BT-Drucksache 18/3908

Bekämpfung von illegaler und unregulierter Fischerei

Vom 2. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3908
18. Wahlperiode 02.02.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Dr. Kirsten Tackmann, Wolfgang Gehrcke,
Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Christine Buchholz, Annette Groth, Heike
Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Bekämpfung von illegaler und unregulierter Fischerei

Illegale, nicht gemeldete und unregulierte (IUU) Fischerei bezeichnet den
Fischfang durch ein Schiff, eine Mannschaft oder ein Unternehmen ohne Li-
zenz entgegen gültiger Gesetze oder oberhalb zugestandener Fangmengen. Der
jährlich durch globale illegale Fischerei generierte Umsatz beläuft sich auf
10 bis 20 Mrd. Euro, dies entspricht einem Anteil von etwa 19 Prozent aller
Fänge weltweit. Illegale Fischerei stellt weltweit eine Gefahr für marine Öko-
systeme und Menschen dar, die auf eine intakte Meeresumwelt angewiesen
sind. In besonders gefährdeten Gebieten wie Westafrika führt illegale Fischerei
dazu, dass Fischbestände sinken und somit regionalen Kleinfischern die Le-
bensgrundlage entzogen wird. Dies stellt auch der Bericht der Bundesregierung
zu den Auswirkungen des Inkrafttretens der nationalen Bestimmungen zur
Durchführung der IUU- und Kontrollverordnung auf die deutsche Fischerei-
wirtschaft und die Entwicklung der Fischbestände (Bundestagsdrucksache
18/3855 vom 26. Januar 2015) fest. Die Vereinten Nationen gehen davon aus,
dass 96 Prozent der Fischbestände Westafrikas voll ausgeschöpft oder gar über-
fischt sind. Durch schwindende Bestände kommt es so häufig zu Übergriffen in-
dustrieller Fangschiffe auf lokale Kleinfischer.
Als der weltweit größte Importmarkt für Fisch und Fischereiprodukte kommt
der Europäischen Union (EU) bei der Bekämpfung von IUU-Fischerei eine zen-
trale Rolle zu. Innerhalb der EU nimmt wiederum Deutschland eine Sonder-
position ein: Die Bundesrepublik Deutschland zählt nicht nur zu einem der
Hauptimporteure für Fisch und Fischereiprodukte innerhalb der EU, sondern ist
mit seinen Anlande- und Umschlaghäfen gleichzeitig zentraler Anlaufpunkt für
Warensendungen aller Art weltweit. Aus diesen Gründen steht Deutschland
besonders in der Verantwortung, wenn es darum geht, IUU-Fischerei und die
damit einhergehenden sozialen, ökologischen und ökonomischen Probleme
wirksam zu bekämpfen. Dabei wird heutzutage Fisch aus Drittländern außerhalb
der EU kaum mehr direkt angelandet, sondern vor allem per Container oder
Frachtflugzeug angeliefert. Diese Anlieferung von Fisch und Fischereiproduk-
ten per Container setzt andere Kontrollmaßnahmen voraus, als es bei der direk-
ten Anlandung von Frischfisch der Fall ist.
Dass illegal gefischter Fisch nach wie vor auf die EU-Märkte gelangt, hat meh-
rere Ursachen. Zum einen ermöglichen mangelhaft kontrollierte und verwaltete
Fischereigebiete illegal operierenden Fischereifahrzeugen und deren Betreibern,
straffrei zu agieren. Zum anderen ist aufgrund mangelnder Transparenz in der
Versorgungskette eine Rückverfolgung der Fänge und den verarbeiteten Fische-
reiprodukten oft nicht möglich. Der Bericht der Bundesregierung auf Bundes-

