BT-Drucksache 18/3615

Gegenwärtige Erkenntnisse zur Fortführung des Vereinsverbots der PKK (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/3491)

Vom 18. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3615
18. Wahlperiode 18.12.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Christine Buchholz, Annette Groth,
Inge Höger, Andrej Hunko, Dr. Alexander S. Neu, Niema Movassat, Kathrin Vogler
und der Fraktion DIE LINKE.

Gegenwärtige Erkenntnisse zur Fortführung des Vereinsverbots der PKK
(Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 18/3491)

Dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages wurde ein auf den 16. Oktober
2014 datierter schriftlicher „Bericht des Bundesministerium des Innern zu ge-
genwärtigen Erkenntnissen zur Fortführung des Vereinsverbots der PKK“ vor-
gelegt.
Darin kommt das Bundesministerium des Innern (BMI) zu dem Schluss, das
PKK-Verbot sei weiterhin ein „unverzichtbares Regulativ der Gefahrenabwehr“,
da ein Gewaltverzicht der PKK-Führung für Europa lediglich taktisch motiviert
sei. Festgestellt wird vom BMI, dass die PKK „zunehmend erfolgreich in dem
Bemühen“ sei, „Kämpfer für Syrien“ – also für den Kampf gegen den terroristi-
schen „Islamischen Staat“ und andere djihadistische Gruppierungen – zu rekru-
tieren. Das „Gefährdungspotential, das von dieser Personengruppe ausgeht“, sei
quantitativ zwar geringer, qualitativ aber nicht anders zu bewerten als das der
djihadistischen Syrien-Kämpfer“, meint das BMI. Mit der Kleinen Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 18/3491 erkundigte sich die Fraktion DIE LINKE., wie
die Bundesregierung zu diesen Schlussfolgerungen gekommen sei und wie diese
Einschätzungen zu verstehen seien. Doch die Bundesregierung wich vielfach
einer konkreten Beantwortung der Fragen aus, so dass sich nach Ansicht der Fra-
gestellerinnen und Fragesteller die Notwendigkeit einer Nachfrage und des teil-
weise erneuten Stellens der Fragen ergibt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist die Bundesregierung der Auffassung, ihre Antwort auf Bundestagsdruck-

sache 18/3491 über die seit dem Jahr 2011 geführten Ermittlungsverfahren
gegen mutmaßliche PKK-Mitglieder nach § 129b des Strafgesetzbuches
(StGB) und die Aufschlüsselung von 4 400 Ermittlungsverfahren mit PKK-
Bezug seit 2004 nach Ländern beantworte die Frage 1 der Kleinen Anfrage
(„Was genau meint die Bundesregierung mit der im BMI-Bericht getroffenen
Feststellung, ,[ü]ber 100 verurteilte PKK-Funktionäre seit 1996 und mehr als
4500 Strafverfahren mit PKK-Bezug seit 2004 sprechen für sich‘, und wofür
genau sprechen diese Zahlen nach Meinung der Bundesregierung?“) sowie
die Unterfragen 1a bis 1f, und wenn ja, wie kann die Bundesregierung den
Bezug der genannten Ermittlungsverfahren zu den 100 seit dem Jahr 1996
verurteilten PKK-Funktionären erläutern?

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Wenn nein, fragen wir die Bundesregierung erneut mit der Bitte um detail-
lierte Beantwortung:
a) aufgrund welcher Straftatbestände wurde die Masse der genannten PKK-

Funktionärinnen und PKK-Funktionäre verurteilt,
b) wie viele dieser Verurteilungen von über 100 PKK-Funktionärinnen und

PKK-Funktionären seit dem Jahr 1996 erfolgten allein aufgrund von Ver-
stößen gegen das PKK-Verbot,

c) wie viele der PKK-Funktionärinnen und PKK-Funktionäre, die aufgrund
von Straftaten verurteilt wurden, die sie nach der Gewaltverzichtser-
klärung von Abdullah Öcalan und der PKK für Europa im Jahr 1996 be-
gangen haben sollen, wurden wegen ihrer nachweislichen individuellen
Beteiligung an Gewalttaten oder terroristischen Straftaten (und nicht auf-
grund bloßer Mitgliedschaft in einer kriminellen oder terroristischen Ver-
einigung nach §§ 129 und 129a/b StGB) verurteilt,

d) wie viele der 4 500 seit dem Jahr 2004 geführten Strafverfahren mit PKK-
Bezug betrafen vereinsrechtliche Verstöße gegen das PKK-Verbot,

e) wie viele der 4 500 seit dem Jahr 2004 geführten Strafverfahren mit PKK-
Bezug betrafen Straftaten, die bei der Umsetzung des PKK-Verbots er-
folgten (also z. B. Widerstandsdelikte bei Polizeimaßnahmen aufgrund
von Verstößen gegen das PKK-Verbot),

