BT-Drucksache 18/3807

Konsequenzen aus dem Tarifstreit zwischen der GEMA und der Berliner Fête de la Musique

Vom 21. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3807
18. Wahlperiode 21.01.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Sigrid Hupach, Ulla Jelpke,
Katrin Kunert, Cornelia Möhring, Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte und
der Fraktion DIE LINKE.

Konsequenzen aus dem Tarifstreit zwischen der GEMA und
der Berliner Fête de la Musique

Seit dem Jahr 1995 findet in Berlin die Fête de la Musique statt. Alljährlich
treten auf ca. 100 Standorten Musizierende verschiedenster Musikrichtungen
auf. Vorbild für dieses große Volksfest ist die Fête de la Musique in Paris, die
erstmals im Jahr 1982 stattfand. Der Grundgedanke dahinter ist, Laien wie
Profis vielfältiger Musikrichtungen auftreten zu lassen und dabei einen kosten-
freien Zugang zu gewähren. Einen kommerziellen Charakter hat die Fête de la
Musique nicht. Inzwischen gibt es eine große Anzahl an Ablegern in 50 ver-
schiedenen deutschen Städten und Gemeinden.
Finanziert wird die Fête de la Musique in Berlin zu 25 Prozent aus Mitteln des Lan-
des Berlin und zu 75 Prozent aus Mitteln der Stiftung der Deutschen
Klassenlotterie. Die Finanzierung der Fête de la Musique für das Jahr 2015 und da-
rüber hinaus gestaltete sich jedoch als problematisch und kurzzeitig stand die Ver-
anstaltung sogar vor dem Aus (www.berliner-zeitung.de/berlin/gema-erhoeht-
gebuehren-f-te-de-la-musique-droht-in-berlin-das-aus,10809148,28291870.html).
Hintergrund ist die Erhöhung der Lizenzgebühren, die die Gesellschaft für musika-
lische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) von den
Veranstaltern der Fête de la Musique verlangt hat.
Seit 2001 galt zwischen der GEMA und der Fête Company eine Sonderverein-
barung, die von einer Besucheranzahl von 90 000 ausging. Dabei war es egal, ob
das Fest 150 000 Menschen besuchten oder schlechtwetterbedingt nur 10 000.
Für den Veranstalter bedeutete dies vor allem Planungssicherheit. Im Mai 2014
wurde diese Sondervereinbarung von der GEMA aufgekündigt. Des Weiteren
gibt es Streit darum, ob die Fête de la Musique als Straßenfest oder als Konzert
einzuordnen ist. Auf die Bemessung der Lizenzgebühren hat das große Auswir-
kungen. Der Tarif für Unterhaltungsmusik auf Konzerten ist im Vergleich deut-
lich teurer. In beiden Tarifen ist eine Mindestvergütung vorgesehen. Aber im Ta-
rif U-ST gilt die Angemessenheitsregelung/Härtefallnachlassregelung. Nach der
GEMA-Härtefallregelung ist geregelt, dass die maximal zu zahlende Vergütung
10 Prozent der Eintrittsgelder und der sonstigen Einnahmen, wie z. B. Sponso-
rengelder, Spenden, Werbeeinnahmen und sonstige Zuschüsse, nicht überstei-
gen darf bzw. ein grobes Missverhältnis dann gegeben ist, wenn die in Rechnung
gestellte Pauschalvergütung 10 Prozent der Bruttokartenumsätze aus den Ein-
trittsgeldern zzgl. sonstiger Entgelte übersteigt. Aber im Tarif U-K gilt die An-
gemessenheitsregelung/Härtefallnachlassregelung nicht.

