BT-Drucksache 18/3881

Dämmstoffe für die energetische Gebäudesanierung

Vom 28. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3881
18. Wahlperiode 28.01.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Harald Ebner, Peter Meiwald,
Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Steffi Lemke, Matthias Gastel, Lisa Paus und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Dämmstoffe für die energetische Gebäudesanierung

Für die Umwelt- und Klimaschutzwirkung von Dämmmaßnahmen sind die
graue Energie, die zur Herstellung der Dämmmaterialien aufgewendet wird, so-
wie die Recyclingfähigkeit der Dämmmaterialien von Bedeutung. Diese variie-
ren je nach Dämmstoff.
Die Marktdurchdringung von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen
ist noch gering, während Dämmstoffe aus Styropor einen Marktanteil von
50 Prozent halten und jene aus Mineralwolle 39 Prozent, wie aus dem privaten
„Branchenradar Dämmstoffe 2014“ hervorgeht.
Die Verwendung von Dämmstoffen ist unter anderem wegen des Brandverhal-
tens von Polystyrol-Dämmstoffen in die öffentliche Kritik geraten. Zuletzt hat-
ten die Bauminister der Länder untersucht, inwieweit geltende Brandschutzbe-
stimmungen bei mit Styropor gedämmten Fassaden ausreichen, wenn die Brand-
quelle von außen auf das Gebäude einwirkt. Die Brandversuche haben ergeben,
dass die Brandschutzbestimmungen nicht ausreichen. Die Bauminister haben
sich infolgedessen darauf geeinigt, bei Neubauten die Anforderungen zu erwei-
tern und bei bestehenden Gebäuden den Gebäudeeigentümern Informationen zu
möglichen Vorsorgemaßnahmen an die Hand zu geben. Eine Nachrüstpflicht sei
nicht verhältnismäßig. Es waren bis zum Jahr 2012 18 Brandfälle bekannt ge-
worden.
Dämmstoffe aus Styropor sind zudem wegen Verwendung des Brandhemmers
HBCD (Hexabromcyclododecan) in die Kritik geraten. HBCD wird in mehreren
Produkten verwendet, vor allem aber in erdölbasierten Dämmstoffen für Ge-
bäude, die unter dem Namen Polystyrol (auch: Styropor, EPS, XPS) auf dem
Markt sind. Es verzögert die Entzündung von Kunststoffen und die Ausbreitung
von Flammen. Bei vollentwickelten Bränden jedoch brennen auch Gegenstände,
die mit Flammhemmern wie HBCD behandelt sind. Nach Angaben der Euro-
päischen Chemikalienagentur ECHA wurden 2006 jährlich in Europa circa
12 000 Tonnen HBCD eingesetzt.
Laut Umweltbundesamt hat HBCD gesundheitsschädliche Effekte. In Tierver-
suchen wurde gezeigt, dass die Embryonal- und Säuglingsentwicklung gestört
werden kann. HBCD steht auch im Verdacht, die Fortpflanzung zu beeinträchti-
gen. Human-Biomonitoring-Daten zur Belastung der Muttermilch zeigen, dass
der Stoff in der Muttermilch enthalten sein kann. Zudem ist HBCD sehr schlecht
zu entsorgen und schwer abbaubar. Er kann ins Grundwasser eindringen, sich

Drucksache 18/3881 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
dort anreichern und bei Wasserorganismen schwere Schädigungen hervorrufen,
die sich über die Nahrungskette bis zum Menschen fortsetzen.
Im Jahr 2011 wurde HBCD durch das UN-Umweltprogramm und die Stockhol-
mer Konvention als biologisch schwer abbaubare Substanz eingestuft, und im
Rahmen einer Anpassung der REACH-Chemikalienverordnung der EU in den
Anhang XIV von REACH aufgenommen, in die Liste „Besonders besorgnis-
erregender Stoffe“, deren Anwendung schrittweise verboten werden soll.
Mit Beschluss der sechsten Vertragsstaatenkonferenz des Stockholmer Überein-
kommens über persistente organische Schadstoffe, auch POP-Konvention ge-
nannt, wurde im Jahr 2013 ein weltweites Verbot von HBCD beschlossen, mit
einer ca. einjährigen Übergangsfrist bis zum November 2014. Die Vertragsstaa-
tenkonferenz legte fest, dass diese Übergangsfrist bis zum Juni 2014 nicht für
die Verwendung von HBCD in EPS und XPS für den Baubereich gilt, da bereits
durch die REACH-Verordnung ein Ende der Herstellung und Verwendung nach
dem 21. August 2015 vorgeschrieben ist.
Noch ist unklar, ob die Europäische Kommission die Möglichkeit der Ausnah-
meverwendung für HBCD in Dämmstoffen unter der POP-Konvention über den
21. August 2015 hinaus anzeigt und demnach nach dem 21. August 2015 HBCD
in Europa in Dämmstoffen, gegebenenfalls unter Auflagen, weiter verwendet
werden kann (Quelle: Umweltbundesamt, 2014).

