BT-Drucksache 18/3291

Störungen des zivilen Flugverkehrs durch NATO-Manöver

Vom 20. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3291
18. Wahlperiode 20.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, Ulla Jelpke,
Kerstin Kassner, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich, Kathrin
Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Störungen des zivilen Flugverkehrs durch NATO-Manöver

Im Juni 2014 kam es zu zweitägigen Störungen der Flugsicherung, die im
gesamten östlichen Alpenraum aufgetreten waren (Bundestagsdrucksache
18/2131). Damals waren Transponder von Verkehrsflugzeugen (die sogenannte
Sekundärradarerfassung) durch eine „externe Störquelle“ lahmgelegt worden. Es
handelt sich dabei um Signale, die am Boden aufgefangen werden und Daten wie
die Route oder die Flughöhe übermitteln. Der Flugverkehr war wegen der
Störungen auf bis zu 50 Prozent reduziert, es kam zu Verspätungen von insgesamt
41 Stunden. 57 Flugzeuge waren betroffen. Allerdings nutzt die Deutsche Flug-
sicherung GmbH einen Primärradar, der eigenständig nach Bewegungen im
Luftraum sucht. Die Flieger waren laut der Bundesregierung nicht gänzlich vom
Schirm der Flugsicherung verschwunden. In Österreich ist dies aber nicht der
Fall, lediglich das Militär verfügt nach Berichten der Zeitung „Die Presse“ über
ein Primärradar (www.diepresse.com/home/panorama/oesterreich/3820276/
Nato-stort-Flugverkehr-uber-Osterreich). Die Vorfälle sind noch nicht restlos
aufgeklärt, vermutlich waren aber die NATO-Manöver „NEWFIP 2014“ ursäch-
lich. Dies war auch vom „Nationalen Lageführungszentrum“ im niederrheini-
schen Uedem vermutet worden. Dort überwachen Militärs zusammen mit der
Bundespolizei und der Flugsicherung den Luftraum. Die Behörden sind in einer
NATO-Kaserne untergebracht, auch der Bundesnachrichtendienst und das Bun-
deskriminalamt sind einbezogen. Die Vermutung ist nicht abwegig: In Ungarn
wurde während der Störungen der sogenannte elektronische Kampf (EloKa) ge-
übt, entsprechende Manöver fanden später auch in Italien statt. Teil der Übungen
war, gegnerische Radaranlagen zu stören. Laut der Zeitung „Die Presse“ sei mitt-
lerweile klar, dass es Störungen von AWACS-Aufklärungsflugzeugen waren,
„von dem die alles verschluckenden Signale ausgingen“. Ein anderes Signal mit
der Frequenz 1030 Megahertz sei ein „noch nicht identifiziertes Objekt in der
Nähe der US-Air Base Ramstein in Deutschland“ gewesen. Mit Untersuchungen
wurden die Luftfahrtbehörden der betroffenen Staaten beauftragt, aber auch das
womöglich ursächliche NATO-Hauptquartier in Ramstein ermittelt in der Ange-
legenheit.
Der Rüstungskonzern Airbus Defence and Space hat der Bundeswehr laut einer
Pressemitteilung (29. Oktober 2014) vier neue „Radar-Störsysteme“ geliefert.
Die deutschen Militärs würden dadurch laut dem Militärmagazin „griephan“
ihre Fähigkeiten zur Abwehr elektronischer Störangriffe „an die wachsenden
Möglichkeiten neuer Technologien“ anpassen. Demnach wird die Hardware zur
Ausbildung an Radargeräten genutzt. Auch Pilotinnen bzw. Piloten würden an
dem System geschult, um dadurch Raketenangriffe abzuwehren. Die Technik

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wird an die Gesellschaft für Flugzieldarstellung mbH (GFD) geliefert. Dort wer-
den die Anlagen an Tragflächen von Learjet-Flugzeugen montiert. Eine Integra-
tion in andere fliegende Plattformen sei aber jederzeit möglich. Die GFD ist ein
Tochterunternehmen von Airbus Defence and Space, die Firma arbeitet eng mit
der Bundeswehr zusammen. Die verkauften Multi-Frequency-Jammer simulie-
ren elektronische Störangriffe, auf die von der Bundeswehr dann reagiert wird.
Auf diese Weise will die Bundeswehr den Schutz von Flugzeugen gegen „radar-
gesteuerte Raketenangriffe“ optimieren. Auch „Luftverteidigungsradare“ sollen
vor solchen Störangriffen geschützt werden, etwa wenn gegnerische Militärs
„elektronische Gegenmaßnahmen“ ergreifen (www.griephan.de vom 30. Ok-
tober 2014). Weshalb die Investitionen gerade jetzt getätigt werden, erklären
Airbus und „griephan“ nicht. Möglicherweise profitiert die Bundeswehr von den
Störungen des zivilen Flugverkehrs.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Über welche neueren Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung gegenüber

der Bundestagsdrucksache 18/2131 zu Störungen im europäischen sowie
insbesondere im deutschen Luftraum im Sommer 2014?