Drucksache 18/3807 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die GEMA beharrt darauf, die Fête de la Musique als Konzert der Unterhal-
tungsmusik und damit in den Tarif U-K einzustufen. Dabei ignoriert sie aber völ-
lig, dass dieser Tarif auf kommerzielle Konzerte zugeschnitten ist und nicht auf
eine nichtkommerzielle Veranstaltung, wie die Fête de la Musique es ist. Diesen
Streit von der zuständigen Schiedsstelle zu klären, lehnte der Berliner Senat auf-
grund der dann anfallenden Kosten ab.
Inzwischen konnte die Finanzierung der Fête de la Musique bis zum Jahr 2017
durch Einsparungen gerettet werden. Doch das Vorgehen der GEMA hat Aus-
wirkungen auf die verschiedenen Ableger in anderen deutschen Städten, die nun
auch mit einer massiven Erhöhung rechnen müssen.
Die GEMA zeigt erneut ein wenig sensibles und äußerst einseitiges Vorgehen,
das sowohl die Interessen der Veranstalter und der Besucherinnen und Besucher
als auch die Bedeutung der Fête de la Musique für die Kulturlandschaft komplett
außer Acht lässt. Es stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die GEMA
Straßenfeste als Konzerte einordnet und umgekehrt. Auch zeigt sich erneut, wie
schwierig es für Veranstalter ist, sich gegen die willkürlich wirkenden Tarifent-
scheidungen der GEMA zur Wehr zu setzen. Dass ein anderes Vorgehen möglich
ist, zeigt das Beispiel Frankreich. Dort sind Veranstaltungen der Fête de la
Musique komplett von Lizenzgebühren der französischen Urheberrechtsgesell-
schaft SACEM befreit. Zugleich obliegt die Aufsicht über die GEMA dem Deut-
schen Patent- und Markenamt als einer dem Bundesministerium der Justiz und
für Verbraucherschutz nachgeordneten Bundesbehörde. Es liegt also auch in der
Verantwortung der Bundesregierung, das Vorgehen der GEMA zu beurteilen.
Letztlich wird an diesem Beispiel erneut offenbar, wie nötig eine umfassende
Reformierung des Systems der Verwertungsgesellschaften in Deutschland ist.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kriterien muss nach Kenntnis der Bundesregierung eine Veranstal-

tung erfüllen, um als Straßenfest zu gelten und somit unter den Tarif U-ST der
GEMA für Unterhaltungsmusik bei Bürger-, Straßen-, Dorf- und Stadtfesten,
die im Freien stattfinden, zu fallen?

2. Hält die Bundesregierung die Einordnung der Veranstaltungen der Fête de la
Musique in den Tarif U-ST der GEMA für angemessen?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

3. Welche Kriterien muss nach Kenntnis der Bundesregierung eine Veranstal-
tung erfüllen, um als Konzert der Unterhaltungsmusik und somit unter den
Tarif U-K der GEMA für Konzerte der Unterhaltungsmusik und Wortkabarett
zu fallen?

4. Hält die Bundesregierung die Einordnung der Veranstaltungen der Fête de la
Musique in den Tarif U-K der GEMA für angemessen?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

5. Welche Kriterien muss nach Kenntnis der Bundesregierung eine Veranstal-
tung erfüllen, um als GEMA-vergütungsfrei zu gelten?

6. Hält die Bundesregierung die Einordnung der Veranstaltungen der Fête de la
Musique als GEMA-vergütungsfrei für möglich und für angemessen?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3807
7. Hält die Bundesregierung die Höhe der im Tarif U-K der GEMA festgesetz-
ten Mindestsätze für angemessen?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

8. Hält die Bundesregierung es für angemessen, dass im Tarif U-K der GEMA
die Angemessenheitsregelung keine Anwendung findet?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

9. Hält die Bundesregierung es für angemessen, dass für die Berechnung der
Lizenzkosten die Bruttoumsätze aus Eintrittsgeldern zzgl. Entgelte als
Grundlage genommen werden, nicht die Nettoumsätze?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

10. Bis wann plant die Bundesregierung, einen Vorschlag für die Reformierung
des Systems der Verwertungsgesellschaften in Deutschland vorzulegen?

11. Welche Pläne hat die Bundesregierung bezüglich der Demokratisierung der
Binnenstrukturen der Verwertungsgesellschaften?

12. Welche Pläne hat die Bundesregierung bezüglich der Überprüfung und Bil-
ligung von Tarifen?

13. Welche Pläne hat die Bundesregierung bezüglich der Überprüfung und Bil-
ligung der Einordnung beispielsweise von Veranstaltungen in bestimmte
Tarife?

14. Welche Pläne hat die Bundesregierung bezüglich der Aufsicht über die Ver-
wertungsgesellschaften?

15. Welche Pläne hat die Bundesregierung bezüglich der Transparenzpflichten
von Verwertungsgesellschaften gegenüber ihren Mitgliedern?

Berlin, den 21. Januar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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