BT-Drucksache 18/3882

Barrierefreies und barrierearmes Wohnen im Quartier

Vom 28. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3882
18. Wahlperiode 28.01.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Elisabeth Scharfenberg,
Doris Wagner, Corinna Rüffer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sven-Christian
Kindler, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer,
Steffi Lemke, Peter Meiwald, Dr. Julia Verlinden, Matthias Gastel, Markus Tressel
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Barrierefreies und barrierearmes Wohnen im Quartier

Die Zusammensetzung der Gesellschaft verändert sich im Rahmen der demo-
graphischen Entwicklung spürbar und stellt unser Zusammenleben in den Städ-
ten und Gemeinden vor tiefgreifende Herausforderungen. Der Anteil älterer
Menschen wächst deutlich und macht altersgerechte und barrierefreie Quar-
tiersentwicklung nötig. Um dem Wunsch nach einem selbstbestimmtem Leben
in jedem Lebensalter Rechnung zu tragen, ist nicht nur eine bauliche Anpassung
von Wohnungen und Gebäuden sondern auch der Umbau der wohnortnahen In-
frastruktur, ein konsequent barrierefreier öffentlicher Nahverkehr, neue Mobili-
tätsangebote sowie eine Neuorganisation der pflegerischen und gesundheit-
lichen Versorgung und der Unterstützungsstrukturen im Alltag vonnöten.
Der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V.
geht davon aus, dass bereits heute 2,5 Millionen zusätzliche altersgerechte Woh-
nungen benötigt werden. Nach einer aktuellen Berechnung der Prognos AG im
Auftrag der KfW Bankengruppe existieren in Deutschland heute lediglich
700 000 altersgerechte und barrierefreie Wohneinheiten. Die Zahl der unterstüt-
zungs- und pflegebedürftigen Menschen wird sich in den kommenden 15 Jahren
verdoppeln. Gleichzeitig werden immer weniger Menschen von ihren Familien
und Angehörigen gepflegt.
In der eigenen Wohnung alt werden – das wünschen sich die meisten Menschen.
Und ganz unabhängig davon, ob ein Mensch erst im Alter auf Gehhilfen an-
gewiesen ist oder sich schon seit vielen Jahren im Rollstuhl fortbewegt: Selbst-
bestimmt in den eigenen vier Wänden zu leben, ziehen die meisten Menschen
einem Leben im Heim vor. Damit das für alle möglich wird, muss es genügend
entsprechende barrierefreien bzw. barrierearmen Wohnungen geben.
Die vom Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung
e. V. im Jahr 2014 publizierte Handlungsanregung „Gemeinsam für ein alters-
gerechtes Quartier“ zeigt allerdings deutlich den erheblichen Mangel an alters-
gerechten Quartieren und Wohnungen in Deutschland.

Drucksache 18/3882 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

Bedarf
1. Wie definiert die Bundesregierung jeweils altersgerechten, barrierearmen

und barrierefreien Wohnraum?
2. Wie viele Einwohnerinnen und Einwohner in Deutschland haben nach

Kenntnis der Bundesregierung derzeit einen Bedarf an altersgerechtem bzw.
barrierefreiem Wohnraum, und wie vielen Menschen kann ein solcher
Wohnraum tatsächlich zur Verfügung gestellt werden (bitte nach Bundes-
ländern aufschlüsseln)?

3. Wie groß schätzt die Bundesregierung den Bedarf von altersgerechten bzw.
barrierefreien Wohnungen bis zu den Jahren 2020, 2025, 2030, 2035, 2040,
2045 und 2050?

4. Wie hoch lägen die Kosten, die für eine bedarfsdeckende Bereitstellung von
altersgerechtem bzw. barrierefreiem Wohnraum erforderlich wären (bitte
für die Jahre 2020, 2025, 2030, 2035, 2040, 2045 und 2050 unter Angabe
des Anteils von umgebauten und neugebauten Wohnungen aufschlüsseln)?

