BT-Drucksache 18/3969

Bericht über rechtsextreme Tendenzen bei Pegida

Vom 5. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3969
18. Wahlperiode 05.02.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Kerstin Kassner, Caren Lay,
Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der
Fraktion DIE LINKE.

Bericht über rechtsextreme Tendenzen bei Pegida

Im Herbst 2014 organisierte eine Gruppierung, die sich Patriotische Europäer
gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) nennt, wöchentlich montags
in Dresden Demonstrationen, die von einigen Hundert Menschen im Oktober bis
zum 15. Dezember 2014 auf rund 15 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer
angewachsen waren und am 12. Januar 2015 25 000 Menschen auf die Straße
brachte. Aufgrund angeblicher Morddrohungen von Djihadisten gegen Pegida-
Frontmann Lutz Bachmann wurde der Pegida-Aufmarsch am 19. Januar 2015
ebenso polizeilich verboten wie alle antirassistischen Gegenkundgebungen am
selben Tag in Dresden (www.dw.de/demonstrationsverbot-in-dresden-nach-
drohung-gegen-pegida/a-18199147).
Die Pegida-Bewegung mit der Losung „Gewaltfrei und vereint gegen Glaubens-
kriege auf deutschem Boden“ wendet sich gegen eine angeblich drohende Isla-
misierung Europas und eine aus ihrer Sicht verfehlte Einwanderungs- und Asyl-
politik. Rednerinnen und Redner wendeten sich zudem gegen Politikerinnen und
Politiker der regierenden Parteien, die sie als „Volksverräter“ und „Schreibtisch-
täter“ diffamierten sowie gegen die Presse (www.faz.net/aktuell/politik/inland/
noch-mehr-zulauf-fuer-pegida-in-dresden-13324123.html?printPagedArticle=
true#pageIndex_2).
Hauptinitiator von Pegida war der wegen Einbruchs- und Drogendelikten vorbe-
strafte Lutz Bachmann, der sich einer drohenden Haftstrafe mehrere Jahre lang
durch Flucht nach Südafrika entzogen hatte. Bachmann gehörte einem zwölf-
köpfigen Organisationsteam von Pegida an, bis er nach Bekanntwerden von offen
fremdenfeindlichen Kommentaren auf seiner Facebookseite und einer Hitler-Imi-
tation von seinem Posten zurücktrat (www.tagesschau.de/inland/lutz-bachmann-
101.html, www.tagesspiegel.de/politik/hitler-verkleidung-fluechtlinge-als-
viehzeug-die-hintergruende-zum-fall-lutz-bachmann/11252882.html).
In mehreren deutschen Städten bildeten sich Pegida-Ableger, die aber bislang
nur zwischen einigen Dutzend und wenigen Hundert Teilnehmerinnen und Teil-
nehmern zu ihren Kundgebungen mobilisieren konnten. Dabei soll es sich etwa
in Düsseldorf (Dügida) und Bonn (Bogida) mehrheitlich um Angehörige des
rechtsextremen Milieus gehandelt haben. So mobilisierten Parteien, wie die in
Nordrhein-Westfalen (NRW) von früheren Mitgliedern verbotener Nazikame-
radschaften dominierte Partei „Die Rechte“, sowie die muslimfeindliche Bür-
gerbewegung Pro NRW ihre Anhängerinnen und Anhänger zu den dortigen
Aufmärschen (www.deutschlandfunk.de/islamfeindliche-demos-zulauf-fuer-
pegida-bereitet-sorgen.1818.de.html?dram:article_id=306234).

