BT-Drucksache 18/3533

100. Jahrestag des Völkermordes an den Armenierinnen und Armeniern im Osmanischen Reich

Vom 9. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3533
18. Wahlperiode 09.12.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Inge Höger,
Andrej Hunko, Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

100. Jahrestag des Völkermordes an den Armenierinnen und Armeniern im
Osmanischen Reich

Am 24. April 2015 jährt sich zum 100. Mal die Masseninhaftierung und an-
schließende Deportation der intellektuellen, politischen und kulturellen Elite der
Armenierinnen und Armenier in Konstantinopel, die den Auftakt zum Völker-
mord an den Armenierinnen und Armeniern sowie weiterer etwa assyrisch-ara-
mäisch und griechischer christlicher Minderheiten im Osmanischen Reich durch
das jungtürkische Regime bildete. Der 24. April bildet den größten Trauertag im
armenischen Jahr und einen offiziellen Feiertag in Armenien. An diesem Tag
wird des Genozids gedacht, dem nach Untersuchungen unabhängiger Historike-
rinnen und Historiker in den Jahren 1915 und 1916 über 1 Million Menschen bei
Deportationen und Massakern zum Opfer fielen. Das deutsche Kaiserreich war
damals als engster militärischer Verbündeter des Osmanischen Reiches sowohl
Mitwisser als auch teilweise Mittäter.
Mindestens 22 Staaten haben diese Massentötungen bislang als Völkermord im
Sinne der UN-Konvention von 1948 über die Verhütung und Bestrafung des
Völkermordes anerkannt. Die türkische Regierung leugnet dagegen bis heute so-
wohl das Ausmaß der Todesopfer als auch eine planmäßige Vernichtungsabsicht
der damaligen jungtürkischen Führung und spricht lediglich von Opfern kriegs-
bedingter Deportationen, da die Gefahr bestanden habe, dass Armenierinnen
und Armenier aufseiten des russischen Kriegsgegners dem Osmanischen Reich
in den Rücken fallen könnten. Am 23. April 2014 drückte der damalige Minis-
terpräsident und jetzige Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, allerdings
sein Mitgefühl für die armenischen Opfer und ihren Hinterbliebenen aus und
nannte die Vertreibung „unmenschlich“ (www.tagesspiegel.de/politik/jahrestag-
des-voelkermordes-erdogan-erinnert-an-die-schmerzen-der-armenier-vertreibung/
9795194.html).
Die militärische und politische Führung des deutschen Kaiserreichs war von An-
fang an über die Verfolgung und Ermordung der Armenierinnen und Armenier
informiert, wie die Akten des Auswärtigen Amtes beweisen. Trotz Eingaben von
Politikern und Kirchenmännern, wie dem sozialistischen Abgeordneten Karl
Liebknecht und dem Theologen Johannes Lepsius, unterließ es die Reichs-
führung, wirksamen Druck auf ihren osmanischen Verbündeten auszuüben. Im
Osmanischen Reich stationierte deutsche Offiziere unterzeichneten Deporta-
tionsbefehle gegen Armenierinnen und Armenier. In Urfa ordnete das dortige
deutsche Militäroberkommando das Niederschießen eines örtlichen Selbstver-
teidigungsversuchs von Armenierinnen und Armeniern gegen ihre drohende De-
portation an. Im Osmanischen Reich beim Bau der Bagdad-Bahn tätige deutsche
Firmen, wie die Deutsche Bank AG und das Bauunternehmen Philipp Holzmann

