BT-Drucksache 18/3073

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 18/2592, 18/3000 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Luise Amtsberg, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/2736 - Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes c) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/2871 - Sozialrechtliche Diskriminierung beenden - Asylbewerberleistungsgesetz aufheben

Vom 5. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3073
18. Wahlperiode 05.11.2014
Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksachen 18/2592, 18/3000 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes
und des Sozialgerichtsgesetzes

b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Luise Amtsberg, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/2736 –

Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes

c) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sabine Zimmermann
(Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/2871 –

Sozialrechtliche Diskriminierung beenden – Asylbewerberleistungsgesetz
aufheben

Drucksache 18/3073 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
A. Problem
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einem Urteil im Jahr 2012 die Höhe
der Geldleistungen im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für unvereinbar mit
dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
erklärt. Zugleich hat es dem Gesetzgeber aufgegeben, die Leistungssätze künftig
transparent, realitätsgerecht und bedarfsgerecht zu bemessen und sie regelmäßig zu
aktualisieren.

B. Lösung
Zu Buchstabe a
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung setzt die Vorgaben des BVerfG um. Die
neuen Leistungssätze im AsylbLG sind – wie im Zweiten und Zwölften Buch Sozi-
algesetzbuch (SGB II und SGB XII) – auf Grundlage des Statistikmodells der Ein-
kommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) neu ermittelt und gegenüber den alten
Leistungssätzen nach dem AsylbLG deutlich angehoben worden. Eine geringfügige
Abweichung zu den bislang von den Ländern im Rahmen einer Übergangsregelung
gewährten Leistungen ergibt sich lediglich insoweit, als darin einzelne Bedarfe be-
rücksichtigt wurden, die bei den Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG entweder
nicht anfallen oder anderweitig gedeckt werden.
Die Leistungssätze werden entsprechend den Vorgaben des BVerfG künftig – eben-
falls wie im SGB II und SGB XII – regelmäßig nach einem Mischindex fortgeschrie-
ben.
Um die Situation der leistungsberechtigten Kinder, Jugendlichen und jungen Er-
wachsenen zu verbessern, wird auch für die erste Zeit des Aufenthalts im Bundesge-
biet ein Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe festgeschrieben.
Die Dauer des Bezugs von Grundleistungen nach den §§ 3, 4 und 6 wird von derzeit
48 Monaten auf 15 Monate verkürzt. Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG kön-
nen künftig bereits nach einer Wartefrist von 15 Monaten Leistungen entsprechend
dem SGB XII beziehen. Zugleich wird die Wartefrist künftig an die Dauer des tat-
sächlichen Aufenthalts gekoppelt und nicht mehr wie bisher an die Vorbezugszeit.
Die Inhaber eines humanitären Aufenthaltstitels nach § 25 Absatz 5 des Aufenthalts-
gesetzes (AufenthG) werden als Personengruppe aus dem personalen Anwendungs-
bereich des AsylbLG herausgenommen, sofern die Entscheidung über die Ausset-
zung ihrer Abschiebung 18 Monate zurückliegt. Die Inhaber eines Titels nach § 25
Absatz 4a und 4b AufenthG werden ebenfalls als Personengruppe herausgenommen.
Soweit diese Personen hilfebedürftig sind, erhalten sie künftig Leistungen nach dem
SGB II oder SGB XII.
Die akzessorische Anspruchseinschränkung bei Familienangehörigen im Rahmen
des § 1a AsylbLG wird aufgegeben. Hinzu kommen weitere Neuregelungen.
Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksachen 18/2592, 18/3000 in unverän-
derter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Zu Buchstabe b
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert in ihrem Gesetzentwurf, die bis-
lang vom Asylbewerberleistungsgesetz erfassten Personengruppen in die Leistungs-
systeme des SGB II, SGB V und SGB XII einzugliedern.
Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/2736 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Zu Buchstabe c
Die Fraktion DIE LINKE. fordert ebenfalls, die bislang vom Asylbewerberleistungs-
gesetz umfassten Personen in das allgemeine System der sozialen Sicherung nach

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3073
den Sozialgesetzbüchern einzugliedern – einschließlich des Systems der Gesund-
heitsversorgung nach dem SGB V.
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/2871 mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Zu den Buchstaben b und c
Annahme des abgelehnten Gesetzentwurfs und/oder des abgelehnten Antrags.