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tagsdrucksache 18/3855 vom 26. Januar 2015 gibt hierzu an, dass die Ausgestal-
tung eines Systems zur Rückverfolgbarkeit der unternehmerischen Entschei-
dung obliegt und nur einige fischverarbeitende Unternehmen bereits entspre-
chende Systeme entwickelt haben.
Statt auf freiwillige unternehmerische Initiativen zu setzen, würde die rechtlich
verpflichtende Einführung einheitlicher Schiffsnummern (Unique Vessel Iden-
tifier – UVI) ein wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz bedeuten. Die
Internationale Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organisa-
tion – IMO) vergibt seit dem Jahr 1987 IMO-Nummern an Schiffe oder regis-
trierte Schiffsbenutzer, um die maritime Sicherheit zu verbessern und gleich-
zeitig Umweltverschmutzung und Betrug zu verhindern. Die IMO-Nummer ist
vergleichbar mit einer Fahrzeug-Identifizierungsnummer: Ist sie einmal ver-
geben, ändert sie sich nicht mehr. Eine Studie des Fischereiausschusses der
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat
bestätigt, dass die IMO-Nummer als leicht verfügbare und kosteneffiziente
Maßnahme für eine Identifizierung am besten geeignet ist. Daher hat die
FAO eine Resolution unterstützt, IMO-Nummern bei Fischereifahrzeugen ab
100 Bruttoregistertonnen verpflichtend einzuführen.
Der Fischereiausschuss der FAO hat jedoch auch erkannt, dass IMO-Nummern
alleine keine Transparenz herstellen können. Zusätzlich bedarf es eines interna-
tionalen Schiffsregisters für Fischereifahrzeuge, um die einheitlichen Schiffs-
nummern verwalten zu können. Die Europäische Kommission und Spanien ha-
ben sich ebenfalls bereits für die Entwicklung eines internationalen Schiffsregis-
ters ausgesprochen und finanzielle Mittel dafür in Aussicht gestellt.
In der EU trat im Jahr 2010 die Verordnung (EG) Nr. 1005/2008 des Rates zur
Bekämpfung von illegaler, nichtgemeldeter und unregulierter Fischerei (IUU-
Verordnung) in Kraft. Diese Verordnung beinhaltet wichtige Maßnahmen. Dazu
zählen Importverbote für Fisch und Fischereiprodukte aus IUU-Quellen und die
notwendige Vorlage von Fangbescheinigung für Fisch und Fischereiprodukte,
die aus Drittstaaten eingeführt werden. Weiterhin fördert die Verordnung (VO)
den Informationsaustausch zwischen beteiligten Institutionen der EU, der Mit-
gliedstaaten, der Flaggenstaaten und der Küstenstaaten, denn nur so können
Überprüfungen der Ware oder der Fangbescheinigungen nach Artikel 17 effizient
erfolgen. Ferner kann die Europäische Kommission nach Artikel 32 der Verord-
nung Handelsbeschränkungen für nichtkooperierende Drittländer beschließen,
die sich nicht an den Zielvorgaben der IUU-Verordnung orientieren. Betroffene
Drittstaaten sind und waren dabei Belize, Kambodscha, Fidschi, Guinea,
Panama, Sri Lanka, Togo, Vanuatu, Korea, Ghana, Curacao, Philippinen und
Papua Neuguinea. Gerade von den Philippinen und Papua Neuguinea bezieht die
Bundesrepublik Deutschland einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Fischim-
porte (13 300 Tonnen bzw. 9 617 Tonnen im Jahr 2013, Statistisches Bundesamt).
Die Verordnung (EG) Nr. 1005/2008 ist ein wichtiges Instrument bei der Be-
kämpfung von IUU-Fischerei. Allerdings berichtet die Studie „State of play
regarding application and implementation of IUU Regulation“ (2014) über eine
mangelnde einheitliche Umsetzung der IUU-Verordnung. Diese ist aber elemen-
tar für den Erfolg der Maßnahmen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit hält die Bundesregierung den Fortschritt zur Umsetzung der Ver-

ordnung (EG) Nr. 1005/2008 des Rates in Deutschland und anderen EU-Mit-
gliedsländern für ausreichend?

2. Inwieweit hält die Bundesregierung den Prozess der Europäischen Kommis-
sion zur Verwarnung nichtkooperierender Drittländer gemäß Artikel 31
bis 33 der IUU-Verordnung für ausreichend, und wo sieht sie gegebenenfalls
Optimierungsbedarf?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3908
3. Wie viele Sendungen an Fisch und Fischereiprodukten wurden in den Jah-
ren 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 in Deutschland bislang angelandet
oder angeliefert, denen eine Fangbescheinigung beilag (bitte in absoluten
Zahlen sowie Anteil an gesamter angelandeter und angelieferter Menge an-
geben)?

4. Wurden seit dem Jahr 2010 Sendungen von Fisch und Fischereiprodukten
an der Einfuhr gehindert?
Wenn ja, aus welchem Grund und von welcher Behörde?

5. Wie viele Sendungen an Fisch und Fischereiprodukten wurden in den Jah-
ren 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 in Deutschland bislang angelandet
oder angeliefert, denen eine Fangbescheinigung aus einem nach Artikel 32
der IUU-Verordnung nichtkooperierenden Drittstaat beilag?

6. Wie viele Überprüfungen wurden nach Artikel 17 der IUU-Verordnung an
Drittländer vor der Einfuhr von Sendungen an Fisch oder Fischereiprodukte
übermittelt?
Wie viele Überprüfungen wurden an Drittländer übermittelt, die gemäß Ar-
tikel 31 bis 33 IUU-Verordnung als nicht kooperierendes Drittland einge-
stuft sind oder waren?
Wie werden die Ergebnisse dieser Überprüfung verwendet?