Drucksache 18/3533 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
AG, profitierten vom Einsatz armenischer Zwangsarbeiter, die anschließend mit
Hilfe der Bahn deportiert wurden. Führende Verantwortliche für den Genozid,
wie der osmanische Innenminister Talat Pascha, konnten nach der türkischen
Kriegsniederlage mit deutscher Hilfe vor Strafverfolgung nach Deutschland
fliehen.
Der Deutsche Bundestag hatte bereits im Jahr 2005 mit den Stimmen aller Frak-
tionen den Antrag „Erinnerung und Gedenken an die Vertreibungen und Massa-
ker an den Armeniern 1915 – Deutschland muss zur Versöhnung zwischen Tür-
ken und Armeniern beitragen“ (Bundestagsdrucksache 15/5689) verabschiedet.
Darin beklagte der Deutsche Bundestag „die Taten der jungtürkischen Regie-
rung des Osmanischen Reiches, die zur fast vollständigen Vernichtung der Ar-
menier in Anatolien geführt haben“. Zudem heißt es: „Zahlreiche unabhängige
Historiker, Parlamente und internationale Organisationen bezeichnen die Ver-
treibung und Vernichtung der Armenier als Völkermord“. Darüber hinaus wurde
„auch die unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches, das angesichts der vielfäl-
tigen Informationen über die organisierte Vertreibung und Vernichtung von Ar-
meniern nicht einmal versucht hat, die Gräuel zu stoppen“, bedauert.
Hatte die parteiübergreifende Resolution vom Jahr 2005 den Begriff „Genozid“
zwar vermieden, aber die Vernichtung der Armenierinnen und Armenier im Ein-
klang mit den Kriterien der UN-Konvention über Völkermord beschrieben und
damit zumindest indirekt anerkannt, so fiel die Bundesregierung in der 17. Legis-
laturperiode hinter diese Sprachregelung zurück. Die Bewertung solle „Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftlern vorbehalten bleiben“. Zudem solle „die
Aufarbeitung der ‚tragischen Ereignisse von 1915/16‘ in erster Linie Sache der
betroffenen beiden Länder Türkei und Armenien“ sein (Bundestagsdrucksache
17/1956). Dagegen bezieht sich der Auftrag auf Bundestagsdrucksache 15/5689
auf „Türken und Armeniern“ und schließt damit die armenische Diaspora, für
die der Genozid mehr noch als für die Republik Armenien ein konstituierendes
Element der Selbstwahrnehmung darstellt, ebenso ein, wie etwa auch die türkei-
stämmigen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Wurde auf Bundestags-
drucksache 15/5689 die „unrühmliche Rolle“ des Deutschen Reichs teilweise
eingestanden, so antwortete die Bundesregierung auf eine Nachfrage der Frak-
tion DIE LINKE. vom Frühjahr 2010, sie nehme „insgesamt keine Bewertung
der vorliegenden Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung zur Rolle des deut-
schen Kaiserreichs vor“ (Bundestagsdrucksache 17/1956).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass es sich bei den Deporta-

tionen und Vertreibungen der Armenierinnen und Armenier 1915/16 um ei-
nen Völkermord im Sinne der UN-Konvention von 1948 handelt?
a) Falls ja, inwieweit ist die Bundesregierung bereit, den Völkermord auch

offiziell anzuerkennen?
b) Falls nein, wie ist die Rechtsauffassung der Bundesregierung in dieser

Frage, und wie begründet sie diese?
c) Welche Staaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung in welcher

Form und wann bislang die Vertreibungen und Massaker an den Armenie-
rinnen und Armeniern 1915/16 als Völkermord anerkannt?

2. Gibt es vonseiten der Bundesregierung bereits Planungen zum 24. April 2015
als 100. Jahrestag des Beginns des Genozids an den Armenierinnen und Ar-
meniern, und wenn ja welche?
a) Inwieweit sind armenische Verbände oder die Republik Armenien anläss-

lich dieses Gedenktages bereits mit Einladungen oder Vorschlägen, Ange-
boten und Erwartungen auf die Bundesregierung zugekommen, und wie
hat die Bundesregierung darauf reagiert?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3533
b) Gibt es vonseiten der Bundesregierung die Absicht zu einer öffentlichen
Stellungnahme oder einer Gedenkveranstaltung anlässlich dieses Tages,
und wenn ja, mit welchem Inhalt?

c) Inwieweit haben türkische Verbände oder die türkische Regierung bezüg-
lich des 100. Jahrestages des Beginns der Vertreibungen und Massaker an
den Armenierinnen und Armeniern Vorschläge, Angebote und Erwartun-
gen an die Bundesregierung gerichtet, und wie hat die Bundesregierung
darauf reagiert?

d) Inwieweit waren der Genozid an den Armenierinnen und Armeniern und
der Gedenktag am 24. April 2015 Thema des Besuchs des Bundesminis-
ters des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, in Armenien im Okto-
ber 2014?

3. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung seit Verabschiedung des
Antrags „Erinnerung und Gedenken an die Vertreibung und Massaker an den
Armeniern 1915 – Deutschland muss zur Versöhnung zwischen Türken und
Armeniern beitragen“ (Bundestagsdrucksache 15/5689) zur Umsetzung der
darin enthaltenen Forderungen unternommen, konkret
a) dass zwischen Türkinnen und Türken und Armenierinnen und Armeniern

ein Ausgleich durch Aufarbeitung, Versöhnen und Verzeihen historischer
Schuld erreicht wird,

b) dass sich Parlament, Regierung und Gesellschaft der Türkei mit ihrer
Rolle gegenüber dem armenischen Volk in Geschichte und Gegenwart
vorbehaltlos auseinandersetzen,

c) dass eine internationale Historiker-Kommission gebildet wird, an der au-
ßer türkischen und armenischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
lern auch internationale Experten beteiligt sind,

d) dass nicht nur die Akten des Osmanischen Reiches zur Frage des Völker-
mordes an den Armeniern, sondern auch die von der Bundesrepublik
Deutschland an die Türkei übergebenen Kopien aus dem Archiv des Aus-
wärtigen Amtes allgemein öffentlich zugänglich gemacht werden,

e) dass innerhalb der Türkei Meinungsfreiheit insbesondere auch bezüglich
des Schicksals der Armenierinnen und Armenier gewährleistet wird,

f) dass die Türkei und Armenien ihre zwischenstaatlichen Beziehungen nor-
malisieren?

4. Sieht die Bundesregierung weiterhin eine „unrühmliche Rolle des Deutschen
Reiches“ bei der Vertreibung und Vernichtung der Armenierinnen und Arme-
niern, wie auf Bundestagsdrucksache 15/5689 genannt?
a) Wenn ja, worin genau besteht nach Ansicht der Bundesregierung diese

„unrühmliche Rolle“ des Deutschen Reiches?
b) Wenn nein, wie definiert die Bundesregierung die Rolle des Deutschen

Reiches bei der Vertreibung und Vernichtung der Armenierinnen und Ar-
menier?

5. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung seit Verabschiedung des
Antrags auf Bundestagsdrucksache 15/5689 unternommen, um die weitere
wissenschaftliche Aufarbeitung der deutschen Rolle beim Völkermord an
den Armenierinnen und Armeniern zu fördern, und in welchem Umfang fand
diese Förderung statt?
a) Welche von der Bundesregierung initiierten, ermutigten, finanzierten oder

auf andere Weise unterstützten Forschungen, wissenschaftlichen Unter-
suchungen, Aktenpublikationen und sonstige Publikationen, Ausstellun-
gen, multimediale Projekte, Gedenkorte und Gedenkveranstaltungen be-

Drucksache 18/3533 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
züglich der deutschen Rolle beim Völkermord durch welche Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler und welche Gremien oder Vereinigun-
gen mit welchen Ergebnissen und neuen Erkenntnissen zur deutschen
Rolle beim Genozid an den Armenierinnen und Armeniern gab es seit Ver-
abschiedung des Antrages auf Bundestagsdrucksache 15/5689?

b) Welche nicht explizit von der Bundesregierung initiierten, ermutigten,
finanzierten oder auf andere Weise unterstützten Forschungen, wissen-
schaftlichen Untersuchungen, Aktenpublikationen und sonstige Publika-
tionen, Ausstellungen, multimediale Projekte, Gedenkorte und Gedenk-
veranstaltungen bezüglich der deutschen Rolle beim Völkermord durch
welche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und welche Gremien
oder Vereinigungen mit welchen Ergebnissen und neuen Erkenntnissen
zur deutschen Rolle am Genozid an den Armenierinnen und Armeniern es
seit Verabschiedung des Antrages auf Bundestagsdrucksache 15/5689
sind der Bundesregierung bekannt?

c) Inwieweit sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, zukünftig ent-
sprechende Forschungen, wissenschaftliche Untersuchungen, Aktenpu-
blikationen und sonstige Publikationen, Ausstellungen, multimediale Pro-
jekte, Gedenkorte und Gedenkveranstaltungen bezüglich der deutschen
Rolle beim Völkermord zu unterstützen, und inwieweit gibt es hierzu be-
reits konkrete Vorhaben durch welche Personen oder Vereinigungen zu
welchen inhaltlichen Schwerpunkten?

6. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Anerkennung des
Völkermordes – oder zumindest der nachweislichen Vertreibungen und
Massaker – an den Armenierinnen und Armeniern durch den Staat Türkei
eine Voraussetzung für eine Aussöhnung zwischen Türkinnen und Türken
und Armenierinnen und Armeniern ist?

7. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Erklärung des damaligen türkischen Regierungschefs Recep Tayyip
Erdoğan anlässlich des 24. April 2014 zur Verfolgung und Massakrierung der
Armenierinnen und Armenier im Hinblick auf eine Aussöhnung zwischen
Türkinnen und Türken und Armenierinnen und Armeniern bzw. zwischen
den Staaten Armenien und Türkei?

8. Betrachtet die Bundesregierung die Verständigung zwischen den Staaten Tür-
kei und Armenien sowie der armenischen Diaspora über die Vertreibung und
Vernichtung der Armenierinnen und Armenier 1915/16 als einen wichtigen
Aspekt für den EU-Beitritt der Türkei?
a) Falls ja, wie könnte eine solche Einigung zwischen beiden Ländern aus-

sehen?
b) Falls nein, wie gedenkt die Bundesregierung der Gefahr zu begegnen, dass

durch die fehlende Verständigung zwischen der Türkei und Armenien so-
wie der auch innerhalb der EU lebenden Angehörigen der armenischen
Diaspora ein zusätzlicher Konflikt in die EU hineingetragen wird?

9. Inwiefern ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Aufarbeitung der
Vertreibungen und Massaker an den Armenierinnen und Armeniern 1915/16
„in erster Linie Sache der betroffenen beiden Länder Türkei und Armenien“
(Bundestagsdrucksache 17/1956) ist?
a) Sind nach Ansicht der Bundesregierung lediglich die beiden Länder Tür-

kei und Armenien betroffen, und wenn nein, welche weiteren Länder oder
Bevölkerungsgruppen in welchen Ländern sind nach Einschätzung der
Bundesregierung noch von der Thematik betroffen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3533
b) Inwieweit ist die Aufarbeitung der Vertreibung und Massaker an den
Armenierinnen und Armeniern 1915/16 nach Auffassung der Bundesre-
gierung auch aufgrund der auf Bundestagsdrucksache 15/5689, 17/1956
eingestandenen „unrühmlichen Rolle“ des Deutschen Reiches eine
Sache der Bundesrepublik Deutschland als mitbetroffenem Land?

c) Sieht die Bundesregierung die Versöhnungsbemühungen der „Länder
Türkei und Armenien“ als deckungsgleich mit den im Antrag auf Bun-
destagsdrucksache 15/5689 geforderten Versöhnungsbemühungen zwi-
schen „Türken und Armeniern“ an?
Wenn ja, welche Rolle spielen in diesem Fall die armenischen Diaspora
und die türkische Migration?
Wenn nein, wie erklärt die Bundesregierung ihre im Unterschied zum
Auftrag auf Bundestagsdrucksache 15/5689 vorgenommene Eingren-
zung auf die „Länder[n] Türkei und Armenien“ auf Bundestagsdruck-
sache 17/1956?

d) Verbindet die Bundesregierung mit dieser im Unterschied zum Antrag auf
Bundestagsdrucksache 15/5689 vorgenommene Verschiebung der Adres-
saten der von der Bundesregierung zu unterstützenden Versöhnungsbe-
mühungen von „Türken und Armeniern“ zu den „Länder[n] Türkei und
Armenien“ auf Bundestagsdrucksache 17/1956 eine bewusste Ausgren-
zung der armenischen Diaspora, und wenn ja, aus welchem Grund?