D. Kosten
Zu Buchstabe a
Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Änderungen führen zu
Minderausgaben bei Ländern und Kommunen in Höhe von 43 Mio. Euro jährlich ab
2016 (31 Mio. Euro in 2015) sowie zu Mehrausgaben beim Bund in Höhe von
37 Mio. Euro jährlich ab 2016 (27 Mio. Euro in 2015).
Durch die Herausnahme der Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Ab-
satz 5 AufenthG, sofern die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung
18 Monate zurückliegt, aus § 1 Absatz 1 Nummer 3 ergeben sich Mehrausgaben für
den Bund bei den Leistungen nach dem SGB II und im Bereich der Leistungen nach
dem SGB XII. Bei Ländern und Kommunen ergeben sich Minderausgaben.
Aufgrund der BVerfG-Entscheidung erbringen die Leistungsbehörden in der Regel
bereits Leistungen für Bildung und Teilhabe an die Bezieher von Grundleistungen
nach § 3 AsylbLG. Die infolge der BVerfG-Entscheidung zu regelnde Bemessung
der Leistungen für Bildung und Teilhabe für hilfebedürftige Leistungsempfänger
nach § 3 AsylbLG als gesetzliche Pflichtleistung führt bei Ländern und Kommunen
zu Mehrausgaben.
Durch die Verkürzung der Bezugsdauer in § 2 Absatz 1 erhält in Zukunft ein erheb-
licher Teil der Leistungsbezieher anstelle von abgesenkten Leistungen nach § 3 Leis-
tungen nach § 2 AsylbLG (analog SGB XII). Dies führt zu einer Verwaltungsver-
einfachung, da diese Personen in größerem Umfang Geld- anstelle von Sachleistun-
gen erhalten.
Die gesetzliche Regelung zur Erbringung von zusätzlichen Pflichtleistungen für Bil-
dung und Teilhabe führt grundsätzlich zu Mehraufwand der Verwaltung.
Zu den Buchstaben b und c
Genaue Kostenrechnungen wurden nicht angestellt.
Drucksache 18/3073 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
a) den Gesetzentwurf auf Drucksachen18/2592, 18/3000 unverändert anzunehmen;
b) den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/2736 abzulehnen;
c) den Antrag auf Drucksache 18/2871 abzulehnen.

Berlin, den 5. November 2014

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Kerstin Griese
Vorsitzende

Matthias W. Birkwald
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3073
Bericht des Abgeordneten Matthias W. Birkwald

