BT-Drucksache 18/3959

Pläne der Bundesregierung für neue Anti-Terrorgesetze

Vom 5. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3959
18. Wahlperiode 05.02.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Kerstin Kassner, Harald Petzold
(Havelland), Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und
der Fraktion DIE LINKE.

Pläne der Bundesregierung für neue Anti-Terrorgesetze

Die Mordanschläge von Djihadisten auf Redaktionsmitglieder und Karikaturis-
ten der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, Kunden eines koscheren Supermark-
tes, Polizistinnen und Polizisten sowie Sicherheitsleuten am 7. bzw. 8. Januar
2015 in Paris haben auch in Deutschland eine erneute Debatte über die Notwen-
digkeit von Gesetzesverschärfungen zur Terrorismusbekämpfung ausgelöst. So
kündigte der Bundesminister der Justiz, Heiko Maas, die baldige Vorlage eines
Gesetzespaketes mit neuen Anti-Terror-Gesetzen an.
Pressemeldungen zufolge soll nach dem Willen der Bundesregierung zukünftig
Terrorismusfinanzierung als eigener Straftatbestand eingeführt werden. Darun-
ter kann auch das Sammeln von Spenden fallen, wenn damit Reisekosten von
Mitgliedern terroristischer Organisationen bezahlt werden sollen.
Zukünftig sollen nicht nur Angehörige terroristischer Vereinigungen strafrecht-
lich belangt werden, die aus Krisengebieten zurückkehren, sondern auch jene,
die Deutschland verlassen wollen, um sich an schweren staatsgefährdenden
Gewalttaten im Ausland zu beteiligen oder um sich für die Teilnahme an schweren
Gewalttaten ausbilden zu lassen. Demnach soll es nach dem Willen der Bundes-
regierung zukünftig bereits strafbar sein, sich nur mit der Absicht einer Aus-
bildung in einem sogenannten Terrorcamp zu tragen (www.tagesschau.de/inland/
terrorabwehr-101.html; www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Stichwort-ANTI-
TERROR-GESETZE-Plaene-der-Bundesregierung;art4306,3000467).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Gesetzesänderungen und Gesetzesnovellen im Zusammenhang mit

der Terrorismusbekämpfung plant die Bundesregierung im Einzelnen in der
laufenden Legislaturperiode?
a) Welche davon waren bereits vor den Anschlägen von Paris am 7. bzw.

8. Januar 2015 in der Planung?
b) Welche davon sind eine Reaktion auf die Anschläge von Paris oder sollen

als Reaktion auf diese Anschläge beschleunigt in das Gesetzgebungs-
verfahren kommen, und welche mit den bisherigen Ergebnissen der Er-
mittlungen in Paris unmittelbar erkannten Defizite oder Lücken in der bis-
herigen Gesetzgebung sollen sie beheben?

c) Welche davon dienen der Umsetzung von UN- und EU-Resolutionen in
nationales Recht?

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2. Welche Untersuchungen (Studien etc.) zu den bestehenden Gesetzen zur
Terrorismusbekämpfung und ihrer Wirkung sind der Bundesregierung seit
2010 bekannt (bitte nach Studien der Sicherheitsbehörden, der von der Bun-
desregierung selbst in Auftrag gegebenen und solchen unabhängiger wissen-
schaftlicher Einrichtungen unterscheiden)?
a) Wer führte die jeweiligen Untersuchungen in wessen Auftrag durch?
b) Zu welchem Ergebnis kamen diese Untersuchungen jeweils bezüglich der

Wirksamkeit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der untersuchten
Gesetze?

c) Welche dieser Untersuchungen hatten als Untersuchungsgegenstand aus-
drücklich grund- und menschenrechtliche Auswirkungen der Anti-Terror-
Gesetzgebung, und mit welchem Ergebnis?

d) Inwieweit waren mit dem Komplex Grund- und Menschenrechte ver-
bundene Fragestellungen Gegenstand der von der Bundesregierung in
Auftrag gegebenen Untersuchungen, und wenn das nicht der Fall war,
warum nicht?

3. Inwieweit sieht die Bundesregierung bei den bestehenden Anti-Terror-Geset-
zen gemäß § 89a des Strafgesetzbuches – StGB – (Vorbereitung einer schwe-
ren staatsgefährdenden Straftat), § 89b StGB (Aufnahme von Beziehungen
zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Straftat) und § 91 StGB
(Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Straftat) Geset-
zeslücken und Nachbesserungsbedarf?

4. Inwieweit sieht die Bundesregierung bei den bestehenden Anti-Terror-Geset-
zen gemäß § 129 StGB (Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer kriminellen
Vereinigung), § 129a StGB (Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer terro-
ristischen Vereinigung) und § 129b StGB (Mitgliedschaft bzw. Unterstützung
einer ausländischen terroristischen Vereinigung) Gesetzeslücken und Nach-
besserungsbedarf?