7. Welche Kriterien und Kontrollmaßnahmen wendet die Bundesrepublik
Deutschland im Rahmen des Risikomanagements zur Einfuhr von Fisch und
Fischereiprodukten in die Bundesrepublik Deutschland an?
Welche zusätzlichen Kontrollmaßnahmen wendet sie für Fisch und Fische-
reiprodukte aus Ländern an, die gemäß Artikel 31 bis 33 der IUU-Verord-
nung als nichtkooperierendes Drittland eingestuft sind?

8. Wie hat sich seit dem Jahr 2010 die Bedeutung des Handels mit Fisch und
Fischereiprodukten per Frachtcontainer in Deutschland und nach Kenntnis
der Bundesregierung in der EU entwickelt?

9. Wie hoch ist die Quote der Einfuhren von Fisch und Fischereiprodukten per
Container seit dem Jahr 2010 in Deutschland und nach Kenntnis der Bun-
desregierung in der EU gewesen?

10. Wie hoch ist bzw. war die Quote der Einfuhren von Fisch und Fischereipro-
dukten per Container seit dem Jahr 2010 in Deutschland und nach Kenntnis
der Bundesregierung in der EU, die ihren Ursprung in Ländern haben, die
von der Europäischen Kommission in Artikel 32 der IUU-Verordnung als
nichtkooperierende Drittländer gelistet werden?

11. Über wie viel Personal und Ressourcen verfügen die zuständigen Behörden
in Deutschland zur Kontrolle?
In welchem Umfang ist das zuständige Personal zur Erkennung von IUU-
Fisch und IUU-Fischereiprodukten geschult oder ausgebildet?
Zieht die Handelsabwicklung per Frachtcontainer gegenüber direkten
Fischanlandungen den Einsatz zusätzlichen Personals oder anderer Mittel
mit sich?

12. Kann die Bundesrepublik Deutschland nach Einschätzung der Bundesregie-
rung mit den derzeit eingesetzten Ressourcen ausreichende physische Kon-
trollen, Validierungen der Fangbescheinigungen sowie das erforderliche
Risikomanagement sicherstellen, um den Import von Fisch und Fischerei-
produkten aus IUU-Fischerei in die Bundesrepublik Deutschland zu ver-
meiden (bitte begründen)?

Drucksache 18/3908 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
13. Wie vielen Warensendungen an Fisch und Fischereiprodukten wurden ge-
mäß Artikel 18 der IUU-Verordnung seit deren Inkrafttreten die Einfuhr ver-
weigert?
Welcher Flaggenstaat war jeweils der Ursprung der Warensendungen?
Werden nach der Verweigerung weitere Schritte in Bezug auf den Flaggen-
staat unternommen?

14. Wie steht die Bundesregierung zum Vorschlag einiger EU-Mitgliedstaaten
(u. a. Schweden, Großbritannien, Dänemark), das derzeit papierbasierte
System zur Fangbescheinigung durch ein einheitliches, EU-weites elektro-
nisches System zu ersetzen?

15. Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung unternommen, um zu
prüfen, ob deutsche Staatsbürgerinnen oder Staatsbürger in IUU-Fischerei
weltweit verwickelt sind?
Zu welchen Ergebnissen hat die Prüfung ggf. geführt, und welche geahnde-
ten und schweren Verstöße konnte die Bundesregierung feststellen?

16. Plant die Bundesregierung Maßnahmen, um die Umsetzung der IUU-Ver-
ordnung weiter zu optimieren?
Wenn ja, welche?
Inwieweit sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, dass die Euro-
päische Kommission weitere Maßnahmen ergreift, um die Umsetzung der
IUU-Verordnung zu optimieren?

17. Inwieweit hält die Bundesregierung die Rolle der Europäischen Fischerei-
kontrollbehörde (EFCA) in Bezug auf die EU-weite Umsetzung der IUU-
Verordnung und, in diesem Zusammenhang, den Austausch mit anderen
EU-Mitgliedstaaten zu diesem Thema zu koordinieren, für ausreichend?

18. In welcher Form ist die Vergabe von IMO-Nummern in die deutsche Ge-
setzgebung verankert?

19. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag einiger anderer
EU-Mitgliedstaaten, IMO-Nummern für die gesamte Fangflotte der EU zu
vergeben?

20. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, IMO-Nummern
verpflichtend für Fangschiffe zu vergeben, die Fisch und Fischereiprodukte
in die EU einführen?

21. Wie plant die Bundesregierung, Fisch und Fischereiprodukte bis zum Schiff
ohne IMO-Nummern nachzuverfolgen, mit denen Schiffe und deren Besit-
zerinnen oder Besitzer eindeutig identifiziert werden können?

22. Beabsichtigt die Bundesregierung, sich für die Entwicklung eines interna-
tionalen Schiffsregisters auf internationaler Ebene auszusprechen (bitte be-
gründen)?

23. Beabsichtigt die Bundesregierung, sich mit finanziellen Mitteln an der Ent-
wicklung eines internationalen Schiffsregisters zu beteiligen (bitte begrün-
den)?

Berlin, den 30. Januar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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