Wir fragen die Bundesregierung:

Graue Energie zur Herstellung von Dämmstoffen
1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Menge grauer Energie,

die für die Herstellung von Dämmmaterialien aufgewendet wird (bitte nach
Art des Dämmstoffes – geschäumte Kunststoffe – Styropor, Polystyrol, Poly-
urethan, anorganische Dämmstoffe – Mineralwolle, Blähton, Perlite, Kalzium-
silikat-Platten, geschäumtes Glas, Aerogel-Platten, Naturdämmstoffe – Cellulo-
sedämmplatte, Celluloseflocken-Einblasdämmstoff, Hanfdämmplatte, Baum-
woll-Dämmmatte, Baumwollflocken-Einblasdämmstoff, Glimmerschiefer-
Schüttdämmstoff, Schaumglas, Flachsfaser-Dämmplatte, Holzfaser-Dämm-
platte, Blähperlit-Schüttdämmstoff, Schafwolle-Dämmmatten, Hobelspan-
Einblasdämmstoff, Kork-Dämmplatten, Kokosrollfilz-Dämmstoff, Calcium-
silikat-Platte und Schilfrohr-Leichtbauplatten, sonstige aufschlüsseln)?

2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Menge grauer Energie,
die für die fachgerechte Entsorgung von Dämmmaterialien aufgewendet wird
(bitte wie in Frage 1 nach Art des Dämmstoffes aufschlüsseln)?

3. Wie bewertet die Bundesregierung diese Unterschiede, und welche Schlüsse
zieht sie daraus?

4. Inwiefern plant die Bundesregierung, die graue Energie, also die Energie-
menge, welche für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsor-
gung der verschiedenen Dämmmaterialien notwendig ist, in die Bestimmung
der Förderfähigkeit mit einzubeziehen?

Recyclingfähigkeit von Dämmstoffen
5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwieweit verschiedene

Dämmmaterialien recyclebar sind (bitte wie in Frage 1 nach Recylclingarten,
insbesondere thermische Verwertung bzw. Verbrennung, Kompostierbarkeit,
und stoffliches Recycling der Dämmmaterialien, aufschlüsseln)?

6. Wie bewertet die Bundesregierung diese Unterschiede, und welche Schlüsse
zieht sie daraus?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3881
Anreize zur Verwendung von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen
7. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Verwendung von

Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen seit 2003 in Deutschland
entwickelt (bitte nach Jahren und verwendeten Kubikmetern oder Quadrat-
metern aufschlüsseln )?

8. In welchem Umfang förderte die Bundesregierung die Gebäudedämmung
auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen (bitte in Euro, Bundesförderung
und Jahr seit 2003 angeben)?

9. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu den Marktanteilen der
Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen?

10. Was unternimmt die Bundesregierung, um die Verwendung umweltfreund-
licher Dämmmaterialien gezielt zu unterstützen?

11. Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung, um den Marktanteil von
Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen zu erhöhen?

12. Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung, um den Marktanteil von
Dämmstoffen auf Basis von pflanzlichen Rest- und Abfallstoffen zu erhö-
hen?

13. Welche Forschungsaktivitäten verfolgen das Bundesministerium für Bil-
dung und Forschung (BMBF) und Bundeseinrichtungen, um die Erfor-
schung und Entwicklung von Dämmstoffen auf Basis von pflanzlichen
Rest- und Abfallstoffen auszubauen und sicherzustellen, dass bei der Mate-
rialbewertung ökologische Faktoren und sozioökonomische Effekte berück-
sichtigt werden, wie Flächeninanspruchnahme bzw. Flächenkonkurrenzen
und Auswirkungen auf die Biodiversität?