5. Wie verhält sich aktuell die Anzahl der altersgerechten bzw. barrierefreien
Wohneinheiten zur Zahl der derzeit über 65-Jährigen in Deutschland (bitte
nach Bundesländern aufschlüsseln)?

Maßnahmen
6. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Woh-

nungsbestände und Quartiere an die demographischen Entwicklungen und
insbesondere an die älter werdende Gesellschaft anzupassen (bitte kalku-
lierte Kosten der Maßnahmen angeben)?

7. Wie viele Wohneinheiten wurden mit Förderung aus dem KfW-Programm
„Altersgerecht Umbauen“ zwischen 2009 und 2012 umgebaut (bitte nach
Jahren und Bundesländern aufschlüsseln)?

8. Wie hoch war der Anteil der selbstnutzenden Eigentümerinnen und Eigen-
tümer sowie Vermieterinnen und Vermieter unter den Antragstellenden für
ein KfW-Darlehen aus dem Programm „Altersgerecht Umbauen“ im Zeit-
raum von 2009 bis 2012?

9. In welchen Bundesländern wurden wie viele Wohneinheiten mit dem KfW-
Programm „Altersgerecht Umbauen“ umgebaut (bitte einzeln nach Bundes-
ländern und Kredit- sowie Zuschussvariante aufschlüsseln)?

10. Wie viele Förderanträge für das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“
wurden zwischen 2009 und 2012 gestellt (bitte einzeln nach Bundesländern
und Kredit- sowie Zuschussvariante aufschlüsseln)?

11. Wie viele Wohneinheiten können mit dem aktuellem KfW-Förderprogramm
„Altersgerecht Umbauen“ bis 2018 maximal umgebaut werden?

12. Wie viele Maßnahmen und Wohneinheiten könnten zusätzlich umgebaut
werden, wenn das KfW-Förderprogramm „Altersgerecht Umbauen“ infla-
tionsbereinigt und bei konstantem Mitteleinsatz bis 2025 verlängert würde?

13. Hält die Bundesregierung den für das KfW-Programm „Altersgerecht Um-
bauen“ eingestellten Zuschuss von 54 Mio. Euro bis 2018 angesichts des
Bedarfs an altersgerechten Wohnungen für ausreichend?
a) Wenn ja, warum?
b) Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3882
14. Gibt es seitens der Bundesregierung Überlegungen, zusätzliche Anreize
über die KfW-Programme hinaus zu schaffen, um altersgerechte Wohnungs-
umbauten zu fördern?
a) Wenn ja, welche Anreize sollen das im Einzelnen sein?
b) Wenn nein, warum nicht?

15. Wie viele Maßnahmen wurden im Rahmen von Städtebauförderprogram-
men im Sinne einer barrierefreien und barrierearmen Quartiersentwicklung
zwischen 2010 und 2014 gefördert (bitte nach Jahren und Bundesländern
aufschlüsseln)?

16. Welche Städtebauförderprogramme fördern speziell den Abbau von Barrie-
ren in Wohnungen und/oder Quartieren?

17. Wie viele Anträge auf Zuschüsse zur Verbesserung des individuellen Wohn-
umfeldes bei Pflegebedürftigkeit nach § 40 Absatz 4 des Elften Buches So-
zialgesetzbuch (SGB XI) wurden bis heute seit 2002 gestellt (bitte nach Jah-
ren aufschlüsseln)?
a) Wie viele dieser Anträge wurden seit 2002 bewilligt, und wie viele wur-

den abgelehnt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
b) Wie hoch sind die jährlichen Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung

für Zuschüsse nach § 40 SGB XI (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

Evaluation, Pläne und weitere Maßnahmen
18. Existiert eine Evaluation zu der ressortübergreifenden Kampagne der von

CDU, CSU und FDP getragenen ehemaligen Bundesregierung „Erfahrung
ist Zukunft“, welche zur Bewusstseinsbildung der Öffentlichkeit zu Fragen
der alternden Gesellschaft beitragen sollte, und welche Handlungsoptionen
haben sich daraus ergeben?

