BT-Drucksache 18/3384

Langfristige Risiken der Exposition gegenüber Radon

Vom 26. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3384
18. Wahlperiode 26.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ralph Lenkert, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch,
Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Hubertus Zdebel und
der Fraktion DIE LINKE.

Langfristige Risiken der Exposition gegenüber Radon

Die Belastung durch radioaktive Isotope des Radons ist nach dem Rauchen die
zweithäufigste Ursache für Lungenkrebserkrankungen. Besonders in schlecht
belüfteten Häusern und Räumen mit durchlässigen Fundamenten kann sich
Radon vermehrt ansammeln und dessen Isotope können auf Menschen ein-
wirken.
Mit dem Beschluss der Richtlinie 2013/59/Euratom zur Festlegung grundlegen-
der Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegen-
über ionisierender Strahlung zeichnen sich erstmals stringentere Anforderungen
für die Bewertung von Wohn- und Geschäftsbebauungen hinsichtlich der Be-
lastung mit Radon ab, als sie bislang existieren. In vorbelasteten Gebieten, bei-
spielsweise Regionen mit ehemaligem Uranabbau oder mit natürlichem Radon-
vorkommen (z. B. Westerzgebirge), ist dies von besonderer Bedeutung.
Die Bundesrepublik Deutschland wird durch diese Richtlinie verpflichtet, einen
nationalen Maßnahmenplan zur Bewältigung der langfristigen Risiken der
Exposition gegenüber Radon zu etablieren.
Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 93 des Abge-
ordneten Ralph Lenkert auf Bundestagsdrucksache 18/2481 geht nicht eindeutig
hervor, ob die Bundesregierung zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnor-
men für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender
Strahlung die Einführung konkreter Grenzwerte für Radonbelastungen erwägt.
Sie weist stattdessen darauf hin, dass die Mitgliedstaaten entsprechend der
Richtlinie 2013/59/Euratom nationale Referenzwerte von maximal 300 Becque-
rel pro Kubikmeter (Bq/m3) für die über das Jahr gemittelte Radonaktivitätskon-
zentration in Innenräumen festlegen sollen und dies bis zum Jahr 2018 zu erfol-
gen hat. Die Strahlenschutzkommission hat in einer Stellungnahme am 14. Juli
2004 explizit auf eine statistische Signifikanz des Lungenkrebsrisikos ab einer
Radonkonzentration von 150 Bq/m3 hingewiesen. Das Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit empfiehlt daher in seiner
Broschüre „Umweltpolitik Radon Merkblätter zur Senkung der Radonkonzen-
tration in Wohnräumen“ aus dem Jahr 2004 eine Reduzierung der Radonkonzen-
tration auf unter 100 Bq/m3. Die statistische Signifikanz der Radonkonzentra-
tion in Innenräumen als Ursache für Lungenkrebs war darüber hinaus Gegen-
stand weitergehender Untersuchungen. So wies die europäische Pooling-Studie
(Darby et al. 2005 und 2006) eine Signifikanzschwelle von 80 bis 139 Bq/m3
nach.

Drucksache 18/3384 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Referenzwerte machen im Gegensatz zu Grenzwerten keine Aussage über Toxi-
zität und gesundheitliche Auswirkungen eines Stoffes. Die Höhe des nationalen
Referenzwertes für die Radonkonzentration können die Mitgliedstaaten bis zu
der vorgegebenen Höhe von 300 Bq/m3 für die über das Jahr gemittelte
Radonaktivitätskonzentration selbst festlegen, sie also auch niedriger ansetzen.
Ausgerechnet für Wohnräume fordern diese Referenzwerte entsprechend Ar-
tikel 74 der Richtlinie aber keinen verbindlichen Handlungsbedarf bei Über-
schreiten des Referenzwertes, der dazu geeignet ist, die Belastung unverzüglich
zu reduzieren bzw. die Gefahren durch die erhöhte Konzentration anderweitig
unverzüglich abzuwenden. Die damit einhergehende Unverbindlichkeit und der
nach der Stellungnahme der Strahlenschutzkommission offensichtlich zu hoch
angesetzte Referenzwert von 300 Bq/m3 lassen Zweifel daran aufkommen, dass
mit einer 1:1-Umsetzung der Richtlinie das Ziel der Abwendung der langfris-
tigen Risiken durch Radonbelastung nachhaltig erreicht werden kann.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie beurteilt die Bundesregierung die gesundheitlichen Auswirkungen von

Radonisotopen auf den Menschen in Abhängigkeit zur Radonaktivitätskon-
zentration?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Stellungnahme der Strahlenschutz-
kommission vom 14. Juli 2004, in der auf eine statistische Signifikanz zusätz-
licher Lungenkrebserkrankungen ab einer Radonaktivitätskonzentration von
150 Bq/m3 hingewiesen wird?

3. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dieser Stellung-
nahme?

4. Sind der Bundesregierung darüber hinaus weitere Studien oder Untersuchun-
gen bekannt, in der statistische Signifikanzen zusätzlicher Lungenkrebser-
krankungen in Abhängigkeit zur Radonaktivitätskonzentration festgestellt
worden sind?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn ja, welche Ergebnisse brachten diese Studien bzw. Untersuchungen?
c) Von welcher Signifikanzschwelle der Radonkonzentration in Innenräu-

men für das Auftreten von Lungenkrebs geht die Bundesregierung derzeit
aus?

5. Schließt nach Kenntnis der Bundesregierung die Richtlinie 2013/59/Euratom
die Festlegung verbindlicher nationaler Grenzwerte für die Belastung mit
Radon in Innenräumen generell aus?

6. Erwägt die Bundesregierung die Einführung konkreter und verbindlicher
Grenzwerte für Radonbelastungen in Innenräumen?
a) Wenn ja, welche Vor- und Nachteile der Einführung verbindlicher Grenz-

werte hat sie bislang identifiziert?
b) Wenn ja, zu welchen Ergebnissen ist sie bisher gekommen?
c) Wenn nein, warum wird die Einführung verbindlicher Grenzwerte nicht in

Betracht gezogen (bitte begründen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3384
7. Erwägt die Bundesregierung in Übereinstimmung mit den letzten aktuellen
Stellungnahmen der Strahlenschutzkommission (SSK) ab 2004 (192./199./
208. und 220. Sitzung) auf Grundlage der statistisch gesicherten Ergebnisse
der deutschen und europäischen Studien konkrete Maßnahmen zur Redu-
zierung von Radonkonzentrationen in Wohnungen auch unterhalb des in
Artikel 74 Absatz 1 der Richtlinie 2013/59/Euratom genannten Referenz-
wertes?
a) Wenn ja, zu welchen Ergebnissen ist sie bisher gekommen?
b) Wenn nein, warum nicht?

8. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass durch die Einführung ver-
bindlicher Grenzwerte für Radonbelastung in Innenräumen das Ziel der
Bewältigung der langfristigen Risiken der Exposition gegenüber Radon
schneller erreicht werden kann als mit den in der Richtlinie 2013/59/Eura-
tom vorgeschriebenen Regelungen über Referenzwerte, und wie begründet
die Bundesregierung ihre Auffassung?

9. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Ziel der Bewältigung der
langfristigen Risiken der Exposition gegenüber Radon schnellstmöglich
erreicht werden sollte, und wie begründet die Bundesregierung ihre Auffas-
sung?

10. Plant die Bundesregierung die Umsetzung der Richtlinie 2013/59/Euratom
in nationale Gesetzgebung noch vor dem von der Europäischen Union ver-
bindlich vorgegebenen Stichtag am 6. Februar 2018, und wenn ja, bis
wann?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 26. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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