BT-Drucksache 18/318

Mögliche Bespitzelung von Journalisten und Journalistinnen durch den Verfassungsschutz auch außerhalb Niedersachsens

Vom 17. Januar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/318
18. Wahlperiode 17.01.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Jan Korte, Sevim Dağdelen, Dr. André Hahn,
Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte,
Kersten Steinke, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Bespitzelung von Journalisten und Journalistinnen durch den
Verfassungsschutz auch außerhalb Niedersachsens

Laut Aussage des niedersächsischen Innenministers hat der Verfassungsschutz
Niedersachsen in der Vergangenheit Daten von mindestens sieben Journalisten
erhoben und gespeichert, obwohl es keinen „Extremismusbezug“ gegeben hat.
Auf Anfrage einer betroffenen Journalistin hat der Verfassungsschutz im Jahr
2012 jedoch mitgeteilt, dass keine Daten gespeichert worden seien. Tatsächlich
wurden die Einträge nach dem Eingang ihrer Anfrage in dem Moment gelöscht
(www.ndr.de vom 25. September 2013).
Die unzulässige Datenerhebung und -speicherung sei bekannt geworden, nach-
dem die Präsidentin des Niedersächsischen Verfassungsschutzes eine Prüfung
der personenbezogenen Daten veranlasst hatte. Alle Speicherungen der Behörde
zu rund 9 000 Personen würden derzeit überprüft. Der betroffenen Journalistin
wurde bisher der Klageweg zur Klärung eines strafrechtlich relevanten Verhal-
tens der Verfassungsschutzbehörde Niedersachsen verwehrt. Ein betroffener
Journalist hatte hingegen mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Göttingen
Erfolg. Das Gericht erteilte der Überwachungspraxis des Nachrichtendienstes
eine Absage und ordnete die Löschung fast aller Akten über den Kläger an. Das
nährt den Verdacht, dass es zumindest Teil der Behördenpraxis sein könnte,
Journalistinnen und Journalisten und Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten,
aber auch Ärztinnen und Ärzte selbst als „extremistisch“ zu erfassen, die im
Zusammenhang von Aktionen, denen ein so genannter Extremismusbezug zu-
geschrieben bzw. unterstellt wird, lediglich ihrem Beruf nachgehen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hat die Bundesregierung nach den unzulässigen Datenerhebungen und -spei-

cherungen in Niedersachsen eine Prüfung der Speicherungspraxis von Jour-
nalistinnen und Journalisten, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, Ärz-
tinnen und Ärzten durch die Nachrichtendienste des Bundes, insbesondere
des Bundesamtes für Verfassungsschutz, veranlasst?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wann hat wer diese Prüfung veranlasst, welcher Zeitraum wurde da-
bei überprüft (mit Datumsangaben), und welche Ergebnisse haben sich erge-
ben?

2. Wie viele Personen waren oder sind von dieser möglichen aktuellen Prüfung
betroffen (bitte nach Behörde und Beruf aufschlüsseln)?

Drucksache 18/318 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. In wie vielen dieser Fälle ergaben die Prüfungen, dass Erfassung und Spei-
cherung rechtswidrig erfolgt sind (bitte nach Behörde und Beruf aufschlüs-
seln)?

4. Wie viele Einträge wurden gelöscht, wie viele gesperrt, und in welcher
Form wurden die Betroffenen von diesen Vorgängen informiert?

5. Wurde das Parlamentarische Kontrollgremium über diese Vorgänge infor-
miert?

6. Welche Regelungen und Verfahren werden von den Nachrichtendiensten
des Bundes grundsätzlich angewandt, um die rechtswidrige Erfassung von
Personen zeitnah (bitte konkretisieren) zu überprüfen, und wie werden die
Kontrollgremien über die Ergebnisse jeweils informiert?

7. Gab es in anderer Form Gespräche und Vereinbarungen, Dienstanweisun-
gen und andere Konsequenzen nach Bekanntwerden der rechtswidrigen Er-
hebung von Personendaten zu Journalistinnen und Journalisten in Nieder-
sachsen auf Bundesebene zu dieser Problematik?

8. Wie viele Personen der in Frage 1 genannten Berufsgruppen waren im Zeit-
raum von 1998 bis 2013 in den Datenbanken der Bundesnachrichtendienste
erfasst (bitte nach Behörde, Beruf und Jahr und Anlass bzw. Bezug der
Speicherung auflisten)?

9. Wie viele der in Frage 8 aufgeführten Einträge mussten als rechtswidrig ge-
löscht, und wie viele gesperrt werden (bitte nach Behörde, Beruf, Anlass
bzw. Bezug der Speicherung und Jahr auflisten)?

10. Wie viele dieser Löschungen mussten von den Betroffenen selbst erzwun-
gen werden, wie viele davon in Gerichtsverfahren, und wie viele davon in
mehrinstanzlichen Verfahren?

11. Gegen wie viele der rechtswidrig Erfassten wurden vor dieser Feststellung
über öffentliche Quellen hinaus nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt?

12. Von wie vielen der rechtswidrig erfassten Personen wurden Informationen
der Nachrichtendienste an andere in- und ausländische Stellen übermittelt,
und in wie vielen Fällen wurden Informationen von anderen Stellen gemäß
der jeweiligen gesetzlichen Grundlagen an die Nachrichtendienste (bei-
spielsweise § 18 des Bundesverfassungsschutzgesetzes) übermittelt, bevor
die Rechtswidrigkeit festgestellt wurde?

Berlin, den 16. Januar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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