e) Inwieweit sieht die Bundesregierung in der armenischen Diaspora und
dem in den Diasporaverbänden gepflegten Beharren auf eine Anerken-
nung des Völkermordes durch die Türkei ein Hindernis im Versöhnungs-
prozess zwischen Türkinnen und Türken und Armenierinnen und Arme-
niern bzw. dem Normalisierungsprozess zwischen den Ländern Türkei
und Armenien?

f) Inwieweit hält die Bundesregierung eine Einbeziehung der armenischen
Diaspora in die Aufarbeitung der Vertreibungen und Massaker an den
Armenierinnen und Armeniern 1915/16 für notwendig, um – wie auf
Bundestagsdrucksache 15/5689 gefordert – eine „Versöhnung zwischen
Armeniern und Türken“ zu erreichen?

g) Inwieweit hält die Bundesregierung eine Einbeziehung der außerhalb der
Türkei lebenden türkeistämmigen Bevölkerung und ihrer Verbände – ins-
besondere in der Bundesrepublik Deutschland – in die Aufarbeitung der
Vertreibungen und Massaker an den Armenierinnen und Armeniern
1915/16 für notwendig, um – wie auf Bundestagsdrucksache 15/5689 ge-
fordert – eine „Versöhnung zwischen Türken und Armeniern“ zu errei-
chen?

10. Welche und wie viele Mittel aus dem Bundeshaushalt sind wann, an welche
Institutionen oder Projekte zur Umsetzung welcher der auf Bundestags-
drucksache 15/5689 genannten Ziele geflossen (bitte einzeln aufschlüsseln),
und welche diesbezüglichen Mittel sind im aktuellen Haushalt für welche
Projekte oder Institutionen zur Umsetzung welcher sich auf Bundestags-
drucksache 15/5689 beschriebenen Ziele vorgesehen?

11. Inwieweit hält die Bundesregierung unter Berücksichtigung der bisherigen
Arbeit des Potsdamer Lepsius-Hauses dieses für eine geeignete Stätte zur
Aufarbeitung des Völkermordes, zum Gedenken und zur türkisch-armeni-
schen Aussöhnung?

Drucksache 18/3533 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
a) Wie beurteilt die Bundesregierung die generelle Arbeit des Lepsius-Hau-
ses im Hinblick auf die auf Bundestagsdrucksache 15/5689 genannten
Ziele, und wo sieht sie Unzulänglichkeiten oder Korrekturbedarf?

b) Sind der Bundesregierung Kritiken oder Klagen an der Arbeit des
Lepsius-Hauses bekannt geworden, und wenn ja, wann, durch wen, und
mit welchem Inhalt?

c) Inwieweit und auf welche Weise hat die Bundesregierung gegenüber
dem Lepsius-Haus darauf hingewirkt, dass auf die Umsetzung der auf
Bundestagsdrucksache 15/5689 genannten Ziele hingewirkt wird?

d) Wie viele und welche Veranstaltungen, Publikationen, Ausstellungen,
Multimediadarstellungen und Forschungsprojekte des Lepsius-Hauses,
die sich explizit mit der Thematik des Völkermordes befassten, fanden
nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2005 im Lepsius-Haus
oder durch das Lepsius-Haus initiiert oder unterstützt statt?

e) Wie viele und welche Veranstaltungen, Publikationen, Ausstellungen,
Multimediadarstellungen und Forschungsprojekte des Lepsius-Hauses,
die sich mit der Person von Johannes Lepsius befassten, fanden nach
Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2005 im Lepsius-Haus oder
durch das Lepsius-Haus initiiert oder unterstützt statt?

f) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregie-
rung aus dem quantitativen Verhältnis von Themen, die sich vor allem
mit der Person Lepsius befassen, und solchen, die sich allgemein mit
dem Genozid an den Armenierinnen und Armeniern beschäftigen, durch
das Lepsius-Haus?

