BT-Drucksache 18/3638

Nationale Gentechnik-Anbauverbote

Vom 19. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3638
18. Wahlperiode 19.12.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Caren Lay, Karin Binder, Heidrun
Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Hubertus Zdebel
und der Fraktion DIE LINKE.

Nationale Gentechnik-Anbauverbote

Die Risikotechnologie Agro-Gentechnik ist seit etlichen Jahren in der Europä-
ischen Union (EU) umstritten. Die Öffentlichkeit in den meisten EU-Mitglied-
staaten sieht sie kritisch und lehnt den Anbau transgener Pflanzen ab. In einigen
wenigen EU-Mitgliedstaaten wird die Agro-Gentechnik weniger kritisch gese-
hen, beispielsweise in Spanien oder in England. Deren Regierungen bemängeln
das geringe Tempo, mit welchem Zulassungsanträge gentechnisch veränderter
Pflanzen in der EU bearbeitet werden.
Mit dem Ziel eines Kompromisses zwischen beiden Positionen schlug die Euro-
päische Kommission im Jahr 2010 vor, dass Gentech-Pflanzen EU-weit schnel-
ler zugelassen, aber gleichzeitig die Möglichkeit nationaler Anbauverbote er-
leichtert werden soll. Dafür schlug sie eine Änderung der Richtlinie 2001/18/EG
(„Freisetzungsrichtlinie“) vor. Nachdem dieser Vorschlag mehrere Jahre nicht
weiter verfolgt wurde, nahmen die Diskussionen zu Beginn des Jahres 2014 auf-
grund zugespitzter Debatten um den Anbau des Gentech-Mais 1507 wieder zu.
Gerade das Europaparlament brachte Vorschläge in die Debatte ein, die im Sinne
einer gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft deutlich zielführender
waren, als die Vorschläge der anderen beiden Trilog-Partner (EU-Rat und Euro-
päische Kommission).
Am 3. Dezember 2014 einigten sich Unterhändlerinnen und Unterhändler des
Europaparlamentes, des Ministerrates und der Europäischen Kommission in ei-
nem Trilog-Prozess auf einen Kompromiss zu den nationalen Anbauverboten
gentechnisch veränderter Pflanzen. Dieser wurde am 10. Dezember 2014 durch
die EU-Mitgliedstaaten bestätigt und muss nun noch vom Europaparlament an-
genommen werden, dessen Umweltausschuss den Kompromiss am 17. Dezem-
ber 2014 bereits befürwortete.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Regelungen sind im Detail Ergebnis des Trilog-Verfahrens (2-Pha-

sen-Modell, rechtliche Grundlage, Zeitpunkt des Anbauverbotes, konkrete
Verbotsgründe, Koexistenzregeln, Gruppenverbote etc.)?

2. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung angesichts ihrer eigenen
Vorstellungen zum „opt-out“ aus dem erreichten Trilog-Ergebnis?

Drucksache 18/3638 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Welche konkreten Rechtsunsicherheiten sieht die Bundesregierung in dem
gefundenen Kompromiss?
Hätte sie als rechtliche Grundlage das Binnenmarkt- oder das Umweltrecht
bevorzugt (bitte begründen)?

4. Wie sehen nach Kenntnis der Bundesregierung das weitere Verfahren und
der Zeitplan auf EU-Ebene aus?

5. Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur nationalen Aus-
gestaltung dieser neuen EU-Regelungen in den Deutschen Bundestag ein-
bringen?

6. Wird die Bundesregierung in diesem Gesetzentwurf zur Änderung des Gen-
technikgesetzes ein bundesweit einheitliches Anbauverbot – wie von der
Agrarministerkonferenz vom 5. September 2014 und der Umweltminister-
konferenz vom 24. Oktober 2014 gefordert – oder bundesländerspezifische
Anbauverbote vorschlagen (bitte begründen)?

7. Welche konkreten Koexistenzregelungen schlägt die Bundesregierung für
die Grenzen zu anderen Mitgliedstaaten der EU (im Fall von bundesländer-
spezifischen Anbauverboten – auch an Grenzen zu anderen Bundesländern)
vor, und wie will sie diese festlegen?

8. Für welche zum Anbau in der EU zugelassenen oder kurz vor der Zulassung
stehenden transgenen Pflanzen wird die Bundesregierung nach der Ände-
rung des Gentechnikgesetzes ein nationales Anbauverbot (Opt-out-Klausel)
aussprechen (bitte begründen)?

9. Wie wird die Bundesregierung diesbezüglich mit dem Mais MON 810 oder
dem Mais 1507 verfahren?

10. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das weitere
Nutzen der „Schutzklausel“ für Anbauverbote nach der Richtlinie 2001/18/
EG und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, wie beispielsweise beim Gen-
tech-Mais MON 810?
Werden beide Schutzklausel-Verbotsmöglichkeiten nach Einschätzung der
Bundesregierung durch die neue Möglichkeit, nationale Anbauverbote zu
erlassen, ersetzt?

11. Wie wird die Bundesregierung über zukünftige Anträge zur Anbauzulas-
sung auf EU-Ebene votieren, wenn für sie bereits im Vorfeld feststehen
sollte, dass sie für die jeweilige Gentech-Pflanze ein nationales Anbauver-
bot (Opt-out-Klausel) erlassen wird?

12. Rechnet die Bundesregierung mit Klagen (beispielsweise von Gentech-
Konzernen oder Landwirten), wenn sie ein nationales Anbauverbot (Opt-
out-Klausel) aussprechen sollte (bitte begründen)?

13. Wie schätzt die Bundesregierung die potentiellen Einflussmöglichkeiten der
Gentech-Konzerne im Rahmen des Verbotsverfahrens ein?

14. Wie schätzt die Bundesregierung die Opt-out-Klausel angesichts des Trans-
atlantischen Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP) ein (bitte begrün-
den)?

15. Wie schätzt die Bundesregierung die Opt-out-Klausel angesichts des Frei-
handelsabkommens mit Kanada (CETA) ein (bitte begründen)?

16. Rechnet die Bundesregierung damit, dass es bei Nutzung der Opt-out-Klau-
sel zu Verfahren vor internationalen Schiedsgerichten gegen Deutschland
kommen könnte (bitte begründen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3638
17. Falls ein kanadischer Investor in Deutschland Ackerflächen erwirbt und ihm
durch die Nutzung der Opt-out-Klausel der Anbau transgener Pflanzen un-
tersagt werden würde, könnte er dann nach Einschätzung der Bundesregie-
rung nach dem derzeitig ausgehandelten Vertrag (CETA) die Bundesrepu-
blik Deutschland vor dem internationalen Schiedsgericht verklagen (bitte
begründen)?

18. Welche Vorhaben im Bereich der öffentlichen Forschung zur Agro-Gen-
technik plant die Bundesregierung im Jahr 2015?

19. Wie schätzt die Bundesregierung das Potenzial der Agro-Gentechnik im
Bereich der Salz- und der Trockenheitsresistenz im Vergleich zu konven-
tionellen Züchtungsverfahren ein (bitte begründen)?

Berlin, den 19. Dezember 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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