BT-Drucksache 18/2960

Die Politik der Deutschen Regierung, der EU, USA und NATO in der Ukraine-Krise

Vom 17. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2960
18. Wahlperiode 17.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr. Diether Dehm, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu,
Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Die Politik der Deutschen Regierung, der EU, USA und NATO in der Ukraine-Krise

„Über eine Assoziierung hätte man reden können, aber zeitgleich mit Russland!
Das ,Entweder oder‘ – also entweder Assoziierung mit der EU oder Zollunion
mit Russland – war der Anfangsfehler“ (Altkanzler Gerhard Schröder in WELT
am SONNTAG, 11. Mai 2014).
„Die Aufbruchsstimmung in der Ukraine wurde nicht mehr klug begleitet“,
kritisiert der Altkanzler Dr. Helmut Kohl laut „BILD Zeitung“. „Ebenso hat es
an Sensibilität im Umgang mit unseren russischen Nachbarn gemangelt, insbe-
sondere mit Präsident Putin“, (Dr. Helmut Kohl in BILD Zeitung, 12. März
2014).
Im Jahr 2013 hat die Europäische Union (EU) ihre Assoziierungsverhandlungen
mit den postsowjetischen Ländern Moldawien, Georgien und der Ukraine vo-
rangetrieben. Damit hat sie den bereits schon lange schwelenden Konflikt um
die Ukraine verschärft und die schwerste Krise in Europa seit dem Ende der Ost-
West-Blockkonfrontation ausgelöst. „Der grundlegende Fehler lag in der EU-
Assoziierungspolitik“, sagte Altkanzler Gerhard Schröder der „WELT am
SONNTAG“ (WELT am SONNTAG, 11. Mai 2014). Die Ukraine ist für die EU
und die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) von höchstem wirtschaftlichem
Interesse, weil sie über große Vorkommen an Rohstoffen und einen großen
Markt von über 45 Millionen Einwohnern verfügt. Mit der Integration der Krim
in die Russische Föderation hat Russland seinen bisherigen prinzipiellen Kurs
der Völkerrechtstreue, der berechtigten Kritik am Völkerrechtsbruch der EU
und NATO in Jugoslawien bei der völkerrechtswidrigen EU-Anerkennung des
Kosovo (IMI-Standpunkt 2007/023, vgl. auch: Der Kosovo als Blaupause für
die Krim, Altbundeskanzler Gerhard Schröder, 9. März 2014), nicht konsequent
fortgesetzt.
Die Ukraine ist aufgrund der historisch gewachsenen Arbeitsteilung, aber auch
für Russland ökonomisch von zentraler Bedeutung. Nach wie vor ist die Ukraine
Lieferant wichtiger Komponenten für die russische Industrie. Konkret fürchtet
Russland, dass die Übernahme europäischer Standards und Regulationen fak-
tisch den Weg für russische Produkte auf den ukrainischen Markt versperren.
Die EU habe in den Verhandlungen mit Kiew nicht ausreichend die historisch
starke Verflechtung der ukrainischen mit der russischen Wirtschaft berücksich-
tigt. Zudem bestünde für Russland die Gefahr, dass über die Ukraine illegal
europäische Waren in das Gebiet der Zollunion kommen (www.mdz-moskau.eu/
assoziiert-und-nun/#sthash.ZbxHlhp1.dpuf).

