BT-Drucksache 18/3910

Maßnahmen der EU-Polizeiagentur Europol hinsichtlich ausländischer Kämpfer

Vom 3. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3910
18. Wahlperiode 03.02.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke, Kerstin Kassner, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Maßnahmen der EU-Polizeiagentur Europol hinsichtlich ausländischer Kämpfer

Die EU-Polizeiagentur Europol hat einen „Focal Point Travellers“ eingerichtet,
in dem „ausländische Kämpfer“ gespeichert werden (www.statewatch.org/news/
2014/nov/eu-foreign-fighters-16002-14.pdf). Es handelt sich um eine umfang-
reiche Datensammlung, an der sich einzelne Mitgliedstaaten mit Zulieferungen
und Abfragen beteiligen. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) macht dabei mit.
Europol verfügt über insgesamt 20 „Focal Points“. Ein anderer „Focal Point“
lautet „islamistischer Terrorismus“, dürfte also teilweise deckungsgleich sein
mit dem „Focal Point Travellers“. Außer EU-Mitgliedstaaten nehmen Austra-
lien, Norwegen und die Schweiz daran teil. Serbien, Mazedonien sowie die US-
Grenz- und Zollbehörden beabsichtigen laut der Bundesregierung eine Teil-
nahme. Europol und die EU-Grenzagentur FRONTEX haben im November
2014 eine Vereinbarung über den Austausch personenbezogener Daten geschlos-
sen, die dann dem jeweiligen Verwaltungsrat der beiden Agenturen und anschlie-
ßend den Datenschutzbehörden vorgelegt wurde. Laut dem Anti-Terrorkoordi-
nator wurde zu „ausländischen Kämpfern“ im Oktober 2014 eine Experten-
gruppe „DUMAS“ eingesetzt, die von Italien geleitet und von Europol unter-
stützt wird. Ihr Hauptaugenmerk liege auf „Ausschreibungslisten von Reisenden
(Mitvorreiter Österreich), Outreach-Maßnahmen (Mitvorreiter Ungarn und Spa-
nien), bewährten Vorgehensweisen (Mitvorreiter Frankreich, Vereinigtes König-
reich), Indikatoren (Mitvorreiter Deutschland, Luxemburg) und Schleusern
(Mitvorreiter Spanien, Vereinigtes Königreich)“. Zudem führe Europol eine
Machbarkeitsstudie durch, mit der die von dem EU-Netz der Zentralstellen für
Geldwäsche-Verdachtsanzeigen (FIU.NET) eingesetzte „Ma3tch-Technologie“
im „Europol-Kontext“ eingesetzt werden könnte. Dadurch könnten „die lokale[n]
Quellen hochvertraulicher Informationen durch ein dezentralisiertes Computer-
system virtuell vernetzt“ werden, was laut dem ATK Kerchove eine „Identifizie-
rung von Informationen nach dem Grundsatz ,Kenntnis nur, wenn nötig‘ in Echt-
zeit ohne Übermittlung der Informationen an Europol“ ermöglichen würde. Die
Bundesregierung erklärt hierzu, dass ihre Behörden nicht zur Nutzung der
„Ma3tch“-Technologie befugt seien (vgl. Bundestagsdrucksache 18/2888).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung in der Diskussion um die Frage,

ob Europol zu einem „Counter-Terrorism Centre“ ausgebaut bzw. ein solches
(etwa nach Vorbild des European Cybercrime Centre) bei Europol angesie-
delt werden könnte?

Drucksache 18/3910 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche weiteren Aufgaben könnte Europol aus Sicht der Bundesregierung
zukünftig hinsichtlich des Informationsaustausches über die Informations-
systeme Schengen Informationssystem – SIS II, Europol Information Sys-
tem – EIS, Focal Point „Travellers“ und Passenger Name Record – PNR
übernehmen?

3. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern es in den Jahren
2014 oder 2015 Treffen der EU-Agenturen FRONTEX und Europol mit dem
geheimdienstlichen Lagezentrum INTCEN zu „ausländischen Kämpfern“
gab oder gibt, wo fanden diese ggf. statt, wer bereitete diese vor, und wer
nahm daran teil?

4. Mit welchem Personal und an welchen Orten will sich das Bundesministe-
rium des Innern nach derzeitigem Stand an der gemeinsamen Polizeiopera-
tion „Amberlight 2015“ der lettischen Ratspräsidentschaft in den ersten bei-
den Wochen im April 2015 beteiligen (Ratsdokument 1092/15)?

5. Welche Mitgliedstaaten oder sonstigen Akteurinnen und Akteure nehmen
nach Kenntnis der Bundesregierung an der Expertengruppe „DUMAS“ teil?
a) Auf wessen Veranlassung und aus welchem Grund wurde die Gruppe ein-

gerichtet?
b) Wer leitet die Gruppe, und wer unterstützt sie?
c) Welche Unterarbeitsgruppen existieren, und von wem werden diese ge-

leitet?
d) Welche konkreten Aufgaben und Ziele werden von den Unterarbeits-

gruppen verfolgt (bitte erläutern)?
e) Auf welche Weise werden Informationen in das Netzwerk eingespeist und

abgerufen?
6. Inwiefern könnte aus Sicht der Bundesregierung das Europäisches Straf-

registerinformationssystem (ECRIS) zur Bekämpfung „ausländischer Kämp-
fer“ genutzt werden?

7. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern das ECRIS
auch ohne Fallbezug proaktiv genutzt werden könnte, und inwiefern könnte
Europol dabei eine Rolle spielen?

8. Was ist der Bundesregierung über Vorschläge oder Pläne für eine EU-weite
Standardisierung von Terrorismus-Warnstufen bekannt, und wie hat sich die
Bundesregierung hierzu positioniert?

9. Inwieweit und mit welchem Ergebnis hat es nach dem „Ministerial Dinner“
am Vorabend des JI-Rates am 8. Oktober 2014 in Luxemburg weitere Gesprä-
che oder sonstige Zusammenarbeitsformen mit den dort vertretenen Dien-
steanbietern gegeben (Bundestagsdrucksache 18/3655)?
a) Auf welche Weise werden die Empfehlungen des Treffens mittlerweile in

die Praxis umgesetzt?
b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern eine zukünftige

Kooperation mit den Diensteanbietern aus Sicht der Europäischen Kom-
mission oder des Rates nicht auf der Ebene von Gesetzesänderungen,
sondern auf der Ebene von Selbstregulierung stattfindet, und was ist aus
Sicht der Bundesregierung darunter zu verstehen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3910
10. Inwiefern arbeiten Europol oder Bundesbehörden nach Kenntnis der
Bundesregierung daran, Online-Meldeformulare oder sonstige vereinfachte
Verfahren bzw. Stellen zum Melden bzw. Löschen von Internetinhalten zu
entwickeln?
a) Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Notwendigkeit solcher

Verfahren oder Stellen, und welche Defizite würden dadurch abgedeckt?
b) Inwiefern könnte aus Sicht der Bundesregierung Europol mit solchen

Aufgaben betraut werden?
11. Welche Defizite existieren aus Sicht der Bundesregierung bezüglich der

grenzüberschreitenden Abfrage von IP-Adressen bei internationalen
Diensteanbietern oder zuständigen Behörden, und auf welche Weise könnte
oder müsste dies vereinfacht werden?

12. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die Europäische
Kommission oder einzelne Agenturen hierzu bereits aktiv geworden sind?

13. Was ist der Bundesregierung über die Entwicklung, Implementierung und
derzeitige Nutzung des Europol-Projekts „Check the Web“ bekannt?
a) Welche Phänomenbereiche sind derzeit in den Informationsaustausch im

Rahmen von „Check the Web“ aufgenommen worden, und inwiefern
wird nach Kenntnis der Bundesregierung über eine Ausweitung auch auf
„ausländische Kämpfer“ oder andere Formen des Terrorismus diskutiert
(Bundestagsdrucksache 17/8961)?

b) Welche Defizite sollten aus Sicht der Bundesregierung durch eine Aus-
weitung von „Check the Web“ auf andere Formen des Terrorismus beho-
ben werden?

14. Was ist der Bundesregierung aus Ratsarbeitsgruppen oder sonstigen Be-
richten über den Fortgang, die Umsetzung und die derzeitige Nutzung der
von fünf Innenministerien aus EU-Mitgliedstaaten gestarteten Initiative
„Clean IT“ bekannt (Bundestagsdrucksache 17/11238)?
a) Welchen Zweck verfolgt das Projekt?
b) Wer nimmt daran mittlerweile teil?
c) Inwiefern wurde oder wird von den Beteiligten oder Dritten eine Aus-

weitung von „Clean IT“ erwogen?
15. Was ist der Bundesregierung aus Ratsarbeitsgruppen oder sonstigen Be-

richten über den Fortgang, die Umsetzung und die derzeitige Nutzung eines
von Belgien gestarteten Projekts „Community Policing Preventing Radicali-
sation & Terrorism“ (CoPPRa) bekannt, und welche Unterarbeitsgruppen
existieren hierzu (www.andrej-hunko.de/start/download/doc_view/131-
beteiligung-der-landesregierung-nrw-an-eu-projekten-gegen-radikalisierung-
oder-extremismus)?

16. Was ist der Bundesregierung mittlerweile über Teilnehmende eines
„EU Syria Strategic Communications Advisory Teams“ (SSCAT) bekannt?

17. Auf welche konkrete Art und Weise soll im SSCAT ein „Netz von Behörden
und Experten der Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene“ bei der „Aus-
arbeitung von Kampagnen zur strategischen Kommunikation und der Auf-
klärung zur Bekämpfung von Radikalisierung und Anwerbung für den
Terrorismus“ behilflich sein?

Drucksache 18/3910 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
18. Welche Mitgliedstaaten beteiligen sich nach Kenntnis der Bundesregierung
mit welchen Einrichtungen am vom niederländischen Ministerium für
Sicherheit und Justiz eingerichteten Projekt „European Joint Initiative on
Internet and Counter Terrorism“ – EJI-ICT – (Schriftliche Frage 35 der Ab-
geordneten Inge Höger auf Bundestagsdrucksache 18/3519)?

