BT-Drucksache 18/3207

Rückführungspolitik und Strategie für Migration und Entwicklung

Vom 12. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3207
18. Wahlperiode 12.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Heike Hänsel, Christine Buchholz, Sevim
Dağdelen, Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke, Harald Petzold (Havelland), Jörn
Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Rückführungspolitik und Strategie für Migration und Entwicklung

Im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode haben die CDU, CSU und
SPD das Ziel formuliert, Migrationsfragen u. a. zur Steuerung der Zuwanderung
stärker und konkreter in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit Dritt-
staaten zu verankern. Die Koalition strebt ein stärkeres Ineinandergreifen von
Migrations-, Außen- und Entwicklungspolitik an, die den Bereich Rückkehr-
förderung und Identitätsklärung mit einschließt. Insbesondere soll die Bereit-
schaft von Herkunfts- und Transitstaaten bei der Bekämpfung „illegaler“
Migration geweckt und gestärkt werden. Dazu, so der Koalitionsvertrag, bedürfe
es der Erarbeitung einer „Strategie für Migration und Entwicklung“. Insgesamt
entsteht der Eindruck, dass die Koalitionsparteien im Rahmen dieser Strategie
die Entwicklungspolitik zunehmend in den Dienst einer repressiven Migrations-
politik stellen wollen.
Bei der Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer sind deutsche Behörden in
vielen Fällen auf Passersatzpapiere angewiesen, die nur durch Angehörige der
Auslandsvertretungen oder andere Bevollmächtigte der Herkunftsstaaten aus-
gestellt werden können (vgl. Bundestagsdrucksachen 18/204; 17/8042; 17/664;
16/10515¸ 16/164; 16/4723; 14/6746). Die Bundesregierung beschrieb im Jahr
2005 das fehlende Kooperationsverhalten der Herkunftsstaaten als ein Vollzugs-
hindernis bei Abschiebungen, da eine Reihe von Herkunftsländern die Rückfüh-
rungen u. a. durch die schleppende Erteilung von Heimreisedokumenten, lang-
wierige Identitätsklärungen oder das Verlangen nach persönlicher Vorsprache
der Betroffenen erschweren würden (Bundestagsdrucksache 16/164).
Bereits im Jahr 2000 arbeitete eine Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz
einen Forderungskatalog für den Umgang mit Herkunftsstaaten aus, der neben
Botschaftereinbestellungen und Visabeschränkungen auch den Stopp bzw. starke
Einschränkungen der Entwicklungszusammenarbeit enthielt (DER SPIEGEL
20/2000: „Hilfe nur bei Wohlverhalten“). Die vom damaligen Bundesinnen-
minister Otto Schily eingesetzte „Unabhängige Kommission Zuwanderung“ for-
derte in ihrem Bericht vom Juli 2001 ebenfalls, dass zur Verbesserung der Rück-
führungspraxis eine einvernehmliche Lösung zwischen widerstreitenden Politik-
bereichen gefunden werden müsse. Neben Außen-, Innen-, und Wirtschaftspoli-
tik zählte die Kommission dazu auch die Entwicklungshilfepolitik.

Drucksache 18/3207 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwiefern hatte der im Jahr 2000 erarbeitete Forderungskatalog der Innen-

ministerkonferenz Auswirkungen auf die Arbeit der Bundesregierung und
den Umgang mit Herkunftsstaaten?

2. Inwieweit sind die im Koalitionsvertrag formulierten Bemühungen der
Bundesregierung, eine Strategie für Migration und Entwicklung zu erarbei-
ten, gediehen, und unter der Federführung welches Bundesministeriums
wird die Strategie ausgearbeitet?

3. Gibt es eine Arbeitsgruppe, die sich mit der Ausarbeitung der Strategie für
Migration und Entwicklung beschäftigt?
Wenn ja, wann kam es zu Sitzungen dieser Arbeitsgruppe, Mitarbeiter
welcher Fachreferate welcher Bundesministerien haben an ihnen teilgenom-
men, und welche Tagesordnungspunkte wurden besprochen?
Wenn nein, ist die Gründung einer solchen Arbeitsgruppe vorgesehen, und
wie soll sie sich zusammensetzen?

4. Welche Gremien bestehen zwischen Vertretern des Bundesministeriums des
Inneren (BMI) und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung (BMZ), um sich regelmäßig zu Migrationsthemen
auszutauschen?

5. Wie heißen diese Gremien, wann kam es in den letzten fünf Jahren zu
Sitzungen, Mitarbeiter welcher Fachreferate haben an ihnen teilgenommen,
und welche Tagesordnungspunkte wurden besprochen?

6. Welche Anfragen zur Zusammenarbeit in den Bereichen freiwillige und
zwangsweise Rückkehr hat das BMI an das BMZ in den vergangenen
zehn Jahren gestellt?

7. In Bezug auf welche der folgenden Länder hat das BMI das BMZ in den ver-
gangenen zehn Jahren angefragt, die Entwicklungszusammenarbeit zu
modifizieren: Ägypten, Algerien, Armenien, Aserbaidschan, Äthiopien,
Bangladesch, Benin, Burkina Faso, China, Côte d’Ivoire, Eritrea, Ghana,
Guinea, Indien, Iran, Jemen, Jordanien, Kamerun, Liberia, Marokko, Mali,
Nigeria, Pakistan, Russland, Somalia, Syrien, Sierra Leone?

8. Welchen Anfragen wurde im Einzelnen stattgegeben, und welche konkreten
Maßnahmen wurden ergriffen?

9. Für welche weiteren Länder wurden entsprechende Anfragen vom BMI an
das BMZ gerichtet, und welchen Anfragen wurde gegebenenfalls stattge-
geben?

10. Welchen Beitrag kann und sollte die Entwicklungszusammenarbeit nach
Ansicht der Bundesregierung im Migrationsmanagement im Allgemeinen
und bei der Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländern im Besonde-
ren spielen?

11. Ist das BMZ grundsätzlich oder gelegentlich an der Ausarbeitung bzw. Ver-
handlung von Rückübernahmeabkommen (RÜA) beteiligt?
Falls ja, welchen Beitrag hat das BMZ in den jeweiligen Fällen beigesteuert?

12. War das BMZ an den Verhandlungen über die RÜA mit Bulgarien,
Georgien, Kasachstan, Kroatien, Kosovo, Südkorea und Syrien, den Ver-
handlungen über Migrationsabkommen mit Guinea und Ghana und über die
Absichtserklärung über die Zusammenarbeit im Bereich der irregulären
Migration mit Nigeria beteiligt, und falls ja, in welcher Weise?

13. Wie sieht der Beitrag des BMZ zur Umsetzung der jeweiligen Abkommen
aus?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3207
14. Für welche Zielstaaten und in welchem Umfang unterstützt das BMZ die
freiwillige Rückkehr ausreisepflichtiger Ausländer?

15. Welche Rolle spielt die Rückübernahme ausreisepflichtiger Ausländer
durch Herkunfts- oder Transitstaaten bei der Umsetzung der Sonderinitia-
tive des BMZ „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“?

16. Welche Rolle spielt die Kooperationsbereitschaft der Partnerländer bei der
Rückübernahme von Flüchtlingen in der Entwicklungszusammenarbeit der
Europäischen Union?

Berlin, den 12. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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