Drucksache 18/2960 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Für Russland ist es auch eine Auseinandersetzung um die Aufrechterhaltung der
eigenen industriellen technologischen Basis. Das hat Präsident Wladimir Putin
auch mehrfach in seinen Reden deutlich gemacht. Russland will keine indus-
trielle Peripherie sein.
Auch geostrategisch und militärisch ist die Ukraine sowohl für den Westen als
auch für Russland von Bedeutung. Russland fühlt sich von einer expandierenden
NATO bedroht. Die Ukraine spielt aus russischer Sicht allein schon aufgrund
ihrer Größe und aufgrund ihrer strategischen Lage eine endscheidende Rolle.
„Sollte Russland Weißrussland oder die Ukraine verlieren, verliert es seine stra-
tegische Tiefe, die wesentlich mit seiner Fähigkeit zusammenhängt, das russi-
sche Kernland verteidigen zu können“ (George Friedland Strategic Forecast).
Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wäre eine ernste Bedrohung für Russ-
land. Mehrfach hat die NATO angedeutet, dass sie die Ukraine aufnehmen will.
Der Westen, die USA und die EU, kritisierte der russische Außenminister Sergei
Lawrow jüngst in der Generalversammlung der Vereinten Nationen (27. Sep-
tember 2014) „habe, nachdem sie ihren Sieg im Kalten Krieg erklärt hatten, eine
Erweiterung des von ihnen kontrollierten geopolitischen Raums anvisiert“. Die
Vorschläge Russlands hinsichtlich der Schaffung einer gemeinsamen Sicher-
heitsarchitektur wurden vom Westen ausgeschlagen. Alle Versprechen an Russ-
land wurden nicht eingehalten. Auch viele Altpolitiker der Bundesrepublik
Deutschland sehen es ähnlich. Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher
äußerte sich gegenüber dem Sender „Phoenix“, dass er Wladimir Putins Empö-
rung über die Stationierung von Truppen und Waffensystemen an der russischen
Westgrenze für berechtigt halte.
Von der Mehrheit des EU-Parlaments gehen keine Entspannungssignale nach
Moskau aus. Das EU-Parlament hat am 18. September 2014 eine Resolution
gegen Russland im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise verabschiedet. Die
Resolution fordert die Aufkündigung der strategischen Partnerschaft mit Russ-
land. Ebenso soll die Kooperation im Nuklearbereich beendet sowie die Aufkün-
digung der strategischen Partnerschaft Russland im Energiebereich erklärt wer-
den (Lage in der Ukraine und Sachstand in den Beziehungen zwischen der EU
und Russland, Entschließung des EU-Parlaments vom 18. September 2014).
Die NATO verschärft ihren Kurs gegenüber Russland und beschließt in Wales
die Stationierung einer schnellen Eingreiftruppe im Baltikum und in Polen. Die
jüngsten NATO-Beschlüsse widersprechen der Grundakte des NATO-Russland-
Rates. Die Grundakte beschränkt u. a. die Stationierung von Soldaten in Osteu-
ropa. Zugleich finden in der Ukraine und im Schwarzen Meer mehrere NATO-
Manöver statt. Darunter ein Manöver unter dem Namen „Schneller Dreizack“,
der zu Irritationen führt, da der Dreizack das Symbol der ukrainischen Bandera-
Faschisten ist.
Die deutsche Politik wirkt nach Auffassung der Fragesteller derzeit alles andere
als deeskalierend im Konflikt. Wider besseren Wissens macht der Bundesminis-
ter des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, in seiner Rede vor der UN-
Generalversammlung Russland für die Zuspitzung der Krise verantwortlich und
die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, verhärtet ihre Position zur Aufrecht-
erhaltung von Sanktionen gegen Russland.
Statt entsprechend der Vereinbarung zwischen Russland, der EU, den Maidan-
Parteien und Präsident Wiktor Janukowitsch vom 22. Februar 2014 zur Bildung
einer Regierung der Einheit, die auch die Interessen des russischen Ostens mit
einbezieht, stürmten die Maidan-Parteien am 22. Februar 2014 das ukrainische
Parlament und putschten den legitimen Präsidenten weg. Die Maidan-Parteien
bildeten eine Regierung unter Einschluss von Faschisten. Dies geschah mit
Billigung der EU einschließlich der Bundesregierung. Keine der EU-Regierun-
gen protestierte gegen die putschartige Machtübernahme und die Absetzung