g) Inwieweit hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung das Lepsius-Haus
in Veranstaltungen, Ausstellungen, Publikationen, Filmen und Forschun-
gen „auch mit der Person des Johannes Lepsius kritisch befasst“ (Bun-
destagsdrucksache 16/10074) und sich um ein ausgewogenes und diffe-
renziertes Bild von Lepiusʼ Leben, Denken und Wirken bemüht – ein-
schließlich seiner Tätigkeit für den Nachrichten- und Propagandaapparat
General Erich von Ludendorffs während des Ersten Krieges, seiner de-
mokratiefeindlichen Ansichten nach Gründung der Weimarer Republik
und seiner Rolle bei der Herausgabe einer – von der Bundesregierung auf
Bundestagsdrucksache 16/10074 als „manipuliert“ eingestandenen –
Aktenpublikation „Deutschland und Armenien 1914 –1918“, in der eine
deutsche Mitverantwortung am Völkermord vertuscht wurde (Wolfgang
Gust: „Verständnislose Auswüchse des Militarismus“, Historicum Juni
2008)?

h) Inwieweit hält die Bundesregierung das ehemalige Wohnhaus eines
christlichen Islam-Missionars generell für einen geeigneten Ort der Be-
gegnung zwischen türkischen Musliminnen und Muslimen und armeni-
schen Christinnen und Christen?

i) Inwieweit, zu welcher Gelegenheit und in welcher Form wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung durch das Lepsius-Haus neben Johannes
Lepsius auch weitere Persönlichkeiten, wie die Reichstagsabgeordneten
Karl Liebknecht, Philipp Scheidemann und Matthias Erzberger sowie
der Schriftsteller Armin T. Wegner, sowie entsprechende Persönlichkei-
ten aus dem Ausland thematisiert und geehrt, die sich für die Rettung von
Armenierinnen und Armeniern eingesetzt haben?

j) Inwieweit und auf welche Beschlüsse im Einzelnen gestützt hält die Bun-
desregierung es für gerechtfertigt, dass bislang ein Großteil der in Folge
des Antrags auf Bundestagsdrucksache 15/5689 verwendeten Bundes-
mittel an das Lepsius-Haus gingen (Bundestagsdrucksache 17/14661)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3533
k) Inwieweit – und gegebenenfalls an welche Bedingungen geknüpft – hält
die Bundesregierung eine weitere Förderung des Lepsius-Hauses aus
Bundesmitteln für wünschenswert?

12. Was genau geschah im Rahmen des vom Auswärtigen Amt zwischen den
Jahren 2009 und 2013 mit 1,4 Mio. Euro geförderten Versöhnungsprojek-
tes des Instituts für Internationale Zusammenarbeit des Deutschen Volks-
hochschul-Verbandes mit dem Titel „Speaking to One Another“ (Bundes-
tagsdrucksache 17/14661)?
a) Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus welchen Ländern betei-

ligten sich an diesem Programm?
b) Haben Armenierinnen und Armenier oder Türkinnen und Türken aus

Deutschland an den Workshops, Seminaren und Reisen teilgenommen,
und wenn nein, warum nicht?

c) Inwieweit gibt es eine Evaluation der Ergebnisse des Programms „Spea-
king to One Another“?

d) Welche Reaktionen vonseiten der armenischen Diaspora und ihrer Ver-
bände auf solche von Deutschland finanzierten Versöhnungsprojekte
zwischen der Türkei und Armenien sind der Bundesregierung bekannt?

13. Inwieweit und in welcher Form hält die Bundesregierung eine Aufnahme
der Thematik des Genozids an den Armenierinnen und Armeniern in den
Lehrplänen der Bundesländer für wünschenswert?
a) Welche Bundesländer haben nach Kenntnis der Bundesregierung bislang

in welcher Form den Genozid an den Armenierinnen und Armeniern in
die Lehrpläne welcher Fächer an welchen Schulen integriert, und welche
Reaktionen erfolgten darauf?

b) Welche konkreten Initiativen hat die Bundesregierung bislang ergriffen
– oder gedenkt sie noch zu ergreifen –, um angesichts der bundespoliti-
schen Bedeutung der Thematik eine Abstimmung der Bundesländer zu
erreichen, damit der Genozid an den Armenierinnen und Armeniern in
die Geschichtslehrpläne aufgenommen wird?

c) Inwieweit erkennt die Bundesregierung im Antrag auf Bundestagsdruck-
sache 15/5689 einen Handlungsauftrag, sich um die Aufnahme des Ge-
nozids an den Armenierinnen und Armeniern in die Lehrpläne der Län-
der zu bemühen?

d) Inwieweit gibt es von der Bundeszentrale für politische Bildung oder an-
deren Bundesbehörden Informationsmaterial zur Thematik des Genozids
an den Armenierinnen und Armeniern?