19. Welche weiteren konkreten Kampagnen sind bezüglich Beratung und Infor-
mation für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Wohneigentumsbesit-
zerinnen und Wohneigentumsbesitzer zur Umsetzung, Finanzierung und
Umsetzung barrierefreier und barrierearmer Wohnraum- und Quartiersan-
passungsmaßnahmen seitens der Bundesregierung geplant, und welchen
Kostenrahmen umfassen diese?

20. Welche konkreten Erfahrungen wurden mit dem Programm „Baumodelle
der Altenhilfe und der Behindertenhilfe“, welches gemeinschaftsorientierte
und generationenübergreifende Akzente setzen sollte, gesammelt?
a) Plant die Bundesregierung, dieses Programm fortzuführen?

Wenn ja, bis wann und unter welchen Bedingungen?
Wenn nein, warum nicht?

b) Wurde das Programm evaluiert?
Wenn ja, mit welchen konkreten Ergebnissen und seit wann, und wo sind
die Evaluationsergebnisse zugänglich?
Wenn nein, warum nicht?

21. Wie ist der aktuelle Stand, um die pflegerische Versorgungsstruktur über die
traditionellen Versorgungsformen im ambulanten und pflegerischen Be-
reich hinaus weiterzuentwickeln, um pflegebedürftigen Menschen den Auf-
enthalt in ihrer eigenen Wohnung oder in ihrer bisherigen Wohnumgebung
zu ermöglichen und zu erleichtern?

Drucksache 18/3882 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
22. Mit welchen Maßnahmen unterfüttert die Bundesregierung ihr Bekenntnis
zum Ausbau von Mehrgenerationenhäusern?

23. Hat die Bundesregierung die Reichweite und den Einfluss des geförderten
Handbuchs „Allein leben mit Demenz“ evaluiert?
a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis, und wo ist dieses veröffentlicht?
b) Wenn nein, warum nicht?

24. Sieht die Bundesregierung in den europäischen Gleichberechtigungsricht-
linien, wie zum Beispiel der fünften Antidiskriminierungsrichtlinie, eine
Chance, den altersgerechten und barrierefreien Umbau von Wohnungen und
Quartieren voranzubringen?
a) Wenn ja, inwiefern?
b) Wenn nein, warum nicht?

25. Wie müssen Arbeitslosengeld-II-Beziehende die Erforderlichkeit des Um-
zugs in eine barrierefreie Wohnung belegen, und sind der Bundesregierung
diesbezüglich Probleme bekannt?

26. In welchen Fällen ist der Umzug in eine barrierefreie Wohnung von unter
25-jährigen Arbeitslosengeld-II-Beziehenden, die noch bei ihren Eltern
wohnen, aus schwerwiegenden Gründen erforderlich, und sind der Bundes-
regierung diesbezüglich Probleme bekannt?

27. In welcher Form und welchem Umfang steht die Bundesregierung mit
Ländern, Architekten- und Ingenieurverbänden sowie den Handwerkskam-
mern im Austausch, um für eine Aufnahme des Themas der alters-, genera-
tionen- und sachgerechten Ausgestaltung von Wohnraum und Quartiers-
infrastruktur in ihre Ausbildungscurricula zu werben?

28. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Empfehlungen
der Demografiestrategie zum barrierefreien und barrierearmen Wohnen?
a) Welche Arbeitsgruppen haben sich damit beschäftigt und werden sich

damit beschäftigen?
b) Welche konkreten Maßnahmen wurden aus den Handlungsempfehlun-

gen umgesetzt?
29. Wie soll der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vorge-

sehene Förderbonus für zusätzliche Maßnahmen zum altersgerechten und
barrierefreien Umbauen im CO2-Gebäudesanierungsprogramm konkret
ausgestattet und finanziert werden, wann soll er eingeführt werden, welche
Höhe soll er haben, und unter welchen Bedingungen soll er beantragt wer-
den können?

Berlin, den 28. Januar 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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