BT-Drucksache 18/3402

Militärisches Drohnen-Angebot für die Ukraine

Vom 26. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3402
18. Wahlperiode 26.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Sevim Dağdelen, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke,
Katrin Kunert, Dr. Alexander S. Neu, Frank Tempel, Kathrin Vogler und
der Fraktion DIE LINKE.

Militärisches Drohnen-Angebot für die Ukraine

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat ihre
Mitgliedstaaten um die Überlassung von Drohnen gebeten, um damit den
Waffenstillstand in der Ostukraine zu überwachen. Zunächst least die Organi-
sation mit Sitz in Wien aber selbst vier unbemannte Luftfahrzeuge von der Firma
Schiebel aus Österreich. Vorausgegangen war eine Ausschreibung, am 13. Au-
gust 2014 folgte ein Vertrag für vier Helikopter-Drohnen des Typs „Camcopter
S-100“. Seit zwei Wochen finden aber keine Flüge statt (derStandard.at vom
18. November 2014). Anfang November 2014 waren die Geräte bei ihrem Flug
elektronisch gestört worden, auch ein Beschuss durch ein Flugabwehrgeschütz
wurde gemeldet. Es ist unklar, wer für das Störfeuer verantwortlich ist. Auch die
Übertragung von Aufklärungsdaten war daraufhin unmöglich, die Drohne
konnte aber ungestört zum Bedienpersonal zurückfliegen. Wer die OSZE-Droh-
nen in der Ukraine betreut, ist unklar: Nach Medienberichten steckt dahinter die
in Aachen ansässige Sicherheitsfirma Asgaard (derFreitag vom 23. Februar
2014). Im August und September 2014 habe das Unternehmen mindestens drei
Hubschrauberpilotinnen bzw. Hubschrauberpiloten zur Umschulung auf „Cam-
copter“ gesucht. Die Ausbildung soll demnach für zwei Monate beim US-Rüs-
tungskonzern Boeing in den USA und anschließend in der Ukraine stattfinden.
Danach seien Einsätze „im Irak und anderen Krisengebieten“ möglich.
Die OSZE und Schiebel beraten nun über weitere Pläne zum Einsatz der „Cam-
copter“, die bis dahin laut einem OSZE-Sprecher am Boden bleiben sollen.
Außer Russland und Frankreich hat auch die Bundesregierung auf die OSZE-
Anfrage nach weiteren Drohnen geantwortet. Allerdings entschloss sich das
Kabinett, keine zivilen Drohnen anzubieten, stattdessen wurde das Bundes-
ministerium der Verteidigung (BMVg) beauftragt, mit der OSZE zu verhandeln.
Ein deutsches Angebot zur Überlassung mehrerer Drohnen des Typs „LUNA“
wird bei der OSZE angeblich immer noch beraten.
Ein deutscher Einsatz würde nach Auskunft der Bundesregierung (Bundestags-
drucksache 18/2982) nach dem „Betreiber-Modell“ erfolgen, alle Kosten müs-
sen durch die bereitstellende Regierung getragen werden. Dies beinhaltet die
eigenständige Koordination des Ex- bzw. Imports in die Ukraine und die Ab-
wicklung aller Formalitäten. Auch die in der Ukraine erforderlichen Genehmi-
gungen müssen beschafft werden, darunter für den Funkbetrieb oder allgemeine
Fluggenehmigungen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte den Ein-
satz von Drohnen in der Ostukraine bei den Friedensverhandlungen in Minsk

