BT-Drucksache 18/3293

EU-Konzept zum Einsatz von Drohnen in Militärmissionen

Vom 20. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3293
18. Wahlperiode 20.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Kathrin Vogler und der
Fraktion DIE LINKE.

EU-Konzept zum Einsatz von Drohnen in Militärmissionen

Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) veröffentlichte bereits im März
2014 ein Konzept zu Einsatzformen für Drohnen in Konflikten unter Beteili-
gung der Europäischen Union (www.statewatch.org/news/2014/oct/eu-eeas-
libya-framework-13829-14.pdf). Diese reichen demnach von der Aufklärung
über den elektronischen Kampf bis hin zu Kampfmissionen. Als Verfasser wird
das hochrangige Militärische Komitee (EUMC) genannt. Dort organisieren sich
die Verteidigungsminister aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Inwie-
fern das Bundesministerium der Verteidigung an dem Dokument mitgewirkt hat
ist unklar. Es spricht aber mehrere Themen an, mit denen auch die Bundeswehr
befasst ist. Ein ähnliches Konzept war im Jahr 2005 veröffentlicht worden und
sollte den Einsatz solcher Drohnen definieren, die in mittlerer und großer Höhe
operieren. Jetzt heißt es, dass auch kleinere oder miniaturisierte Drohnen zur mi-
litärischen Aufklärung in EU-geführten Missionen beitragen könnten, etwa in
der Nahaufklärung der Infanterie. Gleichwohl fokussiert auch das neue Doku-
ment besonders auf Drohnen der MALE-Klasse mit großer Reichweite und mitt-
lerer Höhe. Drohnen seien laut dem Papier kein neues Phänomen, sondern wur-
den bereits seit den 50er-Jahren entwickelt. Seit drei Jahrzehnten hätten sie sich
in Kriegseinsätzen bewährt. Beispiele werden nicht genannt. Bezüglich der
Bundeswehr dürften Systeme, wie die mittlerweile ausgemusterte CL 289, ge-
meint sein. Dabei handelt es sich um eine ferngesteuerte Lenkwaffe, die aus
Sicht der Fragesteller allerdings eher als Wegwerfdrohne bezeichnet werden
kann.
Laut dem Konzept hätten Einsätze der letzten Jahre zu einer rasanten Zunahme
militärischer Anwendungsformen geführt. Parallel dazu nähmen auch zivile
Nutzungsformen zu, von denen viele einen „ähnlichen Charakter“ wie Militär-
einsätze aufwiesen. Das Papier will deshalb Synergien der beiden Bereiche auf-
zeigen. Genannt werden Befriedung, Stabilisierung und Wiederaufbau anderer
Staaten, aber auch die Konfliktvermeidung. Möglich seien auch Einsätze zur
Evakuierung und zur Unterstützung humanitärer Operationen. Drohnen könnten
überdies zur Beförderung von Fracht genutzt werden, besonders senkrechtstar-
tende Drohnen seien hierfür gut geeignet.
Der EAD skizziert eine Zunahme von „asymmetrischen“ Konflikten. Die Droh-
nen sollen den zivilen und militärischen EU-Missionen deshalb zu mehr „Luft-
macht“ verhelfen. Sie würden dringend gebraucht, um vorhandene Kapazitäten
zu verstärken. Im Gegensatz zu menschlichen Piloten verfügten sie über eine ex-
treme Leistungsfähigkeit und seien unabhängig von körperlichen Grenzen. Im