14. Inwieweit plant oder erwägt die Bundesregierung, das Förderprogramm
„Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen“, das unter der von der SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN getragenen Bundesregierung von der da-
maligen Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz, Renate Künast, im Jahr 2003 aufgelegt und unter der von CDU, CSU
und SPD getragenen Bundesregierung unter dem damaligen Bundesminis-
ter für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Horst Seehofer im
Jahr 2006 beendet wurde, wieder aufzulegen?

Wanderausstellung BAUnatour
15. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um künftig die Arbeit der

Wanderausstellung BAUnatour der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe
(FNR) e. V. zu unterstützen?

16. An wie vielen Standorten gastierte die Wanderausstellung BAUnatour der
FNR e. V. nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2011 bis 2015
(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

17. Wie viele Besucher hatte die Wanderausstellung BAUnatour der FNR e. V.
nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2011 bis 2015 (bitte nach
Jahren aufschlüsseln)?

Brandverhalten von Styropor-Dämmstoffen
18. Wie viele Brandfälle von Wohngebäuden sind der Bundesregierung bis

heute bekannt, an denen Brände bei polystyrolgedämmten Fassaden aufge-
treten sind?

Drucksache 18/3881 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
19. Wie viele Brandfälle von Wohngebäuden sind der Bundesregierung insge-
samt bekannt?

20. Welche unterschiedlichen Ursachen liegen den Bränden von Wohngebäu-
den zugrunde (bitte nach Anzahl der Fälle und nach den Brandursachen auf-
schlüsseln)?

Verwendung des Brandschutzmittels HBCD in Styropor-Dämmstoffen
21. In welchen Baustoffen und in welchen Bauprodukten wurde nach Kenntnis

der Bundesregierung HBCD eingesetzt?
22. In welchen Dämmstoffen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung HBCD

eingesetzt?
23. In welchem Umfang wurde nach Kenntnis der Bundesregierung HBCD bis-

her in Wärmedämmung in Deutschland verwendet?
24. In welchem Umfang wurde nach Kenntnis der Bundesregierung HBCD bis-

her in Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) aus Polystyrol, Styropor,
EPS, und/oder XPS in Deutschland verwendet (bitte nach den einzelnen
WDVS aufschlüsseln)?

25. In welchem Umfang wurde nach Kenntnis der Bundesregierung HBCD bis-
her in Wärmedämmverbundsystemen aus anderen Materialien in Deutsch-
land verwendet?

26. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Verwendung von Wär-
medämmverbundsystemen aus Polystyrol seit 2003 in Deutschland entwi-
ckelt (bitte nach Jahren und verwendeten Kubikmetern oder Quadratmetern
aufschlüsseln)?

27. In welchem Umfang förderte die Bundesregierung die Gebäudedämmung
mit Wärmedämmverbundsystemen auf Polystyrol-Basis (bitte in Euro,
Bundesförderung und Jahr seit 2003 angeben)?

28. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Umweltverträglichkeit des
Brandschutzmittels HBCD zu bewerten?

29. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Gesundheitsverträglichkeit
von HBCD zu bewerten?

30. Hält die Bundesregierung eine Einstufung von gebrauchten HBCD-Platten
als Sondermüll für notwendig, und inwiefern setzt sie sich dafür ein?

31. Wie werden nach Kenntnis der Bundesregierung Dämmstoffe aus Polystyrol
verwertet, und ist aus Sicht der Bundesregierung bei dieser Verwertung eine
Freisetzung von Brandschutzmitteln, und im Falle der Verbrennung dessen
vollständige Umwandlung in ungefährliche Endprodukte sichergestellt?

32. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung für die umwelt- und fachgerechte
und verbraucherfreundliche Entsorgung von Styropor-Dämmplatten ein?

33. Inwieweit setzt sich die Bundesregierung dafür ein, das Verbot von HBCD
nach der REACH Chemikalienverordnung der EU ab dem 21. August 2015
umzusetzen?

34. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, ob von in Deutschland tätigen
Unternehmen, Verbänden oder sonstigen Institutionen Anträge für Ausnah-
men vom Verbot der HBCD-Verwendung nach REACH gestellt worden
sind?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3881
35. Inwieweit hält die Bundesregierung Ausnahmen für HBCD vom Verbot
nach REACH ab dem 21. August 2015 für sinnvoll?

Berlin, den 28. Januar 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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