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gutgeheißen. Es ist aber unklar, ob dies auch für Drohnen mit militärischem
Hoheitszeichen gilt.
Auf mehrere parlamentarische Nachfragen antwortet die Bundesregierung, die
OSZE habe sich noch immer nicht zum deutschen Angebot von Militär-Drohnen
positioniert (Bundestagsdrucksache 18/2982, Plenarprotokoll 18/56, Schreiben
des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe an den Abgeordneten
Andrej Hunko vom 11. November 2014).
Ein Grund könnte darin liegen, dass die Bundesministerin der Verteidigung,
Dr. Ursula von der Leyen, zur Bedingung machte, dass „LUNA“-Drohnen von
bewaffneten Fallschirmjägern begleitet werden sollen. Die OSZE ist eine zivile
Organisation, die großen Wert darauf legt, in militärischen Konflikten neutral zu
bleiben. Aus Sicht der Fragesteller hat die Bundesregierung mit dem militäri-
schen Drohnen-Angebot den Versuch unternommen, die OSZE mit ihren militä-
rischen Ambitionen zu funktionalisieren.
Mehrfach hatten die Fragesteller versucht, Auskünfte über das militärische deut-
sche Drohnen-Angebot zu erhalten. Oft werden Antworten auf Kleine Anfragen
zum Thema „Drohnen“ vom BMVg nicht innerhalb der Frist geliefert. Sollte
über das Angebot während der Beantwortung dieser neuerlichen Anfrage bereits
entschieden worden sein, bitten die Fragesteller bei der Beantwortung der Fra-
gen nicht nur um die Mitteilung des jeweiligen Ergebnisses, sondern auch um
die zuvor bei der OSZE eingereichten Vorschläge.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welchen Inhalt hatte die OSZE-Ausschreibung zur Ausweitung des Auftra-

ges der „Special Monitoring Mission“ in der Ukraine und einer „Ergänzung
der Beobachtungsfähigkeit der Monitore am Boden“ durch Drohnen hin-
sichtlich deren ziviler oder aber militärischer Herkunft?

2. Welche weiteren Regierungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung über-
eingekommen, „Drohnenfähigkeiten“ beizusteuern, und was ist der Bundes-
regierung darüber bekannt, ob diese von militärischen oder zivilen Behörden
überlassen werden sollen?

3. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Drohnen welchen Typs
der russische Vorschlag zur Gestellung von Drohnen an die OSZE umfasst
(RIANOVOSTI vom 20. Oktober 2014)?

4. Was ist der Bundesregierung aus eigenen Gesprächen mit ukrainischen oder
russischen Behörden zur neueren Position Russlands hinsichtlich der Nut-
zung von militärischen Drohnen durch die OSZE in der Ostukraine bekannt?

5. Inwiefern war im Rahmen der Vorbereitungen des Minsker Protokolls vom
5. September 2014 und des Minsker Memorandums vom 19. September 2014
davon die Rede, dass nicht nur zivile, sondern auch militärische Drohnen ein-
gesetzt werden könnten?

6. Aus welchem Grund wurde seitens der Bundesregierung das BMVg mit der
Verhandlung eines Angebotes militärischer Drohnen beauftragt, nicht aber
das Auswärtige Amt oder das Bundesministerium für Verkehr und digitale
Infrastruktur, indem diese etwa, ähnlich wie Schiebel-Drohnen aus Öster-
reich, Kapazitäten leasen könnten, um den Konflikt in der Ukraine nicht zu-
sätzlich zu militarisieren?

7. Wie viele „LUNA“ wurden „im Zusammenwirken der Truppe mit dem Her-
steller überprüft“ (Plenarprotokoll 18/56)?

8. Wie viele „LUNA“ wurden, „wo nötig, in Stand gesetzt“?

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9. Welche genauen Angaben enthält das „Betreiber-Modell“, das die OSZE
einem Einsatz auch für deutsche Drohnen zugrunde legte, vgl. Bundestags-
drucksache 18/2982?
a) Welchen Vorschlag machte die Bundesregierung hierzu hinsichtlich der

„vollständige[n] Kostenübernahme durch die bereitstellende Nation“,
und welche Kosten wurden hierfür anvisiert?

b) Welchen Vorschlag machte die Bundesregierung hierzu hinsichtlich der
„eigenständige[n] Koordination des Ex- bzw. Imports“, und wie könnte
dieser demnach erfolgen?

c) Welchen Vorschlag machte die Bundesregierung hierzu hinsichtlich der
„Dislozierung im Einsatzraum“, und was wird darunter derzeit ver-
standen?

d) Welchen Vorschlag machte die Bundesregierung hierzu hinsichtlich der
„erforderlichen Genehmigungen“, und welche Anstrengungen hat die
Bundesregierung hierzu bereits unternommen?

e) Welchen Vorschlag machte die Bundesregierung hierzu hinsichtlich der
„Selbstversorgung (Unterkunft, Verpflegung, Sanitätsversorgung), der
durchhaltefähigen Eigenversorgung mit allen Betriebsstoffen und Elek-
trizität“, und welche Kapazitäten bzw. Kosten wurden bzw. werden hier-
für erwartet?

f) Welchen Vorschlag machte die Bundesregierung hierzu hinsichtlich der
„Mobilität“ der Drohnen?

