BT-Drucksache 18/3037

Zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung in der Republik Moldau

Vom 3. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3037
18. Wahlperiode 03.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katrin Kunert, Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Andrej Hunko,
Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung in der Republik Moldau

In der ehemaligen Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik entwickelte
sich Mitte der 80er-Jahre eine starke Nationalbewegung, die noch vor Auflösung
der UdSSR die politische Macht übernahm und das Ziel der Vereinigung mit
dem Nachbarstaat Rumänien verfolgte. Bereits im Jahr 1989 wurde Russisch als
zweite Amtssprache abgeschafft und die Rückkehr der moldauischen Sprache
zum lateinischen Alphabet beschlossen. Danach wurde zeitweilig Rumänisch
zur alleinigen Amtssprache erklärt.
Die ethnonationalistische Politik der Zentralregierung löste insbesondere in den
überwiegend von nichtmoldauischen Bevölkerungsgruppen besiedelten Gebie-
ten schwere Konflikte aus. Die mehrheitlich von russischsprachiger Bevöl-
kerung bewohnte Region Transnistrien (Gebiete östlich des Flusses Dnjestr/
Dnister) und das mehrheitlich von türkischsprachiger Bevölkerung bewohnte
Gebiet Gagausien versuchten daraufhin, sich von der Republik Moldau abzu-
spalten.
In Transnistrien eskalierten die Auseinandersetzungen im Jahr 1992 zu einem
offenen Krieg mit ca. 1 000 Toten, der erst durch das Eingreifen der dort statio-
nierten 14. russischen Armee beendet wurde. Seitdem ist die Region de facto
von Moldau unabhängig, wurde jedoch bis heute von keinem Staat diplomatisch
anerkannt. Die Konfliktlösung scheiterte bislang an den gegensätzlichen Vorstel-
lungen beider Konfliktparteien zum künftigen politischen Status Transnistriens
und an den ökonomischen Vorteilen, die die herrschenden Eliten jeweils aus der
Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Status quo ziehen.
Demgegenüber konnte mit Hilfe eines umfassenden Autonomieabkommens im
Jahr 1994 die Region Gaugasien wieder eingegliedert werden. In jüngster Zeit
drohte der Konflikt erneut zu eskalieren, weil die amtierende moldauische
Mitte-Rechts-Regierung innenpolitisch einen national akzentuierten Kurs ver-
folgte und sich die gagausische Bevölkerung außenpolitisch gegen das Asso-
ziierungsabkommen mit der Europäischen Union (EU) und für engere politische
und wirtschaftliche Beziehungen zu Russland aussprach.
Angesichts des in der Republik Moldau zwischen den unterschiedlichen Bevöl-
kerungsgruppen weiterhin vorhandenen bzw. wieder zunehmenden Konflikt-
potenzials kommt der zivilen Konfliktbearbeitung eine Schlüsselrolle bei der
Friedensförderung und Friedenserhaltung zu. Maßnahmen der zivilen Konflikt-
bearbeitung können einen bedeutenden Beitrag dazu leisten, die gewaltförmige
Eskalation von Konflikten zu verhüten und einzudämmen. Die CDU, CSU und
SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, die zivile Konfliktpräven-
tion und Konfliktbearbeitung zu stärken und weiterzuentwickeln.

Drucksache 18/3037 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Initiativen hat die Bundesregierung seit Beginn der

18. Wahlperiode ergriffen, fortgeführt bzw. geplant, um die bilateralen Struk-
turen und Kapazitäten der zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung
in der Republik Moldau zu stärken und weiterzuentwickeln (bitte einzeln
nach Initiative, Organisation und aufgewendeten Mitteln auflisten)?

2. Welche konkreten Initiativen der zivilen Krisenprävention und Konflikt-
bearbeitung, die mit den Strukturen und Kapazitäten der EU in der Republik
Moldau durchgeführt werden, unterstützt die Bundesregierung seit Beginn
der 18. Wahlperiode (bitte einzeln nach Initiative, Organisation und aufge-
wendeten Mitteln auflisten)?