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Falle eines Abschusses würde die Besatzung nicht durch Tod oder Geiselnahme
gefährdet. Auch Einsätze in besonders bedrohlichen Umgebungen seien mög-
lich, darunter kontaminierte Gebiete. Dabei profitierten sie besonders von ihrer
permanenten Verfügbarkeit und der hochwertigen Aufklärung bei jedem Wetter.
Hierzu gehören bildgebende Verfahren mit Infrarot, Video oder Radartechnolo-
gie. Militärische Drohnen sollen zudem Anlagen für den „elektronischen
Kampf“ befördern. Gemeint ist das Abhören oder die Störung gegnerischer
Funksignale, darunter auch Positionsmeldungen, wie GPS (Global Positioning
System). Die Drohnen könnten demnach eigene Einheiten vor derartigen An-
griffen schützen, aber auch selbst gegnerische Truppen elektronisch attackieren.
Zwar geht es in dem Konzept hauptsächlich um Aufklärung und Überwachung.
Jedoch sind auch Kampfeinsätze aufgeführt: Drohnen könnten etwa feste oder
bewegte Ziele für Luftschläge aufspüren, verfolgen und mit Lasertechnologie
markieren. Dadurch würden Kollateralschäden oder Verluste eigener Truppen in
kriegerischen Handlungen reduziert. Mit Kampfdrohnen könnten Militärs sogar
selbst in kriegerische Konflikte eingreifen und Ziele von einer einzigen Platt-
form erfassen, identifizieren und angreifen („engage“). In der EU verfügt bis-
lang lediglich Großbritannien über bewaffnete Drohnen, mehrere Staaten, da-
runter auch Deutschland, bereiten derzeit eine Beschaffung vor. Zukünftig sei
laut dem Papier sogar zu erwarten, dass Drohnen nicht mehr nur Ziele am Boden
angreifen. Sie könnten demnach auch für Luftschlachten entwickelt werden.
Derzeit gebe es laut dem EU-Papier „beträchtliche Einschränkungen“ in der
Nutzung großer Drohnen im allgemeinen Luftraum. Das soll sich ändern: Unbe-
mannte Systeme müssten der bemannten Luftfahrt in allen Lufträumen gleich-
gestellt werden. Der EAD drängt deshalb auf die gemeinsame Entwicklung von
Ausweichverfahren mit der Rüstungsindustrie, die dazu bereits umfassend aktiv
sei. Die EU hatte daraufhin angekündigt, Fragen der luftfahrtrechtlichen Zulas-
sung zivil und militärisch genutzter Drohnen fortan gemeinsam zu betreiben.
Die in der EU zuständige Verteidigungsagentur EDA (European Defence
Agency) und die zivile Luftfahrtagentur EASA (European Aviation Safety
Agency) haben bereits ein Kooperationsabkommen geschlossen. Ziel ist die Be-
schleunigung verkehrsrechtlicher Fragen und der gegenseitige Austausch zur
Lufttüchtigkeit von Drohnen. Die Verteidigungsagentur prüft außerdem, inwie-
fern die derzeitigen europäischen militärischen Zulassungsvorschriften die An-
forderungen an Drohnen, wie gewünscht, abdecken.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann und wo ist das Konzept des EAD zu Einsatzformen für Drohnen in

Konflikten unter Beteiligung der Europäischen Union bei der Bundesregie-
rung eingegangen?

2. Wo wurde das Papier bereits behandelt oder beraten?
3. Mit welchem Inhalt waren Bundesbehörden vor oder nach Erscheinen des

Konzeptes mit dem EUMC in der Angelegenheit in Kontakt?
4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Konzept?
5. Inwiefern ist die Bundesregierung der Auffassung, dass kleinere oder minia-

turisierte Drohnen zur militärischen Aufklärung in EU-geführten Militärmis-
sionen beitragen könnten, und wie könnte dies organisatorisch umgesetzt
werden?

6. Inwieweit ist die Bundesregierung der Ansicht, dass für die „Befriedung“,
„Stabilisierung“ oder den „Wiederaufbau“ anderer Staaten stets Drohnen mit
militärischem Hoheitszeichen genutzt werden müssten?

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7. Inwiefern ist auch die Bundesregierung der Auffassung, dass zivile Nut-
zungsformen großer Drohnen zunehmen und diese vielfach einen „ähnli-
chen Charakter“ wie Militäreinsätze aufwiesen (bitte anhand von Beispielen
illustrieren)?