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2960
eines legitim gewählten Präsidenten unter Bruch der geltenden ukrainischen
Verfassung. Keine der EU-Regierungen protestierte gegen die Beteiligung
faschistischer Kräfte an der Übergangsregierung (Freitag, 18. September 2014).
Dies stellt nach Ansicht vieler Kritiker einen Tabubruch dar. Dazu veröffentlichte
die „Jüdische Allgemeine“ vom 19. September 2014 einen Kommentar: „Wir als
Bürger der Bundesrepublik Deutschland haben die Pflicht, uns dagegen zu
wehren, dass wir uns einer ukrainischen Regierung verpflichtet fühlen sollen,
die bereit ist, ihre politischen Ziele mit allen Mitteln zu erreichen – wenn es sein
muss, auch mit nazistischen Gruppierungen“.
Die ukrainische Übergangsregierung vertiefte die Spaltung der Ukraine. Sie pro-
vozierte den russisch-sprachigen Süden und Osten des Landes mit dem Dekret,
russisch als Amtssprache zu verbieten. Dies spitzte die Lage zu und führte zum
Aufstand in der Ostukraine. Dafür trägt die EU ebenfalls eine hohe Verantwor-
tung: „Die EU hat ignoriert, dass die Ukraine ein kulturell tief gespaltenes Land
ist.“ Schon immer hätten sich die Menschen im Süden und Osten der Ukraine
eher an Russland orientiert, sagte Altkanzler Gerhard Schröder. Zur gleichen
Zeit begann die Verfolgung linker Parteien und der Partei der Regionen, die im
Wesentlichen die Interessen der Bevölkerung des Ostens der Ukraine vertritt.
Rechte Schlägerbanden verfolgten und bedrohten linke Politiker, darunter den
Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU). Gegen die
KPU läuft ein Verbotsverfahren, mit einer rechtstaatlich wenig belastbaren An-
klageschrift.
Im Oktober 2014 sollen in der Ukraine Wahlen stattfinden. Wie repräsentativ
und demokratisch können diese Wahlen sein, wenn wichtige politische Akteure
wie die KPU – sie erhielt bei den letzten freien Wahlen am 28. Oktober 2012
schließlich 13,8 Prozent der Stimmen – und die Partei der Regionen vom Verbot
bedroht sind. Sollten diese Parteien nicht zugelassen werden, so wird es keine
Vertretung der großen russischen Bevölkerungsanteile geben. Der Wahl wird die
demokratische Legitimität fehlen und den Konflikt in der Ukraine vertiefen.
Das einflussreiche rechte Lager in der Ukraine sowie das Kriegslager, zu dem
der amtierende Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk und die Dnipropetrowsker
Oligarchen gehören, wollen die Kriegsoption in der Ukraine lange offenhalten.
Am 30. September 2014 erklärte Andrej Lysenko, offizieller Sprecher des Si-
cherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine: „Wir werden den Modus der
Waffenruhe befolgen. Sobald aber der Beschluss kommt, unsere Territorien zu
befreien, werden wir das tun.“ Die ist zwar bankrott, aber die ukrainische Füh-
rung will milliardenschwere Waffenkäufe vornehmen. Die Frage stellt sich nun,
mit welchen finanziellen Mitteln. Einige ukrainische Beamte und Politiker for-
dern gar die nukleare Wiederbewaffnung der Ukraine. Auf den nuklear freien
Status der Ukraine soll, nach dem Willen gewichtiger Teile der ukrainischen
Regierung, verzichtet werden. Der ukrainische Verteidigungsminister Valeri
Geletej sagte hingegen kürzlich, dass die Ukraine auf ihren nuklearfreien Status
verzichten müsste (www.german.ruvr.ru/2014_09_19/Die-Ukraine-angstigt-
den-Westen-mit-einer-Atombombe-8549/).
Mit ihrer Sanktionspolitik hat die EU gegenüber Russland nicht zur Entspan-
nung der Lage beigetragen. Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel erklärte am
29. September 2014, dass sie diese Sanktionen beibehalten wolle. Der frühere
Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher plädiert indes für eine Auf-
hebung der Sanktionen und für ein Ende der verbalen Aufrüstung gegen Russ-
land.
Die den Streitkräften der Ukraine unterstellten bewaffneten Formationen, sowie
den prorussischen Milizen werden schwere Menschenrechtsverstöße vorgewor-
fen. In dessen sind in der Ostukraine Massengräber getöteter Zivilisten entdeckt
worden. Viele Indizien deuten darauf hin, dass diese Verbrechen von den rechts-