3. Wie viele Projektanträge von zivilgesellschaftlichen Organisationen für den
Bereich zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung sind seit dem Jahr
2005 in Bezug auf die Republik Moldau in welchen Bundesministerien ein-
gegangen (bitte einzeln nach Jahren, Projekt, Organisation, finanziellem und
personellem Volumen auflisten)?
a) Wie lang war die durchschnittliche Bearbeitungsdauer?
b) Von wem wurde nach welchen Kriterien üblicherweise über die Projekt-

anträge entschieden?
c) Wie viele der jeweiligen Anträge wurden in welcher Höhe für welchen

Zeitraum bewilligt und wie viele abgelehnt (bitte nach Antragsteller, Pro-
gramm und finanziellem Antragsvolumen in Euro, davon bewilligt und
abgelehnt, auflisten)?

d) Aus welchen einzelnen Haushaltstiteln wurden die Projekte finanziert?
e) Wie viele der Anträge wurden von deutschen und wie viele von ausländi-

schen Organisationen gestellt (bitte nach Herkunftsstaaten auflisten)?
f) Wie viele der bewilligten Anträge berücksichtigten auch genderspezifische

Aspekte in ihrer Zielsetzung, und in welcher Weise findet dieser Ansatz in
der Projektdurchführung und Projektevaluation Berücksichtigung?

g) Wie viele der bewilligten Anträge betreffen die Bereiche interkultureller
und interreligiöser Dialog, Trauma- und Versöhnungsarbeit, und durch
wen und wie wurden bzw. werden diese Projekte evaluiert?

h) In welcher Weise stellt die Bundesregierung bei den geförderten Projekten
die Anwendung des „Do-no-harm“-Ansatzes sicher?

4. Wie bilanziert die Bundesregierung die Ergebnisse des im Jahr 2013 durch-
geführten Projekts der Crisis Management Initiative „Moldova-Trans-
dniestria: Supporting the Peace Process“, und wofür wurden die hierfür vom
Institut für Auslandsbeziehungen bereitgestellten Mittel in Höhe von ca.
150 000 Euro konkret verausgabt (vgl. Plenarprotokoll 18/45, Anlage 2)?

5. Wie bilanziert die Bundesregierung die Ergebnisse ihrer Schwerpunktset-
zung in der deutschen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit der Re-
publik Moldau im Jahr 2013 beim Themenfeld „Demokratie, Zivilgesell-
schaft und öffentliche Verwaltung“, und welche konkreten Projekte wurden
in diesem Zusammenanhang durchgeführt (vgl. Plenarprotokoll 18/45, An-
lage 2; bitte ggf. nach Projekt und aufgewendeten Mitteln auflisten)?

6. Welche konkreten Vorhaben wurden bei den Regierungsverhandlungen am
18. Juni 2014 zur Fortführung dieses Schwerpunkts vereinbart (vgl. Plenar-
protokoll 18/45, Anlage 2)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3037
7. Wie sieht der aktuelle Stand bei der Machbarkeitsstudie des Bundesminis-
teriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bezüglich der
beabsichtigten Infrastrukturmodernisierung in den Städten Dubăsari und
Criuleni aus, und inwieweit gedenkt die Bundesregierung dieses Moderni-
sierungsvorhaben auch zur Vertrauensbildung und zivilen Konfliktbearbei-
tung zwischen den Bevölkerungen beiderseits des Dnjestrs zu nutzen (vgl.
Plenarprotokoll 18/45, Anlage 2)?

8. In welchen Bereichen haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung be-
reits zivilgesellschaftliche Ansätze von gemeinsamer Kooperation zwischen
den Bevölkerungen beiderseits des Dnjestrs entwickelt, und in welchem
Umfang findet hierbei nach Kenntnis der Bundesregierung insbesondere
auch ein beruflicher und wissenschaftlicher Austausch zwischen beiden
Landesteilen statt?

9. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung genderspezifischen Ansätzen
im Bereich der zivilen Krisenprävention und Konfliktmediation bei, und
wie viele Projekte zur Stärkung der Rolle von Frauen in Friedensprozessen
hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2005 in der Republik Moldau geför-
dert (bitte einzeln nach Projekt, Organisation, Laufzeit und finanziellem
Fördervolumen auflisten)?

