BT-Drucksache 18/3444

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucksache 18/3144 - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern b) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 18/3160 - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern

Vom 3. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3444
18. Wahlperiode 03.12.2014

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksache 18/3144 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von
asylsuchenden und geduldeten Ausländern

b) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 18/3160 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von
asylsuchenden und geduldeten Ausländern

A. Problem
Die Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern im Bundesge-
biet soll verbessert werden, indem Erleichterungen bei den Regelungen hinsicht-
lich der Bewegungsfreiheit getroffen werden und Anpassungen bei den Vorschrif-
ten zum Leistungsbezug vorgenommen werden.

B. Lösung
Bei der räumlichen Beschränkung für Asylbewerber und Geduldete sollen Locke-
rungen vorgenommen werden. Daneben sollen Regelungen zum Wohnort von
Asylbewerbern und Geduldeten getroffen werden (Wohnsitzauflage). Um eine
gerechte Verteilung der Sozialkosten zwischen den Ländern zu gewährleisten,
sollen Sozialleistungen lediglich an dem in der Wohnsitzauflage festgelegten
Wohnort erbracht werden.
Des Weiteren soll eine Neuregelung in Bezug auf das im Asylbewerberleistungs-
gesetz festgelegte Sachleistungsprinzip erfolgen.
Es sind Änderungen im Aufenthaltsgesetz, im Asylverfahrensgesetz und im Asyl-
bewerberleistungsgesetz erforderlich, die mit diesem Gesetz vorgenommen wer-
den.