19. Inwiefern gehört es nach Kenntnis der Bundesregierung zu den Aufgaben
des EJI-ICT, Kontakte mit Internet-Diensteanbietern zu halten und diese in
bestimmten Fällen auch zu Löschungen anzuhalten?

20. Worin genau besteht aus Sicht der Bundesregierung die unterschiedliche
Bewertung gewaltverherrlichender Inhalte durch die Diensteanbieter
Twitter, Google, Microsoft und Facebook in Bezug auf die Auslegung nach
„deutschem Recht oder hiesiger Auslegung von Anstand, Sitte und Moral“
(Bundestagsdrucksache 18/3655)?

21. Inwiefern ist die Bundesregierung der Ansicht, eine Auslegung nach
„deutschem Recht oder hiesiger Auslegung von Anstand, Sitte und Moral“
erfordere mehr bzw. weniger Regulierung oder Löschmaßnahmen im Inter-
net als eine amerikanische Auslegung von „Anstand, Sitte und Moral“?

22. Da der Bundesregierung für den Geltungsbereich des Grundgesetzes keine
konkreten Defizite in der bereits existierenden Praxis der Anbieter von Tele-
mediendiensten, gewaltverherrlichende Inhalte ohne Aufforderung durch
Behörden zu sperren oder zu löschen, bekannt sind, inwiefern existieren
solche Defizite aus Sicht der Bundesregierung außerhalb des Geltungs-
bereichs des Grundgesetzes?

23. Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass, wie vom
EU-Anti-Terrorismus-Beauftragten beschrieben, auf EU-Ebene weiterhin
für die Einführung von der „Ma3tch“-Technologie geworben wird
(www.statewatch.org/news/2015/jan/eu-council-ct-ds-1035-15.pdf)?
a) Inwiefern werden auch beim BKA Überlegungen angestellt, inwiefern

und unter welchen Maßgaben deutsche Behörden ebenfalls an „Ma3tch“
teilnehmen könnten?

b) Was ist der Bundesregierung über die Aufgabenstellung bzw. Ziel-
setzung einer Machbarkeitsstudie von Europol bekannt, die untersucht,
auf welche Weise die „Ma3tch“-Technologie bei Europol bzw. dort
beteiligten Behörden genutzt werden könnte?

c) Wer ist mit der Durchführung der Studie befasst, und wann soll diese
vorliegen?

24. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Verabschiedung einer
EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten,
und welche Schritte hat sie hierzu seit Dezember 2014 unternommen?

25. Was ist der Bundesregierung über in EU-Ratsarbeitsgruppen, auf dem Welt-
wirtschaftsforum in Davos oder andernorts vorgetragene Behauptungen,
Erkenntnisse oder Belege für die von Italien vorgebrachte Behauptung be-
kannt, wonach der „Islamische Staat“ in Abfahrten von Flüchtlingsbooten
involviert sei oder hiervon profitiere (Corriere della Sera vom 24. Januar
2015)?

26. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern bereits Treffen mit
den Regierungen Algerien, Ägypten, Jordanien, Libanon, Marokko, Tune-
sien, Türkei, Irak und Libyen zur Festlegung gemeinsamer Strategien oder
Maßnahmen gegen „ausländische Kämpfer“ stattfanden oder diese anvisiert
sind und wer außerdem daran teilnahm?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3910
27. Welche Kernaussagen des von niederländischen Behörden unter Be-
teiligung von acht weiteren Regierungen erstellten Berichts „Quick Scan
Insight into Terrorist Travel“ hält die Bundesregierung für besonders
beachtenswert, und welche Schlussfolgerungen zieht sie aus dem Bericht
(www.statewatch.org/news/2015/jan/eu-2014-10-10-13971-report-
implementation-ct-strategy.pdf)?

28. Wer war nach Kenntnis der Bundesregierung an der Abfassung des Berichts
beteiligt?

29. Welche Zahlenangaben zu den Beiträgen zum Focal Point „Travellers“ hat
Europol nach Kenntnis der Bundesregierung inzwischen übermittelt, und
inwiefern lassen sich daraus Schlüsse über deren Nutzung ziehen?

30. Welche Nicht-EU-Staaten bzw. sonstigen Einrichtungen sind nach Kenntnis
der Bundesregierung seit wann mit dem Focal Point „Travellers“ assoziiert,
bzw. welche Verhandlungen laufen hierzu, und wann soll darüber entschie-
den werden?

31. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, mit welchen EU-Einrichtun-
gen die US-Behörden ICE, Secret Service, Customs and Border Protection
regelmäßig Daten austauschen?
a) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die US-Be-

hörden ICE, Secret Service, Customs and Border Protection auch Zu-
gang zu Europols Datenbanken begehren, und welche Haltung vertritt sie
hierzu?

b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Mitgliedstaaten
zuletzt Einsprüche hierzu geltend machten, und worin bestanden die
Bedenken?

32. Worin unterscheidet sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Focal
Point „Travellers“ vom Focal Point „Hydra“ („islamistischer Terrorismus“)?

Berlin, den 2. Februar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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