematik wie die unter 2. dar-
gelegte, allerdings nicht bezogen auf Doppelpass-Inhaber, sondern auf Angehörige eines anderen EU-Mitglied-
staates, die in Deutschland wählen möchten. Die Problematik einer möglichen doppelten Stimmabgabe habe
der Verordnungsgeber zwar grundsätzlich gesehen, allerdings völlig unzureichende Schutzmechanismen vor-
gesehen, um eine Abgabe der Wählerstimme in zwei Mitgliedstaaten zu verhindern. So sehe § 17a Absatz 4
Satz 2 Nr. 4 EuWO nämlich lediglich die Abgabe eine eidesstattlichen Versicherung des EU-Ausländers vor,
der in das Wählerverzeichnis einer deutschen Gemeinde eingetragen werden möchte, dass er sein Wahlrecht
ausschließlich in Deutschland ausüben werde. Allein die Abgabe einer solchen eidesstattlichen Versicherung
sei aber völlig ungeeignet, der Gefahr einer doppelten Stimmabgabe wirksam zu begegnen. Vielmehr wäre
auch hier eine gesetzliche Regelung erforderlich, wonach der Antrag eines EU-Ausländers auf Eintragung in
ein deutsches Wählerverzeichnis unverzüglich dem Herkunftsmitgliedstaat zur Kenntnis zu bringen sei. In Li-
tauen werde dies so praktiziert und habe sich offenkundig auch in der Praxis bewährt.

Die festgestellten Wahlfehler müssten zur Wiederholung der gesamten Europawahl führen. Zwar erscheint es
fraglich, ob der von Herrn d. L. abgegebenen Doppel-Stimme Mandatsrelevanz zukomme, allerdings werde
von Seiten des Wahlprüfungsausschusses zu prüfen sein, ob auch in weiteren Fällen eine mehrfache Stimmab-
gabe erfolgt sei. Selbst wenn eine solche Prüfung keine neuen Erkenntnisse hervorbringen würde, stelle alleine
schon der Umstand, dass das geltende Wahlrecht eine millionenfache doppelte Stimmabgabe ermögliche, die
Legitimität der gesamten Europawahl in Frage und lasse die Durchführung einer Wiederholungswahl als un-
abdingbar erscheinen.

II.

Die Einspruchsführer beantragen die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen aus der Staatskasse.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 209 – Drucksache 18/4000 (neu)

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 EuWG
geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden
hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 EuWO). Auf diese Zusammenhänge
gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von
Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zu-
dem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a StGB. Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die straf-
rechtliche Bewehrung eines rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten
Verhaltens. Dass im Übertretungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt wür-
den, werde aus dem den Einsprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-

Drucksache 18/4000 (neu) – 210 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich zu dem Wahleinspruch am 6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 211 – Drucksache 18/4000 (neu)

Entscheidungsgründe

I.

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch die Einspruchsführer
nennen keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

Drucksache 18/4000 (neu) – 212 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

II.

Eine Erstattung der notwendigen Auslagen ist nach Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und den
Belangen der Einspruchsführer nicht gerechtfertigt. Zwar liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Ab-
satz 1 Satz 2 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) vor. Hiernach können dem in nicht amtlicher Eigenschaft
Einsprechenden notwendige Auslagen erstattet werden, wenn dem Einspruch stattgegeben oder der Einspruch
nur deshalb zurückgewiesen wurde, weil der geltend gemachte Mangel keinen Einfluss auf das Wahlergebnis
gehabt hat. Wie bereits dargelegt, ist der Wahleinspruch der Einspruchsführer nur deshalb zurückgewiesen
worden, weil der geltend gemachte Mangel keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt hat. § 19 WPrüfG
räumt dem Bundestag jedoch hinsichtlich der Entscheidung der Frage, ob Auslagenersatz gewährt werden soll
oder nicht, ein Ermessen ein. Dieses ist dem Zweck des § 19 WPrüfG entsprechend auszuüben, wobei die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten sind. Nach der Verfahrenspraxis des Deutschen Bundestages
werden Anträge auf Kostenerstattung nur bei Vorliegen besonderer Umstände, zum Beispiel in Härtefällen,
bewilligt (vgl. Bundestagsdrucksache 12/1002, Anlage 29). Im vorliegenden Fall fehlt es an derartigen beson-
deren Umständen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 213 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 45