Drucksache 18/2960 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
extremen ukrainischen Freiwilligen Bataillonen begangen wurden. Leider hat
der Westen bisher daraufhin nicht reagiert. Bisher ist die Forderung nach Errich-
tung einer unabhängigen Untersuchungskommission nicht von der EU und den
USA erhoben worden. In einem Bericht der Beobachtermission des Amtes des
UNO-Menschenrechtskommissars wird darauf hingewiesen, dass „die den
Streitkräften der Ukraine unterstellten bewaffneten Formationen weiterhin ge-
gen die Prinzipien des internationalen humanitären Rechts verstoßen (Report of
the United Nations High Commissioner for Human Rights on the situation of
human rights in Ukraine, 19. September 2014). Besonders besorgniserregend für
die UNO-Menschenrechtsmission sind die Berichte über andauernde Men-
schenverschleppungen, Erpressungen und willkürliche Festnahmen, die von den
Kiew unterstellten Bataillonen Aidar, Dnepr-1, Kiew-1 und Kiew-2 vorgenom-
men werden.
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der ukraini-
schen Regierung vor, Menschenrechtsbrüche zu tolerieren. Konkret heißt es, die
Regierung in Kiew würde ukrainischen Freiwilligenverbänden, die an der Seite
des regulären Militärs kämpfen, freie Hand lassen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass der Ukraine im Sinne der Aus-

sage von Altkanzler Gerhard Schröder „Das Entweder oder“ – also ent-
weder Assoziierung mit der EU oder Zollunion mit Russland durch Ver-
treter der EU in den Assoziierungs-Verhandlungen mit Präsident Wiktor
Janukowitsch als Entscheidung abverlangt wurde?

2. Sollte dies nicht zutreffen, gibt es Dokumente, die das Gegenteil belegen?
3. Sollte dies zutreffen, wer ist innerhalb der EU oder ihren Kommissionen da-

für verantwortlich?
4. Haben die Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer in irgendeinem ihrer

Treffen eine solche Verhandlungsstrategie festgelegt, um der Ukraine eine
Entscheidung zwischen Zollunion und EU abzuverlangen?

5. Wenn ja, welche Analyse oder Strategie lag der Entscheidung zugrunde?
6. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass von den USA erheblicher Druck

auf Europa ausgeübt wurde, um Sanktionen gegen Russland zu verhängen
(Schweiz Magazin vom 3. Oktober 2014)?

7. Haben nach Ansicht der Bundesregierung die Verantwortlichen der EU zu
irgendeinem Zeitpunkt die russischen Interessen in der Ukraine mitberück-
sichtigt?

8. Sollten russische Interessen berücksichtigt worden sein, welche Angebote
wurden Moskau unterbreitet?

9. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass russische Interessen in der
Ukraine berücksichtigt werden müssen, um zu gut nachbarschaftlichen Be-
ziehungen mit der Russischen Föderation zu gelangen und so Frieden und
Stabilität in Europa abzusichern?

10. Worin bestehen die „Strukturreformen“ aus dem Assoziierungsabkommen
der Ukraine mit der EU?

11. Plant die ukrainische Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung, die
Korruption im Lande zu bekämpfen, und welche Maßnahmen sind bereits
oder sollen nach Kenntnis der Bundesregierung zur Bekämpfung der Kor-
ruption in der Ukraine eingeleitet werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2960
12. Gibt es nach Kenntnislage der Bundesregierung Empfehlungen der Europä-
ischen Union an Kiew, dass die Vermögen der ukrainischen Oligarchen be-
steuert werden sollen?

13. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Forderungen der EU an die
ukrainische Regierung, dass die ins Ausland transferierten milliarden-
schweren Vermögen der ukrainischen Oligarchen repatriiert werden sollen,
um den Staatsbankrott abzuwenden?

14. Welche Auswirkungen haben nach Kenntnis der Bundesregierung die aus
dem Assoziierungsvertrag der EU mit der Ukraine abverlangten Struktur-
maßnahmen auf die Sozial-, Bildungs- und Gesundheitspolitik der Ukraine?

15. Welche Auswirkungen hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Inkraft-
setzung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und der Ukraine im
Jahr 2015 auf die ukrainische Industrieproduktion?

16. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass der wichtigste Export der Ukra-
ine, hochwertige Industrieprodukte mit einen hohen Anteil an Wertschöp-
fung, mit Russland stattfindet, während sich der Export in den Westen eher
auf Rohstoffe, Agrarerzeugnisse und Stahl beschränkt?

17. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass infolge eines Wegbrechens des
Russland-Exportes die ukrainische Luftraum-, Flugzeugbau- und Maschi-
nenbauindustrie in ihrer Existenz gefährdet ist und die Ostukraine, in der im
Wesentlichen die industrielle Basis der Ukraine angesiedelt ist, von der De-
industrialisierung bedroht ist?

18. Wenn die Bundesregierung nicht dieser Auffassung ist, worauf gründet sie
ihre Auffassung?

19. Auf welche Projektion gründet die Bundesregierung ihre Annahme, dass
der Industriestandort Ukraine mit seinem bisherigen hohen Wertschöp-
fungsanteil und seiner eigenständigen technologischen Basis auch in Zu-
kunft aufrechterhalten werden kann?

20. Hat es nach Kenntnis der Bundesregierung Gespräche der EU mit Russland
über die Folgen einer EU-Assoziierung für die russische Wirtschaft gege-
ben?

21. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
22. Hat die russische Seite in diesen Gesprächen nach Kenntnis der Bundes-

regierung auf die negativen Folgen einer EU-Assoziierung der Ukraine für
die russische Wirtschaft hingewiesen?

23. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Wirtschaftszweige der Russischen
Föderation durch den Einbruch des Ukraineexportes negativ betroffen sein
werden?

24. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung die EU in ihrer Verhandlungsstra-
tegie zum Assoziierungsabkommen mit der Ukraine russische ökonomische
Interessen berücksichtigt?

25. Wenn nein, mit welcher Begründung?
26. War nach Kenntnis der Bundesregierung der aufziehende Konflikt mit

Russland wegen der Ukraine und wegen den schwerwiegenden geopoliti-
schen und ökonomischen Interessen Russlands an der Ukraine nicht abseh-
bar?

27. Wenn ja, welche konfliktmindernde Strategie verfolgte die Bundesregie-
rung im Rahmen der bilateralen Beziehungen zu Russland und im Rahmen
der EU?

Drucksache 18/2960 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
28. Warum erkannte die Bundesregierung die aus dem gewaltsamen Umsturz
vom 22. Februar 2014 hervorgegangene Regierung an, obwohl es zur Ent-
schärfung der ukrainischen Krise ein trilaterales Abkommen vom 21. Fe-
bruar 2012 zwischen EU, Russland und der Ukraine unter Präsident Wiktor
Janukowitsch gab, um vorgezogene Präsidenten- und Parlamentswahlen
durchzuführen?

29. War der Bundesregierung nicht bekannt, dass in der neuen Regierung, die
in Kiew gebildet wurde, der russisch geprägte Osten des Landes nicht mehr
vertreten und somit der Konflikt vorprogrammiert war?

30. Stellt nach Auffassung der Bundesregierung die Bildung der Kiewer Regie-
rung vom 22. Februar 2014 nicht ein Bruch der mit Russland erzielten Ver-
einbarungen dar?

31. Wenn die Bundesregierung nicht dieser Meinung ist, warum nicht?
32. Wurde nach Auffassung der Bundesregierung bei der Abwahl des legitim

gewählten Präsidenten Wiktor Janukowitsch die damals geltende ukraini-
sche Verfassung eingehalten?

33. Wenn ja, worauf stützt die Bundesregierung ihr Urteil?
34. Wie viele der ukrainischen Parlamentarier nahmen nach Kenntnis der Bun-

desregierung an der Abstimmung teil?
35. Wurde nach Auffassung der Bundesregierung laut geltender Verfassung der

Ukraine das nötige Quorum anwesender Parlamentarier erreicht, um die
Absetzung des Präsidenten Wiktor Janukowitsch abzusichern?
Wurde nach Auffassung der Bundesregierung, der durch die ukrainische
Verfassung von 2004 vorgegebene Weg zur Amtsenthebung eingehalten?

36. Was unternahm die Bundesregierung nach der Einbringung des Gesetzent-
wurfs in das ukrainische Parlament, der den Gebrauch der russischen Spra-
che als offizielle Sprache verbieten wollte, um in diesem Konflikt deeska-
lierend auf die neue ukrainische Regierung einzuwirken?