I. Überweisung

1. Überweisung
Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/2592 ist in der 57. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. Oktober
2014 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung sowie an den Innenausschuss, den
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Haushaltsausschuss sowie an den Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung überwiesen worden. Der Haushaltsausschuss befasst sich mit
dem Gesetzentwurf darüber hinaus gemäß § 96 GO-BT. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwick-
lung ist gutachterlich mit dem Entwurf befasst.
Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/2736 ist in der 57. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. Oktober
2014 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung sowie an den Innenausschuss, den
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit sowie an den Ausschuss
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen worden.
Der Antrag auf Drucksache 18/2871 ist in der 60. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Oktober 2014
an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung sowie an den Innenausschuss, den
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Haushaltsausschuss und an den Ausschuss für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend sowie an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitberatung
überwiesen worden.
2. Voten der mitberatenden Ausschüsse
Zu Buchstabe a
Der Innenausschuss, der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, der Haushaltsausschuss sowie der
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend haben den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/2592 in
ihren Sitzungen am 5. November 2014 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetz-
entwurfs ohne Änderungen empfohlen.
Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat sich in seiner Sitzung am 24. September 2014
mit dem Gesetzentwurf befasst und eine bedingte Nachhaltigkeitsrelevanz festgestellt. Der federführende Aus-
schuss wurde aufgefordert, eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einzuholen,
warum trotz Bezugnahme zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie in der Gesetzesbegründung weder Indikato-
ren noch Managementregeln dazu genannt würden.
Zu Buchstabe b
Der Innenausschuss, der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Ausschuss für Ge-
sundheit sowie der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe haben den Gesetzentwurf auf
Drucksache 18/2736 in ihren Sitzungen am 5. November 2014 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Ablehnung empfohlen, im Innenausschuss bei einer Stimmenthaltung aus der Fraktion der SPD bei ansons-
ten gleichem Stimmenverhältnis.
Zu Buchstabe c
Der Innenausschuss, der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, der Haushaltsausschuss, der Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Ausschuss für Menschenrechte und huma-
nitäre Hilfe haben den Antrag auf Drucksache 18/2871 in ihren Sitzungen am 5. November 2014 beraten und
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.
Drucksache 18/3073 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a
Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 18. Juli 2012 die Höhe der Geldleistungen im Asylbewerberleistungs-
gesetz (AsylbLG) für unvereinbar mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenz-
minimums erklärt. Zugleich hat es dem Gesetzgeber aufgegeben, die Leistungssätze zukünftig transparent, re-
alitätsgerecht und bedarfsgerecht zu bemessen und sie regelmäßig zu aktualisieren.
Die Ermittlung der existenznotwendigen Leistungen erfolgt – wie im Zweiten und Zwölften Buch Sozialge-
setzbuch (SGB II und XII) – auf der Grundlage der nach § 28 Absatz 3 SGB XII zuletzt durchgeführten Son-
derauswertungen der EVS. Die Höhe der in diesem Gesetzentwurf aufgeführten Geldbeträge wird daher auf
Basis der im Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) festgestellten Ergebnisse der Sonderauswertungen der
EVS (2008) ermittelt.
Darüber hinaus wird der besonderen Situation der Leistungsberechtigten Rechnung getragen. Insbesondere
wird berücksichtigt, dass die Leistungsberechtigten beim Verlassen bzw. bei der Flucht aus ihren Heimatlän-
dern oftmals allenfalls das Nötigste mitnehmen konnten.
Um die Situation der leistungsberechtigten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verbessern, wird
auch für die erste Zeit des Aufenthalts im Bundesgebiet ein Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe
festgeschrieben.
Für die Dauer des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG wird nicht mehr wie bisher auf die Zeiten des
Vorbezugs, sondern auf die Zeit des Aufenthalts im Bundesgebiet abgestellt. Darüber hinaus wird der Zeitraum
von 48 auf 15 Monate verkürzt.
Weiterhin hat das BVerfG festgestellt, dass existenznotwendige Leistungen im AsylbLG nur dann gesondert
bestimmt werden können, wenn der Bedarf der betreffenden Personengruppe an existenzsichernden Leistungen
von dem anderer Bedürftiger belegbar und signifikant abweicht (BVerfG, a. a. O., Absatz-Nummer 99) und
sichergestellt werden kann, dass von einer solchen Regelung hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen
erfasst werden, die sich nach einer Ex-ante-Prognose regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten. Aus
diesem Grund werden Personen mit Aufenthaltstiteln nach § 25 Absatz 5 AufenthG aus dem Anwendungsbe-
reich des AsylbLG herausgenommen, sofern die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung 18 Mo-
nate zurückliegt, da der Aufenthaltstitel nach § 25 Absatz 5 AufenthG unter diesen besonderen Voraussetzun-
gen regelmäßig zu einem Verbleib von längerer Dauer im Bundesgebiet führt. Die Inhaber eines Titels nach
§ 25 Absatz 4a und 4b AufenthG werden ebenfalls aus dem Anwendungsbereich des AsylblG herausgenom-
