BT-Drucksache 18/3997

Deutsche Zulieferungen an die Chemiewaffenprogramme in Irak und Syrien

Vom 11. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3997
18. Wahlperiode 11.02.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Wolfgang Gehrcke,
Annette Groth, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler
und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsche Zulieferungen an die Chemiewaffenprogramme
in Irak und Syrien

In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestags-
drucksache 18/750) schrieb das Auswärtige Amt, dass das Bekanntwerden von
Namen von Unternehmen, die am Aufbau des Chemiewaffenprogramms in
Syrien beteiligt waren, nicht hingenommen werden könne. Begründet wurde
dies unter Punkt 2b der Vorbemerkung der Bundesregierung mit möglichen
schwerwiegenden Folgen für die betroffenen Firmen, falls deren Namen im Zu-
sammenhang mit den syrischen Chemiewaffen bekannt würden. Nun hat das
Magazin „DER SPIEGEL“ am 24. Januar 2015 („Was geht die das an?“) einen
Bericht veröffentlicht, demzufolge in bereits publizierten Dokumenten des Aus-
wärtigen Amts mehrere Firmennamen genannt werden, die am Aufbau des
syrischen Chemiewaffenprogramms beteiligt gewesen sein sollen. Somit ist die
ursprüngliche – von vornherein sehr fragwürdige – Begründung der Bundes-
regierung für die Nichtnennung der Namen beteiligter Firmen entfallen. Auch
gab es keinerlei Reaktionen der Öffentlichkeit auf diese „SPIEGEL“-Publika-
tion – ebensowenig wie auf das Bekanntwerden der am irakischen Chemiewaf-
fenprogramm beteiligten Firmen vor 20 Jahren –, die Anlass für die von der
Bundesregierung unter Punkt 2b geäußerte Sorge geben könnte, dass „die be-
troffenen Unternehmen Opfer von gezielten Kampagnen bis hin zu Anschlägen
und Übergriffen Dritter werden“ könnten.
In der Antwort zu den Fragen 8 bis 10 der genannten Kleinen Anfrage betont die
Bundesregierung, dass die Auslieferung der deutschen Güter „überwiegend“ zu
einem Zeitpunkt erfolgte, als hierfür noch keine Genehmigungspflichten bestan-
den. Die Bundesregierung gibt jedoch keinerlei Auskunft darüber, ob und wie
viele Güter zu Zeitpunkten exportiert wurden, als noch keine Genehmigungs-
pflicht, jedoch bereits eine Meldepflicht bestand. Da mittlerweile ein Jahr seit
Beantwortung der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/750 vergan-
gen ist, sollte der Bundesregierung mittlerweile bekannt sein, ob bei den später
gelieferten Gütern jeweils eine Genehmigung oder eine Meldung vorlag.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche deutschen Zulieferer, Produzenten oder Händler werden in den Mel-

dungen Syriens an die Organisation für das Verbot chemischer Waffen
(OPCW) bzw. in Berichten von UN-/OPCW-Inspekteuren in Syrien über
Chemiewaffenproduktionsstätten genannt (bitte unter Angabe der gelieferten
Güter und der belieferten bzw. unterstützten Anlagen für chemische Waffen
und Jahr)?

Drucksache 18/3997 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Werden in den Meldungen Syriens an die OPCW bzw. in Berichten von UN-
bzw. OPCW-Inspekteuren in Syrien auch deutsche Firmen, Zulieferer, Pro-
duzenten oder Händler genannt, die Beiträge zum syrischen Chemiewaffen-
programm auch nach der Einführung einer Meldepflicht bzw. einer Geneh-
migungspflicht für die jeweiligen Güter in Deutschland geleistet haben?
a) Wenn ja, um welche Güter in welchem Jahr handelt es sich?
b) Wenn ja, um welche Firmen, Zulieferer, Produzenten oder Händler han-

delt es sich?
c) Wenn ja, lag in jedem Fall eine Meldung bzw. eine Genehmigung vor?
d) Falls die Bundesregierung keine Informationen darüber hat, wieso hat sie

in den vergangenen zwölf Monaten die vorliegenden Fakten und Akten
nicht daraufhin untersucht?

3. Welche eigenen Untersuchungen und/oder Recherchen hat die Bundesregie-
rung seit Übermittlung der OPCW-Berichte mit welchem jeweiligen Ergeb-
nis angestrengt?

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung (aus eigenen Quellen oder von
Seiten Dritter, zum Beispiel auch durch Schreiben von anderen Regierungen
oder Botschaften in Deutschland) darüber, ob die im „SPIEGEL“-Artikel
genannten Firmen bzw. deren Tochterfirmen möglicherweise oder tatsäch-
lich am Bau oder Betrieb von Anlagen zur Produktion von chemischen Waf-
fen in Syrien beteiligt waren (bitte unter Angabe der verschiedenen Quellen
und Hinweise)?