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. M., 50169 Kerpen,

– Az.: EuWP 96/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 22. Juli 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

1. Er trägt vor, eine Vielzahl von Wählern habe offensichtlich in unzulässiger Weise doppelt abgestimmt. Die
Stimmen von bis zu acht Millionen Europäern könnten davon betroffen sein. Von zahlreichen Pannen bei der
Stimmabgabe sei die Rede. Dabei gehe es nicht nur darum, dass etliche Doppelpassinhaber zweimal hätten
wählen können, wie es Herr G. d. L. in einer Fernsehsendung zugegeben habe, der offensichtlich nicht der
einzige gewesen sei. Das Kontrollsystem für Europäer, die in einem anderen EU-Land als in ihrem Herkunfts-
land leben und sich im Wählerverzeichnis ihres Wohnlandes registrieren lassen, funktioniere nach Medien-
recherchen nicht recht. Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages habe die Rechtslage kritisiert.
Für den ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts könnte dieses ausreichend sein, um die Euro-
pawahl 2014 für ungültig zu erklären. Ein Bonner Staatsrechtler habe erklärt, die Rechtmäßigkeit der gesamten
Europawahl stehe in Frage.

2. Bei 96 zu wählenden deutschen Abgeordneten sollte man eigentlich davon ausgehen, dass zur Erlangung
des ersten bzw. eines Mandats ein Stimmenanteil von gut 1 % erforderlich sei. Auch der Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts sei offensichtlich davon ausgegangen. In seinem Urteil vom 26. Februar 2014, in
dem es die Drei-Prozent-Hürde „gekippt“ habe, heiße es dementsprechend: „Ein Sitz im Europäischen Parla-
ment kann bereits mit etwa einem Prozent der abgegebenen Stimmen errungen werden“, wenn die Sperrklausel
ihre Wirksamkeit nicht entfalte. Aufgrund der Anwendung des Verfahrens nach Sainte-Laguë/Schepers sei es
jedoch vielmehr so, dass es bei der Europawahl faktisch ein Grundmandat für alle Parteien gebe, die einen
Stimmenanteil von wenigstens 0,5 Prozent erhielten. Die Anzahl der benötigten Stimmen für ein Mandat vari-
iere zwischen 428.524 Stimmen (Freie Wähler) und 184.525 Stimmen (Die PARTEI). Jede Stimme bei einer
Wahl sei gleich viel wert und jedes Mandat sollte sich in etwa auf gleich viele Stimmen stützen. Diese Grund-
regel der Demokratie sei hier offenkundig verletzt worden. Wie sich der (vom Einspruchsführer angehängten)
Tabelle entnehmen lasse, benötigten einige Partien mehr als doppelt so viele Stimmen für ein Mandat wie
andere. Von einer gleichen Wahl, wie sie das Grundgesetz vorsehe, könne also keine Rede sein.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Drucksache 18/4000 (neu) – 214 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 215 – Drucksache 18/4000 (neu)

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Drucksache 18/4000 (neu) – 216 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. a) Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprü-
fungsausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchs-
führer nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft die-
jenige (mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft
in einem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staats-
angehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimat-
staat leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben.
Vielmehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 217 – Drucksache 18/4000 (neu)

b) Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.

2. Die Zuteilung der Mandate für das deutsche Wahlgebiet der Europawahl 2014 folgte § 2 EuWG und damit
den gesetzlichen Vorgaben. Eine faktische Sperrklausel in Höhe von etwa 1 % findet im Gesetzeswortlaut
keinen Widerhall.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 219 – Drucksache 18/4000 (neu)

Anlage 46

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. D., 71638 Ludwigsburg,

– Az.: EuWP 99/14 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 25. Mai 2014
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 5. Februar 2015 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 22. Juli 2014 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014 eingelegt.