men.
Dem vom BVerfG hervorgehobenen Grundsatz der individuellen Anspruchsberechtigung wird Rechnung ge-
tragen, indem die akzessorische Anspruchseinschränkung bei Familienangehörigen im Rahmen des § 1a
AsylbLG aufgegeben wird.
Zu Buchstabe b
Die Fraktion BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN verlangt die Eingliederung der bislang vom AsylbLG erfassten
Personengruppen in die sozialen Sicherungssysteme des SGB II, SGB V und SGB XII. Eine Ausgliederung
des genannten Personenkreises aus diesen Leistungssystemen nach dem SGB sei ohne den positiven Nachweis,
dass diese Personen einer gesonderten Regelung der Feststellung des Existenzminimums bedürften, nicht ge-
rechtfertigt. Zur Begründung beruft sich die Fraktion auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in
seinem Urteil vom 18. Juli 2012.
Zu Buchstabe c
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2012 hat nach den Worten der Fraktion DIE LINKE. eine
fast 20 Jahre lang herrschende Politik der Abschreckung und sozialrechtlichen Diskriminierung von Schutzsu-
chenden beendet. Das Gericht habe klargestellt, dass migrationspolitische Erwägungen keine Relativierung des
Menschenwürdegebots rechtfertigten. Die Leistungen des AsylbLG seien evident unzureichend und nicht
transparent und nachvollziehbar ermittelt worden. Es sei unverantwortlich, dass mit der jetzt geplanten Neu-
fassung des Gesetzes an einem sozialrechtlichen Sondersystem festgehalten werden solle. Auch dafür, dass
sich die dem AsylbLG unterfallenden Personen typischerweise nur für kurze Zeit in Deutschland aufhielten,
liege kein plausibler Beleg vor.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3073
III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/2592 sowie
des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/2736 in seiner 20. Sitzung am 10. Oktober 2014 aufgenommen und die
Durchführung einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen beschlossen. Die Beratung über den Antrag
auf Drucksache 18/2871 wurde in der 22. Sitzung am 17. Oktober 2014 aufgenommen und die Durchführung
einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen beschlossen. Die Anhörung fand in der 23. Sitzung am
3. November 2014 statt.
Die Teilnehmer der Anhörung haben schriftliche Stellungnahmen abgegeben, die in der Ausschussdrucksache
18(11)220 zusammengefasst sind.
Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige haben an der Anhörung teilgenommen:
Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V.
Deutscher Städtetag
Deutscher Landkreistag
AOK Bremen/Bremerhaven
Stadt Dortmund, Dezernat für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Wohnungen, Sport und Freizeit
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Flüchtlingsrat Berlin
Deutsches Rotes Kreuz
Hans Dick, München
Antje Herbst, München
Dr. Andreas Decker, Gilching.
Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge begrüßt die in Artikel 1 AsylbLG vorgesehenen
Änderungen (Regierungsentwurf) überwiegend. Dazu gehört, dass die Inhaber eines Titels nach § 25 Abs. 4a
und 4b AufenthG als Personengruppe aus dem AsylbLG herausgenommen und in die Leistungssysteme des
SGB II und SGB XII überführt werden sollen. Für Personen, die Opfer von Menschenhandel geworden seien,
solle damit eine intensive medizinische und psychosoziale Betreuung während der Durchführung der Strafver-
fahren ermöglicht werden. Weiter sei vorgesehen, Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5
AufenthG besitzen, aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG herauszunehmen, sofern die Entscheidung über
die Aussetzung ihrer Abschiebung 18 Monate zurückliege. Nach § 25 Abs. 5 AufenthG könne einem Auslän-
der, der vollziehbar ausreisepflichtig sei, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus
rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer
Zeit nicht zu rechnen sei. Die Herausnahme dieses Personenkreises aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG
sei ebenfalls zu begrüßen, da in vielen Fällen ein dauerhaftes Ausreisehindernis bestehe. Auch die Einführung
einer Erstattungsgrundlage für die Aufwendungen Dritter (Nothelferanspruch) werde begrüßt. Darüber hinaus
wird aber eine umfassende Gesundheitsversorgung von unter das AsylbLG fallenden Patienten gefordert.
Deutscher Städtetag und Deutscher Landkreistag stellen fest, dass die gesetzgeberische Umsetzung des Ur-
teils des Bundesverfassungsgerichts zur Höhe der Geldleistungen nach dem AsylbLG überfällig sei. Der Ge-
setzentwurf der Bundesregierung wolle das Urteil umsetzen. Zu kritisieren sei, dass der Gesetzentwurf nicht
auch die Mehrkosten veranschlagt, die infolge der Übergangsregelungen nach dem Urteil entstanden seien.
Richtig sei, dass Inhaber bestimmter humanitärer Aufenthaltstitel künftig vom Anwendungsbereich des
AsylbLG ausgeschlossen sein sollten. Sofern sie erwerbsfähig und arbeitsuchend seien, fielen sie dann in den
Leistungsbezug des SGB II. Dies führe zugleich dazu, dass die Betroffenen über das SGB II einen eigenstän-
digen Krankenversicherungsschutz erhielten, sodass die Krankheitskosten nicht mehr kommunal zu tragen
seien. Allerdings seien weiterhin Kosten der Unterkunft zu tragen. Bei nicht erwerbsfähigen Leistungsberech-
tigten käme es über die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gleichfalls zu einer kommunalen
Entlastung. Die Situation in den einzelnen Ländern sei allerdings je nach Erstattungsregelung im Bereich des
AsylbLG unterschiedlich, so dass der Wechsel in das SGB II/SGB XII in den Bundesländern für die Kommu-
nen unterschiedliche Entlastungswirkungen habe. Ferner seien durch die Verkürzung der Wartefrist für die sog.
Analogleistungen von 48 Monaten auf 15 Monate Mehrkosten insbesondere im Gesundheitsbereich zu erwar-
ten. Darüber hinaus bedürfe eine Aufhebung des AsylbLG einer intensiven Erörterung hinsichtlich der finan-
ziellen, faktischen und gesellschaftspolitischen Folgen.

