BT-Drucksache 18/3294

Beratungen der EU-Verkehrsminister zu "neuem Zeitalter der Luftfahrt" durch Teilautomatisierung großer Drohnen

Vom 20. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3294
18. Wahlperiode 20.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Herbert
Behrens, Annette Groth, Ulla Jelpke, Kerstin Kassner, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Frank Tempel, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler und der
Fraktion DIE LINKE.

Beratungen der EU-Verkehrsminister zu „neuem Zeitalter der Luftfahrt” durch
Teilautomatisierung großer Drohnen

Der Europäische Rat für Verkehr, Telekommunikation und Energie beriet am
8. Oktober 2014 über die Integration von Drohnen in den allgemeinen, von der
zivilen Luftfahrt genutzten Luftraum (Ratsdok. 13235/1/14). Diskutiert wurde
ein Kommissionspapier mit dem Titel „Ein neues Zeitalter der Luftfahrt“
(COM(2014) 207 final). Dabei geht es um zivil genutzte Drohnen, die als „pilo-
tenferngesteuerte Luftfahrtsysteme“ bezeichnet werden (im englischen „Remo-
tely Piloted Aircraft Systems“, RPAS). Durch eine Öffnung des „Luftverkehrs-
marktes“ erhofft sich die Europäische Kommission mehr Initiativen für die Nut-
zung unbemannter Luftfahrtsysteme. Ab dem Jahr 2016 sollen Drohnen schritt-
weise mit der bemannten Luftfahrt gleichgestellt werden und ab dem Jahr 2028
gleichberechtigt im nichtreservierten Luftraum fliegen. „Voll automatische“,
also nicht mehr ferngesteuerte Luftfahrtsysteme, könnten demnach bis zum Jahr
2050 den Himmel bevölkern. Dieses Ziel wird auch in der EU-Initiative „Single
European Sky“ verfolgt (http://ec.europa.eu/transport/modes/air/single_
european_sky/index_en.htm). In dem zuständigen Komitee sind zivile und mili-
tärische Vertreter aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union vertreten. Das
Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) sitzt dort mit dem Bundesminis-
terium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zusammen.
Hintergrund des EU-Kommissionspapiers zum „neuen Zeitalter der Luftfahrt”
ist vor allem die wirtschaftliche Entwicklung und Förderung der Drohnen-In-
dustrie. Laut der Europäischen Kommission sei es „unbedingt erforderlich“, den
europäischen Markt auf den „aufstrebenden Sektor“ Drohnen vorzubereiten.
Dadurch könnten „Wachstum und Arbeitsplätze“ geschaffen werden. Allerdings
brauche es dafür einen politischen Rahmen. Vorgeschlagen werden „konzer-
tierte Bemühungen“ im Bereich Forschung und Entwicklung, aber auch Fragen
der Haftung, der Abwehr von Gefahren durch herunterfallende Drohnen sowie
des Datenschutzes. Vorher war das Papier bereits in der Ratsarbeitsgruppe
„Luftverkehr“ beraten worden, wo sich die Delegationen der EU-Mitgliedstaa-
ten organisieren. Laut der Europäischen Kommission sei das Dokument dort
begrüßt worden. Die Gruppe unterstützte demnach den Gedanken, dass die
heimische Drohnenindustrie einen Wettbewerbsvorteil für die europäische Fer-
tigungs- und Dienstleistungsbranche bieten könne. Gemeint sind womöglich
Projekte wie DeSIRE, Closeye, SUNNY und Aeroceptor, die allesamt die Eig-
nung bislang militärisch genutzter Drohnen für zivile Behörden beforschen. Von
Interesse ist, wie die Drohnen Polizeien und Grenzpolizeien zugänglich gemacht