In den Medien sei darüber berichtet worden, dass eine große Zahl von Unionsbürgern die Möglichkeit gehabt
habe, bei der Europawahl zweimal zu wählen, und dass diese Möglichkeit auch genutzt worden sei. Damit sei
das Prinzip der Gleichheit der Wahl schwerwiegend verletzt worden. Die Staaten der EU hätten keine ausrei-
chenden Vorkehrungen gegen diese Gefahr getroffen.

Das Bundesministerium des Innern hat zur Frage der (angeblichen) mehrfachen Stimmabgabe am 10. No-
vember 2014 wie folgt Stellung genommen:

Sofern ein Wahlfehler wegen der öffentlichen Selbstbezichtigung des Herrn d. L. wegen Wahlfälschung durch
unbefugte doppelte Wahlteilnahme geltend gemacht werde, fehle es an der Ergebnisrelevanz dieses Einzelfalls.
Eine Hochrechnung auf die Zahl der Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mit-
gliedstaates oder alle Doppelstaater in der EU wäre ohne Tatsachengrundlage, da die Tatsache, dass ein Deut-
scher oder andere Unionsbürger noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der EU
besäßen, nicht den Verdacht der Begehung von Straftaten begründen könne.

Unzutreffend sei die Behauptung, dass keine Vorkehrungen getroffen seien, um eine doppelte Stimmabgabe
bei der Europawahl zu verhindern: Unionsrechtlich sei in Artikel 9 des Direktwahlakts (DWA) und Artikel 4
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG vorgegeben und im deutschen Europawahlrecht in § 6 Absatz 4 des Eu-
ropawahlgesetzes (EuWG) geregelt, dass jeder nur einmal wählen dürfe. Hierauf werde in den Wahlbekannt-
machungen der Gemeinden hingewiesen, die am Wahltag auch in allen Wahlgebäuden aushingen (§ 41 der
Europawahlordnung – EuWO). Auf diese Zusammenhänge gehe auch der Bundeswahlleiter in seiner Öffent-
lichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl – auch auf Anfragen von Zeitschriften – regelmäßig ein. Eine mehrfache
Stimmabgabe bei der Europawahl sei im deutschen Recht zudem eine Straftat der Wahlfälschung nach § 107a
des Strafgesetzbuches (StGB). Wie auch sonst in der Rechtsordnung sei die strafrechtliche Bewehrung eines
rechtlichen Verbots eine Vorkehrung zur Verhinderung rechtlich missbilligten Verhaltens. Dass im Übertre-
tungsfall Gesetzesverstöße von den Strafverfolgungsbehörden auch verfolgt würden, werde aus dem den Ein-
sprüchen zugrundeliegenden Fall deutlich.

Es stelle keinen Wahlfehler dar, dass bei einer Stimmabgabe eines wahlberechtigten Deutschen in Deutschland
eine mögliche vorherige Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorab bekannt werde. Dies wäre
nur bei einem europaweitem Wählerregister mit elektronisch in Echtzeit übermittelten Stimmabgabevermerken
möglich; ein solches Wählerverzeichnis sei weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene vorgesehen oder
eingerichtet. Die Stimmabgabevermerke erfolgten auch bei der Europawahl in den nationalen Wählerregistern
und könnten im Falle strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich abgeglichen werden. Eine Optionspflicht, nach

Drucksache 18/4000 (neu) – 220 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
der Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sich für die Wahrnehmung ihres Wahl-
rechts bei der Europawahl in einem Mitgliedstaat entscheiden müssten, sei unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Sie könnte durch nationales Europawahlrecht nicht einseitig eingeführt werden, da kein Mitgliedstaat einen
Unionsbürger zum Verzicht seiner Rechte aus der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates zwingen
könne. Sie wäre nicht umsetzbar, da den Mitgliedstaaten nicht durchweg bekannt sei, ob ein Staatsangehöriger
auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates besitzt. Da in den Mitgliedstaaten nicht durchgän-
gig erfasst werde, welche ihrer Staatsangehörigen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates
hätten, und weil selbst in diesem Fall kein Unionsbürger verpflichtet sei, sich vorab für die Wahrnehmung
seiner Aktivbürgerrechte aus der einen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei auch ein Informationsaustausch
unter den Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht vorgesehen. Der in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG geregelte
Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten beziehe sich angesichts der begrenzten Ermächtigung in Ar-
tikel 22 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur auf Unionsbürger,
die in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, an der Europawahl teilneh-
men wollten. Wenn Deutsche mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in Deutschland an der Europawahl teil-
nähmen, handele es sich aber nicht um Unionsbürger, die in einem Wohnsitzmitgliedstaat wählten, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht hätten, sondern um eigene Staatsangehörige.

Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass keine Vorkehrungen für den Fall getroffen seien, dass Staatsange-
hörige anderer Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in Deutschland sich für die Europawahl in Deutschland in das
Wählerverzeichnis eintragen ließen. Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die sich zur Teilnahme
an der Europawahl in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat Deutschland in das Wählerverzeichnis eintragen ließen,
würden bei ihrer Antragstellung nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO mit dem Merkblatt zum Antragsformular
(Anlage 2A zur EuWO) wie die deutschen Wahlberechtigten in der Wahlbekanntmachung darauf hingewiesen,
dass niemand an der Wahl zum Europäischen Parlament mehrfach teilnehmen dürfe. Auch für sie gelte die
Strafbewehrung des § 107a StGB. Für diejenigen, die nicht aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, son-
dern als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland in das deutsche Wähler-
register eingetragen würden, sei zudem durch Artikel 13 der Europawahlrichtlinie 93/109/EG auf der primär-
rechtlichen Grundlage des Artikels 22 Absatz 2 Satz 2 AEUV ein Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten eingerichtet, der in Deutschland durch § 17a Absatz 5 EuWO geregelt sei. Dabei übermittle jeder Wohn-
sitzmitgliedstaat in elektronischer Form dem Herkunftsmitgliedstaat die Daten von Staatsangehörigen des Her-
kunftsmitgliedstaats, die im Wohnsitzmitgliedstaat die Eintragung ins Wählerregister beantragt hätten. Der je-
weilige Herkunftsmitgliedstaat streiche diese daraufhin in seinem Wählerverzeichnis. Unionsbürger, die in dem
Mitgliedstaat wählten, dessen Staatsangehörige sie seien, fielen nicht in diesen Informationsaustausch. Denn
sie beantragten nicht die Wahlteilnahme in einem Wohnsitzmitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht
seien, sondern sie wählten in ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Das gelte bei Doppelstaatern für beide Mitglied-
staaten, deren Staatsangehörige sie seien.

Soweit ein Verstoß der europarechtlichen und nationalen Regelung gegen die Wahlrechtsgleichheit geltend
gemacht werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Artikel 3
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 129,
300, 317 f.) nur für die Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gelte. Durch eine illegale zweite Stimmabgabe in einem anderen Mitgliedstaat sei die Erfolgswertgleichheit
der Stimmen bei der Wahl der in Deutschland zu wählenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht
betroffen. Bezüglich der europaweiten Wahl aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus allen Mit-
gliedstaaten gelte der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-
land auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht. Nach dem für die europa-
weite Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments geltenden Artikel 1 Absatz 3 DWA erfolgt die
Europawahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim, nicht aber gleich. Unionsrechtlich gelte für das Verhältnis
zwischen den Wählern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zwar nicht wie für die Wahl des deutschen Kon-
tingents der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Aber nach Artikel 9 DWA und Artikel 4 der Europawahl-
richtlinie 93/109/EG dürfe bei der Europawahl niemand mehr als eine Stimme abgeben.

Soweit Wahleinsprüche darauf abstellten, dass Doppelstaater künftig über die tatsächliche Möglichkeit der
Stimmabgabe in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige sie seien, informiert seien, sei
darauf hinzuweisen, dass sie künftig gleichzeitig auch über die Illegalität und Strafbarkeit der Doppelwahl
unter diesen Umständen und das Risiko der strafrechtlichen Durchsetzung des Verbots durch die Strafverfol-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 221 – Drucksache 18/4000 (neu)
gungsbehörden der Mitgliedstaaten informiert seien. Zudem könne wie in anderen Lebensbereichen die tat-
sächliche Möglichkeit eine Übertretung rechtlicher Verbote nicht indizieren; vielmehr könne der Rechtsstaat
grundsätzlich von rechtstreuem Verhalten der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ausgehen, insbesondere
wenn ein rechtliches Verbot strafrechtlich bewehrt sei.