Drucksache 18/3444 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Annahme der zusammengeführten Gesetzentwürfe auf den Drucksachen
18/3144 und 18/3160 in geänderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen
Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
I. Aus den Neuregelungen zur räumlichen Beschränkung und zur Wohnsitzauf-
lage ergeben sich beim Bund keine finanziellen Auswirkungen. Durch die Ab-
schaffung der räumlichen Beschränkung nach drei Monaten entfällt für die Aus-
länderbehörden der Länder die Verpflichtung, Anträge auf individuelle Verlas-
senserlaubnisse zu bearbeiten.
II. Durch den Übergang vom Vorrang des Sachleistungsprinzips zum Vorrang des
Geldleistungsprinzips ergeben sich beim Bund keine finanziellen Auswirkungen.
Auch für die Länder und Kommunen ergeben sich aus der Neuregelung keine
Mehrkosten, da die bei der Gewährung von Geldleistungen anfallenden Kosten
nicht höher sind als die Kosten von Sachleistungen, die zur Abdeckung desselben
Bedarfs gewährt werden.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht und entfällt kein Erfüllungsaufwand.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Für die Wirtschaft entsteht und entfällt kein Erfüllungsaufwand.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Für die Wirtschaft werden keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder
abgeschafft.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
I. Durch die Neuregelungen zur räumlichen Beschränkung und zur Wohnsitzauf-
lage entsteht beim Bund kein Erfüllungsaufwand.
Bei der Bundespolizei entfällt in geringem Maß Erfüllungsaufwand, da aufgrund
der grundsätzlichen Abschaffung der räumlichen Beschränkung nach drei Mona-
ten diese nach diesem Zeitraum nicht mehr durchgesetzt werden muss. Dies gilt
auch für die für die Durchsetzung der räumlichen Beschränkung im Übrigen zu-
ständigen Behörden der Länder. Entsprechend entfällt hinsichtlich der Verfol-
gung von Verstößen gegen die räumliche Beschränkung als Straftat oder Ord-
nungswidrigkeit in geringfügigem Maß Aufwand für die insofern zuständigen
Landesbehörden.
Durch die Abschaffung der räumlichen Beschränkung nach drei Monaten entfällt
für die Ausländerbehörden der Länder die Verpflichtung, Anträge auf individuelle
Verlassenserlaubnisse zu bearbeiten.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3444
Den Ausländerbehörden der Länder kann durch die optionale nachträgliche An-
ordnung oder Wiederanordnung der räumlichen Beschränkung im Fall von Straf-
tätern, Personen, bei denen der hinreichende Tatverdacht eines Verstoßes gegen
das Betäubungsmittelgesetz besteht, sowie von Personen, bei denen aufenthalts-
beendende Maßnahmen konkret bevorstehen, in geringem Maße Erfüllungsauf-
wand entstehen. Ob und ggf. in welchem Umfang die Länder von dieser Anord-
nungs- bzw. Wiederanordnungsmöglichkeit Gebrauch machen, lässt sich zum ge-
genwärtigen Zeitpunkt nicht abschätzen.
Durch die Einführung einer verpflichtenden Wohnsitzauflage für Asylbewerber,
deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist, entsteht bei den Ländern Bearbeitungs-
aufwand zur Erteilung dieser Auflagen. Der Bearbeitungsaufwand dürfte als ge-
ring einzustufen sein, da die Erteilung der Auflage im Regelfall mit der ohnehin
zu treffenden Entscheidung über die landesinterne Verteilung nach § 50 des Asyl-
verfahrensgesetzes (AsylVfG) bzw. der Entscheidung über die länderübergrei-
fende Verteilung nach § 51 AsylVfG zusammenfällt und jeweils dieselbe Behörde
zuständig ist. Im Fall von Geduldeten, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist,
entsteht die Wohnsitzauflage kraft Gesetzes. Bearbeitungsaufwand entsteht in
diesem Fall nur, wenn bei einem Geduldeten, dessen Lebensunterhalt nicht gesi-
chert ist, die Wohnsitzauflage geändert wird. Dieser Bearbeitungsaufwand dürfte
zu vernachlässigen sein, da auch das bisherige Recht die Möglichkeit der Anord-
nung von Wohnsitzauflagen für Geduldete durch die auch nach der beabsichtigten
Neuregelung zuständigen Ausländerbehörden vorsieht.
II. Durch die Neuregelungen zum Sachleistungsprinzip im Asylbewerberleis-
tungsgesetz entsteht beim Bund kein Erfüllungsaufwand.
Durch die Abschaffung des Vorrangs der Sachleistungsgewährung nach der Erst-
aufnahme bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen nach
§ 44 AsylVfG erhalten die Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleis-
tungsgesetz die Möglichkeit, den notwendigen Bedarf der Leistungsberechtigten
zukünftig in weit größerem Umfang durch Geldleistungen abzudecken. Eine Aus-
wertung des Anteils der Geldleistungen an allen auch in Form von Sachleistungen
und Wertgutscheinen möglichen Unterstützungsleistungen für den Lebensunter-
halt (d. h. ohne Taschengeld) hat für das Jahr 2013 ergeben, dass bundesweit
durchschnittlich ca. 49 Prozent der Leistungen zur Sicherung des Lebensunter-
halts aus Geldleistungen bestanden (2012: ca. 45 Prozent). Bei den Ländern und
Kommunen führt die Abschaffung des Vorrangs der Sachleistungen zu einer Ver-
waltungsvereinfachung und damit zu einer Verringerung ihres Erfüllungsauf-
wands, die jedoch nicht weiter quantifizierbar ist, da die von den Leistungsbehör-
den im Einzelfall gewählte Leistungsform auch stark von externen Faktoren ab-
hängen wird (örtliche Gegebenheiten, Versorgungsengpässe aufgrund steigender
Asylbewerberzahlen etc.).

F. Weitere Kosten
Den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft entstehen keine sonstigen
Kosten. Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreis-
niveau, sind nicht zu erwarten.

Drucksache 18/3444 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 18/3144 und 18/3160 zusammenzufüh-
ren und mit folgenden Maßgaben, im Übrigen unverändert anzunehmen:
1. In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c wird Absatz 1c Nummer 2 und 3 wie

folgt gefasst:
„2. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer ge-

gen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat oder
3. konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer

bevorstehen.“
2. In Artikel 2 Nummer 5 wird § 59b Absatz 1 Nummer 2 und 3 wie folgt ge-

fasst:
„2. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer ge-

gen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat oder
3. konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer

bevorstehen.“
Berlin, den 3. Dezember 2014

Der Innenausschuss

Wolfgang Bosbach
Vorsitzender

Andrea Lindholz
Berichterstatterin

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Luise Amtsberg
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3444
Bericht der Abgeordneten Andrea Lindholz, Rüdiger Veit, Ulla Jelpke und Luise
Amtsberg