Drucksache 18/3073 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die AOK Bremen/Bremerhaven beanstandet, dass durch die vorliegende Gesetzesänderung die Situation der
Asylbewerber in Deutschland zwar besser werde, dennoch würden die bestehenden Probleme in der gesund-
heitlichen Versorgung der Asylbewerber nicht gelöst. Zumindest in den ersten 15 Monaten sei der Anspruch
der Asylbewerber auf Krankenbehandlung weiterhin deutlich eingeschränkt und in der Regel vorab durch die
zuständige Dienststelle des Trägers zu bewilligen. Dieses Verfahren sei nicht nur sehr ineffektiv, sondern be-
hindere unter Umständen eine dringend erforderliche Krankenbehandlung. Zahlreiche bekannte Beispiele der
Vergangenheit belegten dies. Als einzige Krankenkasse in der Bundesrepublik Deutschland betreue die AOK
Bremen/Bremerhaven den Personenkreis der Asylbewerber nach § 264 Absatz 1 SGB V und könne entspre-
chend einen möglichen Lösungsansatz vorstellen. Man habe eine entsprechende Vereinbarung zur Umsetzung
der Leistungserbringung nach § 264 Abs. 1 SGB V mit der Freien Hansestadt Bremen, der Stadt Bremerhaven
und der Freien und Hansestadt Hamburg geschlossen. Ziel dieser Übertragung sei es, eine professionellere,
effizientere und effektivere Krankenbehandlung der Leistungsberechtigten zu gewährleisten und den Verwal-
tungsaufwand der Träger bei der Sicherstellung der Krankenbehandlung erheblich zu reduzieren. Ferner solle
auch bei diesen Berechtigten das Fallmanagement genutzt werden, um eine kostengünstige bedarfsdeckende
Krankenversorgung durch eine aktive Steuerung der Leistungsausgaben zu erreichen. Gleichzeitig solle für die
Leistungsberechtigten mit der Versorgung durch die AOK Bremen/Bremerhaven und der Aushändigung einer
elektronischen Gesundheitskarte ein größtmögliches Maß an Normalität ermöglicht werden. Nach Anmeldung
der Träger erhielten die Leistungsberechtigen für die Zeit des Aufenthalts in einer Erstaufnahmeeinrichtung
umgehend eine Ersatzkarte. Mit Umzug in eine Folgeunterkunft werde nach Vorlage eines Lichtbildes eine
elektronische Gesundheitskarte ausgestellt. Die Leistungsberechtigten könnten somit unkompliziert Leistun-
gen in Anspruch nehmen, ohne vorab eine Bewilligung der zuständigen Dienststelle einholen zu müssen. Der
Umfang des Leistungsanspruches ergebe sich aus den §§ 4 und 6 AsylbLG. Da die gesetzliche Definition zu
unbestimmt und in der Praxis schwer umsetzbar sei, seien in den jeweiligen Vereinbarungen die Leistungen,
die nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen gewährt werden dürften, festgehalten.
Die Stadt Dortmund, Dezernat für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Wohnungen, Sport und Freizeit, schließt sich
grundsätzlich der Einschätzung durch den Deutschen Verein an. Artikel 1 des Regierungsentwurfs folge den
Vorgaben des BVerfG, wonach Leistungsdifferenzierungen bei der Festlegung des menschenwürdigen Exis-
tenzminimums nur (noch) Personengruppen erfassen dürften, die sich regelmäßig kurzfristig in Deutschland
aufhielten und deren Bedarfe belegbar und signifikant abwichen. Sofern die Entscheidung über die Aussetzung
der Abschiebung bereits mehr als 18 Monate zurückliege, sei der Verbleib im AsylbLG nicht mehr zu recht-
fertigen. Die Herausnahme dieser Personengruppe aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG werde als sach-
gerecht begrüßt. Durch den Wechsel dieser Personen in das SGB II oder SGB XII würden positive finanzielle
Auswirkungen erwartet. Dies liege allerdings an der in NRW gegebenen Ausgangssituation.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge befürwortet den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Der
Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN sowie der Antrag der Fraktion DIE LINKE. werden dagegen nicht befürwortet. Das Bundesverfas-