5. Hat die Bundesregierung oder ihr nachgeordnete Behörden in den Jahren
1978 bis 1986 deutsche Firmen darüber informiert, dass die Möglichkeit be-
stünde, dass ihre Aktivitäten im Irak und/oder Syrien im Zusammenhang
mit einem irakischen und/oder syrischen Chemiewaffenprogramm stehen
könnten (wenn ja, bitte unter Angabe, welche Firmen wann, worüber, und
von wem informiert wurden)?

6. Wie waren die Reaktionen der jeweiligen Firmen auf die Warnungen der
Bundesregierung?

7. Trifft es zu (s. DER SPIEGEL 5/2015, S. 33), dass die Bundesregierung An-
fang der 80er-Jahre die Firma Karl Kolb GmbH & Co. KG bzw. Pilot Plant
aufgefordert hat, sich aus Samarra zurückzuziehen, und wenn ja, warum?

8. Welche Vertreter der Bundesregierung traten wann mit der Firma Karl Kolb
bzw. Pilot Plant bezüglich dieser Angelegenheit in Kontakt?

9. Wurden die Aktivitäten der Firma Karl Kolb bzw. Pilot Plant in Samarra
nach der Aufforderung der Bundesregierung gesondert beobachtet (ggf. un-
ter Angabe der Dienststelle bzw. Dienststellen, Beobachtungszeitraum,
Erkenntnisinteresse)?

10. Welche Firmen außer Karl Kolb bzw. Pilot Plant hat die Bundesregierung in
den Jahren 1982 bis 1986 aufgefordert, sich aus Samarra oder von anderen
Standorten im Irak zurückzuziehen, weil dort möglicherweise eine Chemie-
waffenproduktion im Aufbau bzw. Ausbau war?

11. Welche Firmen hat die Bundesregierung in den Jahren 1980 bis 1990 aufge-
fordert, sich aus Standorten in Syrien zurückzuziehen, weil dort möglicher-
weise eine Chemiewaffenproduktion im Aufbau bzw. Ausbau war?

12. Trifft es zu (s. DER SPIEGEL 5/2015, S. 33), dass die Bundesregierung im
Jahr 1984 Unternehmen in Irak zum Abzug ihrer Angestellten aus Samarra
aufforderte, und wenn ja, welche Firmen wurden dazu warum, wann, in
welcher Form und von wem aufgefordert?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3997
13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Drohungen eines Drittlan-
des gegenüber möglichen Standorten chemischer Waffen in Syrien in den
80er-Jahren oder später, und wurden entsprechend durch die Bundes-
regierung Firmen in Syrien zum Abzug ihrer Angestellten aufgefordert, und
wenn ja, wer, in welcher Form, von wem, und wann?

14. Plant die Bundesregierung angesichts der jüngsten Erkenntnisse über die
deutsche Beteiligung auch am syrischen Chemiewaffenprogramm die Ein-
richtung einer Historiker-Kommission, um die deutsche Beteiligung an der
Entwicklung und Produktion von Chemiewaffen weltweit in den letzten
100 Jahren – seit dem ersten großflächigen Einsatz von Chemiewaffen
durch Deutschland am 22. April 1915 in Ypern – zu untersuchen und Hand-
lungsempfehlungen für die Zukunft zu entwickeln?

15. Sind der Bundesregierung Straftaten bekannt, die seit dem Jahr 1980 in
Deutschland im Zusammenhang mit Protesten gegen vermeintliche oder tat-
sächliche Zulieferungen für das irakische oder syrische Chemie- oder Bio-
waffenprogramm begangen wurden (bitte unter Nennung der Einzelfälle
und Daten)?
a) Wenn ja, wie viel Sachschaden ist bei diesen Straftaten insgesamt ent-

standen?
b) Wie viele Personen sind bei diesen Straftaten zu Schaden gekommen?

16. Welche Fälle von „gezielten Kampagnen“ gegen Unternehmen oder Einzel-
personen im Zusammenhang mit den Protesten gegen deutsche Zulieferun-
gen an das irakische und/oder syrische Chemie- und/oder Biowaffenpro-
gramm sind der Bundesregierung bekannt?

17. Wie viele strafrechtliche Ermittlungen wurden nach Kenntnis der Bundes-
regierung aufgrund dieser „gezielten Kampagnen“ aufgenommen, etwa
wegen Rufschädigung etc.?

18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den rechtlichen Umgang
vermeintlicher Opfer derartiger „gezielter Kampagnen“, und/oder steht sie
im Austausch mit vermeintlichen oder tatsächlichen Opfern solcher Kam-
pagnen zum Zwecke der Gefahrenabwehr?

19. Welche Abteilungen und welche ministeriellen Strukturen waren an der Be-
antwortung der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/750 betei-
ligt?

20. Waren den mit der Beantwortung befassten Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern die Dokumente des Auswärtigen Amts bekannt, aus denen „DER
SPIEGEL“ (24. Januar 2015) die Namen der beteiligten Unternehmen zi-
tiert?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage wurden diese Dokumente

bei der Beantwortung verschwiegen?
c) Wenn ja, welche weiteren einschlägigen Dokumente wurden bei der Be-

antwortung darüber hinaus nicht erwähnt?

Berlin, den 10. Februar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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