Der Bundeswahlleiter hat anlässlich von zwei Wahleinsprüchen zur Frage der mehrfachen Stimmabgabe am
6. Januar 2015 wie folgt Stellung genommen:

Richtig sei, dass nach den Zensuszahlen 2011 (und zu diesem Stichtag 9. Mai 2011) rund eine Millionen Deut-
sche eine weitere EU-Staatsangehörigkeit besessen hätten. Rein theoretisch wäre es für eine große Zahl dieses
Personenkreises möglich gewesen, die Stimme sowohl für die Abgeordneten aus Deutschland wie auch für die
Abgeordneten des jeweilig anderen Heimatlandes abzugeben. Die von ihm in der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vorgetragenen Rechercheergebnisse über die Handhabung der anderen Mitgliedstaaten ihren im Aus-
land lebenden Staatsangehörigen gegenüber in Bezug auf Übersendung von Wahlunterlagen u. Ä. hätten aber
lediglich dazu gedient, die Problematik der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen.
Schlussfolgerungen bezüglich der Anzahl von doppelter Stimmabgaben bei der Europawahl ließen sich daraus
aber keinesfalls ziehen.

Ob es rechtlich möglich sei, weitere Fälle – unter vertretbarem Aufwand – auszumachen, könne er nicht beur-
teilen. Von dem einen bekannt gewordenen Fall abgesehen, sei ihm kein weiterer offiziell bekannt geworden.
Für diesen Einzelfall lasse sich eine Auswirkung auf die Sitzverteilung definitiv ausschließen.

Unrichtig sei, dass das deutsche Europawahlrecht keine Vorkehrungen bereit halte, um zu verhindern, dass
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU sowohl in Deutschland als auch in ihrem Herkunftsstaat, in
das Wählerverzeichnis eingetragen würden und somit doppelt wählen könnten. Hier finde der durch Artikel 13
der Europawahlrichtlinie 93/109/EG geregelte Informationsaustausch statt, der in Deutschland mit der Rege-
lung in § 17a Absatz 5 EuWO für Unionsbürger, die erstmalig einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeich-
nis stellten, und in § 17b Absatz 1 EuWO für von Amts wegen eingetragene Unionsbürger umgesetzt worden
sei. Auf diesem Wege seien von ihm, dem Bundeswahlleiter, bei der Europawahl 2014 die Daten von insgesamt
172.110 in deutsche Wählerverzeichnisse eingetragenen Unionsbürgern den übrigen Mitgliedstaaten übermit-
telt worden. Im Gegenzug seien von ihm von den übrigen Mitgliedstaaten die Daten von insgesamt 133.703
Deutschen gemeldet worden, die sich in dortige Wählerverzeichnisse hätten eintragen lassen (§ 17 Ab-
satz 5a EuWO).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Außer dem öffentlich gewordenen Fall des Herrn d. L. sind dem Bundeswahlleiter und dem Wahlprüfungs-
ausschuss keine weiteren Fälle einer mehrfachen Stimmabgabe bekannt geworden. Auch der Einspruchsführer
nennt keine weiteren Fälle. Zwar besitzen viele Menschen neben der deutschen Staatsbürgerschaft diejenige
(mindestens) eines weiteren EU-Mitgliedstaates. Auch leben viele Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft in ei-
nem anderen Mitgliedstaat und sind dort wahlberechtigt. Aus dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsan-
gehörigkeiten von EU-Mitgliedstaaten besitzen oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Heimatstaat
leben, folgt aber nicht, dass diese Personen in mehreren Staaten an der Europawahl teilgenommen haben. Viel-
mehr ist angesichts des wahlrechtlichen Verbots (vgl. Artikel 9 DWA, Artikel 4 der Europawahlrichtlinie
93/109/EG, § 6 Absatz 4 EuWG), auf das in den Wahlbekanntmachungen der Gemeinden hingewiesen wird
(vgl. § 41 EuWO), und wegen der Strafandrohung in § 107a StGB grundsätzlich davon auszugehen, dass sich
alle Bürger rechtstreu verhalten (haben). Dies gilt insbesondere für Unionsbürger ohne Staatsbürgerschaft des
Staates, in dem sie leben. Diese werden, wenn sie den Antrag nach § 17a Absatz 4 Nr. 4 EuWO stellen, ins
deutsche Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, mit einem Merkblatt nach Anlage 2A zur EuWO darauf
hingewiesen, dass die mehrfache Stimmabgabe verboten ist. Auch findet für diesen Personenkreis ein Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten statt (vgl. § 17a Absatz 5 EuWO).