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Lediglich in Leipzig brachte die dortige Legida-Bewegung am 21. Januar 2015
nach wissenschaftlichen Schätzungen bis zu 5 000 Anhängerinnen und Anhän-
ger auf die Straße – die Polizei sprach anfangs von 15 000 und die Veranstalter
sogar von 20 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (www.freitag.de/autoren/
josephine-schulz/legida-und-die-luegenpolizei). Vermummte Legida-Anhänger
griffen Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten, Polizeiangehörige
sowie von ihnen als „Lügenpresse“ titulierte Journalistinnen und Journalisten an,
verletzten mehrere von ihnen und zerstörten Kameratechnik (www.spiegel.de/
politik/deutschland/legida-demo-in-leipzig-polizisten-bei-ausschreitungen-
verletzt-a-1014310.html).
Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) behauptet, dass sehr viele ihrer
Mitglieder bei den Pegida-Demonstrationen mitliefen, da es eine inhaltliche
Überschneidung mit dem Parteiprogramm der AfD gäbe (www.faz.net/aktuell/
politik/inland/die-naehe-der-afd-zum-islamkritischen-pegida-buendnis-
13314224.html). In Dresden sollen sich unter den Demonstrantinnen und De-
monstranten, die mehrheitlich dem bürgerlichen Milieu entstammen, auch Mit-
glieder der als rechtsextrem eingestuften Hooligan-Gruppen „Faust des Ostens“
und „Hooligans Elbflorenz“ befunden haben. Ein Pegida-Organisator aus Meißen
soll zudem zugleich Organisator der gewaltbereiten „Hooligans gegen Salafis-
ten“ (HoGeSa) sein, die Ende Oktober 2014 bei einer Demonstration zahlreiche
Personen verletzten und hohen Sachschaden verursachten (www.spiegel.de/
politik/deutschland/pegida-organisatoren-stehen-in-polizeidatei-a-1008320.html).
Auch NPD-Anhänger und NPD-Funktionäre sollen sich Pegida angeschlossen
haben während die NPD im Internet deren Erfolg feiert (www.deutschland-
funk.de/islamfeindliche-demos-zulauf-fuer-pegida-bereitet-sorgen.1818.de.
html?dram: article_id=306234).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse liegen der Bundesregie-

rung über Pegida in Dresden, Legida in Leipzig oder ihre Ableger oder nach
ihrem Vorbild gegründete Initiativen in anderen Städten vor?

2. Inwieweit sieht die Bundesregierung von Pegida, Legida oder einzelnen Strö-
mungen innerhalb von Pegida, Legida und ihren Ablegern oder durch Äuße-
rungen ihrer führenden Persönlichkeiten oder von Teilnehmerinnen und Teil-
nehmern eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, den Frieden im Lande und
das friedliche Zusammenleben der Völker oder Deutschlands Ansehen im
Ausland ausgehen?

3. Kann die Bundesregierung in Forderungen von Pegida, Legida und ihren Ab-
legern berechtigte Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern erkennen, und
wenn ja, welche, und in welcher Form gedenkt sie auf diese Anliegen einzu-
gehen?

4. Welche Publikationen, Internetseiten und Auftritte in sozialen Netzwerken
von Pegida, Legida und ihren Ablegern sind der Bundesregierung bekannt?

5. Wie erklärt sich die Bundesregierung das schnelle Anwachsen von Pegida in
Dresden sowie die Bildung von Pegida-Ablegern in anderen Städten?

6. Liegen der Bundesregierung soziologische Daten – auch aus der wissen-
schaftlichen Erhebung Dritter – über die Zusammensetzung der Teilneh-
merinnen und Teilnehmer von Pegida- und Legida-Aufzügen und den Aufzü-
gen ihrer Ableger vor, und wenn ja, welche diesbezüglichen Erkenntnisse hat
die Bundesregierung über Geschlecht, Altersstruktur, Ausbildung und Berufe
sowie bisheriges Wählerverhalten der Pegida-Demonstrantinnen und De-
monstranten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3969
7. Welche Ableger von Pegida oder Initiativen, die nach dem Vorbild von Pe-
gida gegründet wurden, sind der Bundesregierung bekannt?
a) In welchen Städten in Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland

haben sich wann welche Initiativen nach Pegida-Vorbild gebildet?
b) Welche dieser Initiativen wurden bislang von Pegida Deutschland offiziell

als Ableger oder Teil der Bewegung anerkannt?
c) Von welchen dieser Initiativen hat sich Pegida Deutschland wann und mit

welcher Begründung und in welcher Form distanziert?
d) In welchen Städten in Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland

kam es wann zu welchen Aufzügen von Pegida und ihren Ablegern oder
nach ihrem Vorbild gegründeten Initiativen mit wie vielen Teilnehmerin-
nen und Teilnehmern?