I. Überweisung

Zu Buchstabe a
Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/3144 wurde in der 66. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. No-
vember 2014 an den Innenausschuss federführend sowie an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den
Ausschuss für Arbeit und Soziales und den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung
überwiesen.
Zu Buchstabe b
Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/3160 wurde in der 70. Sitzung des Deutschen Bundestages am 27. No-
vember 2014 an den Innenausschuss federführend sowie an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den
Ausschuss für Arbeit und Soziales und den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung
überwiesen. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung beteiligte sich gutachtlich.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat die Vorlagen auf den Drucksachen 18/3144 und 18/3160
in seiner 33. Sitzung am 3. Dezember 2014 beraten. Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE., den Gesetzentwurf auf
Drucksache 18/3144 in der Fassung des Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen anzunehmen, und empfiehlt
einvernehmlich, den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/3160 für erledigt zu erklären.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Vorlagen auf den Drucksachen 18/3144 und 18/3160 in seiner
28. Sitzung am 3. Dezember 2014 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Annahme in der Fassung des
Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Vorlagen auf den Drucksachen 18/3144 und
18/3160 in seiner 23. Sitzung am 3. Dezember 2014 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Annahme
der zusammengeführten Gesetzentwürfe in der Fassung des Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 18/3144 und 18/3160 in seiner 31. Sitzung am
3. Dezember 2014 abschließend beraten. Die Prüfbitte des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung
auf Ausschussdrucksache 18(4)201 und die entsprechende Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern auf
Ausschussdrucksache 18(4)211 lagen vor.
Der Innenausschuss empfiehlt die Annahme der zusammengeführten Gesetzentwürfe auf den Drucksachen
18/3144 und 18/3160 in der aus der Beschlussempfehlung ersichtlichen Fassung mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. Die Ände-
rungen entsprechend dem Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache 18(4)206 NEU, der zuvor von den Frakti-
onen der CDU/CSU und SPD in den Innenausschuss eingebracht und mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ange-
nommen wurde.
Drucksache 18/3444 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

IV. Begründung

Zur Begründung allgemein wird auf die Drucksachen 18/3144 und 17/3160 hingewiesen. Die auf Grundlage des
Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache 18(4)206 NEU vom Innenausschuss vor-
genommenen Änderungen begründen sich wie folgt:

Zu Nummer 1 (Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c)

Zur Änderung von Nummer 2
Die behördliche Anordnung der räumlichen Beschränkung soll bereits möglich sein, wenn Tatsachen die Schluss-
folgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat. Tat-
sachen, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, sind solche, die verwertbar sind, dem betroffenen Ausländer vor-
gehalten und im Zweifelsfall auch belegt werden können. Hinreichender Tatverdacht ist nicht erforderlich.

Zur Änderung von Nummer 3
Es handelt sich um eine sprachliche Präzisierung.

Zu Nummer 2 (Artikel 2 Nummer 5)

Zur Änderung von Nummer 2
Die behördliche Anordnung der räumlichen Beschränkung soll bereits möglich sein, wenn Tatsachen die Schluss-
folgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat. Tat-
sachen, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, sind solche, die verwertbar sind, dem betroffenen Ausländer vor-
gehalten und im Zweifelsfall auch belegt werden können. Hinreichender Tatverdacht ist nicht erforderlich.

Zur Änderung von Nummer 3
Es handelt sich um eine sprachliche Präzisierung.

Die Fraktion der CDU/CSU hebt hervor, der Gesetzentwurf beinhalte im Wesentlichen Änderungen bei der
Residenzpflicht, beim Sachleistungsprinzip und bei der Vorrangprüfung auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Der
Wohnsitzauflage in der jetzigen Fassung werde – wenn auch mit Bedenken zugestimmt –, da es insoweit etwas
an dem Prinzip der Nachhaltigkeit fehle. Nichtsdestotrotz habe man sich im Rahmen des Gesamtkompromisses
dazu entschlossen, den nun vorgelegten Gesetzentwurf mitzutragen. Der Änderungsantrag enthalte bei der Wohn-
sitzauflage eine sprachliche Präzisierung sowie eine weitere Konkretisierung. Hier sei ursprünglich vereinbart
gewesen, dass eine räumliche Beschränkung erneut angeordnet werden könne, wenn – ohne dass hinreichender
Tatverdacht erforderlich sei – Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass gegen Vorschriften des Betäu-
bungsmittelgesetzes verstoßen worden sei. Auch wenn es ausgereicht hätte oder sogar sinnvoller gewesen wäre,
es bei dieser Formulierung zu belassen, habe man sich auf eine Konkretisierung verständigt, nach der Tatsachen,
die die Schlussfolgerung rechtfertigten, solche seien, die verwertbar seien, dem Betroffenen vorgehalten und im
Zweifelsfall auch belegt werden könnten. Dieser Kompromiss werde so mitgetragen.

