BT-Drucksache 18/3833

Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch sicherstellen

Vom 27. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3833
18. Wahlperiode 27.01.2015
Antrag
der Abgeordneten Marcus Weinberg (Hamburg), Christina Schwarzer, Ursula
Groden-Kranich, Bettina Hornhues, Markus Koob, Katharina Landgraf, Dr. Silke
Launert, Paul Lehrieder, Michaela Noll, Ingrid Pahlmann, Sylvia Pantel, Martin
Patzelt, Eckhard Pols, Josef Rief, Dr. Peter Tauber, Astrid Timmermann-Fechter,
Marian Wendt, Heinz Wiese (Ehingen), Gudrun Zollner, Michael Grosse-Brömer,
Max Straubinger, Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion
der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Sönke Rix, Susann Rüthrich, Petra Crone, Birgit Kömpel,
Ulrike Bahr, Dr. Fritz Felgentreu, Kerstin Griese, Petra Hinz (Essen), Christine
Lambrecht, Dr. Carola Reimann, Dr. Dorothee Schlegel, Ursula Schulte, Stefan
Schwartze, Gülistan Yüksel, Svenja Stadler, Thomas Oppermann und
der Fraktion der SPD

Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Januar 2010 sandte der Rektor einer Bildungseinrichtung in Berlin einen Brief an
ehemalige Schülerinnen und Schüler, die vornehmlich in den 70er und 80er Jahren
Opfer von sexuellem Missbrauch geworden waren. Er entschuldigte sich für die jah-
relangen, systematischen Übergriffe sowie dafür, dass zahlreiche weitere Personen,
die eigentlich eine Schutzpflicht gegenüber den Opfern gehabt hätten, schlicht weg-
geschaut haben. Wenige Tage später wurde das Schreiben der Öffentlichkeit bekannt
und löste eine breite gesellschaftliche und politische Debatte aus, in deren Zusam-
menhang weitere Vorwürfe sexueller Übergriffe laut wurden, Opfer sich meldeten
und das Thema in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wurde. Die Opfer haben
durch ihren Mut, ihr Leiden auszusprechen, vielen anderen Opfern, den betroffenen
Einrichtungen und der gesellschaftlichen und politischen Debatte einen großen
Dienst erwiesen. Die Aufdeckung von Taten und der Anfang einer Aufarbeitung
wurden so erst möglich, die Mauer des Schweigens gebrochen.

In den letzten Jahren wurden bereits wichtige Maßnahmen zur Bekämpfung des se-
xuellen Kindesmissbrauchs realisiert, wie das Bundeskinderschutzgesetz, das Gesetz
zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs, das Ergänzende Hilfe-
system für Betroffene sexuellen Missbrauchs sowie umfangreiche Forschungspro-
gramme. Zur Bekämpfung der Kinderpornografie hat der Deutsche Bundestag im
November 2014 das Strafgesetzbuch verschärft. Weitere wichtige Vorhaben befin-
den sich aktuell in der Realisierungsphase.
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Drucksache 18/3833 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Im März 2010 wurde durch die Bundesregierung der Runde Tisch „Sexueller Kin-
desmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentli-
chen Einrichtungen und im familiären Bereich“ eingesetzt und Bundesministerin
a. D. Dr. Christine Bergmann zur Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des
sexuellen Kindesmissbrauchs benannt. Für den Beginn der Aufarbeitung von Kin-
desmissbrauch war die Arbeit des Runden Tisches ein sehr wichtiger Beitrag ebenso
wie die Fortführung des Amtes des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des se-
xuellen Kindesmissbrauchs.

Zusätzlich stellt der Bund insgesamt 50 Mio. Euro für den „Fonds Sexueller Miss-
brauch“ zur Verfügung, an den sich von familiärem Missbrauch Betroffene, aber
auch Mehrfachbetroffene (durch Fremdtäter / in Institutionen), wenden können.

Berichte von Betroffenen machen deutlich, welch schreckliche Wunden sexueller
Missbrauch hinterlässt und wie die Erfahrungen und Erlebnisse die Opfer manchmal
ein Leben lang verfolgen. Es ist von großer Bedeutung, dass den Opfern, die berich-
ten wollen, zugehört wird. Einerseits, um damit Beachtung für das ihnen angetane
Leid zum Ausdruck zu bringen und andererseits, um mehr Erkenntnisse über die
Strukturen und Bedingungen für sexuellen Kindesmissbrauch zu gewinnen. Eine
Aufarbeitungskommission kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Dabei soll-
ten auch der sexuelle Missbrauch in Kinderheimen und Jugendwerkhöfen der DDR
sowie der sexuelle Missbrauch von Menschen mit körperlicher, geistiger oder seeli-
scher Behinderung in den Blick genommen werden.

Die gesellschaftliche Debatte, die durch den Mut der Opfer angestoßen wurde, darf
nicht verstummen. Ohne die Sensibilisierung der Gesellschaft, ohne ein Hinsehen
und Zuhören, ohne das Ernstnehmen der Opfer und das Erkennen der Täterprofile
wird sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche nicht aufhören.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

dass der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs be-
absichtigt, eine bei ihm angesiedelte Aufarbeitungskommission für die Dauer seiner
Amtszeit einzurichten. Sie soll den Auftrag erhalten, bundesweit Betroffene anzu-
hören sowie deren Berichte und bereits erstellte und künftige Aufarbeitungsberichte
von Institutionen auszuwerten, zu dokumentieren und in geeigneter Weise zu veröf-
fentlichen. Doppelstrukturen bei der Aufarbeitung sollen nicht entstehen.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs im
Rahmen der finanziellen Möglichkeiten zu unterstützen, um eine unabhängige ge-
sellschaftliche Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs der Vergangenheit wei-
terzuführen.

Berlin, den 27. Januar 2015

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Thomas Oppermann und Fraktion

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