sungsgericht habe den Gesetzgeber verpflichtet, für den Anwendungsbereich des AsylbLG eine Neuregelung
zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zu treffen. Diese Vorgabe werde durch den Gesetz-
entwurf der Bundesregierung vollständig erfüllt. Die darin vorgesehenen Leistungsregeln stünden im Einklang
mit Artikel 1 Absatz 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 Absatz 1 GG. Insbeson-
dere werde in dem Gesetzentwurf auch die spezifische Situation der Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG
im Unterschied zu den Leistungsberechtigten nach dem SGB II und SGB XII berücksichtigt. Dies gelte auch
vor dem Hintergrund, dass ein Zusammenhang zwischen Leistungen und der Anzahl der Asylanträge festge-
stellt werden könne.
Der Flüchtlingsrat Berlin kritisiert u. a., dass der Gesetzentwurf der Bunderegierung an dauerhaften verfas-
sungswidrigen Leistungseinschränkungen und Sanktionen, entwürdigenden Sachleistungen und der Minimal-
medizin festhalte. Dies verstoße gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum und die
Maßgabe des BVerfG, allenfalls Ausländer mit kurzfristigem Aufenthalt im AsylbLG zu erfassen. Dass die
migrationspolitischen Sanktionen nach § 1a Nummer 1 AsylbLG (Einreise zum Leistungsbezug) und nach § 2
Absatz 1 AsylbLG (Ausschluss von Leistungen analog dem SGB XII bei früherem Rechtsmissbrauch) unab-
hängig vom aktuellen Verhalten über 15 Monate hinaus dauerhaft Anwendung fänden, verstoße gegen die
Maßgabe des BVerfG, keine Kürzungen aus migrationspolitischen Gründen vorzunehmen und als unbefristete
Sanktion zudem gegen das Übermaßverbot. Die Leistungskürzungen nach § 1a Nummer 1 und 2 AsylbLG
beinhalteten zudem einen verfassungswidrigen Eingriff in das Existenzminimum. Dies verstoße gegen das Be-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/3073
stimmtheitsgebot, weil die Höhe der Kürzung faktisch im Belieben der Behörden stehe. Ferner werde das Exis-
tenzminimum verletzt, indem die Regelbedarfe nach § 3 Absatz 1 und 2 AsylbLG gegenüber dem Referenz-
system des SGB II und SGB XII erheblich gekürzt würden. Ohne nachvollziehbare Begründung ersatzlos ge-
strichen würden Teile des Hausrats- und Gesundheitsbedarfs, der Warmwasserbedarf, der Erstausstattungsbe-
darf für Kleidung, für Hausrat sowie bei Schwangerschaft und Geburt und die Mehrbedarfe für Schwangere,
Alleinerziehende und Behinderte.
Aus Sicht des Deutschen Roten Kreuzes sollte der Kreis der Leistungsberechtigten – wenn überhaupt – allein
auf Asylsuchende beschränkt werden. Bei allen anderen Personengruppen, die auch im vorliegenden Gesetz-
entwurf noch vom Anwendungsbereich des AsylbLG umfasst seien, sei die Anforderung des Bundesverfas-
sungsgerichts, dass die gesetzliche Umschreibung dieser Gruppe hinreichend zuverlässig tatsächlich nur dieje-
nigen erfasse, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhielten, nicht gewährleistet. Bei allen auf-
gezählten Aufenthaltstiteln aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen sehe das Gesetz viel-
mehr eine Aufenthaltsverfestigung nach § 26 Abs. 4 AufenthG ausdrücklich vor. Die Praxis zeige, dass diese
Menschen – wie auch die Inhaber einer Duldung – sich regelmäßig nicht nur vorübergehend in Deutschland
aufhielten. Der Vorschlag des Bundesrates, alle Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären, politi-
schen oder völkerrechtlichen Gründen aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG zu streichen, werde somit
ausdrücklich begrüßt. Die gegenüber dem Referentenentwurf vorgenommene Einschränkung im Gesetzent-
wurf, wonach Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG nur dann aus dem Anwen-
