BT-Drucksache 18/314

Sprachliche Bereinigung der §§ 211 und 212 des Strafgesetzbuchs und Gesamtreform der Tötungsdelikte

Vom 17. Januar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/314
18. Wahlperiode 17.01.2014

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Sevim Dağdelen, Ulla Jelpke,

Niema Movassat, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Martina Renner,
Kersten Steinke, Frank Tempel, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Sprachliche Bereinigung der §§ 211 und 212 des Strafgesetzbuchs und
Gesamtreform der Tötungsdelikte

Die Ministerin für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein,
Anke Spoorendonk, hat am 13. November 2013 angekündigt, sich für eine Bun
desratsinitiative zur sprachlichen Überarbeitung der §§ 211 und 212 des Straf
gesetzbuchs (StGB) einzusetzen, weil deren Wortlaut bis heute Formulierungen
aus der NS-Zeit enthalte. Wörtlich formulierte Anke Spoorendonk: „Das Unge
wöhnliche an diesen Formulierungen ist ihr Hinweis auf einen vermeintlichen
Tätertyp des ,Mörders‘: Unsere Straftatbestände beschreiben ansonsten nicht be
stimmte Täterpersönlichkeiten, sondern vorwerfbare Handlungen. Nach natio
nalsozialistischer Lesart hingegen war ein Mörder schon als solcher geboren und
er offenbarte sich sozusagen durch die Tat. Insofern spiegeln die Formulierun
gen der Paragrafen 211 und 212 des Strafgesetzbuchs bis heute die NS-Ideologie
wider.“ (vgl. www.schleswig-holstein.de/MJKE/DE/Service/Presse/PI/2013/
Justiz/131113mjke_ Bundesratsinitiative.html). Nach Aussagen der Justizminis
terin Schleswig-Holsteins soll die sprachliche Bereinigung der §§ 211 und 212
StGB ein erster Schritt für eine „notwendige Gesamtreform der Tötungsdelikte“
darstellen.

Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister sowie Justizsenatorin
nen und Justizsenatoren hat den Vorschlag auf ihrer Sitzung am 14. November
2013 einstimmig zur Kenntnis genommen (vgl. www.schleswig-holstein.de/
MJKE/DE/Service/Presse/PI/2013/Justiz/131114mjke_Bundesratsinitiative.
html).

Der Vorstoß der Justizministerin Schleswig-Holsteins stieß auf Zustimmung.
Der Vorsitzende des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins e. V.

vgl. www.spiegel.de/panorama/justiz/mord-und-totschlag-spoorendonk-will-ns
paragrafen-reformieren-a-932317.html). In der „Süddeutschen Zeitung“ vom
21./22. Dezember 2013 hat Heribert Prantl den Vorschlag der Justizministerin
Schleswig-Holsteins ebenfalls unterstützt. Er formulierte: „Der Kern des Straf
rechts besteht aus problematischen Gummi- und Emotionsformeln, die auf das
Jahr 1941, also auf die Nazis zurückgehen.“ (vgl. www. sueddeutsche.de/politik/
reform-des-strafrechts-warum-mord-nicht-gleich-mord- ist-1.1849029).

Der Deutsche Anwaltverein e. V. hat konkrete Vorschläge zur Reformierung der
§§ 211 und 212 StGB vorgelegt (Stellungnahme 1/2014 zur Reform der
Tötungsdelikte Mord und Totschlag; §§ 211, 212, 213 StGB unter www.
anwaltverein.de).

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beispielsweise hält den Vorstoß von Anke Spoorendonk für „absolut berechtigt“

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http://vgl.www.schleswig-holstein.de/MJKE/DE/Service/Presse/PI/2013/
http://vgl.www.spiegel.de/panorama/justiz/mord-und-totschlag-spoorendonk-will-ns-paragrafen-reformieren-a-932317.html)
http://vgl.www.sueddeutsche.de/politik/
http://www.anwaltverein.de/
In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird zudem auf weitere Straftat
bestände verwiesen, die ihren Ursprung oder ihre Erweiterung in der NS-Zeit
haben. So wird auf die Erweiterung des § 240 StGB auf das Merkmal „Drohung
mit einem empfindlichen Übel“ im Jahr 1943 und den sog. Treubruchstatbestand
des § 266 StGB aus dem Jahr 1933 verwiesen (vgl. Prof. Dr. Gerhard Wolf,
Befreiung des Strafrechts von nationalsozialistischen Denken?, HFR 1996, Bei
trag 9, Seite 1).

Auch die Maßregeln der Besserung und Sicherung im StGB stammen im
Wesentlichen aus der NS-Zeit. Sie wurden durch das Gesetz gegen gefährliche
Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung
(RGBl. I S. 995) vom 24. November 1933 eingeführt und nur teilweise in den Jah
ren 1945 bis 1969 abgeschafft.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine sprachliche Bereinigung
der §§ 211 und 212 StGB notwendig ist?

Wenn nein, warum nicht?

2. Unterstützt die Bundesregierung die Forderung der Justizministerin Schles
wig-Holsteins, eine sprachliche Bereinigung der §§ 211 und 212 StGB vor
zunehmen?

Wenn nein, warum nicht?

3. Plant die Bundesregierung eigene Aktivitäten zur sprachlichen Bereinigung
der §§ 211 und 212 StGB?

Wenn nein, warum nicht?

4. Sieht die Bundesregierung Bedarf für eine „nötige Gesamtreform der Tö
tungsdelikte“?

Wenn nein, warum nicht?

5. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, weitere Paragrafen des Straf
rechts im Hinblick auf ihre Herkunft aus der NS-Zeit zu überarbeiten?

Wenn ja, an welche Paragrafen denkt die Bundesregierung?

Wenn nein, warum nicht?

6. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, die Maßregeln der Sicherung
und Besserung angesichts ihrer Herkunft aus der NS-Zeit zu reformieren oder
gar infrage zu stellen?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 16. Januar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

esellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-

gesetze.de

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18. Wahlperiode–Deutscher Bundestag –2 –31418/Drucksache

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