f) für wie aussagekräftig bezüglich der von ihr behaupteten Notwendigkeit
einer Beibehaltung des PKK-Verbots sieht die Bundesregierung die von
ihr benannten Zahlen an angesichts dessen, dass es sich nur um Ermitt-
lungsverfahren und nicht um Verurteilungen handelt und keine Aufschlüs-
selung nach Straftatbeständen vorzuliegen scheint,

g) sollte die Bundesregierung bislang keine entsprechenden Statistiken füh-
ren, inwieweit befürwortet sie eine entsprechende Evaluation der bisheri-
gen Strafverfahren mit PKK-Bezug im Hinblick auf eine Bewertung der
bisherigen und weiteren Sinnhaftigkeit des Vereinsverbots der PKK?

2. Woraus leitet die Bundesregierung aus der in ihrer Antwort auf die Kleine
Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/3491 in Frage 2 zitierten Äußerung
von KCK-Exekutivratsmitglied Murat Karayilan, „überall auf der Welt solle
die Erde beben“, im Zusammenhang mit seiner gleichfalls zitierten Auffor-
derung, vor die Tore internationaler Organisationen zu marschieren und vom
Widerstand in Kobani zu berichten, einen Aufruf zur Gewalt ab?
a) Inwieweit sind der Bundesregierung Gewalttaten von PKK-Anhängerin-

nen und Anhängern infolge dieses Aufrufes bekannt geworden?
b) Inwieweit lässt sich aus dem Aufruf Murat Karayilans an die kurdische

Jugendorganisation Komalen Ciwan, an die Front zu kommen und gegen
den Islamischen Staat zu kämpfen, ein taktisches Verhältnis der PKK zur
Gewalt in Europa ableiten, nach dem die Bundesregierung explizit gefragt
wurde?

3. Inwieweit lässt sich nach Ansicht der Bundesregierung aus dem von ihr in
ihrer Antwort zu Frage 2 nach Belegen für ein taktisches Verhältnis der PKK
zur Gewalt in Europa genannten Aufruf der Co-Vorsitzenden der KCK, Bese
Hozat, alle Kurden sollten sich erheben, nach Rojava strömen und Teil des
Widerstandes werden, ein solches von der Bundesregierung behauptetes tak-
tisches Verhältnis der PKK zur Gewalt in Europa erkennen?

4. Welche Belege für eine Zugehörigkeit der Freiheitsfalken Kurdistans (TAK),
mit deren Anschlägen auf zivile Einrichtungen in der Westtürkei die Bundes-
regierung unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Urteile das der PKK un-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3615
terstellte Agieren gegen den Gedanken der Völkerverständigung herleitet,
zur PKK sind der Bundesregierung bekannt?
a) In wie vielen und welchen der seit 2011 geführten Verfahren nach § 129b

StGB gegen mutmaßliche Kader der PKK konnte nach Kenntnis der Bun-
desregierung in welcher Form der Beweis der Zugehörigkeit der TAK zur
PKK erbracht werden, und inwieweit fand dieser Nachweis in rechtskräf-
tigen Urteilen Eingang?

b) Welche Äußerungen der PKK bezüglich der TAK sind der Bundesregie-
rung bekannt?

c) Welche Äußerungen der TAK bezüglich ihres Verhältnisses zur PKK sind
der Bundesregierung bekannt?

d) Ist der Bundesregierung bekannt, dass die TAK auf der Terrorliste der EU
als eigenständige Organisation und anders als KADEK und Kongra Gel
explizit nicht als aka („also known as“, auch bekannt als) der PKK aufge-
führt werden (www.eur-lex.europa.eu „Council implementing regulations
No 790/2014“ vom 22. Juli 2014), und wenn ja, was leitet die Bundes-
regierung daraus bezüglich einer Zugehörigkeit der TAK zur PKK ab?

e) Wann und wo fand nach Kenntnis der Bundesregierung der letzte eindeu-
tig der TAK zuzuordnende Anschlag statt, und inwieweit lässt sich daraus
die Auffassung der Bundesregierung ableiten, dass der Kampf der PKK
„mit terroristischen Mitteln“ unbeschadet des Friedenskurses anhält?

f) Inwieweit ist die Bundesregierung angesichts der Notwendigkeit, vor
entsprechenden Verfahren die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach
§ 129b StGB erteilen zu müssen, der Auffassung, dass die alleinige Be-
zugnahme auf höchstrichterliche Urteile zum Nachweis des Agierens der
PKK gegen den Gedanken der Völkerverständigung genügt?