8. Welche „Synergien“ kann die Bundesregierung hinsichtlich der Erfahrun-
gen aus beiden Bereichen für die zukünftige Nutzung großer Drohnen er-
kennen?

9. Inwieweit spricht sich die Bundesregierung dafür aus, zur Evakuierung oder
Unterstützung humanitärer Operationen oder zum „Wiederaufbau“ anderer
Staaten statt militärischer Drohnen eher nichtmilitärische Drohnen zu nut-
zen, um nicht zu einer Militarisierung von Aufgaben ziviler Behörden bei-
zutragen?

10. Inwieweit ist auch die Bundesregierung der Ansicht, große militärische
Drohnen könnten zivilen und militärischen EU-Militärmissionen zu mehr
„Luftmacht“ verhelfen?

11. Welche Mitgliedstaaten der EU verfügen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung über große Drohnen der MALE-Klasse mit großer Reichweite und
mittlerer Höhe, die in EU-Militärmissionen eingebunden werden könnten?

12. Inwieweit hält die Bundesregierung große zivil oder militärisch genutzte
Drohnen für die Beförderung von Fracht geeignet, bzw. welche Anstrengun-
gen unternimmt sie zur Forschung oder Entwicklung derartiger Systeme?

13. Inwiefern bzw. unter welchen Umständen hält es die Bundesregierung für
denkbar, Drohnen in EU-Militärmissionen auch zum Aufspüren und Be-
kämpfen fester oder bewegter Ziele für Luftschläge einzusetzen?

14. Welche rechtlichen oder organisatorischen Maßnahmen sollen aus Sicht der
Bundesregierung hierfür erörtert und geregelt werden?

15. Welche Gremien der EU wären aus Sicht der Bundesregierung hierfür zu-
ständig?

16. Welche Mitgliedstaaten der EU verfügen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung über bewaffnete große Drohnen, die in EU-Militärmissionen „Luft-
schläge“ vornehmen könnten?

17. Inwiefern ist auch die Bundesregierung der Ansicht, dass die EU Kapazitä-
ten von Drohnen auch für „Luftschlachten“ entwickeln sollte?

18. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus einer Vereinba-
rung Großbritanniens und Frankreichs zur gemeinsamen Entwicklung eines
„Unmanned Combat Aerial System“ (UCAS), rund 150 Mio. Euro für eine
Vorstudie auszugeben und weitere 100 Mio. Euro später folgen zu lassen
(AFP vom 5. November 2014)?

19. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die beiden Regie-
rungen an der Entwicklung der Tarnkappen-Drohne auch andere EU-Regie-
rungen beteiligen wollen?

20. Inwiefern hat auch die Bundesregierung erwogen oder ist entsprechend ein-
geladen worden, sich an dem Projekt zu beteiligen?

21. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auch deutsche Fir-
men an der britisch-französischen Machbarkeitsstudie beteiligt werden?

22. Inwiefern hat die britisch-französische Entscheidung Einfluss auf die Poli-
tik der Bundesregierung bezüglich eigener Investitionen in die Entwicklung
einer Tarnkappen-Drohne?

23. Auf welche Weise hat die Bundesregierung im Jahr 2014 das Projekt
„SAGITTA – Open Innovation“ gefördert, bzw. sich daran beteiligt?

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24. Wer ist nach Kenntnis der Bundesregierung außer der Universität der Bun-
deswehr in München, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
e. V. (DLR) in Oberpfaffenhofen und Braunschweig, der Technischen Hoch-
schule Ingolstadt sowie der Technischen Universität Chemnitz an
„SAGITTA“ beteiligt?

25. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, wann und wo der Erstflug
eines Demonstrators von „SAGITTA“ erfolgen sollte und schließlich er-
folgte, bzw. wann mit einem Erstflug zu rechnen ist?

Berlin, den 19. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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