5. Inwieweit treffen Pressemeldungen zu, wonach die Bundesregierung die Ein-
führung eines eigenen Straftatbestandes „Terrorismusfinanzierung“ plant?
a) Aufgrund welcher konkreten Überlegungen hält die Bundesregierung die

Einführung eines solchen neuen Straftatbestandes für geboten?
b) In welchen Fällen und auf welcher rechtlichen Grundlage und aufgrund

welcher bestehenden Straftatbestände kann schon jetzt die Terrorismus-
finanzierung verfolgt werden?

c) Wo sieht die Bundesregierung Gesetzeslücken bei der Verfolgung von
Terrorismusfinanzierung, und mit welchen Beispielen kann sie diese
Lücken konkretisieren?

d) Welche Fälle von Terrorismusfinanzierung, die bislang nicht von den
geltenden Strafgesetzen erfasst werden, soll ein neu zu schaffender
Straftatbestand „Terrorismusfinanzierung“ abdecken?

e) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung vonseiten der Strafverfol-
gungsbehörden oder anderer Sicherheitsbehörden oder der juristischen
Praxis den Wunsch nach entsprechenden Gesetzesänderungen?
Wenn ja, von wem wurde wann diese Forderung in welchem Zusammen-
hang erhoben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3959
6. Bei welchen internationalen Terrorlisten ist nach Kenntnis der Bundes-
regierung die Listung von Personen, Organisationen, Unternehmen oder
anderen Institutionen mit der Möglichkeit oder der Pflicht zur Vermögens-
einziehung oder Konteneinfrierung verbunden, und wie oft und in welchem
Umfang wurden nach diesen Regelungen seit 2010 diese beiden Maßnahmen
ergriffen?

7. Inwieweit treffen Pressemeldungen zu, wonach die Bundesregierung plane,
bereits die Absicht zur Reise in ein sogenanntes Terrorcamp, „um sich an
schweren staatsgefährdenden Gewalttaten im Ausland zu beteiligen oder um
sich für die Teilnahme an schweren Gewalttaten ausbilden zu lassen“, unter
Strafe zu stellen (www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Stichwort-ANTI-
TERROR-GESETZE-Plaene-der-Bundesregierung;art4306,3000467)?
a) Welche konkreten Gesetzesänderungen plant die Bundesregierung, um

bereits die Absicht zur Reise in ein sogenanntes Terrorcamp, um sich an
schweren staatsgefährdenden Gewalttaten im Ausland zu beteiligen oder
um sich für die Teilnahme an schweren Gewalttaten ausbilden zu lassen,
unter Strafe zu stellen?

b) Inwieweit und unter welchen Umständen ließe sich die geplante Reise in
sogenannte Terrorcamps mit dem Ziel der Beteiligung an einer schweren
staatsgefährdenden Straftat oder der Ausbildung für eine solche bereits
mit den bestehenden Gesetzen strafrechtlich verfolgen?

c) Welche Gesetzeslücken sieht die Bundesregierung, die eine geplante
Reise in sogenannte Terrorcamps mit dem Ziel der Beteiligung an einer
schweren staatsgefährdenden Straftat oder der Ausbildung für eine solche
bislang nicht strafrechtlich verfolgen lassen?

d) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung vonseiten der Strafverfol-
gungsbehörden oder anderer Sicherheitsbehörden oder der juristischen
Praxis den Wunsch nach entsprechenden Gesetzesänderungen?
Wenn ja, von wem wurde wann diese Forderung in welchem Zusammen-
hang erhoben?

e) Bei welchem Punkt der Absicht zu einer Reise in ein sogenanntes Terror-
camp soll nach Meinung der Bundesregierung bereits die Strafbarkeit ein-
setzen, und wie und anhand welcher Merkmale soll eine solche Absicht
justiziabel nachgewiesen werden?

f) Inwiefern soll der Erwerb eines Flugtickets oder ähnlich fortgeschrittener
Reisevorbereitungen Voraussetzung für die strafrechtlich relevante An-
nahme einer Reiseabsicht sein?

g) Wie gedenkt die Bundesregierung zu verhindern, dass entsprechende neue
Strafrechtsparagraphen oder die Änderung bestehender Strafrechtspara-
graphen in dieser Frage ein Gesinnungsstrafrecht schaffen, das nicht mehr
auf eine konkrete Tat, sondern eben nur auf die Gesinnung einer Person
abhebt?

8. In welchen anderen EU-Staaten gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung
Strafvorschriften, die ungefähr den von der Bundesregierung angestrebten
entsprechen (bitte konkret benennen)?
Welche Kritik von Grund- und Menschenrechtsorganisationen an diesen
Regelungen ist der Bundesregierung bekannt, und welche Schlussfolgerun-
gen zieht sie daraus?

Berlin, den 4. Februar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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