BT-Drucksache 18/3545

EU-Klimaziele 2030 und Anrechenbarkeit von Offsets

Vom 16. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3545
18. Wahlperiode 16.12.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, Hubertus Zdebel,
Caren Lay, Herbert Behrens, Heidrun Bluhm, Karin Binder, Sabine Leidig,
Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

EU-Klimaziele 2030 und Anrechenbarkeit von Offsets

Der Europäische Rat hat am 24. Oktober 2014 ein neues Ziel für die Minderung
der Treibhausgasemissionen (THG) beschlossen. Sie sollen bis 2030 im Ver-
gleich zum Jahr 1990 um 40 Prozent reduziert werden. Das Ziel ist laut dem
Ratsbeschluss EU-intern zu erreichen. Vordergründig sollte damit eine Anrech-
nung sogenannter Offsets zur Zielerfüllung ausgeschlossen sein. Es bestehen
aber Zweifel, ob dies tatsächlich so interpretiert werden kann.
Bei den Offsets handelt es sich um teilweise umstrittene Emissionsgutschriften,
welche sich aus den flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls ergeben, wie
dem Clean Development Mechanism (CDM) oder dem Joint Implementation
(JI). Dabei werden für Emissionsminderungen infolge von Klimaschutzprojek-
ten in Entwicklungsländern (CDM) oder in Industrie- und Schwellenländer (JI)
Zertifikate ausgestellt, die im EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) unter be-
stimmten Voraussetzungen anrechenbar sind.
Einer Studie der britischen Umweltschutzorganisation Sandbag zufolge ist nicht
nur die große Menge an Offsets, die im EU-ETS angerechnet werden darf,
sondern auch deren zumeist schlechte Qualität auffällig. Danach hätten von den
1,1 Milliarden Offsets, die in der gesamten zweiten Handelsperiode zur Anrech-
nung gebracht wurden, 85 Prozent aus Projekten gestammt, die inzwischen
wegen einer mangelhaften Umweltintegrität untersagt wurden: 54 Prozent aus
Industriegasprojekten (HFC-23 oder N2O), die seit Mai 2013 verboten sind, und
32 Prozent aus russischen und ukrainischen JI-Projekten, die ein vereinfachtes
Zulassungsverfahren (sogenanntes Track-1-Verfahren) durchlaufen haben, das
seit Januar 2013 von der EU nicht mehr zugelassen ist. So hätten externe Emis-
sionsgutschriften aus dubiosen Projekten letztlich zu einem globalen Anstieg
der THG-Emissionen geführt, da auf diese Weise innerhalb des EU-ETS Zerti-
fikate angerechnet worden seien, obwohl sie aufgrund der eklatanten Qualitäts-
mängel zu keiner realen CO2-Minderung geführt hätten (vgl. Damien Morris,
„Drifting toward disaster? The ETS adrift in Europe’s climate efforts“, Sandbag,
2013).
Im Jahr 2008 hatte die EU als Ziel für das Jahr 2020 eine Treibhausgasemissions-
minderung von 20 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 beschlossen. Um dieses
Ziel zu erreichen, dürfen auch außerhalb der EU erbrachte Treibhausgasreduk-
tionen – also genannte Offsets aus JI- und CDM-Projekten – angerechnet wer-
den. Sektoren, die unter das EU-ETS fallen (Industrie, Energieerzeugung), dür-
fen sich im Zeitraum 2008 bis 2020 bis zu 1,6 Milliarden Emissionsrechte aus
JI- oder CDM-Projekten anrechnen lassen. Für Sektoren außerhalb des EU-ETS

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(u. a. Verkehr, Gebäude, Dienstleistungen, Haushalte, Landwirtschaft) dürfen
sich die Mitgliedstaaten insgesamt bis zu 750 Millionen Emissionsrechte aus
JI-oder CDM-Projekten anrechnen lassen.
Die genaue Definition von „EU-intern“ ist darum im Zusammenhang mit den
2030-Beschlüssen des EU-Rates vom 24. Oktober 2014 unklar. Bezieht sich
das Wort „EU-intern“ auf alle erzielten Minderungen zwischen 1990 und 2030
– werden also zur Zielabrechnung ausschließlich die tatsächlich erfolgten Treib-
hausgasemissionen der Mitgliedstaaten im Basis- und im Zieljahr miteinander
verglichen – oder spielt die zwischenzeitlich mögliche Anrechnung von Offsets
eine Rolle, etwa indem sich die Kategorie „EU-intern“ nur auf die zu erzielende
zusätzliche Minderung zwischen den Jahren 2020 und 2030 bezieht?

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Werden nach Interpretation der Bundesregierung Emissionsreduktionen aus

Offsets, die bis zum Jahr 2020 in das System eingebracht wurden, auf das
40-Prozent-Reduktionsziel für das Jahr 2030 angerechnet, oder werden zur
Zielabrechnung lediglich die tatsächlich erfolgten Treibhausgasemissionen
der Mitgliedstaaten im Basis- und im Zieljahr miteinander verglichen?

2. Auf welchen Zeitraum bezieht sich nach Interpretation der Bundesregierung
das Wort „EU-intern“?
Sind mit „EU-intern“ alle zwischen den Jahren 1990 und 2030 in der EU er-
folgten Treibhausgasemissionsminderungen gemeint oder nur die Minderun-
gen im Zeitraum zwischen den Jahren 2020 bis 2030?

3. Wenn das Ziel wirklich „EU-intern“ von den Jahren 1990 bis 2030 zu erfüllen
ist, wie können nach Interpretation der Bundesregierung die Offsets verwen-
det werden, die bis zum Jahr 2020 in das System eingebracht wurden?

4. Können nach Interpretation der Bundesregierung ggf. die emissionshandels-
pflichtigen Sektoren Offsets nutzen, um die 2030-Ziele zu erfüllen, und
ergäbe sich daraus ggf. rechnerisch eine zusätzliche interne Minderungs-
verpflichtung für die Nicht-ETS-Sektoren, um insgesamt das 40-Prozent-
Reduktionsziel für das Jahr 2030 „EU-intern“ zu erfüllen?

Berlin, den 16. Dezember 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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