10. Inwiefern hat Frankreich nach Kenntnis der Bundesregierung „seinerseits
die Möglichkeiten für die Unterstützung der OSZE durch eigene Drohnen
geprüft“, und was ist der Bundesregierung hierzu bezüglich der franzö-
sischen Vorschläge zur Kostenübernahme, Koordination des Ex- bzw. Im-
ports, „Dislozierung im Einsatzraum“, zu den erforderlichen Genehmigun-
gen und der Selbstversorgung bekannt?

11. Inwiefern wurde hierfür seitens der Bundesregierung mit Frankreich erör-
tert, wie Kosten oder sonstiger Aufwand durch gemeinsame Vorbereitungen
gespart werden könnten?

12. Auf welche Weise arbeiten Bundeswehrangehörige ansonsten mit französi-
schen „Drohnen-Experten“ zusammen?

13. Wie viele Drohnen der Bundeswehr könnten laut dem Vorschlag nach ge-
genwärtigem Stand in der Ukraine operieren, wo würden sie stationiert, wer
wäre für ihren Flug (einschließlich Starts und Landungen) verantwortlich,
und welcher neue Stand hat sich gegenüber dem Plenarprotokoll 18/56
hierzu ergeben?

14. Was ist der Bundesregierung seitens der OSZE darüber bekannt, aus wel-
chen Gründen über das deutsche Angebot „noch nicht abschließend ent-
schieden“ wurde?

15. Unter welchem Hoheitszeichen könnten die Drohnen der OSZE sowie der
Bundeswehr laut dem Vorschlag der Bundesregierung operieren?

16. Von wo und von wem würden die Drohnen der OSZE sowie der Bundes-
wehr nach jetzigem Stand nach Kenntnis der Bundesregierung gesteuert,
und welche Vorschläge hatte die Bundesregierung hierzu ursprünglich ge-
macht?

17. Welche Gespräche oder Absprachen haben welche Bundesbehörden für den
Flugbetrieb im ukrainischen Luftraum mit regionalen (zivilen oder militäri-
schen) ukrainischen Luftverkehrskontrollbehörden bzw. mit den Flugsiche-
rungsbehörden geführt (bitte auch benennen, ob nach Kenntnis der Bundes-

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regierung Angehörige der Nationalgarde, der nach Presseberichten Rechts-
radikale angehören, vgl. Bundestagsdrucksache 18/2982, oder Angehörige
rechtsradikaler Gruppen anwesend waren)?

18. Welche Genehmigungen wurden seitens der Bundesregierung bereits be-
antragt, und welche wurden noch nicht erteilt?

19. Inwieweit dürfen die OSZE-Drohnen (zivilen oder militärischen Ur-
sprungs) aus Sicht der Bundesregierung bzw. nach ihren mittlerweile einge-
holten Erkenntnissen auch russisches Staatsgebiet beobachten, was der
Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, als eine „be-
antwortbare Frage“ bezeichnete (Deutschlandfunk vom 15. Oktober 2014)?

20. Welche „rechtlichen Voraussetzungen für eine Grenzüberwachung im Rah-
men einer OSZE-Mission“ hat die Ukraine hierzu nach Kenntnis der Bun-
desregierung mittlerweile geschaffen?

21. Welche Gespräche haben Bundesbehörden bezüglich des Einsatzes von
„LUNA“-Drohnen in der Ukraine mit Angehörigen des Rüstungskonzerns
EMT oder der Fraunhofer-Gesellschaft bzw. anderen privaten Firmen ge-
führt, und welche Themen wurden besprochen?
a) Inwiefern wurde bei den Gesprächen auch erwähnt, dass die „LUNA“-

Drohnen bei der Bundeswehr signifikant hohe Absturzraten aufweisen
(FAZ, 22. Juni 2013)?

b) Wie haben die ukrainischen Behörden auf die Mitteilungen der hohen
Absturzraten der „LUNA“-Drohnen reagiert, und welche Vorkehrungen
oder Verabredungen zur Vermeidung von Personenschäden wurden ge-
troffen?