8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das Verhältnis von Pegida
zu rechtsextremistischen Parteien, Organisationen und Einzelpersonen?
a) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung einen Einfluss rechtsextremer

Personen und Organisationszusammenhänge auf Pegida, und wenn ja,
welchen und in welcher Form?

b) Inwieweit und in welchen Städten nehmen Mitglieder und Funktionäre
oder ehemalige Funktionäre rechtsextremer Parteien oder Organisationen
nach Kenntnis der Bundesregierung leitende Funktionen bei Pegida ein
(bitte Parteien bzw. Organisationen und jeweilige Pegida-Gruppen sowie
Funktionen des Mitgliedes angeben)?

c) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über einen Einsatz von Perso-
nen mit rechtsextremen Hintergrund – auch aus dem Hooligan-Milieu –
als Ordner bei Pegida?

d) Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Kontakte oder eine
Überschneidung zwischen Pegida oder einzelnen ihrer Führungsfiguren
mit den HoGeSa?

e) Welche rechtsextremen oder fremdenfeindlichen Parteien, wie NPD, Pro-
Bewegung und Die Rechte, unterstützen in welcher Form die Pegida-Be-
wegung?

f) In welcher Form haben sich die Verantwortlichen für Pegida zur mög-
lichen Teilnahme von Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten nach
Kenntnis der Bundesregierung bislang positioniert?

g) Inwieweit ist es auf Pegida-Aufzügen nach Kenntnis der Bundesregierung
zu einschlägigen Straftaten oder dem Verdacht auf solche Straftaten, wie
volksverhetzender Äußerungen, dem Zeigen verbotener NS-Symbole,
Sachbeschädigungen oder Gewalttaten gegen politische Gegnerinnen und
Gegner, gekommen (bitte angeben, wann, wo und welcher mutmaßliche
Straftatbestand)?

9. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das Verhältnis von Legida
zu rechtsextremistischen Parteien, Organisationen und Einzelpersonen?
a) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung einen Einfluss rechtsextremer

Personen und Organisationszusammenhänge auf Legida, und wenn ja,
welchen und in welcher Form?

b) Inwieweit und in welchen Städten nehmen Mitglieder und Funktionäre
oder ehemalige Funktionäre rechtsextremer Parteien oder Organisationen
nach Kenntnis der Bundesregierung leitende Funktionen bei Legida ein
(bitte Parteien bzw. Organisationen und jeweilige Legida-Gruppen sowie
Funktionen der Mitglieder angeben)?

Drucksache 18/3969 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über einen Einsatz von Perso-
nen mit rechtsextremen Hintergrund – auch aus dem Hooligan-Milieu –
als Ordner bei Legida?

d) Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Kontakte oder eine
Überschneidung zwischen Legida oder einzelnen ihrer Führungsfiguren
mit den HoGeSa?

e) Welche rechtsextremen oder fremdenfeindlichen Parteien, wie NPD,
Pro-Bewegung und Die Rechte, unterstützen in welcher Form die Le-
gida-Bewegung?

f) In welcher Form haben sich die Verantwortlichen für Legida zur mögli-
chen Teilnahme von Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten nach
Kenntnis der Bundesregierung bislang positioniert?

g) Inwieweit ist es auf Legida-Aufzügen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung zu einschlägigen Straftaten oder dem Verdacht auf solche Straftaten,
wie volksverhetzender Äußerungen, dem Zeigen verbotener NS-Sym-
bole, Sachbeschädigungen oder Gewalttaten gegen politische Gegnerin-
nen und Gegner, gekommen (bitte angeben, wann, wo und welcher mut-
maßliche Straftatbestand)?

10. Welche konkreten Erkenntnisse über Anschlags- oder Mordaufrufe und
Drohungen gegen den früheren Pegida-Frontmann Lutz Bachmann oder an-
dere führende Personen von Pegida sind der Bundesregierung bekannt?
a) Woher stammen diese Erkenntnisse im Einzelnen, und für wie glaubwür-

dig hält die Bundesregierung diese Quellen?
b) Inwieweit und mit welcher Begründung rechtfertigten diese Erkenntnisse

das Verbot der Pegida-Demonstration und aller Gegenproteste am 19. Ja-
nuar 2015 in Dresden?

c) Inwieweit hält die Bundesregierung einen solchen Eingriff in das Grund-
recht auf Versammlungsfreiheit für zehntausende Bürgerinnen und Bür-
ger angesichts der mutmaßlichen Gefährdung einer Einzelperson für ge-
rechtfertigt und im Einklang mit den verfassungsmäßigen Grundrechten?

d) Welche anderen Möglichkeiten als ein Versammlungsverbot, um auf
konkrete Drohungen gegen eine Einzelperson aus der Leitung der Pe-
gida-Demonstration zu reagieren, hätte es nach Ansicht der Bundesregie-
rung gegeben?

Berlin, den 4. Februar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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