2. Welche Störung wurde jeweils genau berichtet?
3. Auf welchen Frequenzen trat das Signal auf?
4. Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung, wie von der Zeitung

„Die Presse“ berichtet, zu, dass es Störungen von AWACS-Aufklärungs-
flugzeugen waren, „von dem die alles verschluckenden Signale ausgingen“?

5. Wo befanden sich die in Deutschland stationierten AWACS-Flugzeuge nach
Kenntnis der Bundesregierung im fraglichen Zeitraum?

6. Sofern die Bundesregierung hierzu über keine Kenntnis verfügt, auf welche
Weise kann sie sich diese Informationen verschaffen?

7. Mit welchem Ergebnis wurde von Bundesbehörden untersucht, worum es
sich bei dem „noch nicht identifizierte[n] Objekt in der Nähe der US-Air
Base Ramstein in Deutschland“ gehandelt haben könnte?

8. Inwiefern waren nach neueren Kenntnissen der Bundesregierung im euro-
päischen sowie insbesondere im deutschen Luftraum auch militärische
Flugzeuge betroffen, und um welche Typen handelte es sich dabei?

9. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche der betroffenen Län-
der über, wie von der Zeitung „Die Presse“ berichtet, keinen Primärradar für
die zivile Flugsicherung verfügen?

10. Sofern, wie auf Bundestagsdrucksache 18/2131 aufgeführt, tatsächlich
keine militärischen Flugzeuge betroffen waren, welche Gründe sind hierfür
im Bereich der NATO bzw. der deutschen militärischen Flugsicherung maß-
geblich?

11. Welche weiteren NATO-Übungen, bei denen auch die „elektronische
Kampfführung“ oder das Stören von Transpondern geübt wurde, fanden
nach Kenntnis der Bundesregierung im Sommer oder Herbst 2014 in Eu-
ropa statt?

12. Welche weiteren nationalen oder internationalen Übungen, bei denen auch
die „elektronische Kampfführung“ oder das Stören von Transpondern geübt
werden soll, sind nach Kenntnis der Bundesregierung geplant?

13. Inwiefern hat die Bundesregierung mittlerweile Erkenntnisse eingeholt, auf
welche technische Art und Weise die NATO in der Lage ist, großräumige
Störungen des Flugverkehrs vorzunehmen?

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14. Auf welche technische Art und Weise ist die Bundeswehr in der Lage, Stö-
rungen des Flugverkehrs vorzunehmen?

15. Auf welche Weise werden die Vorfälle nach Kenntnis der Bundesregierung
bei der NATO untersucht, und wer ist daran beteiligt (bitte auch jeweilige
Arbeitsgruppen oder Unterabteilungen nennen)?

16. Auf welche Weise werden die Vorfälle nach Kenntnis der Bundesregierung
in anderen betroffenen Ländern untersucht, und welche Behörden sind da-
ran beteiligt?

17. Auf welche Weise werden die Vorfälle von der Bundesregierung untersucht,
und wer ist daran beteiligt?

18. Welche Ergebnisse bzw. Zwischenergebnisse sind von der NATO, anderen
Regierungen oder Einrichtungen der Bundesregierung hierzu inzwischen
mitgeteilt worden?

19. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den (Zwischen-)
Ergebnissen?

20. Sollten Berichte zutreffen, wonach ein „noch nicht identifiziertes Objekt in
der Nähe der US-Air Base Ramstein in Deutschland“ für die Störung
ursächlich gewesen sein könnte, inwiefern hält die Bundesregierung eine
Untersuchung durch das womöglich ursächliche NATO-Hauptquartier in
Ramstein überhaupt für objektiv?

21. Welche Kosten entstanden der Bundesregierung für vier neue Radar-„Stör-
systeme“, die der Rüstungskonzern Airbus Defence and Space der Bundes-
wehr laut einer Pressemitteilung (29. Oktober 2014) geliefert hat?

22. Wann und weshalb wurde im Bundesministerium der Verteidigung über den
Kauf entschieden?

23. Wofür werden die Systeme konkret genutzt, und an welchen Standorten
werden diese vorgehalten?

24. Welche weiteren, ähnlichen Geräte werden von der Bundeswehr betrieben?
25. Auf welche Weise sollen die neuen Störsysteme elektronische Störangriffe

simulieren?
26. Wie soll dadurch der Schutz von Flugzeugen gegen „radargesteuerte Rake-

tenangriffe“ optimiert werden?
27. Auf welche Weise werden „Luftverteidigungsradare“ damit vor Störangrif-

fen geschützt?
28. Inwiefern ist auch die Bundesregierung der Ansicht, dass sich Störsysteme

„an die wachsenden Möglichkeiten neuer Technologien“ anpassen müssten,
und welche Möglichkeiten wären davon erfasst?

Berlin, den 18. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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