10. Wie viele Projekte zum Schutz, zur Aus- und Weiterbildung von Menschen-
rechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern hat die Bundes-
regierung seit dem Jahr 2005 in der Republik Moldau gefördert (bitte einzeln
nach Projektinhalt, Organisation, Laufzeit und finanziellem Fördervolumen
auflisten)?

11. Mit welchen Maßnahmen und Verfahren prüft und gewährleistet die Bundes-
regierung die Umsetzung der „Leitlinien der EU zum Schutz von Menschen-
rechtsverteidigern“ in den staatlichen Institutionen der Republik Moldau
bzw. in den von der Bundesregierung in der Republik Moldau geförderten
Projekten?

12. In welchem Umfang wurden entsprechend der EU-Leitlinien spezielle
humanitäre Visa für den vorübergehenden Schutz von moldauischen Staats-
angehörigen ausgestellt und Schutzprogramme für bedrohte Menschen-
rechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger eingerichtet?

13. Wie viele Asylanträge mit Bezug auf Menschenrechtsarbeit hat die deutsche
Botschaft in der Republik Moldau seit dem Jahr 2005 erhalten, und wie
viele davon wurden mit welcher Begründung bewilligt bzw. abgelehnt?

14. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Beziehungen zwi-
schen der Autonomen Territorialen Einheit Gagausien (UTA Găgăuzia) und
der moldauischen Zentralregierung in den letzten Jahren entwickelt, und
welche aktuellen Hinweise, ggf. auch nachrichtendienstlicher Herkunft, lie-
gen der Bundesregierung zu den Gründen für eine mögliche Zuspitzung des
Gagausenkonflikts vor (bitte näher erläutern)?

15. Wie viele Angehörige von nichtgagausischen Bevölkerungsgruppen leben
nach Kenntnis der Bundesregierung innerhalb der UTA Găgăuzia, um
welche Gruppen handelt es sich, und welche Erkenntnisse hat die Bundes-
regierung über ihre humanitäre und menschenrechtliche Lage (bitte näher
erläutern)?

16. Welche eigenen Instrumente zur Krisenfrüherkennung nutzt die Bundes-
regierung im Fall der Republik Moldau, und inwieweit sind diese im
Hinblick auf die Situation innerhalb der UTA Găgăuzia und die politischen
Beziehungen zwischen der gagausischen Autonomieregierung und der
moldauischen Zentralregierung bislang von Bedeutung gewesen?

Drucksache 18/3037 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
17. Welche – gegebenenfalls auch nachrichtendienstlichen – Erkenntnisse haben
die Bundesregierung oder nachgeordnete Stellen über den mutmaßlichen
Kauf von 10 000 militärischen Uniformen durch den gagausischen Gouver-
neur Mihail Formuzal (www.economist.com/blogs/easternapproaches/2014/
07/moldova-and-eu), und inwieweit steht dies nach Kenntnis der Bundes-
regierung im Zusammenhang mit einem möglichen Aufbau von eigenen
militärischen Sicherheitsstrukturen innerhalb der UTA Găgăuzia?

18. Welche Aktivitäten haben nach Kenntnis der Bundesregierung von ihr mit-
finanzierte Organisationen seit Beginn der 18. Wahlperiode unternommen,
um im Bereich der internationalen Krisenfrüherkennung und Konflikt-
mediation einer möglichen Zuspitzung des Gagausenkonflikts präventiv
entgegenzuwirken (bitte einzeln unter Angabe der durchführenden Institu-
tion bzw. Organisation auflisten)?

19. Inwieweit werden in dem EU-Assoziierungsabkommen die auf dem Terri-
torium der Republik Moldau vorhandenen bzw. latenten Konflikte berück-
sichtigt, und welchen Stellenwert misst die Bundesregierung Maßnahmen
der zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung bei der Entschärfung
der innermoldauischen Konflikte im Zusammenhang mit dem EU-Asso-
ziierungsabkommen mit der Republik Moldau bei?

Berlin, den 3. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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