37. Wurde der ukrainischen Regierung seitens der Bundesregierung der Vor-
schlag nach einer Föderalisierung des Landes unterbreitet, noch bevor die
Konflikte im Osten ausbrachen und an Schärfe zunahmen?

38. Wenn ja, wie reagierte die neue ukrainische Regierung auf diesen Vor-
schlag?

39. Wenn nein, wieso wurde so ein nach Auffassung der Fragesteller zentraler
Vorschlag, der zur Deeskalation hätte beitragen können, nicht unterbreitet?

40. Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung Widerstände gegen die Födera-
lisierung der Ukraine seitens der rechtsnationalistischen und faschistischen
Parteien innerhalb der Kiewer-Koalitionsregierung?

41. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Größe und Umfang neo-
nazistischer Kräfte in der Ukraine?

42. Ist der Bundesregierung bekannt, dass auf der Budapester Tagung von 2013
des Jüdischen Weltkongresses ein Verbot der ukrainischen Svoboda-Partei
wegen ihrer neonazistischen, antisemitischen und völkischen Ausrichtung
gefordert wurde (taz.die tageszeitung vom 20. März 2014, Freitag vom
22. Februar 2014?

43. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Svoboda-Partei?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2960
44. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Svoboda-Partei eine Parteischule
unterhielt, die den Namen Josef Goebbels trug (Tadeusz Olszansky vom
4. Juni 2011 „Svoboda Party – The New Phenomenon on the Ukrain Right
Wing Scene“)?

45. Sind der Bundesregierung die Berichte der polnischen Wochenzeitung
„Nei“ vom 18. April 2014 bekannt, die darüber berichtete, dass rechte
Aktivisten, die auf dem Maidan-Platz bewaffnete Auseinandersetzungen
gegen die Staatsgewalt entfachten, in Polen im Rahmen eines Regierungs-
programmes militärisch ausgebildet wurden?

46. Sollte dies nach Kenntnis der Bundesregierung zutreffen, wurde dann von
Seiten der Bundesregierung bei der polnischen Regierung über die Gründe
nachgefragt, ukrainische Neonazis militärisch auszubilden?

47. Hat die Bundesregierung von der ukrainischen Regierung zu irgendeinem
Zeitpunkt den Ausschluss der völkischen neonazistischen Parteien aus der
ukrainischen Regierungskoalition gefordert, weil dies mit den selbsterklär-
ten Prinzipien der Europäischen Union und dem Kampf gegen Neonazis-
mus und Antisemitismus in Deutschland nicht im Einklang steht?

48. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Antisemitismus in der
Ukraine?

49. Ist der Bundesregierung die hohe Zahl von Auswanderungen ukrainischer
Juden nach Israel bekannt, weil diese sich vor den faschistischen Kräften in
der Ukraine fürchten (Haaretz vom 8. April 2014, Express vom 21. April
2014 „Ukraine jewish residents look for a refuge in Israel“)?

50. Ist Deutschland nach Auffassung der Bundesregierung aufgrund der deut-
schen Geschichte nicht dazu verpflichtet, deutlich Stellung gegen Antisemi-
tismus in der Ukraine zu beziehen und für den Schutz der ukrainischen Ju-
den einzutreten?

51. Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung der Antisemitismus im ei-
genen Land bekämpft werden, ohne dem in Osteuropa grassierenden Anti-
semitismus entgegenzutreten?

52. Womit begründet die Bundesregierung ihre Unterstützung für die militäri-
sche Offensive im Osten des Landes, die mehr als 3 500 zivile Opfer gefor-
dert hat (vgl. Handelsblatt vom 16. April 2014)?

53. Hat die Bundesregierung Initiativen ergriffen, um im frühen Stadium des
Konfliktes die ukrainische Regierung dazu zu bewegen, auf die russisch-
sprachige Bevölkerung und ihre Interessensvertreter zuzugehen und die Es-
kalation des Bürgerkrieges abzuwenden?

54. Hat die Bundesregierung im frühen Stadium der Auseinandersetzung in der
Ukraine Initiativen ergriffen, um die ukrainische Regierung von einer Föde-
ralisierung des Landes zu überzeugen, so dass bereits in diesem Stadium
eine weitere Eskalation hätte vermieden werden können?