5. Handelt es sich nach Ansicht der Bundesregierung bei den Volksverteidi-
gungseinheiten YPG, den Frauenverteidigungseinheiten YPJ und der Partei
der Demokratischen Union PYD in Rojava/Nordsyrien um terroristische Ver-
einigungen oder Teilorganisationen einer terroristischen Vereinigung?
a) Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung diese Auffassung?
b) Wenn nein, inwieweit sieht die Bundesregierung dann ein Problem darin,

wenn die PKK in der Bundesrepublik Deutschland Mitglieder für die YPG
rekrutiert haben soll?

c) Ist der Bundesregierung bekannt, dass den YPG neben Mitgliedern der
PYD auch Mitglieder sozialdemokratischer und christlich-assyrisch-ara-
mäischer Parteien sowie vor allem Parteilose angehören (www.kurdistan-
report.de „Die Verteidigungskräfte von Rojava – YPG/YPJ“ sowie
www.aymennjawad.org „Christian Militia and Political Dynamics in
Syria“ vom 23. Februar 2014), und wenn ja, woraus leitet die Bundes-
regierung ihre Behauptung ab, bei den YPG handele es sich um den mili-
tärischen Arm der PYD?

d) Ist der Bundesregierung bekannt, dass die YPG den Verteidigungskom-
missionen der drei Kantone von Rojava – Cazira, Kobani und Afrin – un-
terstehen und nicht der PYD (www.civaka-azad.org/pdf/info7.pdf „Aus
der Kraft der eigenen Bevölkerung – Die Revolution in Rojava schreitet
voran“, März 2014), und wenn ja, woraus leitet die Bundesregierung ihre
Behauptung ab, bei den YPG handele es sich um den militärischen Arm
der PYD?

6. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, ihre Antwort „Die in
Frage 5 zitierte Feststellung ist Ausdruck einer phänomendifferenzierten Be-

Drucksache 18/3615 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
wertung. Unbeschadet der Tatsache, dass es sich bei PKK und IS um auslän-
dische terroristische Vereinigungen handelt, sind die (potentiellen) Konse-
quenzen hieraus abzuleitender inländischer Aktivitäten unterschiedlich zu
bewerten“ ist eine Antwort zu den Fragen 5 und 5a bis 5i nach dem ihrer
Meinung nach von kurdischen Syrien-Kämpfern gegen den IS ausgehenden
„Gefährdungspotential“ in Deutschland?
a) Kann die Bundesregierung erläutern, worin die „phänomendifferenzierte

Bewertung“ besteht, und welche Phänomene in welcher Form differen-
ziert bewertet wurden?

b) Welche (potentiellen) Konsequenzen bezüglich inländischer Aktivitäten
im Einzelnen leitet die Bundesregierung aus der Einstufung von PKK und
IS als ausländische terroristische Organisationen ab, und wie bewertet sie
diese?

c) Hält die Bundesregierung es prinzipiell für begrüßenswert, wenn sich
PKK-nahe Kräfte dem IS in Syrien und dem Irak entgegenstellen?
Wenn nein, warum nicht?

d) Welche rechtlich oder politisch begründeten Bedenken und Befürchtun-
gen hat die Bundesregierung, wenn sich in Deutschland lebende Kurdin-
nen und Kurden – und andere hier lebende Personengruppen – dem be-
waffneten Widerstand gegen den IS in Syrien oder dem Irak anschließen?

e) Geht nach Meinung der Bundesregierung ein Gefährdungspotential für
das Bundesgebiet, Bundesbürgerinnen und Bundesbürger oder deutsche
Institutionen im Ausland oder sonstige Belange der Bundesrepublik
Deutschland von den für Syrien von der PKK rekrutierten Kämpferinnen
und Kämpfern aus, und wenn ja, für wen oder was, und woraus leitet die
Bundesregierung dieses Gefährdungspotential ab?

f) Sind der Bundesregierung Aufrufe kurdischer bzw. PKK-naher Organisa-
tionen zu Anschlägen und Gewalttaten in der Bundesrepublik Deutsch-
land im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den IS bekannt, und wenn
ja, welche?

g) Hat die Bundesregierung irgendwelche Erkenntnisse über eine Beteili-
gung von kurdischen Syrien-Rückkehrerinnen und Syrien-Rückkehrern
an Gewalt- oder sonstigen einschlägigen Straftaten in Deutschland, und
wenn ja, welche?

h) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Motivation und Ideo-
logie kurdischer Syrien-Kämpferinnen und Syrien-Kämpfer gegen den IS,
und inwieweit lässt sich aus dieser Motivation und Ideologie ein Gefähr-
dungspotential im Falle ihrer Rückkehr nach Deutschland ableiten?

Berlin, den 17. Dezember 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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