Die Fraktion der SPD stellt klar, dass der Gesetzentwurf nicht nur im Interesse der Flüchtlinge sei, sondern auch
den im Bundesrat gefassten Kompromiss exakt abbilde. Bei der Ausnahme vom Sachleistungsprinzip wäre ggf.
auch eine stringentere Formulierung vorstellbar gewesen, zum Beispiel dass nur bei ganz besonderen Umständen
wieder zum Sachleistungsprinzip zurückgekehrt werden könne. Wegen der Notwendigkeit einer menschenwürdi-
gen Unterbringung der Flüchtlinge, nicht zuletzt auch angesichts der Witterungsverhältnisse, müsse aber auf na-
hezu jede Unterbringungsmöglichkeit – sei es dezentral oder in Gemeinschaftseinrichtungen – zurückgegriffen

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3444
werden. Daher sollten die Anforderungen nicht noch wesentlich enger formuliert werden. Bezüglich der Aus-
nahme von der Residenzpflicht bei Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz oder dem Verdacht derartiger
Straftaten habe der Bundesratskompromiss in seiner Formulierung lediglich von dem Bekanntwerden von Ver-
stößen und Verdachtsmomenten, also der denkbar allerschwächsten Form, gesprochen. Umgekehrt habe die Ge-
setzesformulierung mit dem Begriff des hinreichenden Tatverdachts wiederum die Schwelle zu hoch gelegt. Mit
der nun gefundenen Formulierung und der ergänzenden Begründung sei das richtige Maß getroffen, um diese
Ausnahme aussprechen zu können. Der Gesetzentwurf sollte daher mit großer Mehrheit angenommen werden.

Die Fraktion DIE LINKE. ist der Auffassung, dass der sog. Kretschmann-Deal in dem Gesetzentwurf nicht
vollumfänglich umgesetzt worden sei. Grundsätzlich sei es zwar ein Fortschritt, dass die Residenzpflicht auf drei
Monate reduziert werde. Dies ändere jedoch nichts an dem Umstand, dass es sich um eine schikanöse Maßnahme
handele, die insgesamt aufgehoben werden sollte. Der vorgesehene Vorrang für Geldleistungen wäre ebenfalls
ein Fortschritt, wenn es in der Regelung nicht an verschiedenen Stellen Formulierungen gebe, die Einschränkun-
gen ermöglichten und bei denen unklar sei, wie weit diese reichten. Sowohl bei der Residenzpflicht als auch bei
dem Vorrang für Geldleistungen müssten die Regelungen konkreter formuliert werden. So werde etwa durch die
eingeräumten Ausnahmen nicht klar geregelt, dass Geldleistungen tatsächlich vorrangig zu gewähren seien. An-
gesichts dessen werde sich die Fraktion DIE LINKE. bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Stimme
enthalten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält die ursprüngliche Formulierung für recht präzise und verstehe
deshalb die Intention des Änderungsantrages nicht. Auch das Verfahren werde für schwierig gehalten, da es einen
Kompromiss gegeben habe, auf den nach der ersten Lesung ein Änderungsantrag gefolgt sei. Diesen werde man
ablehnen. Auch wenn Raum für eine noch liberalere Haltung gesehen werde, würde mit dem Gesetzentwurf eine
Reihe von Verbesserungen für die Flüchtlinge auf den Weg gebracht. Insgesamt sei er ein Schritt nach vorne,
auch wenn der Weg sicherlich noch nicht zu Ende gegangen sei. Dem Gesetzentwurf werde zugestimmt, um nicht
wieder hinter dem gemachten Kompromiss zurückzufallen.
Berlin, den 3. Dezember 2014
Andrea Lindholz
Berichterstatterin

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Luise Amtsberg
Berichterstatterin
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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