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werden. Nach einer Studie des Statewatch-Mitarbeiters Ben Hayes hat die EU
bereits mindestens 300 Mio. Euro für die Drohnenforschung ausgegeben (State-
watch/Transnational Institute, Februar 2014), in Deutschland dürfte sich der
Betrag in einer ähnlichen Größenordnung bewegen. Nicht alle Zahlen zu den
Ausgaben für das Militär werden veröffentlicht.
Für EU-weit einheitliche luftfahrtrechtliche Regelungen ist die Europäische
Agentur für Flugsicherheit EASA (European Aviation Safety Agency) in Köln
zuständig. Dies betrifft jedoch lediglich zivil genutzte Drohnen mit einem Ab-
fluggewicht über 150 Kilogramm. Regularien für militärische Drohnen werden
bislang von allen Mitgliedstaaten der EU selbst festgelegt. Nach dem Scheitern
der Bundeswehr-Drohne „Euro Hawk“ hatte der damalige Bundesminister der
Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, jedoch die Einrichtung einer europä-
ischen, militärischen Luftfahrtbehörde gefordert. Die EU hatte daraufhin ange-
kündigt, Fragen der luftfahrtrechtlichen Zulassung zivil und militärisch genutz-
ter Drohnen zukünftig gemeinsam zu betreiben (www.ec.europa.eu/enterprise/
sectors/defence/index_en.htm). Die EU-Verteidigungsagentur und die EASA
haben hierfür ein Kooperationsabkommen geschlossen (Pressemitteilung der
EU-Verteidigungsagentur vom 18. Juni 2013). Ziel ist die Beschleunigung ver-
kehrsrechtlicher Fragen und der gegenseitige Austausch zur Lufttüchtigkeit von
Drohnen, dem größten Hindernis bei der Integration in den nicht reservierten
Luftraum. Die EASA soll von militärischen Forschungsergebnissen profitieren.
Die Verteidigungsagentur prüft außerdem, inwiefern die derzeitigen europä-
ischen militärischen Zulassungsvorschriften (EMAR) die Anforderungen an
Drohnen, wie gewünscht, abdecken. Auch in Deutschland hatte der Bundesver-
teidigungsminister die Gründung einer neuen, militärischen Luftfahrtbehörde
vorbereitet. Zur „Optimierung des Zulassungswesens“ bemannter und unbe-
mannter Systeme werden nun „alle diesbezüglichen Kompetenzen unter einem
Dach“ im „Luftfahrtamt der Bundeswehr“ zusammengeführt (Bundestagsdruck-
sache 18/2729). Ein erster „Aufstellungsstab“ hat bereits im April 2014 seine
Arbeit aufgenommen, nun werden die „relevanten Verantwortungen und Aufga-
ben“ aus anderen Organisationsbereichen der Bundeswehr an das Luftfahrtamt
vorbereitet.
Zur Vorbereitung der Ratstagung am 8. Oktober 2014 waren vom Generalsekre-
tariat des Rates Fragen versandt worden, die nach Ansicht der Fragesteller aber
kaum kontrovers angelegt waren. Erfragt wurde, ob die Mitgliedstaaten der EU
die „neuen Technologien“ entwickeln wollen, ohne dabei die Sicherheit zu
beeinträchtigen. Außerdem war von Interesse, ob die Minister eine Harmonisie-
rung der europäischen Regeln für erforderlich halten, ohne dass „lokale Ent-
wicklungen gehemmt werden“ und ein großer Regelungsaufwand entstehe.
Gefragt wurde auch, ob und inwiefern auch besondere Vorschriften über Daten-
schutz und Gefahrenabwehr ausgearbeitet werden sollen und in einer EU-Regu-
lierung münden könnten. Die Regelungen in den Mitgliedstaaten der EU sind
hierzu nicht einheitlich.
Alle anwesenden Minister wurden um ein zweiminütiges Statement gebeten
(http://video.consilium.europa.eu/webcast.aspx?ticket=775-979-14907). Der Vor-
schlag nach „harmonisierten“ europäischen Flugregeln für Drohnen fand weit-
gehende Zustimmung, einige Beiträge stellten aber die Gewichtsgrenze von
150 Kilogramm infrage. Die meisten Mitgliedstaaten der EU hielten die gegen-
wärtigen Datenschutzregeln für ausreichend. Die deutschen und österreichi-
schen Minister erklärten, es gebe ein Ungleichgewicht zwischen Forderungen
der Industrie, die Überwachungssysteme verkaufen wolle, und Bürgerrechten.
Schweden bekräftigte, umwelt- und datenschutzgerechte EU-Standards für
Drohnen könnten der europäischen Drohnen-Industrie weltweite Absatzmärkte
verschaffen. Siim Kallas, der früher amtierende EU-Kommissar für Verkehr, er-
klärte, die EU dürfe den Wettbewerb nicht behindern. Litauen schlug die Ein-
richtung einer neuen Drohnen-Arbeitsgruppe vor. Hier könnten sich demnach

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die Europäische Kommission, die EASA und nationale Luftfahrtbehörden orga-
nisieren, um rechtliche und organisatorische Fragen zu klären. Großbritannien
fordert mehr Investitionen in Forschungsprogramme.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wo wurde das EU-Kommissionspapier „Ein neues Zeitalter der Luftfahrt“

(COM(2014) 207 final) bei den deutschen Bundesbehörden bereits behan-
delt?

2. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Dokument?
3. Inwiefern hält die Bundesregierung den dort anvisierten Zeitplan zur schritt-

weisen Gleichsetzung von Drohnen mit der bemannten Luftfahrt ab dem
Jahr 2016 für realistisch?

4. Inwiefern hält es auch die Bundesregierung für denkbar bzw. nach gegen-
wärtigem Stand für machbar, dass „voll automatische“ Luftfahrtsysteme bis
zum Jahr 2050 entwickelt und in den allgemeinen Luftraum integriert sein
könnten?

5. Welche eigenen Forschungen betreibt bzw. unterstützt die Bundesregierung
hierzu, und welche weiteren Maßnahmen sind hierzu anvisiert?

6. Auf welche Weise haben sich Behörden hierzu in den vergangenen Monaten
in der EU-Initiative „Single European Sky“ engagiert?

7. Welche konkreten Initiativen haben das BMVg oder das BMVI dort einge-
bracht?

8. Inwiefern bzw. mit welchen Einschränkungen teilt die Bundesregierung die
Aussagen des EU-Kommissionspapiers zum „neuen Zeitalter der Luft-
fahrt“, wonach es „unbedingt erforderlich“ sei, den europäischen Markt auf
den „aufstrebenden Sektor“ Drohnen vorzubereiten, um dadurch „Wachs-
tum und Arbeitsplätze“ zu schaffen?

9. Welchen politischen Rahmen hält die Bundesregierung hierzu für angemes-
sen?

10. Welchen Inhalt müssten zukünftige Regulierungen aus Sicht der Bundes-
regierung hinsichtlich der Fragen der Haftung, der Abwehr von Gefahren
durch abstürzende Drohnen sowie des Datenschutzes haben?

11. Wie hat sich die Bundesregierung in der Ratsarbeitsgruppe „Luftverkehr“
zu dem EU-Kommissionspapier verhalten?

12. Auf welche Weise haben deutsche Behörden die Tagesordnung des Europä-
ischen Rates für Verkehr, Telekommunikation und Energie zur Integration
von Drohnen in den allgemeinen, von der zivilen Luftfahrt genutzten Luft-
raum am 8. Oktober 2014 mitgestaltet?

13. Welche auf der Sitzung gehaltenen Beiträge werden von der Bundesregie-
rung begrüßt, und zu welchen nimmt das BMVI eine konträre Haltung ein?

14. Inwiefern hält die Bundesregierung „harmonisierte“ europäische Flug-
regeln für Drohnen für erforderlich?

15. Inwiefern hält die Bundesregierung die gegenwärtigen Datenschutzregeln
in den Mitgliedstaaten der EU für ausreichend?

16. Inwiefern trifft es zu, dass die Bundesregierung ein Ungleichgewicht zwi-
schen Forderungen der Industrie, die Überwachungssysteme verkaufen
wollen, und Bürgerrechten ausmacht, und worin besteht diese mögliche
Schieflage?

17. Wie könnte diese aus Sicht der Bundesregierung ausbalanciert werden?

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18. Wie steht die Bundesregierung zu der Möglichkeit einer zukünftigen Regu-
lierung für Drohnenflüge ziviler Behörden, dass bestimmte Orte, Zeiten
oder Veranstaltungen nicht von Drohnen überwacht werden dürfen oder
eine Überwachung stets vorher mitgeteilt werden muss?

19. Inwiefern hält auch die Bundesregierung die Einrichtung einer neuen EU-
Drohnen-Arbeitsgruppe für erforderlich, und welche zivilen und/oder mili-
tärischen Behörden sollten daran teilnehmen?

20. Welchen Stand hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Umsetzung
eines Kooperationsabkommens der EU-Verteidigungsagentur und der
EASA?

21. Auf welche Weise werden dort nach Kenntnis der Bundesregierung die Be-
schleunigung verkehrsrechtlicher Fragen und der gegenseitige Austausch
zur Lufttüchtigkeit von Drohnen behandelt?

22. Welche Initiativen sind der Bundesregierung hierzu bekannt?

Berlin, den 19. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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