Für Vermutungen, dass deutsche Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder in
Deutschland lebende Unionsbürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland und in einem anderen
Mitgliedstaat ihre Stimme abgegeben – und damit mehrfach gewählt – hätten, gibt es keine Belege. Damit der
Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – und einen solchen feststellen – kann,

Drucksache 18/4000 (neu) – 222 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch
realisiert hat. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26 Absatz 2 EuWG
auch für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gelten, findet die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern nur auf zu begründenden Ein-
spruch statt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 26 mit weiteren Nachweisen, 17/2200, Anlage 22).
Da jedoch nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der
Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlage 26; 17/220, Anlage 22; BVerfGE 66, 369 [379]).

Selbst wenn der Wahlprüfungsausschuss feststellen könnte, wie viele Bürger in Deutschland und in einem
anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt haben – was voraussetzt, dass entsprechende Daten vorhanden sind und
deutschen Stellen übermittelt würden –, wäre damit noch nicht geklärt, welche der beiden Stimmen die zu
Unrecht abgegebene zweite Stimme ist. Allein der Umstand, dass zwei Stimmen abgegeben wurden, hat näm-
lich nicht die Ungültigkeit der in Deutschland zur Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments
abgegebenen Stimme zur Folge. Zwar darf bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach den
maßgeblichen Rechtsvorschriften jeder Wähler nur einmal wählen. Dies gilt gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 EuWG
auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäi-
schen Parlament wahlberechtigt sind. Aber aus diesem Verbot folgt nicht automatisch die Ungültigkeit einer
der beiden oder beider Stimmen. Zudem lässt sich die Chronologie der Stimmabgabe(n) oftmals, etwa im Falle
der Briefwahl in zwei Staaten, anhand von Wahldaten nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus ließe sich auch mit vollständig übermittelten Wahldaten anderer EU-Mitgliedstaaten und wenn
bekannt wäre, welche Stimmen (in Deutschland) ungültig sind, wegen des Wahlgeheimnisses das Abstim-
mungsverhalten der Betroffenen (Partei- bzw. Kandidatenauswahl) nicht ermitteln. Es ließe sich also selbst in
diesem Fall nicht feststellen, inwieweit die Wahl in Deutschland durch die verbotene mehrfache Stimmabgabe
beeinflusst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können aber nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind
oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, An-
lagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21).

2. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 GG wurde – unabhängig davon, wie viele
Fälle der mehrfachen Stimmabgabe es gegeben haben könnte – nicht verletzt. Die Wahlrechtsgleichheit gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur für die Wahl der in Deutschland zu bestimmenden
Abgeordneten des Europäischen Parlaments (vgl. BVerfGE 120, 300, 317 f.), des „deutschen Kontingents“.
Die Erfolgswertgleichheit der für das deutsche Kontingent abgegebenen Stimmen ist bzw. wäre durch eine
verbotene zweite Stimmabgabe in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht verletzt. Der in Artikel 3 Absatz 1 GG
niedergelegte Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist in anderen Mitgliedstaaten oder in der EU als Ganzes
nicht anwendbar. Dies zeigt auch Artikel 1 Absatz 3 DWA, wonach die Europawahl allgemein, unmittelbar,
frei und geheim, aber nicht gleich zu sein hat. Andernfalls wäre es im Übrigen nicht möglich, den Mitglied-
staaten feste Sitzkontingente zuzuweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union
in Verbindung mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2013 über die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments [2013/312/EU, Amtsblatt der EU 2013 L 181/57]) und die kleineren Staaten wie
Luxemburg oder Malta zu berücksichtigen, ohne das Parlament zu groß werden zu lassen.
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