55. Welche Kräfte waren nach Kenntnis der Bundesregierung innerhalb der uk-
rainischen Regierung gegen eine föderale Struktur des Landes?

56. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über dem Einfluss rechter und
neonazistischer Kräfte innerhalb der umstrukturierten ukrainischen Natio-
nalgarde?

57. Welche Konsequenzen für die künftige Zusammenarbeit mit dem ukraini-
schen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk gedenkt die Bundesregierung
angesichts seiner Zugehörigkeit zur rechtsextremen Partei Volksfront zu
ziehen (www.hintergrund.de vom 15. September 2014 „Der Mann des Wes-
tens und die Neonazis“)?

Drucksache 18/2960 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
58. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Menschenrechtsverlet-
zungen in der Ukraine?

59. Ist der Bundesregierung bekannt, das Amnesty International (Amnesty In-
ternational vom 22. September 2014) gravierende Menschenrechtsverlet-
zungen durch die Nationalgarde und freiwillige Verbände in der Ostukraine
an der russischsprachigen Bevölkerung aufgedeckt hat sowie den Minister-
präsidenten Arsenij Janzenjuk dazu aufforderte, weitere Menschenrechts-
verletzungen zu unterbinden und die Verantwortlichen zu bestrafen?

60. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung in ihrer Zusammen-
arbeit mit der ukrainischen Regierung angesichts der Vorwürfe, die der UN-
Bericht (Report of the United Nations High Commissioner for Human
Rights on the situation of human rights in Ukraine vom 19. September
2014) über Menschenrechtsverletzungen in der Ostukraine erhoben hat, die
von den Streitkräften der Ukraine unterstellten bewaffneten Formationen
begangen wurden?

61. Hat die Bundesregierung darüber mit der ukrainischen Regierung gespro-
chen?

62. Beabsichtigt die Bundesregierung, darüber mit der ukrainischen Regierung
zu reden?

63. Wenn nein, warum nicht?
64. Hat die Bundesregierung von sich aus die Unterbindung möglicher weiterer

Menschenrechtsverletzungen seitens der ukrainischen Regierung sowie die
Bestrafung der Verantwortlichen, vergleichbar mit der Ahndung von Men-
schenrechtsverletzungen während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien,
gefordert?

65. Wenn nein, aus welchem Grund?
66. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die mögliche Betei-

ligung der rechtsextremen ukrainischen Organisationen am Massaker in
Odessa vor?

67. Liegen der Bundesregierung oder ihr unterstellte Behörden (Bundesnach-
richtendienst) Erkenntnisse über die Beteiligung von etwa 500 Rechtsextre-
men vor, die mit Hilfe des Gouverneurs der Region, Wladimir Nemirowsky,
nach Odessa gebracht und aufgestachelt wurden, das Gewerkschaftshaus
anzugreifen (Russia Today vom 11. September 2014)?

68. Ist der Bundesregierung bekannt, dass der offizielle Bericht der ukraini-
schen Regierung zu den Vorgängen in Odessa verändert wurde (www.kopp-
verlag.de vom 11. September 2014)?

69. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse darüber vor, dass in der überarbei-
teten Fassung des Berichtes zu den Vorgängen im Gewerkschaftshaus in
Odessa Zeugenaussagen fehlen, die sich auf die Beteiligung von Andrij
Parubij, den damaligen Sekretär des nationalen Sicherheits- und Verteidi-
gungsrates, bei der Vorbereitung des Massakers in Odessa beziehen?

70. Ist der Bundesregierung bekannt, dass neben dem rechtsextremen Andrij
Parubij sich ebenso der Chef des Sicherheitsrates der Ukraine Valentin
Naliwatschenko, sowie der Innenminister Arsen Awakow geweigert haben,
am Untersuchungsausschuss mitzuarbeiten?

71. Ist der Bundesregierung bekannt, ob bereits gegen Beschuldigte Anklage
erhoben worden ist?

72. Wie viele Beschuldigte stehen nach Kenntnissen der Bundesregierung vor
Gericht oder sind angeklagt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/2960
73. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele der Angeklagten einen rechtsex-
tremen und ukrainisch-nationalistischen Hintergrund aufweisen?