14. Welche Gedenkstätten, Ausstellungen, Denkmale, Erinnerungstafeln etc.
im Zusammenhang mit dem Genozid an den Armenierinnen und Armeniern
gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung seit wann in der Bundesrepublik
Deutschland?

15. Welche Möglichkeiten bietet aus Sicht der Bundesregierung gegenwärtig
das deutsche Strafrecht, um die Nachkommen der Opfer der Vertreibungen
und Massaker aus den Jahren 1915/16 vor den Folgen der Genozidleugnung
zu schützen?
a) Wie steht die Bundesregierung zur vom Zentralrat der Armenier erhobe-

nen Forderung nach einem „Gesetz zur Strafbarkeit der Genozidleug-
nung“, als „einen rechtlichen Raum, um das historische Wissen über den
Tatbestand des Völkermords schützen zu können, seine gründliche Er-
forschung zu ermöglichen und die Fortsetzung einer entsprechenden

Drucksache 18/3533 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Politik zu verhindern (www.der-kosmopolit.de/2014/04/ansprache-zum-
24april-2014-frankfurter.html)?

b) In welchen Staaten gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung seit wann
entsprechende Gesetze, die das Leugnen des Genozids an den Armenie-
rinnen und Armeniern unter Strafe stellen?

c) Welche praktischen Erfahrungen mit entsprechenden Gesetzen und ihrer
Wirksamkeit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in diesen Län-
dern?

d) Welche und wie viele Veranstaltungen und Aufzüge während der letzten
fünf Jahre in der Bundesrepublik Deutschland sowie in diesem Zeitraum
hier erschienene oder verkaufte Publikationen, bei denen der Genozid an
den Armenierinnen und Armeniern geleugnet oder relativiert wurde, sind
der Bundesregierung bekannt (bitte Ort, Zeitpunkt, Art der Veranstal-
tung, Veranstalter, Referentinnen und Referenten und Teilnehmerzahl
angeben)?

16. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand des von der Bundes-
regierung auf Bundestagsdrucksache 17/1956 erwähnten Verfahrens arme-
nischer Kläger vor einem US-Bundesgericht gegen deutsche Unternehmen,
denen „angebliche“ Zwangsarbeit beim Bau der Bagdad-Bahn vorgeworfen
wird?
a) Sind der Bundesregierung weitere derartige Verfahren armenischer

Klägerinnen und Kläger in Zusammenhang mit den Ereignissen von
1915/16 vor in- und ausländischen Gerichten bekannt, und wenn ja,
welche, und mit welchem Verfahrensstand?

b) Kennt die Bundesregierung weiterhin nur „angebliche“ Zwangsarbeit
beim Bau der Bagdad-Bahn oder liegen ihr mittlerweile Fakten vor, die
eine solche von Historikern, Zeitzeugen, aber auch armenischen Regie-
rungsstellen behaupteten Zwangsarbeit be- oder widerlegen, und wenn
ja, welche (www.honorarkonsulat-armenien.de/voelkermord.htm)?

c) Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit von Nachfahren noch Forde-
rungen an die Dresdner und Deutsche Bank als Nachfolgerinnen von im
Osmanischen Reich tätigen Kreditinstituten bestehen, die Einlagen er-
mordeter Armenierinnen und Armenier zurückzuzahlen?
Wenn ja, inwieweit unterstützt die Bundesregierung solche Forderun-
gen?

d) Inwieweit würden sich nach Einschätzung der Bundesregierung aus ei-
ner politischen Anerkennung des Genozids durch die Bundesrepublik
Deutschland mögliche Entschädigungsansprüche von Nachfahren der
Opfer an die Bundesrepublik Deutschland oder deutsche Wirtschafts-
unternehmen, die damals im Osmanischen Reich aktiv waren, ergeben?

Berlin, den 8. Dezember 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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