22. Welche Vorschläge haben Bundesbehörden gegenüber der OSZE zur mitge-
führten Aufklärungstechnik der „LUNA“-Drohnen gemacht?
a) Welche sonstigen Sensoren könnten in die Drohnen (auch zeitweise) ein-

gerüstet werden, und um welche Anwendungen welcher Hersteller han-
delt es sich genau?

b) Inwieweit und mit welchen Funktionalitäten soll nach Vorstellungen der
Bundesregierung auch Technik zur sog. Bewegtzielerkennung und Mus-
tererkennung eingesetzt werden?

c) Inwieweit können mit den Anwendungen auch Personen oder Fahrzeuge
markiert und dann verfolgt („getrackt“) werden?

d) Inwieweit können Flug- oder Fahrzeuge des ukrainischen oder russi-
schen Militärs mithilfe des Systems zur Mustererkennung automatisch
erkannt oder bestimmten Kategorien zugeordnet werden?

e) Welche weiteren Systeme der bildgebenden Sensorik könnten nach Vor-
stellung der Bundesregierung an die Drohnen montiert werden?

23. Wo sollten bzw. sollen aus Sicht der Bundesregierung von den Bundeswehr-
Drohnen erhobene Informationen verarbeitet werden?

24. Welcher Informationsaustausch hat zwischen dem Einsatzführungskom-
mando der Bundeswehr und dem französischen Centre de Planification et
de Conduite des Opérations seit Einreichen der Vorschläge zur Gestellung
von „LUNA“-Drohnen bei der OSZE stattgefunden, und welchen Inhalt
hatte dieser jeweils?

25. Welches (Zwischen-)Ergebnis ergaben Gespräche mit der OSZE, inwiefern
die Bundeswehr-Drohnen in Abstimmung mit den OSZE-Drohnen operie-
ren könnten?

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26. Welche „rechtlichen Aspekte“ zur Nutzung der „LUNA“-Drohnen zur Un-
terstützung der OSZE-Mission wurden bereits, „sofern sie einschlägig sind,
geprüft“?

27. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern und aus welchem
Grund die Drohnen des Typs „Camcopter“ derzeit nicht in der Ostukraine
eingesetzt werden (derStandard.at vom 18. November 2014)?
a) Über welche eigenen Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung zu

Störungen der „Camcopter“ in der Ostukraine durch elektronische Maß-
nahmen und bzw. oder einem Beschuss durch ein Flugabwehrgeschütz?

b) Inwiefern hat sich die Bundesregierung hierzu auch mit der OSZE aus-
getauscht?

28. Wer ist nach Kenntnis der Bundesregierung für die Steuerung, die Bedie-
nung, die Betreuung oder den Schutz der OSZE-Drohnen in der Ostukraine
zuständig?

29. Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung zu Tätigkeiten der
in Aachen ansässigen Sicherheitsfirma Asgaard in der Ostukraine?

30. Inwiefern hat die Bundesregierung in der Vergangenheit selbst mit der
Firma Asgaard zusammengearbeitet, bzw. inwiefern ist die Firma hierzu
mit Vorschlägen an die Bundesregierung herangetreten?

31. Inwiefern hat auch die Bundesregierung bereits erwogen oder sogar Lösun-
gen vorgeschlagen, wie die „LUNA“-Drohnen vor feindlichem Beschuss
oder elektronischen Störungen geschützt werden könnten?

32. Welche „Notwendigkeit zur Reduzierung erkannter technischer und wirt-
schaftlicher Risiken“ wurden seitens der Bundeswehr „bei der Projektie-
rung des Camcopters S-100“ konkret erkannt?
a) Auf welche Weise entschloss sich die Bundesregierung, hierzu „neu an-

zusetzen“?
b) Welche „Notwendigkeit zur trennscharfen Überarbeitung der funktiona-

len Forderungen“ nach dem Verzicht des Heeres auf die Nutzung von
„Camcoptern“ wurde erkannt und welche Schritte hierzu eingeleitet?

c) Auf welche Weise wurde bzw. wird „ein für die Bedarfsdeckung ge-
ändertes Marktumfeld“ nun begutachtet?

d) Wer hat die Bewertung zur Zulassungsfähigkeit der „Camcopter“ vorge-
nommen?

e) Inwiefern hat der Hersteller es versäumt, mehr als die „vorliegenden zu-
lassungsrelevanten Unterlagen“ einzureichen?

Berlin, den 25. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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