74. Ist der Bundesregierung bekannt, dass sich die meisten Anklagen (100 von
103) gegen Teilnehmer des Anti-Maidan-Protestes richten?

75. Gibt es eine Prozessbeobachtung vonseiten der Bundesregierung?
76. Plant die Bundesregierung eine Entsendung von Prozessbeobachtern?
77. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Verfolgung linker Par-

teien in der Ukraine?
Hat sie bereits dieses Problem bei Konsultationen mit Vertretern der ukrai-
nischen Regierung angesprochen?

78. Hat die Bundesregierung gegenüber ihren ukrainischen Partnern über das
drohende Verbot der KPU und anderer linker Parteien und Organisationen
gesprochen?

79. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
80. Wenn nein, aus welchem Grund erfolgte dies nicht?
81. Ist der Bundesregierung das Dokument bekannt, mit dem das Verbotsver-

fahren gegen die KPU begründet wird?
82. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
83. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Wahlen ohne Beteiligung

der Interessensvertreter der russischen Bevölkerung im Osten und Süden
der Ukraine nicht demokratisch sein können?

84. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die bevorstehenden Wah-
len in der Ukraine?
Werden diese in allen Regionen der Ukraine stattfinden?

85. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des früheren Bundesaußenmi-
nisters Hans-Dietrich Genscher, dass die NATO Zusagen gegenüber Russ-
land verletzt habe?

86. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die atomare Wie-
derbewaffnung der Ukraine vor?

87. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse über ein eigenes Uran-Anreiche-
rungsprogramm oder eine Beteiligung der Ukraine an internationalen Uran-
Anreicherungsprogrammen (www.dw.de/ukraine-diskussion-%C3%BCber-
atomare-wiederbewaffnung/a-3157125) vor?

88. Wenn ja, handelt es sich um waffenfähiges Uran?
89. Wenn ja, mit welchen Ländern kooperiert die Ukraine nach Kenntnis der

Bundesregierung bei der Uran-Anreicherung?
90. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des neuen NATO-Generalsekre-

tärs Jens Stoltenberg, der die Auffassung vertritt, dass die NATO-Pläne zur
Steigerung der militärischen Präsenz in Osteuropa den internationalen Ver-
pflichtungen der Allianz entsprechen und nicht der Grundakte Russland-
Nato von 1997 zuwiderlaufen (RIA Novosti vom 7. Oktober 2014)?

91. Wenn nicht, warum nicht?
92. Welche Auswirkungen haben nach gegenwärtiger Einschätzung die Sank-

tionen der EU auf die deutsche Wirtschaft?
93. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Massengräber von Zivi-

listen in der Region Luhansk und Donezk, die infolge des Bürgerkrieges zu
Tode kamen?

Drucksache 18/2960 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
94. Befürwortet die Bundesregierung, wie im Falle der Massengräber, die im
ehemaligen Jugoslawien aufgefunden wurden, hierfür die Bildung einer
internationalen Untersuchungskommission zur Aufklärung der Vorfälle?

95. Kann die Bundesregierung die Information bestätigen, dass laut Aussage
des Sprechers des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrats,
Andrej Lyssenko, vom 7. Oktober 2014, die Hilfsgüter, die die Bundes-
regierung auf Initiative des Bundesministers für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, per Lastwagenkolone
aus 17 deutschen Städten kommend in die Ukraine geschickt hat, nur für
die Gebiete in der Ostukraine bestimmt sein, die von den ukrainischen Re-
gierungstruppen kontrolliert werden und nicht in die von den pro-russi-
schen Milizen kontrollierten Gebiete?

96. Worauf begründet die Bundesregierung diese Entscheidung?
97. Hat die Bundesregierung Kenntnis von der humanitären Situation in den

von den pro-russischen Milizen kontrollierten Gebieten der Ostukraine?
98. Was verspricht sich die Bundesregierung durch diese selektive Verteilung

der Hilfsgüter?
99. Wie ist diese Entscheidung zustande gekommen?
100. Sind das Bundeskanzleramt und das Auswärtige Amt über die Hilfs-

sendung vorab informiert worden?

Berlin, den 16. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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