dungsbereich des AsylbLG herausgenommen würden, wenn die Entscheidung über die Aussetzung der Ab-
schiebung 18 Monate zurückliege, sei im Hinblick auf die Prognoseentscheidung, welche nach den Vorgaben
des Bundesverfassungsgerichts vorzunehmen sei, jedoch ungeeignet, um etwas über den tatsächlichen Verbleib
im Bundesgebiet zu sagen, da es bereits Erteilungsvoraussetzung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5
AufenthG sei, dass mit dem Wegfall der Abschiebungshindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei. Zu
Anspruchseinschränkungen nach § 1a AsylbLG-E: Die neue Regelung des § 1 a Nummer 2 AsylbLG-E stelle
insofern eine begrüßenswerte Verbesserung dar, als sie klarstelle, dass sich leistungsrechtliche Sanktionierun-
gen nicht mehr auf Familienangehörige erstrecken dürften und somit die sog. „Sippenhaft“ einschränke. An-
sonsten bleibe die Regelung des § 1 a AsylbLG aber weitgehend unverändert.
Der Sachverständige Hans Dick stellt fest, dass der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylbewer-
berleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes“ das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2012
in verfassungsrechtlich zulässiger Weise umsetze. Es regele darüber hinaus einige wenige Punkte, welche die
Rechtsstellung von Kindern verbesserten oder für die Praxis von Bedeutung seien. Es greife allerdings viele
aktuell bedeutsame und offene Fragen der Asyl- und Asylsozialpolitik nicht auf. Der „Entwurf eines Gesetzes
zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes“ und der Antrag „Sozialrechtliche Diskriminierung been-
den – Asylbewerberleistungsgesetz aufheben“ dagegen gingen über den verfassungsrechtlichen Auftrag hinaus
und regelten nicht nur die verfassungsrechtlich notwendigen existenzsichernden Leistungen. Ferner gingen die
Initiativen davon aus, dass die Lebenssituation neu ankommender Asylbewerber mit der anderer hier lebender
Personen vergleichbar sei.
Die Sachverständige Antje Herbst begrüßt die Anpassung der Beträge für die Grundleistungen gemäß § 3
AsylbLG für Ernährung, Kleidung, Gesundheitspflege usw. Die Fortschreibung der Bedarfe des AsylbLG wie
im SGB XII sei richtig und gewährleiste eine jährliche Überprüfung und Anpassung der Beträge. Als richtiges
politisches Signal lobt die Sachverständige auch die Regelung, Leistungsberechtigte mit einer Aufenthaltser-
laubnis gemäß § 25 Abs. 4a und 4b AufenthG aus dem AsylbLG in das SGB II bzw. SGB XII zu überführen.
Schwierig stelle sich dagegen der Leistungswechsel für Leistungsberechtigte mit einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 5 AufenthG 18 Monate nach der Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung dar. Hier
könne der Leistungsträger nicht anhand des vom Leistungsberechtigten mitzuführenden ausländerrechtlichen
Titels erkennen, welches Leistungsgesetz einschlägig sei. Hier wäre zunächst ein Datenaustausch zwischen
Leistungsträger und Ausländerbehörde erforderlich, bevor der zuständige Leistungsträger ermittelt werden
könne – was zur Verzögerung bei der Leistungsgewährung führen könne. Die Anhebung der Grenze zur An-
rechnung von Erwerbseinkommen sowie die Einführung eines Freibetrages beim Vermögen in § 7 AsylbLG
sei dagegen zu begrüßen.
Der Sachverständige Dr. Andreas Decker gibt zu bedenken, dass es eine politische, keine rechtliche Ent-
scheidung sei, Ausländern mit voraussichtlich vorübergehendem Aufenthalt im Bundesgebiet im Vergleich zu
Leistungsberechtigten nach dem SGB XII bzw. dem SGB II nur abgesenkte Leistungen zu gewähren (Minde-
rung um ca. 10 Prozent). Das Verfassungsrecht stehe einer solchen Differenzierung nicht grundsätzlich entge-
gen. Der Entwurf sehe eine solche Differenzierung vor und setze die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts

Drucksache 18/3073 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
weitestgehend um. An einigen Stellen erscheine der Entwurf aber noch ergänzungsbedürftig. Allerdings sei der
Gesetzentwurf gerade auch im Hinblick auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts noch um eine
Übergangsregelung zu ergänzen und zwar bezüglich der Folgen für nicht bestandskräftige Bescheide für Leis-
tungszeiträume ab dem 1. Januar 2011 sowie in Bezug auf die Änderung des § 2 AsylbLG dahingehend, dass
zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes bereits verwirklichte tatsächliche Aufenthaltszeiten
im Rahmen des § 2 AsylbLG zu berücksichtigen seien (oder auch nicht). Aufgrund der unterschiedlichen
Schreib- und Zitierweise des Asylbewerberleistungsgesetzes einerseits und des vorliegenden Entwurfs ande-
rerseits erscheine zudem eine Neubekanntmachungserlaubnis mit der Befugnis, sprachliche und rechtschreib-
technische Unebenheiten des Gesetzes zu glätten, sinnvoll.
Weitere Einzelheiten der Stellungnahmen sind der Materialzusammenstellung auf Drucksache 18(11)220 so-
wie dem Protokoll der Anhörung zu entnehmen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/2592 in seiner 24. Sitzung
am 5. November 2014 abschließend beraten und dem Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Annahme ohne Änderungen empfohlen.
Ferner hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/2736 in seiner 24. Sit-
zung am 5. November 2014 abschließend beraten und dem Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Frakti-
onen CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Ablehnung empfohlen.
Darüber hinaus hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales den Antrag auf Drucksache 18/2871 in seiner 24. Sit-
zung am 5. November 2014 abschließend beraten und dem Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Frakti-
onen CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Ablehnung empfohlen.
Die Fraktion der CDU/CSU erklärte, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung das Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts 1:1 umsetze. Die Sachverständigen hätten den Entwurf in allen wesentlichen Zügen bestätigt.
Die Kritik richte sich zudem teilweise auf Dinge, die nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundes seien. So sei
zu bedenken, dass die Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes in der Zuständigkeit der Länder liege.
Über die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG entschieden daher die für die Durchführung des
AsylbLG zuständigen Stellen nach dem jeweiligen Landesrecht. Die Länder hätten ihren Pflichten nachzukom-
men. Die Kommunen dürften aber in der Konsequenz nicht mit zusätzlichen Aufgaben und Kosten belastet
werden.
Die Fraktion der SPD verwies mit Stolz darauf, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nunmehr
umgesetzt würden – und das in einem guten Gesetz. Dieses bringe deutliche Verbesserungen für die Betroffe-
nen, beispielsweise durch die Öffnung der Leistungen im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets für Kinder
und Jugendliche sowie durch höhere Freibeträge für das Vermögen der Anspruchsberechtigten. Der Gesetzent-
wurf müsse allerdings auch im Kontext einer umfassenderen Reform des Asylrechts gesehen werden und könne
daher für sich gesehen nicht alle Probleme lösen. Die Kritik der Opposition sei auch vor diesem Hintergrund
nicht nachvollziehbar, zumal der geforderte leichtere Arbeitsmarktzugang für Asylberechtigte und Flüchtlinge
gar nicht im Asylbewerberleistungsgesetz geregelt sei. Die von der Opposition geforderte ersatzlose Streichung
des Asylbewerberleistungsgesetzes jedenfalls nutze den Betroffenen hierfür nicht.
Die Fraktion DIE LINKE. forderte die ersatzlose Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Dieses
„Sondergesetz“ solle Asylsuchende durch schlechte Behandlung abschrecken. Dies aber habe das Bundesver-
fassungsgericht ausdrücklich untersagt. Auch Flüchtlinge sollten vom ersten Tag ihres Aufenthalts an arbeiten
dürfen. Integrative Maßnahmen und eine umfassende Gesundheitsversorgung müssten ebenfalls von Anfang
an sichergestellt werden. Abweichungen bei der Berechnung des Bedarfs von Asylsuchenden gegenüber ande-
ren Leistungsberechtigten müssten dem Verfassungsgerichtsurteil zufolge nachgewiesen werden. Das sei der
Bundesregierung aber nicht gelungen. Das Existenzminimum sei in diesem Sinne als unteilbar zu verstehen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhob ebenfalls die Forderung nach Abschaffung des Asylbewer-
berleistungsgesetzes. Die Asylsuchenden müssten in das Regelsystem des SGB II und SGB XII eingegliedert
werden. Es gebe bereits umfassende Kritik wegen der mangelnden Transparenz bei der Berechnung der Re-
gelsätze für Leistungsberechtigte. Diese Transparenz aber habe das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/3073
verlangt. Entsprechende Berechnungen seien anhand des Gesetzentwurfs nicht nachvollziehbar. Ferner müsse
die Gesundheitsversorgung für diesen Personenkreis von Anfang an besser werden. Einschränkungen auch in
diesem Bereich seien „reine Schikane“ und als solche vom Bundesverfassungsgericht untersagt worden.

Berlin, den 5. November 2014

Matthias W. Birkwald
Berichterstatter

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